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Allgemeiner Anzeiger : 12.09.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191709128
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-09
- Tag 1917-09-12
-
Monat
1917-09
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.09.1917
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Vie Einschnürung Deutschlands. Von Staatssekretär a. D. v. Linde an ist. Erfreulicherweise ist fast allgemein inDeutsch- rand der Schritt des Papstes, zur Beendigung des Krieges beizutragen, so ausgenommen und gewürdigt worden, wie es einer den edelsten Regungen entspringenden Kundgebung von so holler Stelle gebührt. Dies darf uns aber nicht hindern, ganz unbefangen zu prüfen, ob die von Seiner Heiligkeit ausgestellten Bedin gungen uns die denkbar größte Sicherheit geben, daß unsere schweren Blutopfer nicht vergeblich gebracht find und Fortbestand und freie Ent wicklung des deutschen Volkes durch sie gewähr leistet wird. Eine der für Deutschland wichtigsten Forde rungen, die die päpstliche Note aujstellt, ist „die vollständige Räumung Belgiens mit Garantie einer vollen politischen, militärischen und wirt schaftlichen Unabhängigkeit". Ich habe bereits vor einiger Zeit ausgesührt, daß es unmöglich ist, in Belgien den früheren Zustaud wieder- herzusiellen, der ja von wirklicher Neutralität sehr weit entfernt war. Ein ans der alten Grundlage wiederaufgerichtetes Belgien wird fast Naturnotwendigkeit noch viel mehr ins Lager unserer Feinde hinübergezogen und da durch zum Aufmarschgebiet für sie und zwar in erster Linie für England werden, als dies bereits vor dem Krieg der Fall gewesen ist. Mit dieser meiner Ansicht befinde ich mich nicht nur in voller Übereinstimmung mit so gründ lichen Kennern der Verhältnisse Belgiens und der flandrischen Küste, wie der verstorbene Ge neralgouverneur Freiherr v. Bissing und der Großadmiral v. Tirpitz, sondern ebenso mit in Belgien geschäftlich und industriell ansässigen Deutsch-Belgiern, die dort geboren sind und mit Deutschen, die jahrzehntelang in Belgien gewohnt haben und als mit den dortigen Zu ständen besonders gut vertraut gelten dürfen. Man bedenke nur, wie eng die Regierungen unsere Feinde durch den dreijährigen Krieg, durch die gemeinsamen Erlebnisse und fortgesetzten Beratungen miteinander verkettet worden sind, und man glaube doch ja nicht, daß dies alles nach dem Kriege nicht stark und lange nach wirkt, zumal von englischer und französischer Seite alles geschehen wird, um diese nahen Beziehungen nickt erkalten zu lassen, sondern üe im Gegenteil sorgsam zu pflegen. Was nützen da die schönsten Verträge! Die Bedin gungen mögen noch so sorgfältig aufgestellt, die Versicherungen striktester Neutralität noch so feierlich gegeben werden: es und und bleiben papierene Zusicherungen. Wir müssen nach den furchtbaren Erfahrungen dieses Krieges endlich begreifen lernen, daß wir alle unsere Waffenersolge dauernd in Frage stellen, wenn wir uns nur auf solche Verträge verlassen, und wenn wir bei ihrer Durchführung die gleiche Treue und Ehrlichkeit auf feiten unserer Gegner voraussetzen, die für uns selbstverständlich ist. Wenn Deutschland seine heutige Macht stellung in Belgien ohnes weiteres aufgibt, wie die päpstliche Note es vorsieht, so wird die englische Gefahr von Westen noch viel drohen der und unmittelbarer, als sie je vor dem Kriege gewesen ist. Sie droht aber auch von Osten in früher nicht geahnter Weise. Seit einiger Zeit weiß man ja, daß die Engländer mit Landankäufen an der baltischen Küste und auf den vor gelagerten Inseln vorgegangen sind. Nach neueren, gut verbürgten Nachrichten nehmen die Landankäufe in Livland und Estland, besonders in der Umgegend von Reval, immer größere Ausdehnung und bedrohlicheren Eharakler an. Es werden von den Engländern die höchsten Preise geboten. Wenn man nun noch hinzu nimmt, daß nach Mitteilungen französischer Zeitungen in Nordsranlreich, insbesondere in Calais und Umgegend, Landpacht- Verträge auf 99 Jahre in beträchtlichem Um fange getätigt worden sind, und nach den gleichen Quellen viele Franzosen Calais selbst bereits ausgeben und nur noch Le Havre aus den Krallen der Engländer zu retten hoffen, so wird sich niemand bei so berechneter und ener gischer Festsetzung derselben ans dein Festlaude die große Gefahr der Einschnürung Deutsch-j lands von Ost und West her verhehlen können. Dieselbe würde in geradezu katastrophaler Weise gesteigert werden, wenn wir nicht diejenige Machtstellung in Belgien behaupten, welche uns militärisch und politisch wirlsamste reale Sicher heiten gewährleistet. Außer der mit solchem Erfolge vor und während des Krieges betriebenen englischen Ein kreisung würden wir uns dann trotz des helden mütigsten und glorreichsten Kampfes der Welt geschichte einer jede gesunde Lebenseutfaltung erstickenden Einschnürung durch unseren erbittert sten und gerissensten Gegner an unserer West- und Ostgrenze gegenkberseheu. verschiedene Megsnachnchten. Die Einnahme von Riga. Riga, die Hauptstadt des russischen Gou vernements Livland, ist in deutlicher Hand! Eine Großstadt von über einer Viertelmillion Einwohnern in Friedenszeilen ist damit in unseren Besitz gelaugt, und Las beste an dieser Eroberung ist, daß sie zu 46 °/o von Deutschen bewohnt wird. Militärisch und wirtschaftlich ist Riga infolge seiner Lage am Rigaischen Meerbusen, au der Mündung der Düna und an einer der wichtigsten Eisen bahnlinien, von besonderer Bedeutung. Riga fällt als schnelle Frucht der deutschen Offen sive gegen den Westflügel der 12. russi schen Armee. Die Russen haben sie kommen sehen und haben sie doch nicht zu ver hindern vermocht. Am 31. August spielte noch friedlich das Theater in Riga, erst als die ersten deutschen Granaten in die Stadt fielen, räumte man das Feld, nicht langsam und be dächtig, sondern überstürzt und fluchtartig. Und das Bedeutsamste an der Offensive gegen Riga ist, daß sie zu einer Zeil erfolgt, ebenso wie die Befreiung der galizischen Landesteile und der Bukowina, in der uns unsere westlichen Feinde den Sieg ihrer Waffen und die Nieder lage der deutschen aufzwingen wollten. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, bedeutet der Angriff auf Riga mehr als eine Offensive, er ist ein untrüglicher Beweis deutscher militärischer Gesamtstärke im vierten Jahre des gewaltigen Krieges! * über 6 Millionen Tonnen versenkt. Als der unbeschränkte U-Boot-Krieg begann, konnte England zu seiner Versorgung noch mit 16Vi Millionen Tonnen rechnen. Unter Be rücksichtigung aller Neubauten in der ganzen neutraten und feindlichen Schiffsbauindustrie muß in dem Augenblick, als die 6-Millionen- Ziffer erreicht würde, der für England verfüg bare Schiffsraum auf weniger als 6,2 Millionen gesunken sein. Darüber hinaus kann ihm höchstens soviel zur Beifügung stehen, als man von den deutschen und österreichischen Schiffen Hal reparieren und in den Verkehr stellen können. Sehr günstig gerechnet mögen das 6,5 Millionen Tonnen sein. Nach unseren amtlichen Ausstellungen liegt die Grenze — bei der der Schiffsraum des englischen See verkehrs unzulänglich wird — bei 6—7 Mil lionen Tonnen, jo daß wir also diese kritische Zahl jetzt erreicht haben und England bald vor der Wahl stehen muß, ob es jetzt Schiffsraum seinen militärischen Zwecken entziehen will, also feine Kriegführung schwächen, oder die Not im Lande steigen lassen soll. Natürlich tritt jetzt eine gewisse Entlastung in England durch seine Ernte ein. Ta wcwlbe aber für höchstens drei Monate wirkt, wird spätestens Ende des Jahres die Krisis erneut da sein. Tie Wirkung des U-Boot-Krieges. Nach Berichten aus Australien wird die Wirkung des U-Boot-Krieges immer drückender empfunden. Namentlich das Verschwinden einiger wohlbekannter großer Dampfer mit wertvollen Ladungen macht großen Eindruck in der Geschäftswelt. Deutschland und England W2. In cinem 5 SvaNcn langen Artikel veröffentlicht der .Manchester Guardian' Mitteilungen über den vielbesprochenen Besuch Daldanes in Berlin im Jahre 1912. „Als Haldane Kriegsminister war," berichtet das Blatt,' „halte er zum ersten Male eine Be sprechung mit dem französischen Generalstab, wobei mau von dem Gedanken eines Angriffes auf Frankreich auSgiug, und wobei England Vorbereitungen treffen sollte, um Frankreich zu helfen, indem es die Belgien gegenüberliegende Grenze bewachen sollte. Haldane kam zur Er kenntnis, daß England darauf ungenügend vor bereitet war und wandte alle seine Energie auf, um dies zu verbessern. Er besuchte Deutschland auf Einladung des Kaisers, wohnte Manövern bei, benutzte aber seine Zeit hauptsächlich, um die Organisation des deutschen Kriegsamtes zu studieren. Sein zweiter Besuch fand 1912 statt. Ein Jahr vor dem Agadirzwifcheusall ließ Hal- dane die üblichen Manöver aussallen und be nutzte das Geld für Neuorganisationen der Mobilisation. Dann ging er auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers nach Berlin mit vollstän digen fertigen Instruktionen des' Kabinetts in der Tasche. Drei Tage ^verbrachte er in Berlin, während welcher er Unterredungen mit dem Kaiser, dem Kanzler, Tirpitz und anderen hatte. Seine schwerste Arbeit bestand darin, Bethmann Holl weg davon zu überzeugen, daß nicht geheime (nimsorst) Abkommen mit Frankreich und Ruß land beständen. Er erzählte Bethmann, daß, falls England eine neue Freundschaft mit Deutschland einginge, dies zur Folge haben würde, daß Rußland und Frankreich diesem Abkommen zum allgemeinen Vorteil auch bei- treten würden. Bezüglich det Marokkojchwierig- leiten sagte er, daß, salls Deutschland Frank reich angegriffen hätte, England soviel Interesse am Ausgang gehabt hätte, daß es nicht untätig hätte zusehen können, daß Frankreich abge schlachtet wurde. Der Kanzler schlug eine Übereinkunft vor, daß Deutschland und England auf keinen Fall irgendeiner denkbaren Kombination gegen die andere Partei beitreten würde. Haldane meinte, so dürfe man es nicht ausdrücken und sagte: „Was würde denn fein, wenn Deutschland Japan, Belgien oder Portugal, mit denen wir Hilssverträge haben, angreisen würde." Beth mann unterbrach ihn satirisch: „Oder sogar Holland." — Haldane aber erwiderte, er sei über Hollands Vertragsstatus nicht informiert, falls aber Deutschland Frankreich angleise und versuche, es zu zerstückeln, könne England sich nicht neutral verhalten. Der Kanzler antwortete: „Was Sie sagen, ist vernichtend für meine Formel." Haldane schlug vor: „Wie wäre es mit einem Abkommen für den Fall jedes aggressiven, nicht provozierten Angriffs gegen alle denkbaren Kombinationen zu diesem Zwecke?" — Der Kanzler antwortete: „Wer soll bestimmen, was ein aggressiver, nicht provo zierter Angriff ist?" und Haldane stellte die Gegenfrage: „Wer kann sagen, wie viel Weizen körner einen Haufen ausmachen, aber jeder Mensch weiß, was ein Hausen ist, wenn er da liegt ?" Am nächsten Tage besprachen Haldane, der Kaiser, Bethmann Hollweg und Tirpitz die Frage wiederum; Haldane sagte bei dieser Unter redung, daß jede Vereinbarung nutzlos sei, solange Deutschland fein Floltenprogramm durch führe, worüber der Kaiser sichtbar betroffen war. Die Unterredung blieb fruchtlos, und Tirpitz ließ seine Abneigung gegen eine politische Ver ständigung mit England deutlich erlennsn. Am nächsten Tage aber hat Bethmann sich «Mausig auf Haldanes Formel geeinigt. .Manchester Guardian' schließt: „Was Haldane getan hat, war, daß er mit jedem Mittel, das in seiner Macht stand und das mit unseren Interessen und Ehrenpflichten vereinbar war, die Kraft der gemäßigten Elemente in Deutschland zu verstärken versuchte. Was seine Feinde dagegen getan haben, war, den deutfchen Radikalen die Argumente zu besorgen für die Auffassung, daß England trotz seiner gerechten Vorschläge tatsächlich der Feind fei." Über die deutsch-englischen Verhandlungen des Jahres 1912 sind von deutscher und eng lischer Seite wiederholt Mitteilungen gemacht worden, die der jetzigen Darstellung des eng lischen Blattes im wesentlichen widersprechen. Bei der jetzigen Darstellung handelt es sich darum, Haldanes politische Widersacher zum Schweigen zu bringen und sie zu überzeugen, daß Haldane. der damals Kriegsminister war, alle militärischen Vorbereitungen für einen Krieg mit Deutschland getroffen habe. Ist diese Dar stellung richtig, so würde damit aufs neue be- stäligb daß England den Konflikt suchte, der ihm Gelegenheit geben sollte, im Bunde mit einer übermächtigen Koalition Deutschlands Welt geltung für immer zu vernichten. Politische Kunäschau. Deutschland. * Im Hauptausschuß des Reichs tag e s war. wie bekannt, eine Entschließung eingebracht worden, die den Reichskanzler auf- sorderte, für die Bevölkerung der besetzten Ge biete Litauens und Kurlands bald möglichst enftprechenhe Vertretungen zu schaffen. Wie verlautet, hat sich die Reichs regierung, veranlaßt durch die Anregungen aus der Bevölkerung der besetzten Gebiete selbst, schon ehe diese Entschließung gefaßt wurde, ver anlaßt gesehen, die Frage zu prüfen. Sie ist zu dem Entschluß gekommen, die Angelegenheit wohlwollend zu erwägen, und es besteht be gründete Hoffnung, daß sie eine Regelung finden wird, die den aus dem besetzten Gebiet laut ge wordenen Wünschen entsprechen dürste. * Die Versorgung der Städte mit Hausbrand bildete den Gegenstand einer Unterredung, die Staatssekretär Dr. Helfferich mit den Vertretern des deutschen Städtetages im Beisein des Reichskohlenkommissars halte. Die Verhandlungen ergaben, daß die bisher festgesetzte Kohlenmenge für den Monat Sep tember voraussichtlich um die doppelte Tonneu zahl erhöht werden muß. Gleichzeitig wurde, beschlossen, daß 90 °/n das mindeste sei, was die Städte an Hausbrand erhalten müßten, um so mehr, da das Land erheblich mehr während der Sommermonate in der Belieferung bevor zugt worden ist. Österreich-Ungar«. *Wie von diplomatischer Seite verlautet, stand bei den Wiener Verhandlungen des Staatssekretärs K ü HImann die Pap st - note im Vordergrund. Die vier verbündeten Mittelmächte werden die Note des Papstes zwar einzeln, jedoch auf Grund gemeinschaft licher Prinzipien beantworten. Die Grundlinien der Antwort werden während der jetzigen Ver handlungen festgesetzt. So viel kann jedoch schon heute milgeteilt werden, daß sich die Mittelmächte in der Frage der Friedens anregung des Papstes nicht auf einen zurückweisenden Standpunkt stellen werden. Nachdem jedoch die Ver. Staaten bereits die Note verwogen und die Verbands- staaten ihr eine? kühlen Empfang bereitet haben, ist es zum allermindesten zweifelhaft, ob sich die Antwort der Mittelmächte auch auf Einzel heiten erstrecken wird. Italien. * Nach amerilannchen Blättermeldungen wird der Pap st in seiner uLchsten Note sagen den Standpunkt entwickeln: Die Unabhängig keit Belgiens wird wiederhergestellt, Deutsch land behält einen Stützpunkt in Antwerpen, Lothringen wird selbständig, Deutschland behält das Elsaß, Triest wird Freihafen, die Balkan srage wird auf der Friedenskonferenz gelöst. Vie eiserne 1Lj Kri-gsroman von G. v. Brockdorff. Aoris-tzung.) „Morgen beginnt der Transport nach Straß burg," hieß es im letzten Briefe. „Dort werde ich in einem Lazarett Näheres über meine Ver wundung und ihre Heilung erfahren." Sabine las die Stelle immer wieder. Wie seltsam das klang! Stand wirklich etwas zwischen den Zeilen, oder war es nur Hx; erregte Phantasie, die unaufhörlich umher- chweiste und suchte? Aber auf alle Fälle — ie atmete auf — würde Werner bald auf deut schem Boden sein. Es lag für sie eine unend liche Beruhigung in der Gewißheit, ihn wieder im Schutze des Vaterlandes zu wissen. So ertrug sie die nächsten Tage der Nach- tichtenlosigkeit mit mehr Ruhe als zuvor. Sie verbrachte all ihre freie Zeit bei Beate oder bei dem kleinen Johannes, der in den letzten Wochen ein wenig verwahrlost war und sich oft einsam und verlaffen vorkam. Es gab Sabine einen Stich durchs Herz, wenn der Junge von Weihnachten sprach. Er hatte wie immer eine ganze Reihe von Wünschen ausgeschrieben und rechnete sieges- ficher auf ihre Erfüllung. Beate haste den Zettel mit bitterem Lächeln beifeile geschoben, während heiße Tränen in ihre Augen traten. Diesmal oerstand Sabine den Schmerz der Mutier. „Wir wollen auch keinen Ba^n haben," tagte Beate trotzig. „Ich könnte ihn dieses Jahr sicht sehen. MaaJohsrvres durch dies traurige Weihnachtssest gleich auf seine kichtlose Zukunft vorbereitet werden." Sabine rief Johannes jetzt öfter zu sich herauf, erzählte ihm vom Lazarett und nahm ihn sogar einmal mit, damit er die Bekannt schaft ihres blinden Freundes machen sollte. Johannes gewöhnte sich schnell an die Tante. Noch berührten ihn die veränderten Verhältnisse im Hause wenig, Beate war viel außer dem Hause gewesen, und Hans batte bei seiner Arbeitslast nie viel Zeit für feinen Sohn übrig gehabt. Sabine fühlte tiefes Mitleid mit dem ver lassenen Kinde. Heimlich kaufte sie einen Tannen baum und stellte ihn oben in ihrer Wohnung aus. Nicht die Lichtlosigkeit, wie Beate meinte, sollte für den kleinen Jungen das Symbol feiner Zukunft werden, sondern er sollte die Er innerung an ein bescheidenes Lichterbäumchen mit hinausnehmen in sein verändertes Leben. Bei dieser kleinen Vorbereitung zog auch in das Herz der jungen Frau Weihnachts stimmung ein. Sie lächelte und lauschte jetzt wie die an deren, wenn durch die Säle des Lazaretts viel stimmige Weihnachtslieder klangen und hatte bereitwillig ihre Hilfe fürs Anputzen des großen Tannenbaumes zur Verfügung gestellt. Dem Blinden half sie beim Einpacken einer Weih nachtssendung für feine Kameraden im Felde. „Es wird einer der letzten Liebesdienste sein, die Sie mir tun, Schwester Sabine," lächelte der Genesene. Sie seufzte. Das Herz war ihr schwer bei dem Scheiden ihres blinden Freundes, der uock vor Neujahr seine Mutter im sernen Osten auf suchen wollte. Er war jetzt ernster als srüher, wenn er von ihr sprach. „Wie meinen Sie, daß sie's tragen wird, Schwester Sabine?" Und Sabine antwortete: „Sie würde leiden, wenn Sie litten und wird es leicht tragen, wenn sie Ihr lächelndes Gesicht sieht." Er war noch immer ernst. „Nun beginnt das neue Leben für mich." Mit seinen lichtlosen Augen starrte er gedanken voll ins Weite. „Nun beginnt die Arbeit. Es wir mir nicht leicht sein. Aber ich habe Mut." „Das paßt sür uns beide," sagte Sabine leise. „Ja, Schwester Sabine, und wir wollen uns beide Glück in unserer neuen Arbeit wünschen." Sabine Asmussen nickte. Sie hatte den Kopf über den großen Feld postkarton gebeugt und verstaute eifrig die kleinen mit schwarz-weiß-roten Bändern und Tannengrün geschmückten Paketchen. Dabei dachte sie unwillkürlich ihrer Feldpostsendung im vorigen Jahre. Wie leer und kalt war damals alles gewesen, wie freudlos hatte sie die Sachen erstanden und eingepackt, immer mit dem Gefühl bittersten Hasses gegen den Mann, um den sie jetzt unruhvoll sorgte und bangte. Ihre diesjährige Weihnachtssendung hatte sie frühzeitig an das Straßburger Lazarett ab geschickt. ES waren nur Kleinigkeiten, ihren ietziaeu Verhältnissen anoeiMÜen. aber sie waren mit Liebe und Sorgsalt gewählt, und Sabine wurde es warm ums Herz, wenn sie sich das überraschte, glückliche Gesicht ihres Gatten vorstellte. Wieder war sie längere Zeit ohne Nachricht von ihm, wieder wartete sie mit wachsender Ungeduld auf das Erscheinen des Postboten. „Paß auf, er überrascht uns," prophezeite Beate. „Ein bißchen verdutzt wird er aller dings sein über die schöne Wirtschaft." Sie wies auf die durcheinander- und übereinander gestellten Möbel. Die Auktion war nun doch aus äußeren Gründen bis nach Neujahr verschoben worden. Da sich sür das Haus noch kein Käufer ge funden hatte, bereitete der Aufschub keinerlei Schwierigkeiten. Beate hatte es aber nicht für nötig gefunden, die Möbel noch einmal an ihren alten Platz zu stellen. „Zweck hat's ja doch nicht, und da die Leute am Ersten gehen, hätte ich allein nachher nur die ganze Schererei." Wenn sie einmal zu Sabine höramkam, machte sie ein erstauntes Gesicht. „Sag, dentst du denn noch immer nicht ans Ordnen uuo Zusammenstellen?" Sabine schüttelte den Kopf. „Ans Ordnen wohl; mit dem Zwamwcr- stellen aber hat's Zeit, denke ich, bis tum vc. der Auktion." Und leife sägte sie hinzu: „Wem, Werner kommen sollte, so «röchle ich gern, La, er am^ersten Tage alles unverändert voriändc." „Wie aufmerksam du geworden bist/' Pcrw.s Beate. Sie begriff den plötzlichen Nmfürw'ung in Sabines Gefühle« nicht und machw sie »uc
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