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Spezialist und sehr ernsthafter Sammler; er war ln Fachkreisen bekannt als Exlibris-Sammler großen Stils. Nachdem sich Stiebet noch in rüstigen Jahren vom Geschäft zurückgezogen hatte, setzt« er seine ganze Beweglichkeit restlos daran, die umfangreichste Exlibris-Kollektion zusammenzubringcn, und es gelang ihm mit außerordentlichem Erfolge im Laufe von zwei bis drei Jahr zehnten, Dm Beweis bildet der umfangreiche Auktionskatalog der Stiebel-Sammlung, der nach dem Hinschciden des Sammlers durch C, G, Boerner in Leipzig hcrausgegeben wurde. Von bcn ältesten Exlibris bis zu den Schöpfungen der modernen Künstler war alles auf diesem Gebiete vertreten. Sehr häufig sind die Blätter in allen Zuständen vorhanden gewesen, Stiebels Sammeleifer ging aber noch über sein Hauptgebict hinaus: seine Sammlung von Buchdruckerzeichen war fast ebenso umfassend, und daran schlossen sich noch Einbände und eine Buntpapier- Kollektion, Stiebel stand mit fast allen Antiquaren in ununter brochenem Briefwechsel, unaufhörlich bombardierte er die Ge schäftsfreunde um Vermehrung seiner Schätze, Mit gleichem Eifer war er um seine Gesundheit besorgt; bei seinen häufig täglichen Besuchen mußte der Überrock befühlt werden, ob er für die Jahreszeit dick genug sei, seine Zunge mußte betrachtet und ein ärztliches Urteil gefällt werden, so unmaßgeblich das selbe auch sein mochte, Stiebel schritt hierauf beruhigt nach der Hausflur, nachdem er in derselben noch eine Zeitlang ver weilt hatte, um sich nicht durch zu rasches Hinaustreten an die Außenluft zu erkälten; dennoch mußte er früher von seinen Sammlungen scheiden, als er vielleicht gedacht hatte. Wie der Mond erschien mir neben dem blendenden Stiebel im mer der mir sehrsympathischeExlibris-SammlerHerr Benkard , auch Frankfurter und unverheiratet, entsprechend der Theorie vom Amateur, der still sein« Bahn zog und eine schön gewählte Kollektion von Buchdruckerzeichen zusammenbrachte, die nament lich reich an frühen Blättern und Frankfurter Exlibris sich zeigte. Nicht zu den eigentlichen Sammlern im strengen Sinne zählte der Maler Peter Becker, und doch gehört er in die Galerie, denn er sammelte vieles und mancherlei, und in seinem mit künstlerischem Geschmack hoch oben im vierten Stock am Theaterplatz eingerichteten Junggesellenheim war viel Schavens« wertes. Namentlich besaß er eine reiche Sammlung an Raine« rungen und Stichen, unter denen er wieder Matthaeus Merian und Wenzel Hollar bevorzugte, deren Blätter ihn, den Land schaftsmaler, besonders anregten. Für sorgsame Erhaltung der Stiche hatte er merkwürdig wenig Empfindung; häufig schnitt er sogar die breiten Ränder der Blätter ab, aus Bequemlichkeit?« rücksichten, wenn er die betreffende Radierung zu einem Zwecke benötigte. Aber in Helles Entzücken über solch eine fein abge- slimmte landschaftliche Radierung Hollars, oder eines anderen Meisters, konnte er geraten und daran die unterhaltendsten Phan tasien auknüpfen, die schließlich in meisterhaft erzählten Anekdoten endigten. Von Merianschen Städtebildern pflegte er zu sagen: »die Prospekte haben einen Anfang und ein Ende, so geschlossen ein Ganzes bildend, müssen Stadt und Landschaft ausschaucn-. Der kleine Mann mit dem Weißen Vollbart, der großen Brille, dem Schlapphut, in dem blauen Radmantel im Winter — wie oft fuhr ich in vergangenen Jahren regelmäßig einmal in der Woche init ihm zusammen nachmittags von Sachsenhausen nach Frankfurt in der Elektrischen! Der Künstler war Tischgast bei einem kunstsinnigen Brauereibesitzcr, Stadtrat Binding, gewesen, der eine ausgewählte Anzahl der trefflichsten Bcckerschen Ge mälde in seinem Hause vereinigt hat; Peter Becker schnabulierte gern etwas Gutes, Diese »erlaubte Wollust des Leibes«, welchen Titel ein altes Kochbuch führt, läßt mich eine eigenartige Sammlung erwähnen, die der ehemalige Besitzer des Englischen Hofes und Gründer des Hotels D r e x e l, gleichen Namens, hauptsächlich durch die Ver bindungen von Baer L Co, zusammengebracht hatte, eine Koch- bücher-Bibliothek von seltener Reichhaltigkeit; sie enthielt Koch bücher aller Nationen, darunter viele Seltenheiten, Drucke des 16, Jahrhunderts, Herr Moriz Sondhcim hat einen beschreibenden Katalog in mehreren Abteilungen und Supplementen darüber , angcfertigt, der, auf Büttenpapier gedruckt, nie in den Handel kam, Ter Besitzer war gestorben, die Bibliothek stand jahrelang wohlverwahrt in Schränken, Da brachte eine Zufälligkeit den Verkauf der Sammlung durch mich in Fluß, Ich war auf Kupferstichauktionen Herrn PaulDavidsohn öfters begegnet; er war ja ständiger Besucher aller bedeutenden Versteigerungen als eifriger Sammler der prachtvollen alten Gra phik-Kollektion, deren erster Teil Heuer im Frühjahr durch C, G, Boerner in Leipzig mit so glänzendem Resultate ver steigert worden ist, und deren weitere Abteilungen ebenfalls für ^die Verauktionierung in Aussicht genommen sind, Davidsohn, damals «in Sechziger, in Berlin lebend, war mit seinen charal- teriistischen Zügen, dem graumelierten Kopf eine typische Er scheinung am Auktionstisch, Manche Eigentümlichkeiten waren dem Sammler eigen, der auch bei scharfer Kälte ohne Überzieher spazieren lief. Nachdem er die ihn interessierenden Blätter sich hatte zur Ansicht kommen lassen, prüfte er bei den Besichtigung?« tagen alle Stiche nochmals und ließ bei der Versteigerung kein Blatt ungesehen an sich Vorbeigehen, Diesen Eifer setzte David sohn fort bis an die Schwelle des achtzigsten Lebensjahres, bis er den Schlußstrich zog und sich entschloß, seine prachtvollen Schütze wieder der Allgemeinheit durch Versteigerung zurllckzugeben, Interessenten finden Näheres über den Sammler und seine ein langes Leben füllende Sammeltätigkeit in dem trefflichen Vor wort des Auktionskataloges aus der Feder von Max Friedländer. Nun, Davidsohn kaufte von mir ein Kochmanuskript des acht zehnten Jahrhunderts und schenkte dasselbe dem ihm befreun deten vr, Gustav Freund, ebenfalls in Berlin wohnend. Auf diese Weise wurde ich mit vr, Freund bekannt und habe bis wenige Jahre vor seinem Tode mit diesem Sammler tu sehr angenehmen Beziehungen gestanden, vr, Freund, ehemaliger Großindustrieller, auch Junggeselle, bewohnte ein schönes Haus Unter den Linden 69, das in den von ihm benutzten Räumen ganz nach seinen persönlichen Neigungen eingerichtet war. Aus den Wohnräumen führte ein Aufzug in die Bibliotheksräume, Musik- und Speise-Säle, Der letztere war mit Emblemen der Kochkunst und mit Porträts von hervorragenden Kochgenies ge schmückt, Außer einer guten allgenieinen Bibliothek, die nament lich nach dem Kunstfach ausgebaut war, sammelte Freund in erster Linie Kochbücher; er besaß eine Sammlung davon, die der Drexelschen kaum nachstand. Durch meine Vermittlung erwarb Freund die Drexelsche Sammlung zur Vervollständigung der bereits vorhandenen zu seiner großen Genugtuung, vr, Freund, ein hochgewachsener Herr, leicht gebeugt — er war damals einige sechzig Jahve alt und magenleidend —, kam persönlich in Be gleitung seines Kochs nach Frankfurt, um die Überführung der Drexel-Sammlung selbst zu überwachen. Mit der Kochkunst meiner Frau war er liebenswürdigerweise zufrieden gewesen und ver galt die Gastfreundschaft mit seinen Verhältnissen entsprechender Bewirtung meinerseits, wenn ich Berlin berührte im Laufe meh rerer Jahre. Während eines Diners von mehreren Gängen ent korkte der Diener verschiedene Weinsortcn, und der Hausherr saß dabei und trank pures Wasser, strich über die Blondköpfe der Kinder seines Kutschers, wie er denn überhaupt außerordentlich sozialfühlend war, mit allen seinen Angestellten fast familiär verkehrte. Mit seinem Koch, einem sehr gebildeten Herrn, berei tete er Gerichte der alten Römer, erprobte er die antiken Koch rezepte und erklärte mir, daß er auf Grund von praktischen Er fahrungen den römischen Kochschriftsteller Apitius herauszu geben beabsichtige, ein Weg, die römische Küche tatsächlich nach prüfend, den noch kein Alt-Philologe beschritten habe. Auch auf seiner Besitzung in Halensee habe ich den Sammler besucht, vr, Freund hatte in früheren Jahren anregende Geselligkeit ge pflegt; das Joachim-Quartett hatte bei ihm musiziert — aber diese Zeiten lagen längst zurück, und er führte ein seiner ange griffenen Gesundheit entsprechendes Stilleben, die Kochkunst wis senschaftlich durchforschend. Nach seinem Tode sind seine Samm lungen seiner Vaterstadt Berlin zugefallen laut Vermächtnis, Mir hinterließ er den Eindruck eines hochgebildeten Mannes voll seltener Güte, gepaart mit einer entsagungsvollen Note, In solcher Stimmung der Depression hatte vr, Freund vor Jahren 1103