Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 20.11.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191811202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19181120
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19181120
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-11
- Tag 1918-11-20
-
Monat
1918-11
-
Jahr
1918
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.11.1918
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
I^mäenburg an äas I>eer. Der Generalieldmarschall v. Hindenburg hat an die deutsche Armee nachfolgenden Erlaß gerichtet: An die Armee! T« Waffenstillstand ist unterzeichnet worden. LiS zum heutigen Tage haben wir unsere Waffen in Ehren geführt. In treuer Hingabe und Pflichteriüllung hat die Armee Gewaltiges vollbracht. In siegreichen Nngriffsschlachlen und zäher Abwehr, in hartem Kampfe zu Lande und in der Luft haben wir den Feind von unseren Grenzen ferngehalten und die Heimat vor den Schrecknissen und Verwüstungen des Krieges bewahrt Bei der wachsenden Zahl unserer Gegner, bei dem Zusammenbruch der uns bis an das Ende ihrer Kraft treu zur Seite stehenden Verbündeten und bei den immer drückender werdenden Ernährung?« und Wirt- schasissorgen hat sich unsere Regierung zur An nahme harter Waffenstillstandsbedingüngen ent schließen müssen. Aber aufrecht und stolz gehen wir aus dem Kampfe, den wir über vier Jahre gegen eine Welt von Feinden bestanden. Aus dem Bewußtsein, daß wir unser Land und unsere Ehre bis zum Äußersten verteidigt haben, schöpfen wir neue Kraft. Der Waffenstillstandsvertrag verpflichtet zum schnellen Rückmärsche in die Heimat — unter den obwaltenden Verhältnissen eine schwere Auf gabe, du Selbstbeherrschung und treueste Pflicht erfüllung von jedem einzelnen von Euch ver langt, ein harter Prüfstein für den Geist und den inneren Halt der Armee. Im Kampfe habt Ihr Euren Generalfeld- marlchall niemals im Stich gelassen. Ich ver traue auch jetzt auf Euch. v. Hindenburg, Generalfeldmarschall. Vas Programm -er Reichsleitung. Der Rat der Volksbeauftragten veröffentlicht einen Aufruf an daS deutsche Volk, in dem rS heißt: Die aus der Revolution hervorgegangene Regierung, deren politische Leitung rein sozialistisch ist, setzt sich die Aufgabe, daS sozialistische Programm zu verwirklichen. Sie verkündet schon jetzt mit Gesetzeskraft folgende?: 1. Der Belagerungszustand wird aufge hoben. 2. DaS Vereins- und DersammlungSrecht unterliegt keiner Beschränkung, auch nicht für Beamte und StaatSarbeiter. 3. Eine Zensur findet nicht statt. Die Theaterzensur wird aufgehoben. 4. Meinungsäußerung in Wort und Schrift ist frei. ö. Dit Freiheit der Religionsübung wird gewährleistet. Niemand darf zu einer religiösen Handlung gezwungen werden. 6. Für alle politischen Straftaten wird Amnestie gewährt. Die wegen solcher Straf taten anhängigen Verfahren' werden nieder geschlagen. 7 DaS Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst wird aufgehoben, mit Ausnahme der sich auf die Schlichtung von Streitigkeiten be ziehenden Bestimmungen. 8. Die Gesindeordnnngen werden außer Kraft gesetzt, ebenso die Ausnahmegesetze gegen die Landarbeiter. S. Die bei Beginn des Kriege- ausgehobenen Arbeiter - Echutzbestimmungen werden hiermit wieder in Kraft gesetzt. Weitere sozialpolitische Verordnungen werden binnen kurzem veröffentlicht werden. Spätestens am 1. Januar 1919 wird der achtstündige Maximalarbeitslag in Kraft treten. Die Re gierung wird alles tun, um für ausreichende Arbeitsgelegenheit zu sorgen. Eine Verordnung über die Unterstützung von Erwerbslosen ist ferliggestellt. Sie verteilt die Lasten auf Reich, Staat und Gemeinde. Auf dem Gebiete der Krankenversicherung wird die Berstcherungspflrcht über die bisherige Grenze von 2500 Mark ausgedehnt weiden. Die Wohnungsnot wird durch Bereitstellung von Wohnungen bekämpft werden. Aus die Sicherung einer geregelten Volks ernährung wird hingearbeüet werden. Die Regierung wird die geordnete Pro duktion aufrecht erhalten, da? Eigentum geg^n Eingriffe Privater sowie die Freiheit und Sicherheit der Person schützen. Alls Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf G- md des proportionalen Wahlsystem? für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Pertonen zu vollziehen. Auch für die konstituierende Versammlung, über die nähere Bestimmung noch erfolgen wird, gilt dieses Wahlrecht. Ml-rrung -er wafferMstan-s« be-mgüngen. Die Waffenstillstandsbedingüngen, die unS der Lielverband zugestanden hat, sind in einigen wesentlichen Punkten geändert und gemildert worden. Die Milderungen betreffen die neutrale Zone am rechten Rhrinufer, die auf 10 Kilometer (statt 40 und 30 Kilometer) herabgesetzt wird, die RSumunMlift, die verlängert wird, und die Versorgung Deutschlands mit Lebensmitteln: cs soll die überseeische Versorgung nicht be hindert werden. Es läßt sich nicht mit Gewißheit sägen, ob der Appell, den Dr. Solf im Namen der Regierung an Wilson gerichtet hat, der Anlaß der jetzt zugestandenen Milderungen gewesen ist. Aber es gewinnt den Anschein, als ob die Entente unter dem Einflüsse WilionS und der demokratischen Parteien in ihren eigenen Ländern bereit sei, sich dem demokratischen Deutschland der Revolution, nicht mit der zuerst geübten vollen Rücksichtslosigkeit gegenüber zustellen. Als in Paris die Waffenstillstands- bedingungen aufgesetzt wurden, hatte Kaiser Wilhelm II. noch nicht abgedankt. Die deutlichen Winke, mit denen Wilson in seinen Noten auf die Notwendigkeit der Abdankung hingewiesen hatte, waren nicht befolgt. Weil der Kaiser sich nicht rechtzeitig dazu entschließen konnte, auf den Thron zu verzichten, wurden dem deutschen Volke diese die Ernährungs schwierigkeilen ins Maßlose steigernde» Be dingungen auierlegt. Bisher scheint die Entente nur einen Teil der Forderungen eingeschränkt zu haben, und es ist klar, daß das zur Sicherstellung der Ernährung in Deutschland und zur Beseitigung der größten Sorgen noch nicht genügt. Das Wichiigste ist, daß die Fortdauer der Seesperre die Vertorgung Deutschlands nicht behindern soll. Es ist freilich hinzugeiügt, die Alliierten gäben die Versorgung während des Waffen stillstandes „in dem Maße, wie sie eS für nötig erachten* zu. Wird da- Maß, das sie sestsetzen wollen, ein so reich liches sein, daß Dcutichland über See reichlich genügend versorgt werden kann? Noch ist nichts davon getagt, daß dem deuvcMc Volke dir Verpflichtung, dir fremden Okcu- pationStruppen zu ernähren und einen großen Teil seines Eisenbahnmateriats auszulie'ern, abgenommen werden wird. Man muß hoffen, daß diese Forderungen fallen werden, und daß die Reihe der Milderungen und Zugeständnisse mit den jetzt gemeldeten nicht abgeschlossen ist. Wilson erklärt in einer Proklamation, es sei seine und seiner Verbündeten „glückliche Pflicht*, jetzt zur Einrichtung einer gerechten Demokratie in der ganzen Welt zu helfen und dazu freundschaftlichen Nat und materielle Bei hilfe zu leisten. Damit spricht er aus, daß er zu redlichem Zusammenwirken mit uns bereit ist. falls Deutichland nicht dem Vok chewismus verfällt, den er immer verworfen hat, sondern das Regime einer gerechten Demokratie zu schaffen versteht. politiscbe Deutschland. *Die deutsche Regierung hat durch Vermitt lung der schweizerischen Negierung an die Re gierung der Vereinigten Staaten von Amerika folgende Note gerichtet: „Nachdem nunmehr der Waffenstillstand geschlossen ist, bittet die deutsche Negierung den Präsidenten der Ver einigten Staaten, den Beginn der Friedensverhkndlungen in die Wege leiten zu wollen. Der Beschleunigung halber schlägt sie vor, zunächst den Abschluß eines Präliminarfriedens ins Auge zu fassen und ihr mitzuteilen, an welchem Orte und zu welchem Zeitpunkte die Verhandlungen beginnen können. Wegen drohender Lcbensmittelnot legt di« deutiche Regierung auf unverzüglichen Beginn der Verhandlungen besonderen Wert. * In den Bundesstaaten d'" sozialistische Neuordnung uff. Fortschritte. In Hessen ist ein sozialistisches Kabinett, an dessen Spitze der Abgeordnete Ulrich steht, gebildet worden. In Bayern werden Vorbereitungen für die Bildung eines „VauernrateS' getroffen. Der König von Bayern soll zurzeit nicht auffindbar sein. In Lippe und in Anhalt haben dir Dynästien freiwillig dem Throne entsagt. In Elsaß- Lothringen verkündet ein Ausruf an die Be völkerung die Bildung einer Nationalrates. * Der BollzugSrat deS AuSN. hat zu Mitglieder» des politischen Kabinett- für Preuße« folgende Genossen ernannt: Paul Hirsch und Heinrich Strsebel a!S Vor sitzende, ferner Otts Braun, Eugen Ernst, Adolf Hoffmann. An die Stelle der Parlamentari- sierung tritt hiernach dir Entscheidung deS AuSR. * Es liegen verläßliche Meldungen vor, daß sowohl in Oberschlesien als auch im posenschen Gebiet polnische Legionäre und un disziplinierte Verbände eingebrochen sind und raubend und plündernd Besitz von den Ort schaften ergreifen. Der Rat der Bolksbeaus- tragten hat gemeinsam mit dem Arbeiter- und Soldatenrat energische Maßnahmen beraten, um die deutschen Volksgenossen in diesen Gebieten zu schützen. Österreich. * Der StaatSrat hat den vom StaatSkanzler Dr. Nenner vorgelegten Gesetzentwurf an genommen, in dem Deutsch-Osterreich alS Republik und «IS Bestandteil der Deutschs Republik erklärt wird. Der Präsident deS SiaatSratS Seitz begab sich sofort nach der Verkündung deS Beschlusses mit Dr. Renner und Staatsnotar Dr. Sylvester zu dem Minister präsidenten Lammaich, um ihm den Beschluß des Staatsraies mUznieilcn und ihn zu ersuchen, dielen Beschluß den beteiligten Faktoren zur Kenntnis zu bringen. Pole«. *Jn Warschau wmden die öffentlichen Ge bäude, in denen die deutsche Zioilverwaltung amtiert, von Delegierten der polnychen Verwal tung mit Beschlag belegt. Pilmdski hat den Delegierten des Soldatenrates den sreien Abzug der Deutschen zugesichert. Auf den Straßen werden die deutschen Offiziere, Sol daten und Beamten von der Bevölkerung, von polnischen Legionären und Studenten emwaffnet. Ein Erlaß des Regenttchastsrates erklärt d i e Okkupation für ausgehoben; er ruft dir Vertreter aller Parteien zur Bildung einer nationalen Regierung auf. In einem Aufruf des demschen Soldatenrates wird mitgetcilt, daß die deutschen Soldaten sich von dem Kampfe der polnischen Parteien völlig fernhaHen werden und nur den Wunsch haben, in die Heimat zurückzukehren. Das Leben der Deutschen ist nicht gelährdet. Frankreich. * Clemenceau sagte in einer Ansprache an Journalisten, Deutschland habe mit seiner .Kapitulation bis zur Enchöpsung gewartet und sei setzt außerstande, mne Lebensmsttelvorräte anzuMcn. Da die Lage in Deutschland und Öiterreich-Ungarn verzweifelt sei, würden die Alliierten ihnen bis zum äußersten bei - stehen, da sie für und nicht gegen die Menschlichkeit kämpften. Amerika. * Präsident Wilson hielt im Kongreß eine Ansprache, in der er die Bedingungen des Waffenstillstandes miiteilie und umer anderem ausMrle: Das Ziel dieses Krieger, ul erreicht. Ler bewaffnete Imperialismus m zu Ende. Die großen Nationen haben sich jetzt endgültig zu dem gemeinsamen Ziele vereinigt, einen Frieden auszurichten, der die Sehnsucht der ganzen Welt nach uneigennütziger Gerechtigkeit befriedigen wird, und der in Ausgleichen be stehen wird, die auf etwa? viel Besserem und Dauerhafterem beruhen werden als selbstischen, konkurrierenden Interessen mächtiger Staaten. Der humane Sinn und die Absicht der siegreichen Negierungen hat sich bereit? in einer prakiuchen Weise bekundet. Ihre Ver treter in dem Obersten KriegSrat zu Versailles naben durch einstimmigen Beschkuß den Ver- ern der Mittelmächte versichert, daß aller, was den Umständen nach möglich ist, gelchehen soll, um sie mit Lebensmitteln zu versorgen und daS Elend su er leichtern, und es sollen sowrt Schritte getan werden, diese Unlerstützungsmaßregeln in systematischer Weise zu organisieren, wie eS in Belgien geschehen ist. Vie lorialistische Kegierung. AuS dem großen ChacS, das die Revolution geschaffen hat, schält sich langsam so etwas wie ein Kern heraus. Tie neue Regierung hat sich jetzt gebildet. ES ist freilich keine demokra- tiiche, sondern eine rein sozialistische Regierung. Die Grundsätze der Demokratie hätten er fordert, daß alle Parteien, die mitmachen wollen und ein» gemeinsam« Basis finden können, an der Regierung beteiligt weiden. Das war auch die Absicht der Sozialdemoklatie; doch die Unabhängigen Sozialisten, die zwar an Zahl schwächer sind, deren Willen zur Macht aber größer ist, haben die Ausschließung der bürger lichen Parteien durchgesetzt. Die neue Re gierung ist lediglich von den verschiedenen sozialistischen Gruppen gebildet. Die alte Sozialdemokratie ist durch Ebert, Scheidemann und Landsberg vertreten, die Unabhängigen Sozialisten durch Haase und Dittmann, di« noch radikalere SpartakuSgruppe durch Barth. Also wir haben eine Regierung, aber wir können sie nur als provisorische ansehen. Denn eS handelt sich hier nicht etwa um eine Regie rung, die vom deutschen Volke bermen ist, sondern um eine Interimsregierung, die im wesentlichen von den AuSR. eingeietzt ist. Eine wirkliche Regierung — dem darf sich doch auch die Sozialdemokratie nicht verschließen — kann sich das deut'che Volk nur selbst geben, und zwar durch allgemeine Wahlen. Deshalb ist eS dringend notwendig, daß die Wahlen zur kon stituierenden Nationalversammlung möglichst bald ausgeschrieben werden. Die obersten Grundsätze der Demokratie sind Freiheit und Ordnung. Es soll anerkannt werden, daß die neue Negierung nach Kräften bemüht ist, die Ordnung aufrechtzuerhallen. Sie wird sich hierbei mit aller Entschiedenheit ein setzen müssen, wenn nicht die Umwälzung in Anarchie auigehen soll. Als selbstverständlich aber sollte es gelten, daß die sozialistische Ne gierung für die Freiheit eintritt. Das Selbst verständliche ist jedoch nicht durchweg geschehen. Es ist bei etlichen Zeitungen in die Preß'reiheit eingegriffen worden. Hier gilt es, sojort Wandel zu fchaffen. Die erste Tat der neuen Negierung war die Annahme der Waffenstillstandsbedingüngen, welche die allerichlimmsten Befürchtungen weit, weit übertroffen haben. Sie bedeuten zunächst die militärstche Vernichtung Deutschlands, daS eines großen Teiles seines Kriegsmaterials be raubt wird. Sie leiten weiter eine Zerstücke lung Deutschlands ein. Estaß-LotHungen soll offenbar ohne weiteres den Franzosen zu- geiprochen werden, und an eine Volks abstimmung scheint man nicht mehr zu denken. Ob das gleichsallS geräumte linke Rheinufer noch auf der Friedenskonterenz zu retten sein wird, bleibt abznwarten. Die Aus lieferung eine- großen Teiles unseres Eisenbahn- Materials endlich müßte die organisierte Hungers not für Deutschland bedeuten. Offenbar will man uns auf diese Weis« zu einem schnellen, bedingungslosen Frieden zwingen. Die neue Negierung hat sich zwar an Lausing gewandt, um an die Menschlichkeit unserer Gegner zu appellieren, aber wir sürchten, daß dieser Appell ciuf steinigen Boden sällt. Oer falsche Kembranät. Ivf Roman von F. A. Geißle« (Schluß.) Er verbeugte sich leicht «nd Cora erhob sich rasch. Aller Augen hingen an ihr. Sie sprach erst leise und zaghaft, aber bald mit voller Festigkeit und Offenheit: „Ich bin die Schwestertochter deS ManneS, i-en der Herr Kommerzienrat als unauffindbar erwähnt hat. Frühzeitig verwaist, mußte ich in Henn Külbach meinen natinlichen Beschützer erblicken. Er war mir ein gütiger Oheim, dem ich großen Dank schuldig bin. In der Töchter schule im Mädchenpensianat erfuhr ich wohl täglich seine freigebige Güte, trat ihm aber nie mals näher. Und als er mich endlich zu sich nahm und hier in Königstadt ein schöne? Heim begründete, da blieb er sür mich der gütigste Oheim, doch von seinen Geschähen batte ich kemen Begriff. Er war häufig auf Reifen und oft monatelang fort, er sammelte eitrig Kunst- KcgenftSnde und war ein begeisterter Dswun- derer Rembrandls. Vor einem Bilde diests Meist«? arbeitete Herr Georg Heyden, »iS wir mit einander bekannt wnrden. Herr Kürbach suchte ebenfalls seinen Umgang, schätzte ihn außerordentlich hoch und sprach voll Bewunderung von seinen Kopien, die von den OrisiuLleu kaum zu unterscheiden seien. Bevor «r seine letzte Neffe anirat — er hatte häufig in den Niederlanden zu tun und erhielt ost Briefe von dort—, hatten sich private Botkomm- rme zugeiragen, die wir eine zcitweie Ent- lernuns aus Köniastaoi rmfa« erscheinen ließen. Wir lösten unseren hiesigen Haushalt auf und trennten unS. Jeh ging in die Schweiz, reiste nach Amsterdam. Als ich den letzten prüfenden Blick i« die leeren Zimmer warf, sah ich ein« Papierhüll« auf dem Fensterbrett seines frühere» Privatzimmers liegen und nahm sie an mich. Sir enthielt zwei offenbar aus einem Skizzenbuch ausgeschnittene Blätter mit dem Kopf« einer Greises und dem eines jungen Mädchens. Als Andenken bewahrte ich dies« Blätter auf, bis ich alles erfuhr. Da legte ich sie selbst in Herrn HeydenS Hand/ „Und mein Skizzenbuch, da? an- den achtziger Jahren stammt, haben di« Herren wohl auch angesehen. Die Schnittflächen müssen genau aufeinander passen.' fuhr Georg fort, doch sein Bruder unterbrach ibn: „Während die Herren sich davon Überreugen, daß di« Blätter in Wahrheit deinem Stizzen- buch entstammen, ici es mm erlaubt zu be zeugen, daß mein Bruder, nachdem die Br-lannt- schaft mit Herrn Külbach einige Wochen alt war, ganz im geheimen au einem Gemälde emsig zc arbeiten begann. Während w r ein ander tonst Einblick in unter Schaffen gewählten, war diese brüderliche Anieiinahmr in diesem Falle unmöglich, denn zur selben Zeit tollte ich einen Kriminalroman im Auttrag deS Herrn Kürdach schreiben, und zwar hatte er mir zur Pflicht gemacht, darüber strengstes Geheimnis zu wahren, selbst gegen meinen Bruder. Und just an dem Tag«, an dem mir Herr Küröach meine Manuskripte als unbrauchbar zurück- saudte, ließ er von meinem Bruder e-meBstder- Me dm« emeu Lieniimanu abboien. Lick Labe mit eigenen Augen gesehen, wie er sie hinaus trug. Durch eine Anirage bei dem roten Diensimann-Jnstitut muß der Diann leicht zu ermitteln sein.' Jetzt erhob sich der Assistent deS Galerie- direkiorS. Der Herr Geheimrat bittet mich, in seinem Namen zu erklären, daß «r die Ähn lichkeit der Skizzenköpfe mit denen des Bilde? unumwunden zugesteht, ebenso anerkannt, daß die zwei Zeichnungen offenbar aus dem Ckizzenbuche ausgeschnitten sind. Immerhin bleibe» noch mancherlei ernste Zweitel bestehen ' — die Malweise, die Firmssung —' ! Jetzt erhob sich Georg wieder und sprach: „WaS de« Firnis anlangt, io bin ich selbst überrascht. ES ist nicht der meine, da? gesteh' ich offen zu, aber er ist so vorzüglich und ver- leiht den Farben solche Härte "und sc- alten Glanz, daß er wohl geeignet ist, selbst den ge- i übten Kenner zu täuschen. Kein vernüm'tiger Mensch wird darum die Sachkenntnis des Herrn Geheimrats niedriger bewerten wollen. Ich selbst würde mich der Autorität rück haltlos beugen, wenn ich nicht in dir cm Fall« die Wahrheit zu beweisen imstande wcue. Durch ! das mutige Eintreten des gnädigen Fräulein? - bin ich der Schweigepflicht enik-noen über ein sicheres Zeichen, das ich bisher aus Rücksicht i auf Liefe Dame verhehlen mußte." Er atmete einige Male lies. Alle Herren waren err»-t am-rlprunKe« uns umsrängien! ihn, als er iortfuhr: s „An jenem Tag», da ich das Glück hatt«, Ne, g«idR«s Fräulein, an meinem Arm in - wem Metier tu mbren. blieb am mein« Schütter l eine? Ihrer goldigen Haare zurück. Scherzend schenkten Sie mir's als Andenken. Ich be wahrte eS treulich auf — und da dies Bild nach den Worten de§ Bestellers eine Über raschung bedeuten sollte, und ich anuahm, daß es sür Sie bestimmt sei, so beschloß ich, das Bild, an dem mein Herz hing, durch ein be sonderes Zeichen zu weihen. Wenn einer der Herren die Farbe von dem Mädchenkopse ein wenig entfernen will, so wird er, zu einem Ning zusammengebogen, ein Frauenhaar darin finden. Wie diele Dame eS mir einst gab, so hab' ich's in das Bild eingemalt, dort, tue Scheitek- partie dar dickere Austragen der Farbe erlaubte. Ich werde d-e Stelle genau bezeichnen und bitte einen Sachverständigen, io-ort die Probe z» machen. Die Mittel zum Lösen von Firnis und Farbe hab' ich zur Hand.' Er bot einem der Herren die Schake mit Terpentin und den weichen Haaivmsel bchuffnm leg!« «r seinem Finger au; ein» Stelle de? Biloes. Einige Minuten erwartungsvoller Spannung — — da saßt« Ker »per Trends Gekehrte mit einer Pinzette ein rundes Etwas und hob es aus der Farbenumbällung sorg- sättig heraus — eS Wir ein rund gebogenes Frauenhaar . Eine Beweßunq ging durch die Versamm lung. Auf einer Glasplatte bot der Ent decker eS Cora dar. Sie neigte bestätigend Haupt und wsudte sich glutrst sl>, als unttc- drücke sir nur mit äußerster Anstrengung ihr- Bewegung. Alle Stimmen klangen jetzt durcheinauf" .Min Zweitel mehr — alles iommu.a.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)