Volltext Seite (XML)
pik 222, 24, September 1909. Nichtamtlicher Teil. «Srfcnbl-Ii I. d. Dtfchn. »uGandel. 11033 Art. 7, Abs. 2 der Berner Konvention von 1888 es Vorsicht. Allein die internationalen Preßkongresse wehrten sich energisch, trotz des Widerspruchs der llrheberrechtler, gegen einen zu weit ausgedehnten Schutz (Kongresse von Lissabon, 1898, und Bern, 1902) und forderten neben dem Zitations- recht den völlig freien, allerdings der Quellenangabe unter worfenen Abdruck für Artikel über politische, religiöse, wirtschaftliche und soziale Fragen, wenn diese Artikel nicht das Verbot der Wiedergabe trügen. Diesem von seiten der Hauptinteressenten ausgeübten Drucke gab die Association nach und beschränkte sich in ihrem auf dem Neuenburger Kongreß von ISO? ferliggestellten privaten -Vorentwurf zu einer revidierten Berner Über einkunft» darauf, den freien Abdruck der politischen Artikel unter genauer Angabe der Quelle (Autor und Zeitung) zuzu- geftehen, sofern diese Artikel mit keinem Vorbehalt versehen seien; alle übrigen Artikel sollten jedoch ohne weiteres ge schützt sein. Die Association erklärte ausdrücklich, daß das System des Vorbehaltes eigentlich unlogisch und unbillig sei, aber zur Erleichterung des Preßverkehrs in dieser Beschränkung auf politische Artikel geduldet werden solle. Gedacht ist bei dieser Lösung stets daran, daß die Vorbehalte die unge heure Ausnahme bilden und daß die Regel das Nicht- vorhandensein des Vorbehaltes, also faktisch die Abdrucks freiheit ist. Die deutsche Regierung begnügte sich damit, vorzu schlagen, der noch in Paris belassenen, absoluten Schutzlosig keit der politischen Artikel sei ein Ende zu bereiten und deren Sonderstellung aufzuheben; zu diesem Zwecke diente der An trag, diese Artikel wie die übrigen Artikel zu behandeln, also gegen Quellenangabe freizugeben, wenn sie keinen Vorbehalt tragen. Während sie dies zugunsten der Autoren vorsah, suchte die deutsche Regierung nach einer andern Richtung hin auch einen gewissen Schlitz für die Zeitungsuuternehmen und die von denselben zur telegraphischen oder telephonischen Be schaffung von Nachrichten aufgewendeten Auslagen auszurichten. Diese Nachrichten sollten allerdings noch immer abdrucksfrei sein, aber es sollte ihnen eine gewisse Priorität gewahrt bleiben, was folgender Vorschlag ins Auge faßte: Diejenigen Tagesneuigkeiten, die bei ihrem ersten Erscheinen als tele graphische und telephonische Mitteilungen bezeichnet werden, sollten innerhalb der ersten 2 t Stunden nur gegen Quellenangabe ganz oder in veränderter Form abgedrucki werden dürfen, und zwar sollte sich diese Abdruckssperre sowohl auf die Tagesneuigkeiten mit literarischem, wie mit nicht literarischem Charakter, also sowohl auf urheberrechtlich schutzfähige, wie nicht schutzfähige Neuigkeiten erstrecken; da- mit gedachte man der absoluten Abdrucksfreiheit einen ge wissen Dämpfer aufzusetzen. Allerdings verlangte der deutsche Zeitungsverlegerverband noch ein Mehrercs, nämlich stetige, jeweilige Quellenangabe bei Abdruck der »Preßtelegramme». Aus einer andern Grundlage suchten die Association und die internationale Preßvereinigung (Kongresse von Stockholm und Lissabon), sowie der Deutsche Schriststellerverband (Berlin, 1905) diesen Nachrichtenschutz auszubauen, so fern bloße Mitteilungen (Informationen der Presse) ohne literarisches Gepi äge in Frage stehen; sie wollten solche Nach richten ebenfalls freigebcn, jedoch die Wiedergabe untersagt wissen, wenn sie die Form unlautern Wettbewerbs annehme. III. Aus dem Gewirr von Vorschlägen ging schließlich folgende Lösung hervor, die wir in unserm raschen Überblick über die in den Jahren 1888, 1896 und 1908 zurückgelegten Etappen bereits angedeutet haben, hier aber noch eingehender begründen müssen. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. 1. Eine ganze Kategorie von Zeitungsinhalt soll unbe dingten Schutz genießen. a) Vorerst sind dies die schon nach der Pariser Zusatzakte unbedingt geschützten Feuillctonromane und Novellen, in welch' letzierm Begriff nach den schon im Pariser Kommissionsbericht gegebenen Ausschlüssen inbe griffen sind: kleinere Romane, Erzählungen und Aufsätze, die mit Zutaten der Phantasie ausgeschmückt sind, auch wenn sie sich im Rahmen eines Zeitungsartikels bewegen. Es ist die Ansührung dieser Feuilletonromane und -Novellen durchaus nicht unnütz, da man in verschiedenen Ländern hat behaupten wollen, dieselben gehörten unter die Zeitungs artikel und müßten, um geschützt zu sein, den Vorbehalt tragen. Dänemark hat sogar sein Landesgesctz am 29. März 1904 abgeändert, um dieser falschen Auffassung zu steuern, die vielleicht in Schweden und Norwegen noch immer besteht. b) Dazu kommen nun alle andern literarischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Werke. Es sind dies Aufsatzserien z. B. über wissenschaftliche Themata, über geschichtliche Ereignisse, auch solche der Tagesgeschichte, die eigentlich ganz gut in Buch- oder Broschüreuform erscheinen könnten, die der Autor aber aus irgend einem Grunde der Zeitung zur erstmaligen Veröffentlichung überläßt, wo sie vielfach durch verschiedene Nummern hindurchgehen, oder auch an bestimmten Tagen der Woche, als Chroniken, Rund schauen usw. erscheinen. Darunter sind auch die schon nach der jetzigen Konvention bei Anbringung des Vorbehalts gegen Wiedergabe geschützten Studien, Essais und Aussätze über politische Fragen zu rechnen. Im übrigen fällt der Inhalt, also der Gegenstand, den diese Werke behandeln, nicht in Betracht; er kann aus dem Bereich Ser Literatur, Wissen schaft oder Kunst genommen sein. Entscheidend ist, daß es Schriftwerke, keine bloßen Artikel sind. Allerdings wird die genaue Unterscheidung dieser beiden Unter abteilungen noch Schwierigkeiten verursachen, gleich wie in Deutschland die Scheidung zwischen den völlig geschützten Ausarbeitungen wissenschaftlichen, technischen oder unterhaltenden Inhalts und den einzelnen Zei tungsartikeln (Art. 18 des Gesetzes vom 19. Juni 1908) noch heute die Judikatur, namentlich soweit es gerichtliche Referate anbclangt, beschäftigt. Dagegen ist durchaus klar, daß die Illustrationen als künstlerische Werke vollen Schutz genießen und zwar alle ohne Ausnahme. Die Abordnung eines Landes an der Berliner Konferenz hatte allerdings versucht, eine gewisse Entlehnungbefugnis sür die -Zeichnungen» (Dessins) in Zeitungen zu erreichen, stand aber davon ab, so daß der künstlerische Zeitungsinhalt unantastbar ist. e) Eine folgenschwere Neuerung ist auch der volle Schutz der Zeitschriftcnartikel, die mit Recht als Schriftwerke angesehen werden. Deshalb werden nunmehr die Zeitschriften auch nur noch im ersten Absatz des neuen Artikels 9 angeführt. Man hatte srüher in Deutschland gegen diese Lösung einge wendet, daß ein richtiger technischer und juristischer Unter schied zwischen Zeitungen und Zeitschriften nicht zu machen sei, allein das deutsche Gesetz von 1901 ist nun schon viele Jahre in Kraft, und niemals hat diese Unterscheidung Schwierigkeiten bereitet. Nach der dritten Lesart von 1908 würde die Nötigung, Zeitschriften überhaupt mit einem all gemeinen Verbot oder einzelne Zeitschriftenartikel durch ein Sonderverbot gegen Wiedergabe immun zu machen, restlos dahinfallen. 2. Bedingten, d. h. von der Aufnotierung eines Vor behaltes abhängigen Schutz genießen nunmehr die eigent lichen Zeitungsartikel, die also, da der Vorbehalt ja meist fehlt, in Wirklichkeit nachgedruckt werden dürfen. Den >434