Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 05.06.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191806058
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19180605
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19180605
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-06
- Tag 1918-06-05
-
Monat
1918-06
-
Jahr
1918
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 05.06.1918
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Irlanä unä 6nglanä. Was die Iren seit ihrer Unierweriung immer wieder zu Ausständen trieb, war die deultiche Erkenntnis, daß England eS offenbar nicht nur aus ihre Unterweisung abgesehen hatte, sondern auch aus ihre Ausrottung von der Insel. Der Widerstand, den sie der Eroberung leisteten, wurde nicht als ehrlicher Kampf in offenem Kriege angesehen, sondern als Hochverrat gegen den englischen König. Wer die Waffen gegen England trug, war dem Tode durch den Henker verfallen. Ja, unter Elisabeth und unter Crom well sind die ganzen Besatzungen der irischen Städte, die sich ergeben hatten, Tausende von Menschen, gehängt oder niedergehauen worden. Wo eine englische Armee durch das Land zog, da verheerte sie zu beiden Seiten, soweit ihre Macht reichte, alles Land, tötete das Vieh, zer störte die Gebäude, hieb die Bäume nieder, verschüttete die Brunnen. Noch am Ende des 18. Jahrhunderts hauste bei der Niederwerfung eines Ausstandes die englische Soldateska so sürchterlich, daß engliiche Generale voll Schaudern in die Heimat schrieben, Kirgisen und Kalmücken hätten es nicht entsetzlicher treiben können — dab noch in unseren Tagen ein englischer Historiker von hohem Rangs, Lord Bryce, ge meint hat, die englischen Soldaten hätten ge wütet wie Verbrecher, denen man jede Freiheit gelaffen habe. Hand in Hand mit diesen Greueln ging eine geradezu entsetzliche Mißwirtschaft in der Ver waltung. Die Katholiken, Priester wie Laien, wurden bis auis Blut gepeinigt. Das Schul wesen, das im Mittelalter durch die Klöster zu blühender Entwicklung gekommen war, wurde völlig zerstört. In dem Volke, das im Mittel- alter zu den gebildetsten Europas gehört bat, können heute nach englischen Statistiken 19 "/» nicht lesen und schreiben, in einzelnen Graf schaften steigt die Zahl der Analphabeten bis 44, ja, bis zu 50 °/o. Handel und Wandel, Schiffahrt und Gewerbe haben die Eng länder planmäßig zerstört, die irischen Indu strien, die Woll-, die Banmwoll-, die Glas-, die Leinenindustrie völlig ruiniert, den Überseehandel kurzweg verboten. Am ärgsten aber hat die iriiche Landwirtschaft leiden müssen. Ungeheure Strecken fruchtbaren Bodens sind den Iren entrissen und an Engländer ver geben worden. Als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts furchtbare Kartoffel-Mißernten kamen, da brachen Hungersnöte in Irland aus, wie sie Europa sonst nicht erlebt hat. Nach englischen Statistiken sind damals dem Hunger tode unmittelbar erlegen fast 600 000 Menschen. Die,Times' aber schrieben dazu triumphierend: nun werde der stäche Barier in Connemare, einer irischen Grasschaft, bald ebenso selten sein wie die Rothaut am Ufer des Manhattan, und die englische Regierung verbot, dab die Schiffe mit Getreide, die die Amerikaner zn unentgelt licher Verteilung schickten, entladen wurden, denn — sagte Sir Robert Peel im Parlament — das würde den regelmäßigen Handel stören. Und trotz dieser grauenvollen, in keinem christlichen Staate der Welt annähernd ähnlich getriebenen Mißwirtschaft hat das irische Volk bis vor wenigen Jahrzehnten in seinen Forde rungen sich zu nichts anderem verstiegen als höchstens zu dem Begehren nach Homerule, d. h. nach einer zwar weitgehenden Selbstverwaltung, aber einer Selbstverwaltung, bei der Irland ein Teil des englischen Reiches bleiben sollte. Die Iren waren es bis vor kurzem noch zu frieden, dem britischen Imperium anzugehören, sie verlangten nur, Bürger, nicht rechtlose Sklaven, in diesem Reiche zu sein. Anders geworden ist das erst in den letzten zwei oder drei Jahr zehnten. Ein mächtiger Bund, die Oaslio Ick^ns, die Gälische Liga, Hal, gestützt aus mehr als 1000 Ortsgruppen, die nicht nur in Irland, sondern in der ganzen Welt verbreitet sind, das Nationalitätsbewußtsein Les irischen Volkes aus seinem Schlafe auferweckt, hat die irische Sprache, die dem Tode verfallen zu sein schien, zu neuem Leben gerufen, hat das irische Volk mit der großen Geschichte seines Mittelalters und mit den Jahrhunderte stillenden Grausam keiten des englischen Eroberers wieder bekannt gemacht. Das irische Volk hat eine völlige Wiedergeburt erlebt und ist sich seines unver söhnlichen GegeruatzeS zur angellächsiichen Raffe bewußt geworden. Der 1905 von Arthur Griffith gegründete Bund der Sinnfeftr, dem immer weitere Kreiie der Iren Mallen und der jetzt wohl schon die größere Hälfte des irüchen Volkes umsaßt, will Irland völlig un abhängig von England machen und es zu einem souveränen Staate erheben. Er hat aut seinem Kongresse in Dublin im Oktober vorigen Jahres beichlossen, daß dazu jedes Mittel anzuwenden sei. Das heißt: auch die Gewalt, und das Mittel der Gewalt hat der Bund schon vorher, schon Ostern 1916, in Dublin anzuwenden ver sucht. Ersolglos, die englische Übermacht hat die Erhebung zu Boden geworfen und zer stampft. Und doch fürchtet England Irland und wagt — bis jetzt — nicht, die Wehrpflicht in Irland durchzusühren. Hat doch die bloße An kündigung der Wehrpflicht die Nationalisten, die nur Homerule wollen, und die Sinnseiner, die den Nationalisten bisher feindlich genug gegenüberstanden, alsbald miteinander aus- gesöhnt. Das ist das überaus schwere Problem, vor dem England steht: England, der selbstlose Be schützer der kleinen Völker, will Irland nicht freigeben, weil es damit die Grundlage der Tyrannei ausgäbe, die es über die Meere aui- genchtet hat, und weiß doch, daß das iriiche Volk nicht ruhen wird, ehe es nicht steigeworden ist von der britischen Knechtschaft. verschiedene ttriegsnachrichten. Marokkaner und Zuaven. Die steilen, waldigen Höhen südlich Cornicy wurden am Abend des 27. Mai im Bajonett angriff gestürmt. Hier waren Marokkaner mit Zuaven eingesetzt, um den Engländern Rückhalt zu geben. Große Lager, Depots von Be kleidungsstücken, Pioniergerät und Biunilion wurden in den Wäldern vorgeiunden. Gänz lich unversehrt, waren sie in aller Eile ver lassen, Geschütze, Munitionskolonnen und Kraft fahrzeuge wurden auf der nach Südasien führenden Straße von unserem Artilleriejeuer gefaßt, znsammengeschossen und erbeutet. -I- Deutsch-Ostafrika soll englisch werden. Nach einer Rcutermeldung führte auf der Edinburger Jahresversammlung der Kirche von Schottland der Leiter der Versammlung unter Beiiall aus, daß Deuisch-Ostasrika niemals an Deutschland zurückgegebeu werden düne, daß es nicht internationalisiert, sondern englisch werden müsse. Demsch-Ostamka sei bekannt gewesen als das Land der 25 Peitschenhiebe. Mit den Peitschenhieben sei es vorbei, und, so schloß der Vorsitzende, was einmal vorbei sei, müsse für immer vorbei sein. Auch hier begegnet uns wieder der bekannte englische Verleumvungsseldzug. * Krieg bis zum Siege. Zu Ehren der aus Amerika zurückgekehrten Vertreter der britischen Arbeiterpartei Appleton, Charles Duncan, I. Butterworth und William wurde, wie aus London gemeldet wird, von der Industrieliga ein Diner gegeben, bei dem Arbeitsminister Roberts in einer Rede sagte, die Majorität der englüchen Arbeiterverneter hätte bewiesen, daß ffe in erster Linie Patrioten seien. Charles Duncan versicherte, daß es der feste Entschluß des ganzen amerikanischen Volkes sei, zu kämpten, bis der Feind niedergeworien sei, und daß es weder Geld noch Menschen sparen werde. Politische Kunälchau. Deutschland. *Die Errichtung einer Neichswande- rungsstelle ist für die nächste Zeit in Aus sicht genommen. Nach Abschluß der Friedens- Verträge mit der Ukraine, Großrußland, Finn land und Rumänien hat ein erheblicher Zustrom von Reichsdeutschen und Deutschrussen eingesetzt, die, unter Aufgabe ihres bisherigen Wohnortes im Ausland, eine dauernde Niederlassung in Deutschland oder in den unter deutschem Schutz flehenden Staatsgebieten erstreben. Nach Ein tritt des Friedensziistandes mit den anderen feindlichen Staaten ist eine weitere Rückwande rung Deutscher und deutschstämmiger Ausländer zu erwarten. Diese für den Wiederau'bau unserer Volkskraft, Wehrkraft und Nährkrait wertvolle Wanderungsbewegung bedarf zur Ver meidung von wirtschaftlichen Schäden und Miß erfolgen einer organischen Regelung ebenso wie etwa später wieder eintretende Auswanderungs- bestrebungen. Für diese Aufgabe ist die neue Reichszentralstelle bestimmt. * Uber den Abbau unserer Kriegs- wirtichas 1, wie sie der Antrag des konservativen Abg. Noesicke verlangt, äußerte sich Dr. Bovenschen von der Reichsstelle für Obst und Gemüse in einem Bielefelder Vortrage folgendermaßen: Man kann über unsere Kriegswirtschaft gewiß ver'chiedener Meinung sein, immerhin darf man der Ansicht sein, daß es ein mindestens sehr ge wagtes Stück sein würde, wenn wir nach 3 V, Jahren jetzt plötzlich versuchen wollten, das Verfahren zu ändern oder zur Friedenswirtschaft zurückzukehren, über die Zweckmäßigkeit des Antrages will ich mich nicht äußern, möchte aber der Meinung Ausdruck geben, die der Präsident des Kriegsernühruugsamts v. Waldow bei anderer Gelegenheit dahin äußerte, daß es heule im deutschen Valerlande wohl kaum viele Leute geben würde, welche die Verantwortung sür einen solchen Schritt auf ihre Schultern nehmen würden. Polen. * Eine neue Vereinbarung über die polnischen Truppen ist in Minsk zwischen Vertretern der deutschen Obersten Heeresleitung und dem Generalgouvernement Warschau einerseits und dem Generalmajor v. Carnicki als bevollmächtigten kommandierenden General des ersten polnischen Korps Dowbor- Musnicki andererseits abgeschlossen worden. Das erste polnische Korps wird danach aufgelöst. Die Offiziere und Mannschaften können als freie Bürger in die Heimat zurückkehren. Die Auf- lömng wird baldig beginnen, fo daß nun auch an dem bisher von diesem Korps besetzten Frontteil gegen Großrußland Ruhe und jried- licher Verkehr eintreten wird. Rustland. *Der gut unterrichtete Moskauer Gewährs mann der .Kölnischen Volkszeitung' meldet, daß die Stimmung in Petersburg und Moskau in letzter Zeit eine Spannung erreicht hat, die alles mögliche erwarten läßt. Tue Unzufriedenheit habe thre Quelle sowohl m der inneren wie in der äußeren Lage. Neben Fragen der Außenpolitik Hai die Svwsetregierung sich der inneren Unzwriedenhett zu erwehren, die namentlich durch den Hunger hervorgermen wird. Die Ernährung der russischen Stäote, vornehmlich Petersburgs, ist in ein äußerst kritisches Stadium eingetreten. Die Gegen revolutionäre suchen das Volk gegen die Sowjet regierung aufzustacheln. Ukraine. s * Das Präsidium der Wiener Ukraine-Ver tretung veröffentlicht eine Unterredung ihrer Ob männer mit dem Staatssekretär Kühlmann. Das Präsidium war beim Staatssekretär er schienen, um sich darüber zu unterrichten, welche Haltung die deutsche Regierung zur Neugestaltung der Dinge in der Ukraine einnimmt. In der ukrainischen Bevölkerung sei die Befürchtung aMgetaucht, daß der Vertrag von Brest-Litowik, an dessen restlmer und komequenter Einhaltung auch die österreichischen Ukrainer unmiftelbar interessiert sind, in Frage gestellt werden könnte. Staatssekretär v. Kühlmann gab hierauf die Erklärung ab, daß Deutichland an dem in Brest-Litowik geschlossenen FriedenSverlrag unverrückbar sesthalie und daß die Bestimmung dieses Vertrages restlos durchgeführt werde. Die Befürchtung daher, daß die staat liche Selbständigkeit der Ukraine nach deren nunmehr erwlgien gänzlichen Loslömng von Groß-Nußland wieder aufgehoben werden würde, sei ganz unbegründet. Rumänien. "Das Negierungsorgan ,Steagul' schreibt, ' daß Marghckoman in einem in Jassy abge ¬ haltenen Ministerrat Gesetze in Vorschlag brachte, die auch angenommen wurden. Das Gesund heitsamt wird ermächtigt. Arzte und Kranken pfleger zwangsweise zur Dienstleistung in Beß- arabien heranzuziehen, um die dort verbreiteten Seuchen zu bekämpfen und die zahlreichen Kranken zu pflegen. Es soll ferner der Arbeitszwang für landwirtschaft liche Arbeiten eingeftihrt werden, da die Landwirtschaft das Haupimitlel zur Rettung und Wiederherstellung Rumänieus darstelle. Die Negierung wolle darüber wachen, daß der Acker bau möglichst ertragreich betrieben wird. Es wird eine Arbeitsvermittlungsstelle ins Leben gerufen werden, die es ermöglichen soll, raich Arbeitskräfte zu finden und ffe dahin zu diri gieren, wo die Erntearbeiten sie enordern. I^ämpfenä vorwärts! Der Marne entgegen. Die neue Durchbruchsschlacht stellt sich würdig an die Seite der größten Durchbruchs schlachten dieses Weltkrieges, bei Gorlice und in Italien. Der Siegesmarsch unserer Truppen ist fo stürmisch, daß er kaum seinesgleichen in der Geschichte gewaltiger Kriege haben dürfte. Am dritten Tage sind ungeheure Fortschritte erzielt worden. An der Linie Crecy—au Mont, i die nordwärts von Soissons verläuft, ist Raum ! gewonnen worden, und über alles Erwarten ! und Hoffen schnell wurde Soissons selbst ge- s nommen. Um Soissons wurde in diesem Kriege schon oft und heiß gestritten. Es sei nur an die ruhmreichen Januarkämpse von Soissons erinnert, m denen die Tiuppen der Generale v. Lochow und Wichura vor Jahren gekämpft und gesiegt haben. Eine Kompagnie umerer Soldaten war damals schon bis in die Vor städte von Soissons gelangt. Nun ist dieser wichtige Platz in unterem Besitze. Seine Be deutung als Eisenbahnknotenpunkt ist bekannt. Von weiterer Bedeutung für die Verjagung des feindlichen Heeres ist die Tatsache, daß sich hier sechs der wichtigsten Heerstraßen Frank reichs kreuzen. Als Brückenkopf der Arsne war Soissons früher eine sehr starke Festung mit Wall und Graben, Bastionen und Hornwerken. Soissons ist eine sehr alte Stadt, die bereits aus der Römerzeit stammt, wo sie Novicdunum hieß. Sie spielte in den Kriegen Frank reichs eine große Nolle, zuletzt im Jahre 1870, wo sie am 11. September von den deut'chen Truppen der Maasarmee erreicht und vom 11. Oktober 1870 an förmlich belagert wurde. Sie kapitulierte bereits am 16. Oktober 1870. In dieiem Kriege hatte sie eine un geheure Bedeutung sür den Nachschub des feind lichen Niesenheeres, das Eiienbahnknotenpunlte von solcher Ausdehnung unerläßlich nötig hat. Der Verlust dieses wichtigen Verkehrspunktes ist darum nicht nur moraliich. sondern auch ein militärisch für uniere Feinde ein nicht wieder gut zu machender Krebsschaden. Auch die anschließende feindliche Front erlitt auss neue eine furchtbare Niederlage. Die Franzosen hatten südlich der Vesle in größter Hast eine neue Front gebildet, die völlig zu sammenbrach. Unsere Truppen sind bereits mit ihrer Spitze bis nach Fare en Tardenois vor gedrungen und haben weiter östlich ihre Front bis zur Linie CoulongeS-Brouillei-Branscourt vorgetchoben. Östlich von Branscourt bildet die statte Festung Reims einen mächtigen Flankenstützpunkt der Franzosen Reims ist an der Vesle und am Aisne-Marne- Kanal gelegen und als modernes Bollwerk einem feindlichen Vormarsch entgegengetürmt. Gleich Soissons hat auch Reims als Verkehrs knotenpunkt und Haupistapelplatz in milftSrncher Beziehung die größte Bedeutung. Die Festung liegt an der Straße Epernay—Laon und hat mit Verdun, Soissons usw. eine gute Verbin dung. Auch Reims hat in der Kriegsgeschichte sine Rolle gespielt Zuletzt war es am 4. Sep tember von den Truppen der dritten deulschen Armee im Jahre 1870 besetzt worden. König Wilhelm hielt am 5. September hier leinen Einzug und hatte bis zum 14. in dieser Stadt sein Hauptquartier. Oer k>albkerr von L^ubenow. 16! Roman von Arthur Zapp. „Und deshalb willst du wohl auch dar Rittergut Frischdorf ankaufen?" Karl machte eine Bewegung der Überraschung, bestätigte aber dann lächelnd: „Jawohl, du kleine Allwissende. ES erscheint uns zweck mäßiger, daß ich mein zweiter Gesuch als Rittergutsbesitzer und nicht als Geschäftsmann unterzeichne." Die junge Frau schmiegte sich an ihren Gatten und sagte mit flehend zn ihm auf geschlagenen Augen: „Ich bitte dich dringend von deinem Vorbaben abzustehen, Karl." Der junge Mann blickte erstaunt zu der Bittenden herab. „Aber warum denn?" „Weil — —' Eine unendlich peinliche Empfindung malte sich in ihren vibrierenden Mienen. „Erlaß mir die Angabe meiner Gründe! Ich bitte dich flehentlich." Karl schüttelte mit dem Kopf. „Aber Kind, das geht doch nicht! Es ist ja doch schon alles verab redet zwischen deinem Vater und mir. Morgen wollen wir nach Fri'chdorf reisen. Ich kann doch nicht mehr zurück." Edith zog ihre Hand zurück, die sie be schwörend auf den Arm ihres Mannes gelegt hatte. Sie richtete sich.auf, ihr Antlitz verfärbte sich und ihre Augen, die sich weit öffneten, blutten starr, voll Schrecken. „Dann, Karl," stieß sie mit zuckenden Lippe:: hervor, „dann machst du es mir unmöglich, dir isS Auze zu sehen, dir zu begegne« wie bisher. Dann machst du mich namenlos unglücklich. Dann zwingst du mich, vor dir —" Sie sank in den hinter ihr stehenden Sessel und schlug stöhnend ihre Hände vor ihr Gesicht. Dem jungen Ehemann kam dieser Gefühlsaus- bruch so iäh und unerwartet, daß er im ersten Augenblick bestürzt, ratlos dastand. Dann aber beugte er sich zu ihr hinab, küßte die zitternden kleinen Händchen und flüsterte zärtlich: „Aber, liebes Kind, io beruhige dich doch! Ich begreift dich nicht. Warum soll ich denn Frischdorf nicht lausen?" „Weil —" sie schauderte; «S kostete sie er sichtlich eine große Anstrengung, die Worte über ihre Lippen zu zwingen — „weil ich nicht will, daß du Schaden erleidest, daß du meinen Eltern ein Geschenk machst, weil ick nicht vor dir erröten will als Tochter meines Vaters." Wie im inneren Krampf bebte die zarte, schwache Gestalt, und nun kam ein würgendes, erstickendes Schluchzen aus der ringenden Brust heram. Karl beugte sich tief erschüttert über die Weinende, und mit heißem Mitleid fühlte er ihr nach, wie schwer ihre Seele bei diesem Geständnis leiden mußte. „Aber du übertreibst, liebes Kind ... So weine doch nicht mehr! Ich füge mich dir ja. Doch glaube mir, du siehst die Dinge in falschem Licht." Sie wehrte mit einer heftigen Gebärde ab. „Nein, nein! Ich kenne die Verhältnisse ganz genau. Versprich mir, daß du morgen! nicht nach Frischdorf reisest." .Slber was soll ich denn deine« Vater sagen?" ' „Schreibe, daß du verhindert, daß du krank bist." Er schüttelte zögernd mit dem Kopf. Sie aber faßte ihn mit fieberischer Lebhaftigkeit unter den Arm und führte ihn zum Schreib tisch. Ihm blieb nichts übrig, als ihr zu will fahren. Nachdem er ein paar Zeilen geschrieben batte, sandte er den Brief durch einen Diener in die Wohnung ihres Vaters. Gegen Abend kam der Baron; seinen Mienen war deutlich die Überraschung, die ihn erfüllte, ausgeprägt. „Kann ich Karl sprechen?" fragte er Edith» die ihn allein empfing. „Karl ist ausgegangen." — „Aus? Erlaube mal, er ichrieb mir doch, daß er krank sei." — „Das war nur ein Vorwand, Papa." Die Augen des allen Herrn blitzten zornig. „Nur ein Vor—? Das wird ja immer schöner! Ja, was soll denn das heißen?" Die junge Frau blickte dem Zornigen ruhig und fest ins Auge: „Karl verzichtet auf Früch- dori. Und er hat auch feinen anderen Ent schluß, aus der Fabrik auszuscheiden, wieder ausgegeben." Der Baron trat einen Schritt zurück, der Arger übermannte ihn immer mehr: „Ja, ist denn Karl ein Mann oder ein altes Weib?" brauste er ans. „Es war doch alles fest abge macht. In seinem eigenen Interesse wollte er doch Frischdorf taufen." „Sein Interesse gebietet ihm, davon abzu stehen, und das habe ich ihck gesagt." „Du?" Der alte Herr riß feine Augen weit am. Auf seinem weimoteu Gesicht stammte dunkle Glut. „Was verstehst du denn davon! Was hast du dich m unsere Geschäfte zu miscken?" Die jung« Frau neigte ein wenig ihr Haup' und vermied es. dem zürnend und fragend am sie gerichteten Blick ihres Naters zu begegnen. Leise, fast verschämt antwortete sie: „Als Karls Frau habe ich die Pflicht, seine Interessen zu wahren und als deine Tochter, Papa, w.ll ich nicht, daß Karl Grund erhält, einmal über dich abfällig zu urteilen." Der alte Baron zuckte heftig zusammen. Im ersten Augenblick war er vor Überraschung iprachlos. Dann aber sühlte er das Bedürfnis, die innere Stimme, die ihm zmief: „Sie hat recht!" zu betäuben, und er schrie: „Unsinn! Das sind Phantastereien! Was verstehst du mit deinen überspannten Ansichten rwn unsern Geschäften! . . . Aber mir kann e? ja recht sein, es ist ja sein eigener Schade und der deine." Er nickte, stieß ein zorniges „Adieu" hervor und verließ das Zimmer, ohne feiner Tochter wie sonst die Hand zu reichen. 11. Wenn mich der alte Baron von Langwitz cs vermied, seinem Schwiegersohn einen Vorwurf zu machen oder in seinem äußeren Verhalten ihm gegenüber seinen Verdruß zum Ausdruck zu bringen, fo trat doch in der nächsten Zeit eine keife Entfremdung zwischen ihnen ein. Für das, was er etwa dadurch verlor, entschädig:« Karl Ediths Liebe "ollauf. Inniger als ft schloß ne sich an ihn und die Wolken, die au dem Himmel ihrer Ehr aufgezogen waren.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)