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Allgemeiner Anzeiger : 17.04.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191804175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19180417
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19180417
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1918
-
Monat
1918-04
- Tag 1918-04-17
-
Monat
1918-04
-
Jahr
1918
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.04.1918
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In MrUomen» Cräe. Deutsche Heldengräber. Wenn man in Deutschland der in belgischer Erde schlafenden deutschen Helden diese» Kriege» gedenkt, ist zumeist die Rede von unseren „Kriegergräbern in Flandern". Man bedenkt aber dabei gewöhnlich nicht, daß der nicht flandrisch« Teil Belgien», also Wallonien (mit den Provinzen Luxemburg, Lüttich, Namur, Hennegau und Südbrabant) auch deutsche Heldengräber birgt, freilich in einer Zahl, die zurücksteht hinter dem Umsang de» Totenreigen», der über Flandern» und NordsrankreichS Ge filde dahingegangen ist. Angesicht» der er staunlichen Schnelligkeit, mit der im Sommer 1914 der deutsche Vormarsch gerade durch jene wallonischen Gebiete bewerkstelligt wurde, konnten natürlich die Gräber nicht nach den im weiteren Verlaufe de» Krieges, vornehmlich in den Gebieten de» Stellungtkriege» zur Norm gewordenen Richtlinien angelegt werden; da» Tempo de» Vormärsche», de» Bewegungs kriege» nötigte im wesentlichen zur Bevorzugung der Massengräber und Provisorien. Selbstverständlich hat e» aber die den grossen Toten verbriefte Danke»schuld bei jenen, da mals von der Not geborenen provisorischen Maß- «ahmen nicht bewenden lassen; im verlaufe der sckt jeneu Kampf- und Siege»tagen verstrichenen L Jahr« ist vielmehr ungemein viel geschehen, de« den tote« Helden seitens der Heimat ge bührenden Dank auch in Form der Umgestaltung ihrer letzten Ruhestätte zu« Ausdruck zu bringen. Da» gilt inibesondere von der Provinz Luxem burg, die die «eisten Gräber beherbergte. Bon dm dort rastenden Heldengebeinen ist der weit- an» grösste Teil umgebrttet, d. h. in bereit» fertigen und der Vollendung «ntgegengehrnden Ehrenfriedhöfen niedergelegt worden. Und ständige „Gräberkommandot" und die Bereit stellung sachkundiger Architekten, Bildhauer, Gärtner usw. haben e» erreicht, bezw. werden et auch in der Fortsetzung ihrer Arbeit er reichen, daß diese Ruhestätten in allem den un vergänglichen Verdiensten der toten Kämpfer entsprechen. Gleichet gilt auch von Einrichtung und Ausstattung der umgestalteten Gräber in den Provinzen Lüttich, Namur und Hennegau. Auch da haben behördliche Fürsorge und kamerad schaftlicher Geist, Pietät und technische» Geschick eindrucktvolle Neuerungen entstehen lassen, deren Art und Umfang am beredtsten wohl in den dortigen Ehrenfriedhöfen zu Worte kommen. Begreiflicherweise erforderten alle diese Arbeiten trotz Beobachtung der durch die Ver hältnisse gebotenen ernsten Schlichtheit erhebliche Kosten und werden solche auch noch weiter fordern, allein wenn irgend ein Kriegsaufwand der ungeteilten Billigung von allen Seiten sicher sein kann, möchte e» der hier in Rede stehende sein. Denn kein vom Odem dieser großen Gegenwart berührter deutscher Volks genosse kann ja wünschen, daß über den Gräbern der Helden dieses Kriege» in absehbarer Zeit schon die Pflugschar ächzt oder Einsamkeit und Vergessen wohnen; nein, solange wir dieser Helden Wobnstatt zu betreuen vermögen, seien sie mit jedem neuen Frühling aufs neue ge grüßt von unserem Dank und unserer Liebe sichtbaren Zeichen. Von unä fern. Deutsch - türkische A«St«uschjuriften. Auf Anregung des türkisch-deutschen Freund- ichastSbunde» werden in nächster Zeit deutsche Juristen nach Konstantinopel kommen, um Vor träge zu halten. Osmanische Juristen werden sich im Juni nach Deutschland begeben, um mit deutschen Juristen Meinungsaustausch zu pflegen. Unterstützung arbeitsloser Tabak- arbeiter. Aut Bielefeld wird berichtet: Der Deutschen Tabakzentrale für Kriegslieserungen hat der Reichskanzler 6 Millionen Mark zur Verfügung gestellt zur Unterstützung arbeitsloser Tabakarbeiter. Eine Stiftung für triegsbeschädigte Studierende. Stadtrat Dr. Benn» Jaffö in Berlin hat zum Andenken an seinen auf dem Feld« d«r Eh« gefallen«« Lohn d«r B«rki«er Univtrsität zur Errichtung einer „Gerhard Jafft-Etiftung" 100 000 Mark der 8. öligen Deutschen Reichsanleihe überwiesen, «uS deren Einkünften kriegSbeschädigte« und durch de» Krieg in eine bedrängte Lage gebrachten Studierenden Beihilfen gewährt werden sollen. Machenschaften -e<en die Kriegs anleihe. Aus dem Oldenburgischen wird ge schrieben, daß die Bauern von der Zeichnung der neuen Kriegsanleihe dadurch von gewissen losen Hetzern und vermutlich bezahlten Agenten des Auslandes abgehalten werden, daß die er logene Behauptung verbreitet wird, die Reichs- regierung beabsichtige, den Banken und Spar kassen die Verpflichtung aufzuerlegen, die Gut haben ihrer Kunden, namentlich auch in Kriegs anleihe, den Steuerbehörden mitzuteilen. In der Gegend von Straußberg (b. Berlin) ist daS unsinnige Gerücht verbreitet, daß sür die zu jüngste Post keß aber vier Lochen auf sich warten. OL» finklanbrot. Fortschritte der AolkSernährung. Die Brotschwierigkeiten, unter denen ein er heblicher Teil der Welt zu leiden hat, führten bekanntlich dazu, daß man, ganz abgesehen von den KriegSverhältnissen, die Frage der modernen Brotnahrung näher untersuchte. Während zur Zeit unserer Vorfahren da» Brot au» dem ganzen Korn hergestellt wurde, fallen jetzt die Randschichten det Getreide» fort. Durch die Mühlentechnik der neueren Zeit wurde eine immer vollkommenere Trennung de» weißen Mehlkern» von den graugelben als Kleie ab fallenden äußeren Schichten bewirkt. So ent stand da» zarte weiße Mehl, da» geschmacklich den größten Beifall sand, doch nunmehr hat Tum Vorstoß süäUck äer Oise. zeichnende Kriegsanleihe vom Staat (soll wohl „Reich" heißen) nur 50 zurückgezahlt würden. ES ist zu hoffen, daß die Behörden mit allem Nachdruck gegen die Verbreiter solcher Lügen einschreiien. Ein Schatz im Vermodern. Einen un glaublichen Leichtsinn hat ein Landwirt in einem Dorf bei Schalkau in Thüringen an den Tag gelegt. Schon seit Jahr und Tag lag in seinem Anwesen ein Betrag von 20000 Mark in Papiergeld versteckt, um wenigstens das Geld zu retten, „wenn die Franzosen kommen sollten". Inzwischen ist e» guten Freunden gelungen, den Mann zu einer besseren Einsicht zu bringen, und so zahlte er da» Geld sür die 8. Kriegs anleihe ein. LS war aber die höchste Zeit, denn fast wäre das ganze Geld verloren gewesen, da sämtliche Scheine infolge Moders der Vernichtung nahe waren. Mehl i« Pulverwagen. Auf dem Wene von Bochum nach Steele wurde ein Pulm.- wagen von einem Polizeibeamten angehaUen und untersucht. Auf dem Bock des Wagens faßen neben dem Kutscher zwei verwundete Soldaten, davon einer mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse. Dem Polizeibeamten war die weiße Farbe deS PulverS verdächtig und er stellte sest, daß es reines Weizenmehl war. Die acht Zentner schwere Ladung, die 4000 Mark gekostet haben soll, wurde bei einem Bäckermeister untergebracht. Brotkrawalle in Holland. In Rotter dam, Harlingen, Enschede und anderen Orten fanden Brotkrawalle statt. Die Bäckerläden wurden gestürmt und die Fensterscheiben zer trümmert. Diamantzufuhren für Holland. Mit der dieser Tage in Amsterdam eingetroffenen englischen Post ist wieder eine ansehnliche Menge Rohdiamanten nach Holland gelangt. In der Regel kam alle 14 Tage eine Sendung an. die sich herausgestellt, daß dieser scheinbaren Ver besserung de» Mehl» erhebliche Nachteile in gesundheitlicher Beziehung gegenüberstehen. Die für den Menschen notwendigen Nähr stoffe, Eiweiß, Fett, Kohlehydrate und Salze befinden sich im Getreide in ungleichmäßiger Verteilung. Während der innere Kern haupt sächlich Kohlehydrate, hingegen nur in ganz geringen Mengen die drei anderen Stoffe ent hält, findet sich in den Randfchichten der Getreide- lörner bedeutend mehr Fett, außerdem fast doppelt soviel Eiweiß und endlich da» Sieben- bis Zehnfache an mineralischen Salzen. Das Feinmehl oder Kernmehl ist also ein ganz un vollkommene» Nahrungsmittel und nicht ge eignet, menschliches und tierisches Leben zu erhalten. Die» wurde auch durch Fütterungs- Versuche an Hunden und Mäusen bewiesen, die bei ausschließlicher Feinmehlnahrung zugrunde gingen, bei Fütterung mit dem ganzen Korn oder dem daraus hergestellten Brot aber gesund blieben. Eine ausreichende Ergänzung des an Eiweiß und Nährialzen zu armen Feinmehles durch den Genuß anderer Nahrungsmittel ist nicht leicht vollkommen zu erreichen, am schwierigsten hinsichtlich der Nährsalze. Die seit Jahrzehnten unrichtige Ernährung der Kulturmenschen hat sich daher auch bereits durch Enlartungserscheinungen fühlbar gemacht, z. B. durch eine Schwächung der Magen- und Darmtätigkeit, durch Zahn- säulnis usw. Die Rückkehr zur Natur, d. h. in diesem Fall zum Genuss des ganzen Kornes ist aber nicht ohne weiteres möglich. Die Nährstoffe der äußeren Schichten de» Getreide» liegen nämlich nicht frei wie im Mehlkern, sondern befinden sich in sehr kleinen festwandigen Zellen, zu deren Sprengung unsere geschwächten Ver- dauungsorgane nicht mehr fähig sind. Daher wurde in dec ersten KriegSzeit von wissenschaft licher Seite da» Verfüttern der Kleie an Tiere empfohlen, auf diesem Weae erhaben mir aber kaum ei» Fünftel de» vom Vieh gemessenen Eiweißes und einen noch geringeren Teil dec Nührsalze, weil das Vieh daS meiste zur Unter haltung der eigenen Lebensvocgänge im Stoff wechsel verbraucht. Die Zerstörung der Zell wände der Kleie muß also dem Körper abge nommen werden. Da» seine Zermahlen sühne nicht zu diesem Ziel, da die festwandigen Zellen zu klein sind. Erfolgreich zeigte sich erst das von dem ver storbenen Bonner Professor Finkler aus gearbeitete Verfahren, nach welchem die Zell wände der Kleie auf physikalisch-chemischem Wege zertrümmert werden. Nach diesem Ver fahren ist da» so bereitete Brot Finklanbrot be nannt. Die grobe Kleie wird mit kalkhaltiger, einprozentiger Kochsalzlösung zu einem Brei an gerührt, wodurch der Inhalt der Zellen auf quillt und die Zellwände auSeinandergeirieben werden. Durch die hierauf folgende Vermah lung nach einer besonders ausgearbeiteten Methode werden die Zellwände gänzlich zer trümmert, und so wird ihr Inhalt der Ver dauung zugänglich gemacht. Die Verdaulichkeit des Finklan-Brote» ist ebenso gut wie die des weißen Brotes, da? Verfahren aber ermöglicht dem Menschen eine mindesten» ebensogute Ver wertung der Nährstoffe der Kleie, wie sie das Vieh besitzt, eine weit bessere, als sie dem Magen des Naturmenschen zu eigen «ar. HericklskaUe. ! Krefeld. In einem großen Diebfiahlkprozeß, in dem es sich um gestohlene Stahlblöcke im Werte ! von 230 000 Mark handelte, wurden der Haupt- angektagte Briem zu drei Jahren, der Angeklagte Heidtmann zu zwei Jabrcn, Slaugen zu achtzehn Monaten, der Hehler Ricken zu eineinhalb Jahr und die übrigen Angeklagten zu zehn bi» drei Monaten Gefängnis verurteilt. Duisburg. Wegen großer Schiebungen mit Metallen bei der Duisburger Lagcrstelle der Kriegs» Melall-A.-G. ist der Kaufmann Rau zu 3Vr Jahren Gefängnis verurteilt worden. Vier Mitschuldige er hielten drei Monate bi» 1V- Jahr Gefängnis. Die Verurteilten haben ganze Waggons Metalle s verschoben. Vermißtes. Der Kinder-Keller in Luxembourg. Besonders charakteristisch sür die infolge der vielen Luftangriffe und der Fernbeschießung seit kurzem in Paris herrschenden Zustände ist die folgende Zuschrift an den .Figaro st „In einer Ihrer letzten Ausgaben veröffentlichen Sie das Schreiben einer Mutter, die sich darüber beklagt, daß es im Garten des Luxembourg keine Unter- kunftsstättr sür die Kinder gibt. Da in diesem Garten an jedem Nachmittag Hunderte von Kindern spielen oder spazieren gehen, sei es un bedingt notwendig, sür den Fall eines nach mittäglichen Alarms entsprechende Maßnahmen zu ihrer Beschntzung zu treffen. Ich weiß nicht, ob e» möglich ist, die Keller des Senatspalastes solchen Zwecken brauchbar zu machen, aber Sie können Ihre Leser und alle in derselben Lage befindlichen Mütter beruhigen durch die Fest stellung, daß es im Garten des Luxembourg eine von der „Kriegshilfe" organisierte Schutz- stätle gibt, und zwar in den Kellern de» früheren SeminarsSaini-Sulpice. DieKellerräumlichkeiten in dem alten Gebäude sind so ausgedehnt, daß sie im Notfälle bis zu 3000 Personen aufzu nehmen vermögen. Diese Keller werden nun besonder» hergerichtet, man hat in allen Ge wölben Bänke ausgestellt, sie sind in allen Teilen elektrisch beleuchtet und werden nach jeder Benützung mit Kalk und den vorschrifts mäßigen Desinfektionsmitteln gereinigt. Ein besonderer Teil der Keller wurde so ausgestattet, daß dort die kleinen Kinder, auf die man wegen der Nähe des Luxembourg-Gartens Rücksicht nehmen mußte, bequem untergebracht werden können. In diesen unterirdischen Gewölben wird das Ende der Gefahr durch drei Signale bekannt gegeben. Da man in Anbetracht dec jüngsten Ereignisse auch mit sehr lange dauernden Alarmzeiten rechnen muß, stellt die „Kriegshilse" den Müttern und Wärterinnen der Kinder Bücher und Zeitungen zur Verfügung. Der ge wünschte Kinderkeller sür den Lurembourg-Garien ist alio vorhanden." ' " - solch ein Hoppegarlen-Meeting selbst einmal an- scheu I" fiel der Regiernngsreferendar ein. Heinrich Lubenow machte eine süßsaure Miene. „Na, denn meinetwegen l Haben Sie sich unsere Fabrik angesehen, so können wir auch einmal Ihr Hoppegarten in Augenschein nehmen, wobei wir am Eno« noch besser dran sind. Na, denn mach' dich fertig, Mädel!" Fräulein Frieda aber erklärte, daß sie mindestens eine halbe Stunde sür ihre Toilette gebrauche. Die beiden jüngeren Herren möchten nur immer voran fahren. Dies geschah. Al» Herr von Langwitz und Karl Lubenow auf dem Rennplatz ankamen, war die erste Nummer deS Programms — ein nicht gerade inter essantes Jockeirennen — bereit» ihrem Ende nahe. Die beiden jungen Leute sahen dem Kampfe, auf dem Rasen de» ersten Platzes hin und herpromenierend, stehend zu. In der Pause faßte der Regierung»referendar seinen Begleiter am Arm, und auf eine kleine Gruppe deutend, die eben von der auf dem ersten Platz errichteten Tribüne herabkam, sagte er: „Meine Eltern I Gestalten Sie, daß ich Sie vorstelle.' Karl Lubenow errötete vor Freude, denn er betrachtete es als eine besondere Auszeichnung, daß er gewürdigt wurde, den Eltern seines KlubsreundeS vorgestellt zu werden. Der alte Baron begrüßte den jungen Fabrikbesitzer mit zurückhaltender Wurde; die Frau Baronin hatte die Liebenswürdigkeit, ein paar sreundliche Worte an ihn zu richten, während Baronesse Edith seinen Gruß mit einem stummen Nicken ihre» blonde» Laupte» erwidert» Als da» zweite Rennen eingeläutet wurde, begab sich die kleine Gesellschaft wieder nach der Tribüne hinauf. Nur der Referendar machte sich mit der kurzen Bemerkung los, daß er nach den „andern Herrschaften* sehen müsse. Karl Lubenow war etwgS befangen, als er aus einer der ersten Bänke der Tribüne neben Edith von Langwitz Platz nahm. Die junge Aristokratin war keine strahlende Schönheit; aber et lag etwas Stilles, Gleichmässige» und Zurück haltende» in ihrer Art, da» den jungen Fabrik besitzer mit bewundernder Scheu erfüllte und daS ihm, während er im stillen damit daS laute, ungenierte Benehmen seiner Base verglich, wahrhaft vornehm dünkte. Der Baron runzelte kaum merklich seine Brauen, als er in der nächsten Pause seinen Sohn in der Begleitung eine» älteren Herrn und einer sich etwa» lebhaft gebärdenden jungen Dame, die er am Arm führte, sich der Tri büne nähern sah. AlL jedoch die Vorstellung erfolgt war, ließ er sich in ein freundliches Gespräch mit dem älteren Herrn Lubenow ein. Es waren charakteristische Gegensätze in der äußeren Erscheinung der beiden alten Herren, die jedem Beobachter sofort auffallen mufMi. Der Baron mit dem langen, stattlichen Bart, über den die schmalfingrige Weiße Hand mit den wohlgepflegten langen Nägeln von Zeit zu Zeit strich, hatte etwa» Imponierendes. Der Helle Jackettanzug, über den der alte Aristokrat einen flotten kurzen Sommerüberzieher trug, war nach der neuesten Mode geschnitten. I» Heinrich Lubenow» schmalwangigem Gesicht, da» ein schmaler grauer, am Kin« uud aut der Oberlippe rasierter Bart umrahmte, lag nicht» Respektein flößendes. Ein nachdenklicher Ausdruck be herrschte es und die vielen Linien und Fältchen darin zeugten von Denkarbeit und durchkämpsten Sorgen und Mühen. Die hagere, etwas vorn übergeneigte Gestalt bekleidete ein dunkler langer Gehrock und ebensolche Beinkleider ; sein ebenfalls dunkler Überzieher reichte bi» weit über die Knie. Als daS nächste Rennen begann, unterrichtete der Baron Herrn Heinrich Lubenow, der neben ihm und seiner Gattin Platz genommen hatte, über die beteiligten Pferde und über die Reiter. Der Fabrikbesitzer staunte nicht wenig über daS Gedächtnis de» BaronS, der nicht nur die Namen aller Pferde, sondern auch ihren Stammbaum auswendig wußte. Und als nun das Rennen seinen Verlauf nahm — es war ein Herren- Hindernis-Reiten — welch lebhafte Anteilnahme der alte Aristokrat bekundete I „Wie famoS AthanaS die erste Hecke nimmt! Der erste Ulan steuert sie aber auch pracht voll . . . jetzt kommen sie an den großen Graben. . . . Passen Die auf, Libelle nimmt hier die Führung. . . . Pardautz! Lüttwitz von den fünften Dragonern hat sich von seinem Pfe^d getrennt. Schmachvoll! . . . Libelle ist richtig an der Spitze, aber Sperber und Wild- West rücken auf. ... Bravo, Graf Roedern! ... Sehen Sie, das ist er, der lange Husar dort! Unser beliebtester Herrenreiter! Ich sage Ihne«, der macht das Rennen — totsicher und jetzt —" Ein lautes Händeklatschen unterbrach ihn. Ein wenig unangenehm berührt, blickte sich der alte Baron um. Fräulein Frieda wqr et, di« ihrer fiebernden Spannung diesen lebhaften Ausdruck gegeben hatte. Sie hatte neben Baron Mortimer auf der nächsten Bank Platz genommen. Ihre Wangen flammten, ihre Augen blitzten, während sie mit dem lebhaften Interesse des Neulings dem aufregenden Schauspiel folgte. „Nicht wahr, fabelhaft interessant, gnädiges Fräulein?* fragte der Regierungsreferendar, etwas blasiert lächelnd. „Einzig!" stieß du Gefragte mit bebenden Lippen hervor und legte unwillkürlich ihre Rechte auf das ungestüm pochende Herz. . „Nun sollen Sie aber erst einmal sehen, gnädiger Fräulein, wenn das Feld an die große Mauer da herankommt!" „Wie? Da müssen sie auch hmüber?" „Na sreilich! Das ist ja die Hauptsache. Passen Sie mal auf, gnädiges Fräulein, ich sage Ihnen, da ist schon manch einer gepurzelt." „Mein Gott, mein Gotti Ich glaube, ich komme noch um vor Angst." Dabei bog sich die Sprechende weit vorn über, um sich ja leine Phase des Kampfes ent gehen zu lassen. Viel weniger lebhaft war der Anteil, den Baronesse Edith an den aufregenden Vorgängen nahm. Im Gegenteil, sie wandle hie und da ihr Gesicht ab oder legte ihre Hand aut die Augen, um sich den Anblick des gefährlichen Schauspiels zu entziehen. „Gnädige Baronesse lieben die Hindernis- rennen nicht?" fragte Karl Lubenow seine Nach, borin. HL (Fortsetzung folgt.)
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