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Der Allgemeine Anezeiger erscheint wöchemuch zweiMal: Mittwoch und Sonnabend. Abonnementspreis : - viertel jährlich ab Schalter 1,30 Mk. bei freier Zusendung durch Boten ins Haus 1 Mark 55 Pfennige, durch die Post 1,30 Mark ausschl. Bestellgeld. Be stellungen nehmen auch unsere Zeüungsboten gern entgegen. Amtsblatt kür die Prtskeöörde und den Hemeinderat zu Mretnig. Loksl-Hnrriger kiir äie ürlsckzflen Sretnig, großrSdrzäbrk, ftautwaläe, srsnllenldal «>nl Umgegena. . Postscheckkonto: Leipzig Nr. 348 94. Inserate, die 4gespal- tene Korpuszeile 15 Pf. für Inserenten im Rödertale, für alle übrigen 20 Pf., im amt lichen Teile 25 Pf., und im Reklameteil 40 Pf., nehmen außer unserer Geschäftsstelle auch sämtlicheAnnoncen-Expe- ditionen jederzeit entgegen. Bei größeren Aufträgen und Wiederholungen Rabatt. Inserate bitten wir für Mittwoch-Nummer bis Dienstag vormittags 11 Uhr, für die Sonnabend-Nummer bis Freitag vormittag 11 Uhr einzusenden. Schriftleitung, Druck und Verlag von A. Schurig, Bretnig. Nr. 99. Mittwoch, den 11. Dezember 1918. 28. Jahrgang Nltt Lier rusWen Me. Ein bekannter Berliner Sozialdemokrat erhielt auf Umwegen von einem russischen Freunde in diesen Tagen den folgenden Brief: Teurer und verehrter Genosse! Dieser Brief ist ein Schrei aus der tiefsten Not. In der höchsten Pein rufe ich Sie um Hilfe an, und wenn sie nm versagt wird, so bin ich mit meiner ganzen Familie dem sicheren Untergang verfallen. Sie entsinnen sich gewiß noch, mit welchem Jubel und mit wie großen Hoffnungen wir vor 10 Monaten nach der Heimat abreisten. Wie stolz war ich damals auf Rußland, das den anderen Völkern mit dem Beispiel voranging, das blutige Kriegsjoch von sich löste und das geknechtete Arbeitervolk aus den Fesseln des Kapitalismus befreite. Endlich sah ich oen Traum meines Lebens in Erfüllung gehen, ich war glücklich, den Triumph der sozi alistischen Ideen erleben zu dürfen und die Morgenröte eines besseren glücklicheren Daseins über dem ganzen Menschengeschlecht erstrahlen zu sehen. Mit welchen Gefühlen kam ich nach Petro grad! Und wie sind alle meine Hoffnungen gleich einer Seifenblase zerplatzt und zerstoben. Heute habe ich keinen anderen Wunsch, als dieses Land so schnell wie möglich zu verlassen. Helfen Sie mir aus dieser Hölle herauszu kommen und verschaffen Sie mir um jeden Preis eine Empfehlung an den hiesigen schwe dischen Konsul, baß er mir und meiner Familie den Auslandspaß visiere, denn ohne diesen werden wir nach Schweden nicht hereingelassen. Ich weiß, daß es Ihnen bei ihren Beziehungen ein leichtes sein wird, mir eine solche Empfeh lung zu verwirken. Aber verlieren Sie keinen Augenblick, denn das Leben ist hier unerträglich. Es fehlen mir die Worte, um das Elend und die Not, die hier herrschen, zu schildern. Der Hunger zehrt an den Erwachsenen und richtet Kinder und Greise zu Grunde. Mütter töten ihre Kinder aus Verzweiflung, daß sie sie nicht mehr ernähren können. Die Zahl der Ver hungerten und Obdachlosen wächst von Tag zu Tag. Alles bettelt auf den Straßen um ein Stück Brot — werden doch für ein Pfund Brot bis zu 80 Rubel gefordert. Alles ist verödet, alle Fabriken stehen still, schon weil Kohlenförderung und Kohlenzufuhr fast völlig aufgehört haben. Eine persönliche Sicherheit gibt es überhaupt nicht mehr, man ist dem schlimmsten Elend und der größten Willkür zu gleich ausgeliefert. All dieses Unglück kann nicht allein die Folge des Krieges sein. Die extreme, rück sichtslose Politik der Sowjetregieruug-Hat viel mehr auch ihr Teil Schuld daran. Mit fieber haftem Eifer ist sie daran gegangen, die alte gesellschaftliche Ordnung zu stürzen, die Dikta tur des Proletariats aufzurichten, die kapitalisti schen Unternehmungen zu verstaatlichen und den Privatbesitz zu enteignen. Doch sie hat ihre Kraft nur im Zerstören und Zertrümmern be währt, nicht in der Schaffung neuer Werte und Ordnungen. Industrie, Landwirtschaft, Handel und Gewerbe sind lahmgelegt und Arbeitslosig keit wird von Tag zu Tag größer, ja die we nigen noch beschäftigten Arbeiter müssen trotz der künstlich in die Höhe geschraubten Löhne darben, weil die Teuerung immer noch rascher wächst als die stärkste Lohnerhöhung. Die an geblich von sozialistischen Ideen durchdrungenen Soldaten der Roten Garde sind völlig korrum piert. Gemeine Genußsucht und Bandenwesen greifen bedrohlich um sich. Die Unduldsamkeit der Sowjetregierung ist beispiellos, und wer nicht restlos mit ihr übereinstimmt, ist einer Tyrannei ausgeliefert, wie sie noch kein Nero ausgeübt hat. Der neueste Trik der Bolschewik! besteht darin, daß sie Mütter mit Säuglingen als Geiseln festnehmen, damit die Väter sich ihnen stellen müssen. Nein, mit dem Sozialis mus, den wir zusammen studiert haben und für den wir beide m Begeisterung glühten, hat diese Wirtschaft hier nicht mehr das mindeste zu tun. Doch genug von unserem Elend. Ich bitte Sie nochmals inständigst, sich meiner zu er barmen. Denken Sie daran, daß jeder Tag hier eine neue Oual und Marter ist. In sehn suchtsvoller Erwartung Ihrer Hilfe bleibe ich mit den besten Parteigrüßen Ihr Verlängerung des Waffenstillstandes Berlin, 7. Dez. (WTB.) Das franzö sische Oberkommando hat die deutsche Oberste Heeresleitung um Bezeichnung von Bevollmäch tigten zur Verlängerung des Waffenstillstandes ersucht. Die Zusammenkunft könnte am 12. oder 13. Dez. vormittags in Trier stattfinden. Der Vors. der Waffenstillstandskommission: Staatssekretär Erzberger. SertüLe; «nü ZWMer. — Freigabe von Leder an heeres entlassene Schuhmacher und Sattler Bei der Gewerbekammer Zittau sind Bekannt machungen der Kontrollstelle für freigewordenes Leder, betreffend erstmalige Belieferung mitBoden- und Oberleder an aus dem Heeresdienst ent lassene selbständige Schuhmacher und Schuh machergehilfen bezw. erstmalige Belieferung mit Geschirrleder an aus dem Heeresdienst entlassene selbständige Sattler und Sattlergehilfen, einge gangen. Die Bekanntmachungen können bei der Gewerbekammer Zittau in ven üblichen Geschäfts stunden eingesehen werden. — Tariferhöhung aus allen deut schen Bahnen Uebpr die Notwendigkeit einer Erhöhung der Personentarife auf sämtlichen deutschen Eisenbahnen herrscht unter den Finanz ministern der deutschen Bundesstaaten völlige Uebereinstimmung. Wie wir hören, dürfte der Zuschlag sich zwischen 50 und 66 o/g ver jetzi gen Fahrpreise bewegen, während ursprünglich nur an eine Erhöhung um etwa 15 o/o ge dacht war. — Gefallene sächsische Lehrer. Die Leipziger Lehrerzeitung hat bisher die Namen von 1878 sächsischen Lehrern veröffentlicht, die den Heldentod für das Vaterland gestorben sind. Pulsnitz. Es ist Militär in der Stadt! Auf dem Marktplatz stehen allerhand Militär fuhrwerke, just ein Bild, wie wir es so oft in den kleinen französischen Städten an der Front gesehen haben; nur gegen Fliegersicht sind sie schlecht gedeckt. Die Mumtionskolonne 377 (sächs.) sind Freitag Abend 9 Uhr mit Militär zug auf dem hiesigen Bahnhofe eingetroffen. 1 Offizier und 75 Mann mit 69 Pferden wer den auf 8—10 Tage in unserer Stadt Quar tier beziehen. Die Mannschaften sind vorläufig in Massenquartieren untergebracht worden. Kamenz. Der Bezirks-Arbeitsnachweis hat eine große Anzahl von Arbeitsgelegenheiten von Arbeitgebern aus der Umgebung angeboten er halten. Verschiedene Forstverwaltungen des Be zirks suchen zusammen etwa 150 Waldarbeiter. Die Braunkohlengruben in Wiednitz und Zeiß- holz stellen mehrere Hundert Arbeiter und eine Anzahl von Handwerkern, wie Schlosser, Schmiede, Elektriker und Zimmexleutc ein. Für die Cha- mottefabrik Thonberg werden auch Schlosser, Dchmiede, Maurer uud ungelernte Arbeiter ge wünscht. Die näheren Bedingungen sind auf der Geschäftsstelle des Arbeitsnachweises Kamenz, Zwingerstraße 16, 1. Stock, in der Zeit von 8—1 Uhr und von 3—6 Uhr, Mittwochs und Sonnabends von 8—2 Uhr zu erfahren. Auch telephonisch können Auskünfte eingeholt und Stellen angeboten werden. Telephon Nr. 338, Kamenz. Kamenz. Zwei Sack Mehl wurden durch Soldaten dem Bäckermeister Müller in Wiesa aus der Hausflur gestohlen, während er im Laden durch einen Soldaten zur Hergabe von markenfreiem Brot zu bewegen versucht wurde. Bischofswerda. (Tödlicher Unfall.) Auf dem Eisenbahngleis der Görlitzer Strecke unweit des Stadtbades wurde ein Soldat aufgefunden, dem durch Ueberfahren beide Beine und das Handgelenk abgetrennt waren. Kurz zuvor hatte ein Militärzug^mit dem Bestimmungsort Bautzen die Strecke passiert. Der Verunglückte, ein Fa milienvater aus Freiberg, hatte auf dem äußeren Trittbrett sich in ein anderes Wagenabteil be geben wollen, wobei er abstürzte und überfahren wurde. Sebnitz. Im Sebnitzer „Grenzblatt" ist folgende Anzeige zu lesen: „Anfrage an den Dieb, der mir mein Geld gestohlen hat. Ist es aus Armut oder aus Rache geschehen, oder soll es zur Unterstützung einer Familie oder Erziehung eines Kindes dienen? Bitte um Antwort. W. Hesse." Treuen. Anz Sonntagnachmittag wurde eine hier Bahnhofstraße 10 wohnhafte Frau beim Ueberschreiten des Fahrdammes am Post platz von einem mit größeren Kindern besetzten Rodelschlitten, welcher in schärfstem Lauf die Bahnhofstraße herein kam, angefahren und zu Boden gerissen. Die Bedauernswerte ist bald darauf verschieden. Lichtenstein. Hier wurde eine 70 jährige Ehefrau erfroren aufgefunden. Sie ist in der Dunkelheit vom rechten Wege abgekommen und hat so den Tod gefunden. Schwarzenberg. Ein falscher Soldaten rat ist in Lagenberg aufgetreten. Auf dem Ge meindeamte erschien ein Soldat, der mit Gewehr und scharfen Patronen ausgerüstet war und eine rote Armbinde trug, und erklärte unter Vorle gung eines Ausweises, daß er Mitglied des Leip ziger Arbeiter- und Soldatenrates und berechtigt sei, auf seiner dienstlichen Reise an jedem Aufent haltsorte seine Löhnung von täglich 12 Mark j zu fordern und einzuziehen, worauf er 120 Mk. verlangte. Hierauf wurden ihm 70 Mk. aus gezahlt, über die er unter dem Namen „Wal ther Scheibner" eine Quittung ausstellte. Hin terher hat sich alles als Schwindel herausgestellt. Chemnitz. (Zwischenfälle denn Einzüge der Chemnitzer Ulanen.) Die Chemnitzer Ulanen sind am Sonntag nach Chemnitz znrückgekehri. Vormittags 11 Uhr wurden sie im Gasthaus in Ebersdorf erwartet, wo sich ein zahlreiches Pub likum eingefunden hatte und wo auch eine Be ¬ grüßung geplant war. Zu dieser kam es jedoch nicht, denn kurz vor der Ankunft in dem Gast haus hotten mehrere Mitglieder des Chemnitzer Arbeiter- und Soldatenrates, die unter Führung eines Lastautos dem Zuge entgegengefahren wa ren, die Ulanen aufgefordert, ihre Waffen abzu- gebcn. Die Ulanen verweigerten dies, sie hatten aber gleichzeitig erfahren, daß in zwei in der Nähe befindlichen .Bauerngütern Maschinenge wehre aufgestellt seien. Die Entrückung darüber war groß; sie war auch die Veranlassung, daß mehrere Schüsse auf die Bedienung der Maschi nengewehre abgegeben wurden, durch die meh rere Leute der Bedienungsmannschaft Verletzun gen erlitt. Ein Teil dieser Mannschaft flüch tete darauf, der zurückbleibendc Teil, sowie meh rere Mitglieder des Chemnitzer Arbeiter- und Soldatenrats wurden nach Waffen untersucht und dann unter scharfer Bedeckung im Umzuge mitgeführt. Wenige Minuten später ereignete sich ein weiterer Zwischenfall, indem das Ula nenregiment auf eine Abteilung von etwa 100 Infanteristen stieß. Diese gaben an, als „Ehren kompagnie der einziehenden Truppe entgcgenge- sandt worden zu sein. Da sie aber scharf ge laden hatten, brachte der Kommandeur ihren An gaben Mißtrauen entgegen. Auf seinen Befehl mußte die „Ehrenkompagnie" ihre Gewehre zu sammensetzen; sie wurde darauf ebenfalls unter scharfer Bedeckung im Zuge von Ulanen mit geführt. In Chemnitz wurden die Ulanen von der Bevölkerung lebhaft begrüßt. In ihrer Kaserne hielt Major Genther eine markige An sprache, in der er sich und das Regiment als treu zur Regierung Ebert-Haase bekannte. Zwickau. Hier stürzte eine Frau abends auf der nicht erleuchteten Treppe ihrer Wohnung ab und erlitt so schwere Kopfverletzungen, daß der Tod sofort emtrat. Oederan. Mit einem Sonderzuge traf hier das Freiberger Jäger-Ersatzbataillon ein. Bei der Einfahrt des Zuges ereignete sich leider ein schwerer Unfall. Hauptmann Dreschke öffnete vorzeitig die Abteilungstüre und - wollte aus steigen. Er glitt dabei vom Trittbrett ab, ge riet unter die Räber und wurde so schwer ver letzt, daß er nach wenigen Stunden verstarb. Hauptmann Dreschke ist ein Sohn des Herrn Justizrates Dreschke in Freiberg und war zuletzt als Landgerichtsrat in Zwickau tätig. Auerbach i. V. Wie sie zur selben Stunde das Licht der Welt erblickt haben, sind hier auch nahezu gleichzeitig die beiden Zwillingsbrüder Karl Kurt und Hans Robert Thomä im Alter von 18 Jahren aus dem Leben geschieden. Leipzig. Eine Aufnahme der Lebensmittel erfolgt hier vom Arbeiter- und Soldatenrat. Alle Niederlagen, Spediteure und Kühlhallen sind verpflichtet, sofort die bei ihnen lagernden Lebens mittel aufzunehmen und bis 10. Dezember an den Ernährungsausschuß einzureichen. Freie Ver äußerung dieser Bestände, auch der markenfreien, wird untersagt. Dieses Verbot bezieht sich auch auf die in Fabriken und Fabrikküchen lagernden Bestände. Leipzig. In einer Büchsenmacherei ist ein Schlosser durch Explosion einer Patrone sofort getötet worden. Der Hintere Teil einer Patronen hülse, auv der er das Geschoß entfernen wollte, war ihm in den Kopf gedrungen. Leipzig-Gohlis. Hier ist ein Schulknabe aus einem Fenster des dritten Stockwerkes in den Hof hinuntergestürzt. Schwerverletzt wurde er nach dem Krankenhaus gebracht.