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. . . . UN- sie erscheint -och! Eine Betrachtung über die Vorgeschichte unserer Hennatpresse Mancher ist wohl versucht, darüber zu lächeln: was sind schon 50 Jahre in unserer schnellebigen Zeit? was sind so Jahre, gemessen am großen weg, den das Zeitungs wesen überhaupt zurückgelegt hat? Es ist ja schon so lange her, daß den Menschen, denen allzeit ein gewisses Mittei lungsbedürfnis eigen ist, das gesprochene Wort allein nickt mebr genügte. Sie bedienten sich der Zeichensprache: sie schnitz ten Kerben in die Hölzer, sie verknoteten Bindfäden, sie ent wickelten eine fein ausgeklügelte Bilderschrift — das am Hause angebrachte Bild verriet den Besitzer, ein Fisch deutete auf gute Fanggelegenheit im Naunhofer Sumpftgelände. Bald fanden sie einfachere Zeichen für ganze Worte und Begriffe, und so entwickelte sich die Schrift. Das Schreiben war aber eine sehr zeitraubende Ar beit. Gab es doch nicht Tinto, nicht Papier, nicht Schreibge räte. Mübselig kritzelte man etwas in Stein; tnan schrieb auf palmblätter, auf papyros, aus Pergament. Infolge dieser Schwierigkeit schrieb man natürlich selten, und Schreiben war eine teure Angelegenheit: ein Buch kostete eine ganze Villa. wie einfach erschien dagegen der Druck! Nahm man vor füns Iahrunderten in Größe einer heutigen Sonntagsbeilage der Naunhofer Nachrichten auch noch gleich ganze schwerfäl lige Platten und Tafeln, die fein säuberlich gestochen waren, so bedeutet das immerhin schon einen gewaltigen Fortschritt. Gutenberg hat als erster auf solche großen Platten verzichtet und von jedem Buchstaben eine ganze Menge Typen Hergestellr und so einfach zu Wörtern zusammengesetzt. Trotz vieler tech nischer Verbesserungen bat sich seine Erfindung aus dem Jahre 1450 im Prinzip nicht geändert: Also: was sind da so Jahre? so Jahre Heimat presse! Der Nörgler wird meinen: was bedeutet unsere kleine Mrtszeitung im Nahmen der vielen größeren aus der ganzen weiten Welt? Denn Deutschland verlegt etwa 2500 Zeitungen, ly Millionen Nummern werden gelesen. Das heißt also, daß drei Deutsche zusammen in einer Icitungs- nummer blättern. Aehnlich wie in den vereinigten Staaten v-nr Amerika, was aber die deutsche presse ganz wesentlich von allen anderen Ländern der Erde unterscheidet, das ist gerade die große Zahl seiner kleineren Blätter, wie unsere Heimatzeitung eines ist. In Italien z. B. erscheinen Zeitun gen als Massenauflage und hauptsächlich in Großstädten, vierfünftcl aller deutschen Zeitungen machen aber die Blät ter aus, die in einer Auflage von unter 5000 gedruckt werden, welch große Bedeutung kommt mithin gerade ihnen zu! Denn es wäre ein Trugschluß, wenn der wert einer Zeitung nur an ihrer Auflage gemeßen würde. Auch die kleinste Zeitung ist ein Kunst werk. Sie hat zwar nicht den kostspieligen Nachrichtenappa' rat, über den ein Großstadtblatt verfügt. Aber nur wenig später — in vielen Fällen sogar zu gleicher Zeit — erreichen auch sie die wichtigen Nachrichten. Ihr Umfang ist kleiner als der einer Großstadtzettung: jedoch das eine Blatt pflegt einen besonders ausführlichen Handelsteil, ein anderes vielseitige Unterhaltung. Das jedoch haben sie alle gemeinsam, was bei einem großen Grgan nicht so sehr in Erscheinung tritt: sie fördern.und vertiefen die Heimatliebe wie selten etwas an deres. Gerade am Rande einer Großstadt kommt der Heimatpresse erhöhte Bedeutung zu. was vor nahezu einein Jahrhundert, anno 1842, mit sehc- risckem Weitblick gesagt wurde, das hat sich heilte erfüllt: Mehrere Grtsd Hatter (Naunhof und Brandis mit Borsdorf und Beucha) sind nunmehr zu einerVrts- presse geworden, die ihren fortlaufend wachsenden Leser kreis in steigendem Maße interessiert, welchen Nutzen sür den Leser bringt die Heimatzeitung allein im Anzeigen teil! vorteilhafte Einkaussmöglichkeiten, Theater, Kino uiw vieles mehr, Stellenanzeigen, Fanliliennachrichten aus der näheren Umgebung — sie alle werden zuerst gelesen. Jede Zeitung, auch die größte, hat in ihren ersten Anfängen nichts anderes enthalten als nur solche Anzeigen. Sie m ußtc reines Anzeigenblatt sein. Heute lst sie da neben auck Nachrichtensammlung. Als sie noch in den Kinder schuhen steckte, erschien sie wöchentlich nur ein einziges Mal. Ls war daher überflüssig, von örtlichen Ereignissen zu berich ten. Denn die Kunde von Geschehnissen im Mrte sprach sich schneller herum als die Zeitung in die Häuser kam. Ganz Borsdorf hielt vor hundert Jahren ja bloß eine einzige Nummer! Sie wanderte von Nachbar zu Nachbar, wie abge griffen und alt mag sie gewesen sein, als sie der letzte Leser aus der Hand legte? 1845 hatte Liebcrtwolkwitz nicht mehr als 5 Zeitungen abonniert. Dort las man wahrscheinlich straßenweise. Wurz e n wies eine weit größere Menge zah lender Leser auf. Aber anno 1852 brachte die dortige Zeitung einen Sitzungsbericht der Stadtväter vom 24. März erst im Monat August . . . wann also mag der letzte Leser schwarz auf weiß Genaueres erfahren haben? wenn eine Nachricht bloß von Mund zu Mund wanderte, änderte sie sich fehr. Das brauchte gar nicht in böser Absicht zu geschehen; aber geschrieben war geschrieben: ein Zeitungs bericht nahm es mit der Wahrheit genauer. Und mit der Zeit hat sich das Nachrichtenwesen immer besser entwickelt. S 0 wurde die Zeitung allmählich zu einem Stück gesammelter Grtsge schichte. Darüber hinaus ver mittelte sie Kulturgut. 50 Jahre Zeitungsgeschichte sind also auch 50 Jahre Mrtschronik. In Bände geheftet, reichen sie heute dem Heimatforscher einen wertvollen Muell zuverlässiger Angaben dar. Die ausführliche Würdigung dieser 50 Jahre Mrtsp resse hat mithin sehr wohl ihre Berechtigung. Eigentlich sind es ja weit mehr als 50 Jahre, die für die Entwicklung unserer örtlichen Jeitungsgeschichtc infrage kom men. Es werden gar leicht hundert Jahre daraus. Schon in den Jahren 1765—85 kursierte in unserer heimat lichen pflege eine Zeitung. Ls war „das Leipziger In telligenz Blatt, in Frag und Anzeigen, vor Stadt- und Land wirthe, zum Besten des Nahrungsstandes". Als Her ausgeber zeichneten zwei Grafen von Hohenthal, Vater und Sohn. Zu den vielen Lesern gehörten vor allem der Pastor und der Lehrer. Das ganze Dorf lieh es von ihnen. Der lesefreudige Pastor borgte obendrein seine schöngeistigen Schriften aus Gellerts Feder aus. Auf Kosten des Schulmeisters las ganz Naunhof auch die „Leipziger Zeitung", die zu vor der Stammtisch beim Abendschoppen ausführlich durch- genommen hatte, nachdem sie von der Butterfrau Sonnabends aus der Metropole mitgebracht worden war. Seit dem Früh jahr 1847 fuhr der Botenmann Ziesche mit seinem Hundege spann wöchentlich zweimal von Brandis nach Leipzig. Mb er es auch so gemacht hat, wie die Trebsener Botenfrau, die Freitags nach Grimma fuhr? wenn die Frau pastorn höchstselbst dort etwas zu besorgen hatte, setzte sie für die hohe Dame in ihren Hundewagen einen Stuhl: selbst im Hunde- gcspann gab es erste und zweite Klasse . . . Jedenfalls brachte der Brandiser Fuhrmann Mittwochs und Sonnabends zugleich allerlei Neuigkeiten mit. Und auch Freund „Schwager", der hoch auf dem Kutschbock des Post wagens zwischen Leipzig und Grimma hin- und herpendelte, der war gespickt mit Intimitäten und allerlei Skandälchen. Und Skandalblättchen trug er in die Häuser. Ani beliebtesten war seit 1845 der „Illustrierte D 0 r f b a r b i e r ", Verlag Stolle-Grimma. „Darin wird alles abkonterfeit, was