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Allgemeiner Anzeiger : 16.02.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191802163
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19180216
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1918
-
Monat
1918-02
- Tag 1918-02-16
-
Monat
1918-02
-
Jahr
1918
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.02.1918
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Sims N-8oOt-Rrieg . . . Mißmutige Kritiker schützten den vor einem Jahre begonnenen uneingeschränkten U-Boot- Krieg nicht von dem Standpunkt ein, welche Vorteile er uns gebracht hat, sondern welche ' Hoffnungen und Wünsche er bisher unerfüllt ne«. Den Frieden, so murren sie, hat er uns nicht gebracht, dafür sogar den Krieg mit Amerika und mit der halben übrigen Welt. Die so denken, mögen sich einmal überlegen, wie unsere wirtschaftspolitische und militärische Lage wäre, wenn wir den uneingeschränkten U-Boot-Krieg vor einem Jahre nicht unternommen hätten. Prüfen ^vir zunächst unser Verhältnis zu den Ver. Miaten. Lt«- amerikanischen TrustmaZnaten rMen Kriegsmaterial in riesig gesteigerten Mengen und ungehindert unteren Gegnern Vern können. Kaum einen Munitionsdampfer hätten wir ohne nachfolgenden diplomatischen Notenwerwel verienken dünen, wert sich voraus sichtlich bei jeder Sendung ein sogenannter Schutzengel in Gestalt eines amerikanischen NürgerS als Passagier gesunden hätte, an dessen Freiheit, die Meere beliebig zu dulchresien, sich unsere U-Boote nicht hüben vergreuen dursen. Derselbe Schutz hätte dem seindlichen Handel sür seine Getreide-, Erz-, Ol- und Koblen- sinfuhr zur Seite gestanden. Eine der vielen für uns unerwünschten Folgen wäre die ge wesen, daß sich England ungestört hätte mit Lebensmitteln versorgen können. Englands Jugend hätte nicht auf den Schlachtfeldern im -Westen zu verbluten brauchen, den dis großen englischen Offensiven im Westen sind unmittel bare Folgen der Erkenntnis, datz der Krieg ab gekürzt und durch militärische Erfolge zu Land bald entschieden werden müsse. Die jetzt ver schärfte englische Rekrutierung wäre nicht nölig geworden. Auch Frankreich und Italien befänden sich' in einer weniger mißlichen Lage. Italien be- Mme fahrplanmäßig alle Kohlen und sein Roh eisen, die es für die Unterhaltung seiner Kriegs wirtschaft benötigt. Es brauchte seine Eisen bahnen nicht anzuhalten und selbst kriegswichtige Betriebe mangels Kohlen nicht eiuzustellen. Der sranzösftcye Lerpflegungsmimster hält« nicht nötig, sich Sorge zu machen, um das Getreide- defizit der letzten Ernte auszugleichen. Überfluß und Glück würden vorherrschen bei den Alliierten. Ihre, militärischen Niederlagen könnten sie ver schmerzen; die weite Welt, die freie Schiffahrt Loten ihnen den Ausgleich mit ihrer überlegenen Menschenkrast und ihren Rohstoffen, die für die Mittelmächte unerreichbar sind. Besonderen Anlaß zur Freude hätten die Ver. Staaten von Nordamerika. Das Geschäft mit Europa würde blühen, sein Sorgenkind, das Mrkltonenheer, brauchte nicht aufgestellt zu werden und könnte zu Hause bleiben. Der Schiffsraum, der für den Transport dieses vorläufig übrigens noch recht unbedeutenden Heeres benötigt wird, würde für die Versorgung der bürgerlichen Bevölkerung Englands dienen. Demgegenüber hätte Deutschland mit ge bundenen Händen gegen die Hilfsmittel der ganzen Welt Krieg zu führen, während eS, ab geschnitten von den großen Zufuhrstraßen zur See, auf seine eigenen beschränkten Hilfsmittel und Rohstoffe angewiesen bliebe. Unsere Gegner hätten sich also auf den Dauerkrieg ohne mili tärische Anstrengungen einrichten können. Dieser wäre für die Mittelmächte unter allen Um ständen verloren gewesen, da die Gegner, die sich auf eine ungehindert« Einfuhr verlassen ionnten, ihn länget auSgehalten hätten als wir. Ohne den uneingeschränkten U-Boot-Krieg wäre auch zu Lande keine Erleichterung des Drucks an unserer Front eingetreten, wie General Ludendorff sie im Sommer vorigen Jahres feststellen konnte, als der feindliche Munttionsemfatz infolge der Tätigkeit unserer U-Boote im Westen eine merkliche Abnahme erfuhr. Ans jeden Fall wäre der Feind in der Lase gewesen, erheblich stärkere materielle KEpflnitt«! ernznsetzen, als sie ohnehin schon waren. Die Frage ist unentschieden, ob unsere Westfront damals einen erheblich verschärften Druck hätte ertragen können. Unsere Verluste wären zweifellos bedeutend größer geworden. Ohne die Mittelmesrspsrre hätte sich unsere Front am Jsonzo vielleicht auf diel Verteidigung beschränken müffen. Vom Swndpunkr der gesamten militärischen und politischen Lage kann demnach der am 1. Februar 1917 kühn betretene Weg nicht anders als eine unbedingte Notwendigkeit betrachtet werden. Die Nachteile, welche der uneingeschränkte U-Boot-Krieg im Gefolge hatte, wiegen leicht im Vergleich zu den er zielten Vorteiten. Überdies hätten wir die Nachteile auch ohne uneingeschränkten U-Boot- Krieg in Kauf nehmen müssen. Denn, daß die Entente die neutrale Schiffahrt schonender be handelt hätte, als es der Fall war, daß wir ans Holland und Skandinavien mehr Rohstoffe hätten einführen können, wenn Wilson den Ver kehr mit uns nicht möglichst unterbinden würde, diele Annahmen beruhen auf viel zu schwachen Füßen, als daß sie ernstlich geprüft zu werden brauchten. England kann den Widerstand gegen unsere U-Boot-Waffe nicht endlos fometzen. Ein Halt ist ihm geboten, auch seine Kräfte neigen sich zu Ende, wie die Nachrichten über seine Wirt- tchaftslage deutlich erkennen lasten. Dies ist der enl'cheidende Vorteil unseres uneingeschränkten U-Boot-Krieges. Aus dieser Erkenntnis erklären sich die ohnmächtigen Phrasen und Drohungen der in die Enge getriebenen anglo-amerikamschrn Politiker. Mzg wirä in LZrelt-L^ltoWlk? Dis Pause in den FriedcnSverhandlungen ist zu Ende und hat zu emer weitgehenden Klärung der Verhältnisse geführt. Herr Trotzki verpacht noch immer seine Bemühungen sort- zusetzen und die Welt mit Kaffeehausthrorien zu unterhalten und zu „revolutionieren". Es scheint tatsächlich, als ob die Bolschewist den Vorwurs wahrmachen wollten, der den russischen «Sozialisten und Revolutionären stets gemacht wurde, daß sie nie ernstr Männer der Tat sind, sondern. im besten Falle einen wissenschaftlichen Diskutierklub darstellen. Durch die deutschen Siege und die russische Mißwirtschaft — aber nicht durch eigene Verdienste — zur Herr schaft gelangt, verstehen sie augenblicklich nur einzureißen und umzustürzen, aber nicht auf zubauen. Das zeigt sich nicht nur in den Zuständen Rußlands, sondern in erster Reihe bei den Verhandlungen zu Brest-Litowsk, wo auch das negative Moment eine viel erheblichere Rolle spielt als das positive. Trotzki will offenbar nur Propagandareden an weithin hörbarer Stelle halten, aber nicht zu einem ernsthaften Beschluß gelangen. Damit ist aber der Welt nicht gedient. Er wird sich darum davon über zeugen müssen, daß Brest-Litowsk nicht als Kanzel für seine revolutionären Predigten benutzt werden kann. Wir haben bis her mit den Vertretern sehr aus sichtsreiche Verhandlungen gesührt, die nicht nur sür uns, sondern auch sür die Ukraine von großer Bedeutung sind. Trotzki hat bekanntlich den Versuch gemacht, durch Entrostung einer Fahne der freien „Volksbestimmung" und durch Heranziehung von angeblich allein berechtigten Vertretern der ukrainischen Bolschewisten die Verhandlungen zu stören. Dieser Versuch, der durch allerlei Unwahrheiten unterstützt wurde, scheitert« aber an der energischen Haltung der ukrainischen Fnedensabordnung, die es sich an gelegen sein ließ, die Verhältnisse der Ukraine im richtigen Lichte darzustellen und dem „Dölker- besreier" Trotzki die MaSke vom- Gesicht zu reißen. Die Lage in Brest-Litowsk ist jetzt derartig, daß Trotzki keine Ursache hat, seine alte Methode sortzusetzcn. Sonst könnte er gewärtigen, datz Deutschland und seine Verbündeten auf die Fortsetzung dieser unfruchtbaren Redeschlachten keinen Wert mehr lrgen. Dies wäre bei dem sonstigen günstigen Stand der Verhandlungen in Brest-Litowsk sür die Mittelmächte krin wesentliches Ereignis, dagegen wäre es für das von Trotzki vertretene Rußland einer der schwersten Schläge, die dem von inneren Wirren zerrütteten Staatskörper zugefügt werden könnten. Wenn Trotzki sogar noch den Mut hat, in seinen Funtsprüchen davon zu reden, daß Deutschland die Verhandlungen verschleppen will, dann ist er sich entweder über den 'wahren Sachverhalt nicht im Reinen oder er will ab sichtlich das sriedensliebende russische Volk über die wahre Lage täuschen, um sich von der un geheuren Verantwortung, die auf ihm lastet, rein zu walchen. In Brest-Litowsk wird der Friede geschlossen werden, ob mit oder ohne Trotzki, das wird von ihm selbst abhängen. Ec hat das Schicksal Rußlands in der Hand. *Die Mahnung, dis Herr v. Kühlmann in Brest-Litowsk an die Adresse Trotzkis richtete, die Verschleppungstaktik ausrugeben, haben im ganzen deutschen Volk lebhafte Genugtuung hervorgerufen. Man hielt es allgemein für er- sprreßlrcher, die Verhandlungen adzubrechen, als werter die Verschleppung Trotzkis mdzumachen. * In einer Unterredung hat Volkskommissar Trotzki erklärt, daß in einem deutsch- russrschsn Geheimvertrage vom Jahre 1907 Rußland das Recht zur Besestigung der Alandsinseln zugesprochen worden sei. Dazu veröffentlicht der deutjche Gemndle in Stock holm, Freiherr v. Lucius, eine Erklärung, wo nach jener Vertrag sich natürlich auf die Voraus setzung stützte, daß Rußland die Genehmigung Schwedens zur Abänderung des Vertrages von 1856 (betr. die AlandSinseln) erhalte. Der Gesandte läßt im übrigen keinen Zweifel darüber, daß es sich lediglich um den Versuch handelt, die ausgezeichneten deutsch-schwedischen Beziehungen zu beeinträchtigen. *Das Reichsschatzamt hat jetzt dem Bundes rat die neuen Steuervorlagen zu gestellt, die dem Reichstag bei seinem Wieder- zusammentlitt vorgelegt werden sollen. Die Art dieser neuen Steuern soll erst bekannt gegeben werden, wenn die Vorlagen im Laufe der BundeSrstsberatungen bestimmte Gestalt angenommen haben werden. Eine Textil- rohstoffsteuer, wie sie von verschiedenen Seiten angetündigt ist, befindet sich unter den neuen Steuern nicht. *Jn der Ersten sächsischen Kammer erklärte der katholische Bischof Löbmann, es sei sein Wunsch, daß die beiden christlichen Konsess innen nicht mehr gegeneinander kämpfen, sondern sich in den großen kulturellen, sozialen und chantaftven Aufgaben gegen seitig unterstützen. Diese Anregung wurde sowohl von dem Vertreter der evange lischen Kirche als auch von dem der Regierung mit Beifall ausgenommen. AWEtch-NSKÄSR. * Nachdem Kaiser Karl das Rücktritts- gesuch des Kabinetts Seidler nicht genehmigt hat, ist in Österreich eine neue parla mentarische Lage geschaffen worden. Es wird nun abzuwarten sein, welche Stellung die slawischen Parteien gegen das Kabinett ein nehmen werden. Jedenfalls ist mit heftigen parlamentarischen Kämpfen zu rechnen. * Im ungarischen Abgeordnetrnhause kam es zu einer längeren Aussprache über die deutsch ungarischen Beziehungen. Graf Michael Karvlyi erklärte sich für das Bündnis mit Deutschland, doch wünschte er nicht seine Erweiterung und keine wirtschaftliche Bindung. Demgegenüber wirs Ministerpräsident Wekerke darauf hin, daß die wirtschaftliche Vertiefung des Bündnisses mit Deutschland unter Wahrung der wirtschaftlichen Selbständigkeit Ungarns eine Forderung der Zeit sei. *Nach dem neuen Wahlgesetz erhalten etwa 6 Millionen Frauen das Wahl recht, außerdem etwa 2 Millionen Soldaten und Matrosen, die Dienst im Ausland tun. Di« Liberalen und Arbeiter bedauern, daß Parteierwägungen über das Schicksal des Grund satzes deSProportionalwahlrechis entschieden haben. Besonders in der Zukunft wird es immer häufiger Vorkommen, daß drei Kandidaten aufgestellt werden, und die Gefahr ist groß, daß durch die Trennung der Liberalen und Arbeiter der kon servative Kandidat bei dem jetzt eingeführten Wahlrecht den Sieg behält, wttll keine Stich wahl vorgesehen ist. Amerika. * Im Senat der Ver. Staalen macht sich eine immer stärker werdende Gegnerschaft gegen den Präsidenten Wilson geltend. Die .Senaiskommission für auswärtigen Handel hat mit 7 gegen 6 Stimmen den ReAierungsantrag abgelehnt, daß die staatliche Betrwaltung der amerikanischen Eisenbahnen bis e«n Jahr nach Friedensschluss bestehen bleiben ßoll. Dies ist die zweite Niederlage, die Wilsoins Negierung innerhalb weniger Tage im Senat erleidet, was beweist, daß der Senat nicht darum denkt, jeder Maßregel Wilsons ohne Widerstand zuzustimmen. Aston. * Der Verkehr nach den H äf em längs der ostastatischen Küste bis «ach Singapurs hat saft völlig aufgehört. Man kann damit rechnen, daß von drei Dampfern, denen man auf der Fahrt begegnet, sicherlich zwei japanisch sind. Amerikanische und französische Dampfer sind eine Seltenheit geworden, und dis englische Schiffahrt beträgt höchstens noch ein Drittel des Anteiles der englischen Tonnage am ostastatischen Schiffsverkehr vor Lem Kriege. Infolge dieser Frachtraumnot sind die Lager häuser der Häfen überfüllt und ungeheure Mengen Kokosgarne, Matten, sowie in Fässern verpackter Waren liegen hoch ausgestupelt unter freiem Himmel. Die Exportgeschäft«, die mit Landesproduklen arbeiten, befinden sich meist in sehr schlechter Lage und können sich nur durch weitgrhende Bankunterstützungen halten. Australien. * Der Weizen überfluß in Australien bereitet den Farmern nicht geringe Sorge, zumal mit der steigenden Frachlraumnot des Verbandes sich die Absatzaussichten immer mehr verschlechtern. Der von der «nglischen Regierung entsandte Kommissar erklärte, die Farmer sollten die An baufläche nur vergrößern, denn das Getreide könne fünf Jahre lagern, ohne zu verderben. Die Farmer machten ihren Entschluß davon ab hängig, ob England sich verpflichtet, die gesamte australische Ernte während der Krieges zu kaufen, auch wenn sie mangels Schiffsraum nicht ver frachtet werden kann. ^on UNÄ Leistungen Ler Versicherungsanstalten. Dis Invalidenversicherungs-Anstalten haben im Jahre 1916 insgesamt 95760 Heilverfahren mit einem Kostenaufwand von 20846168 Mark gewährt. Außer diesen Leistungen eines Teiles der deutschen sozialen Versicherung hat deren anderer Teil, die AngesteLtenverstcherung, die nur etwa ein Zehntel der Zahl der Versicherten der Arbeiterversicherung umfaßt, im Jahre 1916 an 20 610 Angestellte Heilverfahren mit einem Kostenaufwand von 7,4 Millionen Mark ge währt. Schwere Eisenbahnkatastrophen. Von einem von Güsten nach Sandersleben fahrenden Militärzug rissen 41 Achsen ab und rollten in starkem Gefälle in der Richtung nach Güsten zurück. Kurz vor dem Bahnhof Güsten stießen diese Wagen auf einen dort haltenden Güter zug. Bei dem Zusammenstoß entgleisten vom Militärzüge vier Personen- und ein Güter wagen und wurden stark beschädigt. Getötet wurden zwei Schaffner und 15 Soldaten, ver letzt 36 Soldaten, darunter 21 schwer. Im Güterbahnhof Köln—Ehrenfsld fuhr ein Urlauber zug auf einen V-Zug auf. Das Signal war dem Urlauberzug vorzeitig auf „Fahrt" gestellt gewesen. Infolge des Zusammenstoßes wurden 6 Soldaten des Urlauberzuges und eine Dienst frau des V-Zuges getötet, sowie etwa 20 Sol daten verletzt. Trichinenhaltiges Schweinefleisch. Ein auf Urlaub befindlicher Soldat brachte nach Königsberg i. Pr. einen frischen Schwemeschmken mit, den er mit seiner Familie und zwei anderen Personen verzehrte. Alle Personen find schwer an Trichinose erkrankt. Der Mann ist bereits im Lazarett v rstorbrn, die anderen liegen sehr bedenklich im .Krankenhaus« danieder. „Nun sehen Sie abrr zu, daß der Kaffee bald fertig wird," sagte die alte Dame, etwas nervös durch das vertrauliche Benehmen. „Na, ick jehe ja schonst, man wird doch Woll mal so'n feinet Kleed bewundern dürfen, so wat sieht unsereins nich alle Tage. Sind Sie man nich brefe, Frau Ruthart. Ick bin mal Scheuer frau Lei 'ne Jrüfin jewesen, eene richtig sehende Jrässn, die hat sich immer gefreut, wenn ick zu ihr jejagt habe: „Scheen sehen Sie auS, Frau Jräfin, mit det neie Kleed." So wat is doch nich jefährlich." Und einigermaßen beleidigt ging sie mit dem leeren Tablett durch die Mitte ab. „Entschuldigen Sie nur, liebes Kind. Sie kennen ja meine Findeisen. Die stellt sich nun mal auf Gleich und Gleich mit allen. Fritz ist viel schuld daran. Er spaßt täglich mü ihr herum und sie nimmt sich immer mehr heraus." Regina lachte. „Liebe Frau Doktor, da mutz icb mich wirklich auf den Standpunkt Ihres Sohnes stellen. Madame Findeisen ist so drollig in ihrer selbstverständlichen Gleichberechtigungs theorie, man kann ihr nicht böse sein. Wenn ich sie mit unsern glatten höflichen Domestiken vergleiche, die immer devot zur Erde sehen und dabei im Grunde voll unverschämter Ansprüche sind, so sällt der Vergleich zu ihren Gunsten aus. Sie hat wenigstens «ine ehrliche Art, grob zu sein." „Manchmal ist sie aber sehr lästig. Alle Menschen denken nicht so wie Sie. Aber mm erMIen Sie mir lieber ein wenig von Ihrem Leven. Wie geht es Ihrem Gatten wartet« sie auf den Beschrid des Verlegers. Jeden Tag durchsuchte sie voll Hast die Post sachen, obwohl sie sich immer wieder sagte, daß vor Milte März die Entscheidung nicht eintreffen könnte. Bis dahin vergingen noch einige Wochen, und das Warten wurde ihr nach und nach schwer. Die alte Dame kam zurück und hinter ihr die Findeisen mit einem Tablett, auf dem sich Tischtuch und Kaffeegeschirr befand. Die Aufwärterin war außerordentlich flink und diensteifrig. Klaus hatte ihr vor seiner Hochzeit sür Reginas Bedienung ein fürstliches Trinkgeld verabfolgt. Das hatte sie noch nicht vergessen und ihr Respekt vor der „reiche« Frau Ruthart" war sehr groß. Verstohlen schielte sie wieder und wieder nach Regina hinüber. Regina trug ein stahl- blaues Tuchkleid mit reichen Applikationen und dieser Kleid imponierte der Findeisen so sehr, dass sie im Eifer, es zu betrachten, ihr« Pflicht vergaß. „Nun, Frau Findeisen, weshalb sehen Sie mich so unverwandt an," fragte Regina lächelnd. „IS det nu wirklich Ihr ganz jewöhnliches Wochenkleid, was Sie da anhaben?" Regina lacht« und bejahte diese Frage. „Na, det kost' aber Märkers, u j«hl Fein, die Figuren da ringsum. Det is wohl allen» bei Jerson jekooit, wat Sie so anziehn?" „Nicht alles." „Na ja. Jerson is natürlich sehr jesalzen. Ick hab det schonst gehört. Aber sein sehn Sie auS drin, jauz Berlin W. mit eigne Equipage. Nobel, det muß Sie der Neid lassen." „In letzter Zeit recht gut. Er ist munter und guter Dinge. Fritz hat Ihnen wohl er-» zählt, daß er uns Sorg« machte?" „Ja, Sie wissen, daß mein Sohn alles M mir bespricht. Er war ein wenig besorgt um den Freund. Um so lieber höre ich von Ihnen, daß es ihm besser geht. Ich bin überhaupt der Ansicht, daß Sie und Fritz sich ganz uw nötig um ihn sorgen. Watten Sw, nur seins Zeit ab. Es steckt so viel gesund»^, ver langender Arbeitsdrang in ihm, ohne daß er es eingesteht, er wird schon das Feld noch finden, das er bebaue« kann. Davs« bür ich fest überzeugt." Regina erfaßte ihre Hand unL. küßte sie. „Liebe, gute Frau Doktor, Sie finden immer ein gutes Wort für mich, Has ich wie einen Schatz , nach Hause tragen kann. So dankbar bin ich Ihnen für Ihre fröhlich» Zu versicht, Sie kennen die einzige Sorge, die mich beherrscht. Es tut mir so wohl, Sir davon reden zu hören, wie vcm V-rr- Länglichem. Ich bin auch nicht muftrÄ und hoffe immer aufs neue." „Daran tun Sie recht, liebes Kind. Sehen Sie, ich kenne Klaus schon seit seinen Schul jahren. Es war immer etwas Kraftvolle», Un gestümes in s«iner Art. Sein Vater hat dies Beste seines Wesens auS übergroßer Liebe ein- gedämmt und verkümmern lassen, statt eS zu stärken. Aber das bricht wieder durch. Es gärt ohne Unterlaß und jucht nach einem Aus weg. Wenn der gesunken ist, dann erleben wir noch etwas an Klaus Ruthart." Oer Müßiggänger. Ivj Koman von H. CourtHS »Mahler, rfjorrjedmiga „Kind, das wird ja ein dreifacher Festtag für mich. Aber nun entschuldigen Sie mich einen Augenblick. Ich will meiner Aufwärterin nur Auftrag Heben, Kaffee zu kochen. . Dann halten wir em richtige», gemütliches Kaffer- stündchen miteinander." Sie «ilte geschäftig hinaus. Regina setzte sich ans Fenster nnd sah hinaus in den verschneiten Wald. Sie dachte an senen Tag zurück, an dem sie hier in dem traulichen, sauberen Zimmer ihren Einzug hielt. Go unruhsvoll war ihr in allem Glück zumute gewesen, ein wenig ängstlich vor den neuen Verhältnissen. Unk- sie hatte sich so schnell und leicht hinein gesunden in das großartige Treiben. War eS wirklich noch nicht einmal ein Jabr her, seit sie zuletzt ihren Schülerinnen sranzösische Vokabeln Singeübt halte, seit sie Abend sür Abend allein 'n ihrem rügen JnstitwSzimmerchen gesessen und Heft« korrigiert halte? So fern sag die Zeit hivter ihr. Und ihr Leben war so reich und sorglos geworden seit dieser Zett. Sorglos? Mein, das nicht. Eine große, bange Sorge be drückte ja ihr Gemüt. Si« schien ihr manchmal Klötzer al» alle die zusammen, die ihre schlichte Kevzansenhift je getrübt halten. Die Sorge um da» Wohl ibres Maunes, des einzig ge siebten Menschen, der ihr alles verkörperte, was die Welt LicbeS für sie batte. Wenn sie ihm Mir Hefft« lLmtte. Fieberhaft voll Ungeduld,
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