Volltext Seite (XML)
o — 92 — geschenkt. Ein Drittel ist in Naturalien zu entrichten. Zwei Drittel können in Geldbeträge umgelegt werden. Und was sie diesmal zu zahlen haben, das zahlen sie auch weiterhin Iahr- hundert um Jahrhundert. Daß nichts vergessen wird, legen Kloster und Universität Jahr für Jahr Jndividualverzeichnisse an. Die Kosten dafür in Höhe von 8 Talern trägt natürlich Wolfshain. Denn wo die schlauen Bauern ein kleines Löchlein finden, da schlüpfen sie hindurch. Sie suchen Steuern zu hinterziehen, wo sie nur kön nen. 1742 werden sie deshalb „alles Ernstes an ermahnet, daß sie ihre Grundstücken richtig anzeigen, davon das mindeste nicht verschweigen sollen bei Vermeidung der darauf gesetzten schweren Straffe". Alle Warnungen fruchten nichts. Also hat schließlich der König das allerletzte Wort, an den man sich wendet: „Aller Durchlauchtigster, Eroßmächtigster König und Churfürst, Allergnädigster Herr!" Und das Ende vom Lied? Es bleibt alles beim alten. Trotz verzweifelter Anstren gungen der Wolfshainer, dieser Verpflichtungen ledig zu werden. Dieser oder jener Bauer leiht der Gemeinde 50 Taler, um einen Prozeß führen zu können. Jede „Zidacion" (gemeint ist Zitierung) erfordert viel Geld; 6 Taler 19 Groschen kostet jedes „Urthel"; 33 Taler 15 Groschen geben sie aus" vor Den atvocaden" in Grimma; 7 Taler kostet für ihn allein eine einzige Fahrt von Grimma bis Leipzig und zurück. Aber was sie auch prozessieren, und was sie sichs auch kosten lassen — sie bluten weiterhin. Von 1389 bis 1898!! Mehr als ein halbes Jahrtausend lang! 1843 verweigerten sie ener gisch alle Handdienste. Hühner haben sie schon längst keine mehr abgeliefert. Da löst ein Jahr später der Staat alle Zinsen und Dienste ab und verwandelt sie in Renten, die, am 31. Dezember 1898 erst, ablaufen. Mehr als zehn Taler hat das größte Gut aufzubringen. Die Gesamtsumme der Rente von Wolfshain be trägt weit über 60 Taler. Erst am 1. Januar 1899 wurde Wolfs hain ganz frei, und das „oorzeuchnuß der XVI besessene mhane" hatte nach einer unheimlich langen Lebensdauer seine Geltung endlich ein für allemal verloren. Rund um den Ratskeller zu Brandis A. Ratzsch, Brandis. In dem Aussatz „Reihschank" von Karl Hoffmann in diesem Blatt finden wir mancherlei Verhältnisse geschildert, wie sie auch in vielen anderen Orten bestanden haben. In den Blättern Nr. 1 und 2 des 4. Jahrganges wurde in dem Aufsatze „Die alten Brandiser tranken noch eins", mehrfach auf ähnliche Zu stände in Brandis hingewiesen. Das Brauerbenrecht hat noch sehr lange in Brandis bestanden. Wirtshäuser gab es in frü heren Jahrhunderten (also vor 1800) in Brandis nicht. Nur der Ratskeller kann sein Bestehen in frühere Zeiten zurückführen, sicherlich bis ins 15. oder gar 14. Jahrhundert. Darnach wäre der Ratskeller eins der ältesten Gebäude in Brandis. Das Ge bäude wird in dieser langen Zeit wohl mehrmals seine Gestalt innerlich und äußerlich geändert haben. Tatsache ist, daß im Jahre 1476 in Brandis schon ein Ratskeller, früher Bierkeller genannt, bestanden hat. Was könnte uns dieser Vierkeller aus dieser langen Ver gangenheit nicht alles erzählen, wenn er reden könnte! In dem Brandiser Ratskeller wurde schon vor 1500 Vier verschenkt. Der Rat hatte das Recht dazu von der Gerichts- und Schloß herrschaft erhalten. Durch einen Brand im 15. Jahrhundert war das Dokument verloren gegangen. Im Jahre 1476 suchte der damalige Stadtrat bei der Gerichtsherrschast um Ausstel lung eines neuen Dokumentes nach, das dieses Schankrecht aussprach. Dieses Schriftstück ist unterzeichnet vom Herrn Gün ther von Bünan. Das ältere, durch den Brand verschwundene Aktenstück war von dessen Vater unterschrieben gewesen. In diesem Bierkeller wurde der Bierschank früher nur in bestimmten Zeiten ausgeübt. Es konnte fremdes Bier ausge schenkt werden in der Zeit, in der die hiesigen Brauerben nicht mehr brauten oder kein Vier mehr hatten. Meist war das der Fall in der Zeit von Pfingsten bis Michaelis. In dieser Zeit hatten die Bauern genügend Berufsarbeit und konnten sich nicht um die Herstellung des edlen Brandiser Tropfens kümmern, wenn nicht ihre Wirtschaft Schaden erleiden sollte. Sonst aber hielten die Brauerben streng darauf, daß im Orte kein frem des Bier verkauft und geschluckt werden durfte. Der Stadtrat selbst kümmerte sich um den-Ausschank im Bierkeller nicht. Er verpachtete ihn und machte so ein Geschäft daraus. Jedenfalls war der Bierkeller nicht nur zum Schank, sondern auch zur Beherbergung und Ausspannung verpachtet. Zugleich waren auch die Amtsräume der Stadtverwaltung un ter dem gleichen Dach untergebracht. Dashalb bürgerte sich ne ben der Bezeichnung Bierkeller auch der Name Ratskeller und Rathaus ein. Die Pachterträgnisse wurden nach dem angeführten Doku ment zum Wege- und Brückenbau verwendet. Die Wege und Straßen in und um Brandis sind-seit alters her immer in schlechtem Zustand gewesen. Die Pachtsumme des Ratskellers kann demnach nie sehr hoch gewesen sein. Außerdem mußte ein Teil der Pachtsumme zur Landesverteidigung verwendet werden. Damals mußten die Brandiser dem Schloßherrn für das Heer des Landes die Mannschaften stellen und die Aus rüstung bezahlen. Im 17. Jahrhundert haben mehrere Brände die Stadt Bran dis heimgesucht. So soll 1637 Brandis durch eine Feuersbrunst total ruiniert worden sein. Es ist möglich, daß der Ratskeller damals mit vernichtet worden ist, läßt sich aber nicht nach weisen. Ob bei anderen Bränden, die im 17. Iahrh. so oft aus ¬ brachen, der Ratskeller gelitten^hat, ist auch nicht immer zu ermitteln. Am 29. März 1688 nachts 11 Uhr brach ebenfalls eine bedeutende Feuersbrunst aus, die am Marktplatz fast alle Gebäude in Schutt und Asche legte. Nur die Seite, an der der Bierkeller stand, scheint verschont geblieben zu sein. — Der Rathauskellerwirt wechselte sehr oft. Doch gerade im Jahre 1688 wurde der Ratskeller an einen hiesigen Brauerben ver pachtet. Diese Verpachtungsart wurde lange Zeit so durchge führt. Ja, man verpachtete von jenem Jahre ab auch manchmal an mehrere oder alle Brauerben in Brandis. Im Jahre 1688 betrug der Pacht 1 Taler 9 Groschen. Außerdem mußte der Päch ter seit 1688 von jedem verschenkten Faß Bier 8 Er. an die Gemeinde abgeben. Der damalige Pächter scheint das Schank recht nur von Johanni an gehabt zu haben. Denn es wurde iestgestellt, §aß der Pächter von Johanni bis Ende des Jahres 18 Faß Vier verschenkt halte. Er wollte aber nicht für alle 18 Faß a 8 Gr. geben, sondern nur für 6 Faß a 8 Er., für die übrigen Fässer aber nur a 6 Gr., weil die Brauerben auch ge schenkt hätten. Die Gemeindeversammlungen und -sitzungen sind schon da mals im Ratskeller, auch Rathaus genannt, abgchalten worden. Der Pächter bekam für seine Arbeit und Auslagen eine Ent schädigung. In einer Rechnung vom Jahre 1688 findet sich angeführt: 11 Gr. für der Gemeinde Zehr und 1 Er. für Licht. Dem Lichtoerbrauch zu urteilen, scheinen nicht viele Sitzungen abgehalten worden zu sein. Außerdem müssen sie recht kurz ge wesen sein. Aus einer anderen Rechnung geht hervor, daß der Rathaus giebel durch das Feuer 1688 ebenfalls sehr gelitten haben muß. Das war ja leicht möglich, da die gegenüberliegenden Gehöfte an der Westseite des Marktes, z. B. das Voigtländersche und Bienausche Gut, alle abgebrannt sind. In der erwähnten Rech nung findet sich eine Ausgabe für den Rathausgiebel, der entweder ausgebessert oder neu gebaut worden ist. Ebenso hat man die Stuben ausgebessert und einige andere Erneuerungs- arbeitcn vorgenommen. Fortsetzung folgt. Heimatzimmer Borsdorf Dem künftigen Heimatzimmer übergeben: Herr Schumann Vohrungsübersicht vom Steinweg Herr Schlosser Dachziegel mit Jahreszahl 1840 Herr Deiß Weltkriegsbilder Herr Lindner seine ornithologischen Aufsätze Herr Rudolph Fliegerpfeile und M.E.-Munition (engl franz.) Herr Jakob Bild der alten Brücke Beucha—Wolfshain Herr Kisow Pferdeknochen 1813 Herr Hoh Lichtbilder aus der Borsdorfer Landschaft Herr Seidel Weihnachtsbitte 1908 v. Louis Weise Herr v. Seefeld altes Bügeleisen Herr Bergner alten kupfernen Leuchter Herr Dr. D- Bergner seine Dissertation Herr Dr. Otto Teuscher seine petrographischen Arbeiten Herr Krolopp Verblendsteine Herr Barth zwei alte ausländische Münzen. Den Spendern dankt herzlich. Hoffmann. Veantwortlicher Sch-iftleiter: Fritz Günz, Naunhof. — Abdruck von einzelnen Teilen nach Vereinbarung mit dem Schriftleiter. Druck und Verlag: Günz L Eule, Naunhof. candis 317. L Ä eim aili ch eUu n d sch au um Aohjenberg und Morche 5. Jahrgang 1939 Beilage zu „Nachrichten und Anzeiger"Stück 1 Inhalt: Reihschank. (Karl Hoffmann-Borsdorf). — In Wolfshain wohnen 16 Besessene. . . (Albrecht Wagner). — Rund um den Ratskeller zu Brandis. (A. Ratzsch-Brandis), — Heimatiimmer Borsdorf. Reihschank Von Oberlehrer Karl Hoffmann, Borsdorf. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß zur Zeit der deutschem Be siedelung unserer Gegend das Richteramt in Borsdorf erblich und an das größere der beiden Zweihufengüter gebunden war. Reiheschanl. Von ihm schreibt Klingner in den Dorf- und Bau ernrechten Bd. 4 S. 852: „Es darf ein jeder Nachbar brauen, so viel er will. Aber einen Gasthof zum Erbgericht hat es nicht gegeben. Ein Gasthaus war anfangs weder notwendig, noch hätte sich sein Be- Es darf auch jeder Nachbar 8 Tage nach der Reihe schenken, wenn er selber Bier und sein Nachbar ausgeschencket, auch ihme trieb gelohnt. Bors dorf war klein und lag abseits. Die Hohe Landstraße mit ihrem Verkehr führte in be trächtlicher Entfernung vorüber. Gemeindliche Bera tungen konnten im Hause des Richters stattfinden. Für das gesellige Beisammen sein genügten die Wohnungen der Nach barn, und einen Trunk Bier braute zunächst jeder selbst. Die Grundbegriffe der Brauerei hatten die Ostwanderer aus ihrer altdeutschen Hei mat mitgebracht. Es die Maße zugeschicket hat. Lässet er die Reihe vorbey gehen, und will um Gewin stes willen, wenn sie wieder auf ihn kommt, schencken, soll dieses Bier nicht das Recht in der Reihe haben, sondern verbleiben, bis kein Bier mehr im Dorfe ist. Wenn einer ge- brauet hat, an dem der Reih Schanck die sen Tag nicht, das Bier aber noch jung ist, darf er 2 Tage über seine gesetzte Zeit schencken, und wird solches nicht mitgc- rechnet. Er darf auch war zwar ein sehr ein- Gemeindehaus faches, ungewürztes, Sorfschenke hopfenfreies und dünnes Bier, das der Bauer im Hause berei tete. aber es war dafür bekömmlich und billig, und zur Erzeu gung genügten Wasser, Getreide und wenig Geräte. Es hieß nach dem Gefäß, in dem man es braute, Kesselbier. Mit ihm versorgte der Bauer seine Familie, die Knechte und Mägde, Hausgäste und spät ankommende Fremde, ja zuweilen luden sich die Mitglieder der Nachbarschaft untereinander dazu ein. Aus diesen Eastabenden entwickelte sich schon sehr früh der Alte Schmiede Mitnahme Moldenhauer das gebraute junge Bier Kannenweise über die Gasse 2 Tage verkaufen, aber keine Gäste im Hause setzen: ein ieder Nachbar darf nach der Reihe Bier holen, so im Lande gebrauet worden, wenn im Dorfe keines mehr vorhanden ist, jedoch nur ein Faß ausschencken, danach mag auch der andere Nachbar Bier holen, wo er will, sie müssen sich aber beim Tranck Steuer Meist:r erst melden und richtige Zeddel aufweisen, sonst ist das Bier verfallen und wird weggenommen." In dem Abschnitt ist eine kurze Geschichte des Reihschanks ent-