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Allgemeiner Anzeiger : 17.07.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191807170
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19180717
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-07
- Tag 1918-07-17
-
Monat
1918-07
-
Jahr
1918
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.07.1918
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Gras Bertlings K.ec!e. Erklärungen über die politische Lage. Im Hauptausschuß des Reichstages nahm Ler Reichskanzler Graf v. Hertling das Wort zu meist vertraulichen Ausführungen. Er erklärte, daß der Wechsel in der Leitung des Auswärtigen Amtes an dem Kurse der x-famteu Reichspolitik nicht das geringste ändern werde. Sowohl die innere wie die äußere Politik des Reiches werde sich nach wie vor auf den Vabnen bewegen, die in den früheren Erklärungen des Kanz lers vorgezeichnet waren. Soweit der Wille der Regierung in Be tracht komme, seien in politischer Hinsicht alle gegebenen Zusagen eingehalteu worden. Die Regierung werde auch mit voller Energie auf der Durchführung der in die Wege ge leiteten Reformen bestehen und diese zu Ende Tühren. Der Kanzler fuhr fort: Nach außen bin sei die Reichspolitik programmatisch in der Antwort auf die Friedensnote des Papstes festgclegt. Aller Welt sei die ehrliche Friedensbereitschaft der deutschen Regie rung seit langem bekannt. Es Habs sich daran auch weder bisher etwas geändert, noch werde dies in Zukunft geschehen. Demgegenüber stehe aber die Tatsache fest, daß der Vernichtungswille der Feinde nach wie vor aufs stärkste hervortrete, zu letzt erst wieder in den Reden von Wilson und Balfour. So lange darin kein Wandel geschehe, seien wir zum Weiterkämpfen um unsere Freiheit und Wohlfahrt genötigt. In der Bereitwilligkeit, auf wirklich ernste Verhandlungsoorschläge der uns feindlichen Mächte einzugehen, sei aber die politische Reichsleitung mit der Obersten Heeresleitung vollkommen einig. Der Kanzler berührte dann noch im einzelnen die Zukunftsprobleme im Osten und Westen, und kam dabei zu dem Er gebnis, daß das Regierungsprogramm sich nach beiden Richtungen hin mit den Er klärungen decke, die schon im November 1917 abgegeben und von der überwiegenden Mehrheit des Reichstags gebilligt worden seien. Die anderweitige Besetzung des Aus wärtigen Amtes sei nicht auf sachliche Meinungsverschiedenheiten, sondern nur auf Erwägungen persönlicher Art zurück zuführen, über die Ler Kanzler vertraulich nähere Aufschlüsse gab. Der als Nachfolger des Staatssekretärs v. Kühlmann in Aus sicht genommene Gesandte v. Hintze habe die bindende Erklärung abgegeben, daß er in jeder Hinsicht die bisherige Politik des Reichskanzlers mitmachen werde. * Vizekanzler o.''Payer hatte bereits zu Eröffnung der Sitzung darauf hingewiesen, Laß die Mitteilungen Les Kanzlers und demgemäß auch die Erklärungen der Aus schußmitglieder vertraulich seien und dem entsprechend auch in der Presse behandelt werden müßten. Aus Reichstagskreisen wird mitgeteilt, daß die Rede des Grafen Hertling einen durchaus günstigen Eindruck hinterließ. Die Ausführungen des Abge ordneten Scheidemann (Soz.) waren zwar scharf, doch war ihnen zu entnehmen, daß an einen Bruch mit der Regierung und der Reichstagsmehrheit in seinen Kreisen nicht gedacht wird. DerZentrumsabgeordnete Gröber erteilte dem Kanzler vorbehaltslos ein Vertrauensvotum. Abgeordneter Fisch beck, der für die Fortschrittler sprach, war nicht ganz so zuversichtlich. Die Erklärungen der andern Parteien waren kurz. Man hat .allgemein den Eindruck, daß mit der Be sprechung im Hauptausschuß die gegen wärtige Krise ihren Abschluß gefunden haben wird, sobald Herr v. Hintze, der mit dem Kanzler zusammen aus dem Haupt quartier in Berlin eingetroffen ist, amtlich als Nachfolger Herrn v. Kühlmanns ernannt sein wird. Oie russischen Mirren. Die Meuchelmörder verhaftet. Aus Moskau wird gemeldet, die Mörder des deutschen Gesandten seien festgenommen worden. Die bekannte Spiridonowa, die zu den Führern der linken Sozialrevolutionäre gehört, hat nach ihrer Verhaftung gestanden, daß der Meuchelmord durch einen offiziellen Parteibeschluß herbeigeführt worden ist. Die russische Friedensdelegation in Kiew erhielt eine Drahtung Tschitscherins, nach der der Mörder Blumkin heißt. Er war der Vertrauensmann der Parteileitung der Linksrevolutionäre in der Kommission zur Bekämpfung der Gegenrevolution, batte als Kommissionsmitglied die Dokumente aus gefertigt, die den Verschwörern den Zutritt zu dem Gesandten Mirbach verschafften, und batte dann den von der Parteileitung dik tierten Akt des Terrorismus begangen. Was die Verbändler wollten. Schweizer Blätter erfahren aus diploma tischen Kreisen: Da die Alliierten wissen, daß die amerikanische Hilfe zu spät eintreffen wird und die Deutscher: ihre Offenstvpläue im Westen durchsühren werden, versuchen sie, Len Mittelmächten Schwierigkeiten zu be reiten, um sie an der Weiterverfolgung mili tärischer Aktionen zu verhindern. Der erste Teil der Ententedioersion bestand in der Pro pagandaoffensive gegen Österreich, die fehl- schlug. Die zweite Phase, Lie sich in der Aufreizung Rußlands zu einem neuen Krieg mit Deutschland zeigt, steht jedenfalls vor einem Mißerfolg. Die Entente hatte als Bedingung für eine Einmischung in russische Angelegenheiten eine Regierung unter Kerenski verlangt, der Terestschenko und vor allem Iswolski, Ler in Rußland als Botschafter in Paris einer der ärgsten Kriegshetzer war, angehören sollten. Nach dem Sturz der Bolschewisten sollten diese Russen mit englischen Schiffen an die Murmanküste gebracht werden und dort die Aufhebung des Brester Friedens und den Krieg ausrufen. Kerenski in der Klemme. In Paris konnte Kerenski, weil dessen Erscheinen vor dem Parlamentsausschuß des Auswärtigen durch Clemenceaus Einsprache verhindert worden ist, nur erreichen, im sogenannten Werbeausschuß seinen Protest gegen den Brest-Litowsker Frieden anzu bringen. Von der Verwaltungskommission der sozialdemokratischenParteiwurdeKerenski in ein scharfes Kreuzverhör genommen, das ihn bös zerrupfte. Man stellte ihm Fragen wie: „Was haben Sie, als Sie Herr von Rußland waren, getan, um Rußland zu retten? Sie haben unter Len Einflüste rungen, die wir kennen, die Offensive an- georüuet und nicht verstanden, durchzusetzen, daß die Stockholmer Konferenz abgehalten wurde." Schließlich ergab sich, daß die fran zösischen Sozialisten gegen Kerenski und für die Bolschewisten Partei ergriffen, indem sie ein bewaffnetes Eingreifen des Ver bandes in Rußland verurteilten. « Ein Bekehrter. Nach Kiewer Meldungen erklärte Mil jukow, es beruhe auf einem Irrtum, wenn behauptet würde, er habe Deutschland eine förmliche Schutzherrschaft über Rußland an- geboten. Er gehöre jedoch zu jener Minder heit innerhalb der Kadettenpartei, die beab sichtige, im Sinne einer Annäherung an Deutschland und Osterreich-Ungarn zu wirken. Miljukow, der einflußreichste Führer des russischen Bürgertums, bisher der treueste Freund Ler Westmächte, stellt gch hiermit auf den realen Boden einer nationalen russischen Politik: er lehnt den Brester Frieden nicht mehr unversöhnlich ab, sondern sucht seine Änderung durch eine Annäherung an Deutschland zu erreichen. Wenn Miljukow heute von einer Annäherung an Deutschland spricht, so bedeutet das, Latz er einsieht, Laß die Entente unter keinen Umständen, selbst, wenn Rußland unter den fürchterlichsten Opfern noch einmal einen Teil der deutschen Streitkräfte auf sich ziehen würde, imstande ist, den Endsieg zu erreichen. DsMlcker AsicbstAg. (Orig.-Bcr.) — iZ. BerNn, 11. Juli. Auf der Tagesordnung stand die Weiter- beralung der Sieuervorlagen. Die eisten vier Stunden galten der Umsatzsteuer, die im Ausschuß bekanntlich grundlegende Ver änderungen erfahren hat, insbesondere soll zwar die Umsatzsteuer nicht nur auf Lieferungen, sondern auch auf Leistungen gelegt werden, die Leistungen der sogenannten sieten Berufe aber sollen ausgenommen bleiben. Die Steuer auf Luxusgegenstände, die in der ersten Lesung aus 20 °/a festgesetzt war, hat der Ausschuß in der zweiten Lesung wieder auf 10 °/o ermäßigt. Nicht betroffen werden sollen von der Luxus steuer Gegenstände im öffentlichen Dienst, also insbesondere für kirchliche und wissenschaftliche Zwecke, Flügel, Klaviere und Harmonien für Lehrzwecke, Musikinstrumente für gewerbliche Zwecke usw. Den Bundesstaaten soll von der jährlichen Einnahme eine Erhebungsvergütung von 10 °/o gewahrt werden. Außerdem sollen den Bundesstaaten weitere 5 °/o von der Ein nahme, jedoch nicht mehr als 50 Millionen jährlich, zur Verteilung an solche Gemeinden abgegeben werden, die besondere Einrichtungen für Lebensmittelversorgung liessen. Die be sondere Warenhaussteuer in den einzelnen Bundesstaaten soll vom 1. April 1919 ab in Fortfall kommen. In der Aussprache wies der fortschrittliche Abg. Waldstein auf die Ungerechtigkeit hin, die mit dem Begriff der „Selbständigkeit" in das Gesetz eingeiührt werde: Ler Droschken kutscher als selbständiger Gewerbetreibender ist umsatzsteuerpflichtig, der gegen Gehalt angestellte Generaldirektor nicht. Dr. Neumann- Hofer teilte mit, daß ein Teil seiner Freunde gegen die Freilassung der freien Berufe sei. Ein iopaldemolratischer Antrag, der ausdrücklich die freien Berufe, insbesonvere Rechtsanwälte, Arzte, Künstler und Schriftsteller, in einem be sonderen Gesetzesparagraphen pon der Steuer ausnehmen will, wurde abgelehnt, nachdem eine Reihe von Rednern darauf hin gewiesen, daß diese Ausnahme bereits hinläng lich im Gesetz zum Ausdruck gekommen sei. Ein anderer sozialdemokratischer Antrag, für bestimmte Lebensmittel die Umsatzsteuer von 5 v. T. aus 1 v. T. zu ermäßigen, wurde in namentlicher Abstimmung mit 171 gegen 114 Stimmen gleichsalls abgetehnt, ebenso An träge der Sozialdemokraten aus Eihöhung der einzelnen Sätze für Luxuswaien, aber auch ein Llmrag des nationattiberalen Abg. Z i m mer - mann, Ler grundmtztzch alle Mniikmstrumente nicht als Luxusgegenstände angesehen wissen wollte. Der Rest des Gesetzes wurde dann mit unwesentlichen Änderungen in der Hauptsache in der Fassung des Ausschusses angenommen, alle Abänderungsamräge abgelehm. Fast ohne Debatte wurde dann noch das S t e u er j I u ch t g e s stz unverändert ange nommen und in der siebenten Siunds begann man noch dis allgemeine Aussprache zum 8 1 des B r a n n i w e i n m o n o p o l g e s etz e s. Die Beschlußfassung über Z 1 nuo die Weirer- beratung wurden dann aber vertagt. DsMlwL AMÄlebLLL. DeutschlauV. * Auf mehrfache Anfragen teilt das Kriegs ernährungsamt mit, daß keine Erhöhung der Preise für Frühkartoffeln über die in Ler Verordnung vom 9. März 1918 vor gesehene Höchstgrenze von 10 Mark hinaus beabsichtigt ist, zumal in wenigen Tagen mit größeren Mengen vollausgereister Kar toffeln gerechnet werden kann. — Die fleischlosen Wochen in den nächsten Monaten sind jetzt festgesetzt worden. Wir werden in folgenden Wochen ganz auf drn Bezug von Fleisch verzichten müssen: 19. bis 23. August, 9. bis 15. September, 29. Sep tember bis 6. Oktober und 20. bis 27. Ok tober. Dis augenblickliche Menge von 250 Gramm Fleisch soll nur noch bis zur zweiten Hälfte des August geliefert werden. Dann tritt die angekündigte Herabsetzung auf 200 Gramm, und zwar für Städte mit über 100 000 Einwohnern in Kraft; Lie kleineren Städte sollen noch weniger Fleisch erhalten. Osterreich-Ungarn. «Auf eine Anfrage im ungarischen Ab- geordnetenhause erklärte Ministerpräsident Wekerle über das WirtschaftsbünL- nis mit Deutschland, Laß, wenn Ungarn mit Deutschland ein Zollbündnis schließt, bezüglich der landwirtschaftlichen Zölle gegenseitig Zollfreiheit bestehen soll. Bezüglich Ler Jndustriezölle war niemals vollkommene Verkehrssreiheit geplant, viel mehr soll bezüglich jener Industriezweige, für die die ungarischen Produktionsverhält nisse Schutz erheischen, dieser Schutz auch zukünftig aufrechterhalten werden. Belgien. * Die flamischeBewegung beginnt nunmehr auch die Aufmerksamkeit der Kreise um König Albert zu erregen, die bisher immer mit Achselzucken darüber gesprochen haben. Man beeilt sich daher in Le Havre, den Flamen einige Zugeständnisse zu machen. So hat z. B. der Kriegs minister in der belgischen Offiziersschule zu Gaillon, Frankreich, ein paar flämische Unterrichtskurse zur Ausbildung von Unter offizieren eingerichtet, damit diese sich in flämischer Sprache mit den Soldaten unterhalten können. Diese Maßnahme des neuen Ministerpräsidenten Cooreman kommt zu spät. Sie bezieht sich überdies nur auf die Unteroffiziere und nicht auch auf Offiziere, unter denen Anhänger des Flamentums grundsätzlich nicht geduldet werden. Spanien. * Madrider Blätter bringen aufsehen erregende Enthüllungen über die Verbandsspionage in Spanien. In der ,Nacion' werden Schriftstücke veröffent licht, wonach die französische Botschaft durch das französische Konsulat in Barcelona in Verständigung mit dem Chef des franzö sischen Spionagedienstes spanische Funker auf spanischen Dampfern bestochen hat. Die Leute bekommen monatlich 500 Pesetas und haben dafür in ihnen vorgeschriebener Ge heimschrift an Deckadressen in Barcelona die Anwesenheit deutscher U-Boote mit ge nauer Ortsangabe zu machen; ferner die Anwesenheit deutscher Fahrgäste auf spani schen Dampfern und fonst noch alles, was für Verbandskriegsschiffe irgend von Wert sein könnte. Finnland. « Senator Setla erklärte, wenn die Frage derNegierungsform nicht in nächster Zukunft entschieden werde, so halte die Regierung weitere Arbeit für nutzlos. Am Montag abend teilte in einer geheimen Konferenz der Negierung mit den Land tagsgruppen Regierungschef Paasikivi mit, daß die Regierung beschlossen habe, die Annahme der monarchischen Staatsform zur Kabinettsfrage zu machen. Die Republi kaner verlangen dagegen eine Volksab stimmung. Asien. «Die japanische Presse beschäftigt sich eingehend mit den Forderungen des Ver bandes nach militärischer Hitze Japans m Europa. Die japanischen Blätter erklären ein stimmig, daß Japan Heer und Flotte für die Lötung der Fragen im Osten notwendig habe. Dem Verbände müsse Amerika Helsen. Oie Geschwister. 8) Roman von H. CourtHS-Mahler. (^-rlfcdi-ng., „Daß sie mir als Schwiegersohn hochwill kommen sind, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Sie sind ein Ehrenmann, und Ihre Verhältnisse würden anspruchsloseren Menschen als mir genügen.. Ich will kein Hehl daraus macken, daß ich glücklich wäre, mein Kind so glänzend versorgt zu, wißen. Wer immer in bescheidenen Verhältnissen gelebt hat wie ich, der weiß ein sorgenloses Leben zu schätzen. Ich gönnte es meinem Kinde von Herzen. Aber ich will Ihnen nun Gabi herein schicken, sie mag Ihnen selber Antwort geben." Er küßte ihr stumm die Hand und sah, als sie gegangen war, erwartungsvoll nach der Tür. Da trat Gabriele herein. Daß sie sehr bleich aussah, entging ihm nicht. Er hielt es für Erregung des Augenblicks. Sie reichte ihm die schlanke, kühle Hand. Ec meikle, daß sie zitterte. Das gab ihm Lie blühe zmück. Gabriele üble in ihrer ernsten, stillen Anmut einen unwiderstehlichen Zauber ein ihn aus. Er sagte ihr nun mit warmen, herzlichen Werten, wie lehr cr sie liebte und wie es ihn io unsagbar glücklick machen würde, wenn sie sich entschließen könnE, seine Frau zu werden. Seine Worte verneien nicht, wie es bei ihrem lieblichen Anblick m ihm stürmte. In ihrem Wesen lag aber eine ängstliche Zurück haltung, «ine leise Abwehr, die er freilich nur tür jungfräuliche Schüchternheit hielt. Aber er wurde dadurch gebannt und fand ruhige, warme Worte, um sie nicht zu erschrecken. Sie ließ ihn zu Ende reden, ohne die Augen zu heben. Dann sah sie ihm voll mit den ernsten, jungen Augen ins Gesicht. Es waren nicht Heinz Römers geliebte Züge, die sie vor sich iah, nicht sein Mund, die' die werbenden Worte sprach. Damit war in ihrem Herzen dem Freier das Urteil ge sprochen. Sie hätle es ihm ins Geücht schreien mögen, daß sie nicht seine Frau werden mochte. Aber was konnte dieser Mann dafür, daß ihr Herz nach einem andern verlangte. Seine Augen blickten sie so gütig an mit warmem, bittendem Blick. Konnte es denn so sehr schwer sein, mit ihm zu leben, Seite an Seite. „Ich muß Sie herzlich bitten, in diesem Augenblick keine bündige Erklärung von mir zu verlangen. Lassen Sie mir Zeit, mich zu prüfen.' In wenigen Tagen — vielleicht morgen schon, will ich Ihnen meinen Entschluß mil teilen." Ein Schatten flog über sein Gesicht.. So wenig eitel er war — er hatte doch leise ge hofft, daß sie seine Werbung wärmer, impulsiver ausnehmen würde. Obwohl er vernünftig genug war, ihr die Berechtigung zu einer Prüfung und Überlegung einzugestehen, tat es ihm doch ein bißchen weh, daß sie nicht gleich und freudig „Ja" sagte. Aber er hatte sie viel zu lieb, um nicht trotzdem mit der ganzen Glut feines Herzens nach ihrem Besitz zu streben. „Ich muß mich Ihrem Wunsche sögen, so schwer es mir fällt, mein liebes, gnädiges Fräulein. Bitte, lassen Sie micb nickt zu lanae warten und bedenken Sie, daß Sie das Glück eines Menschen in der Hand Hatzen." Er reichte ihr die Hand. Sie legte dis ihre hinein. „Ich will es nicht vergessen," sagte sie. Er küßte ihr die Hand. Dann wandte sie sich ab, nm ihre Mutter hsreinzurufen, damit sich Wendheim von ihr verabschieden konnte. Er sah ihr nach mit flammendem, sehnsüchtigem Blicke. Wie er sie liebte, das ernste, stille Mädchen, wie der Gedanke, kis besitzen zu dürfen, ihm alle Ruhe und Besonnenheit zu nehmen drohte! Frau von Goßegg kam herein und sah mit bang sragendem Blicks von einem zum andern. „Ihr Fräulein Tochter bit-et sich Bedenkzeit aus, gnädige Frau. Darein muß ick mich fügen. Ich Hoffs jedoch von ganzem Herzen, daß es mir bald vergönnt sein möge, mich als ein Mitglied Ihrer Familie zu betrachten. Sie gestatten, daß ich mich jetzt zurückziehe. Gnädiges Fräulein, gnädige Frau ich habe die Ehre." Er küßte den beiden die Hand, sah noch einmal flehend in Gabrielens braune Augen und ging. Mutier und Tochter blieben allein. Gabriels trat ans Fenster und sah hinaus. Einige neugierige Nachbarn starrten Wendheims vornehmer Eguipags nach. Natürlich würde man Glossen darüber machen. Morgen erzählte wohl schon einer dem anderen, daß der reiche Wendheim um die arme Gabriels Goßegg angehalten habe. Und dann erfuhr es auch Heinz Römer. Wenn sie das verhüten wollte, war es höchste Zeit, daß sie Lem Gerücht zu vorkam. Sir wandie sich ins Zimmer zurück. Ihre Mutter saß zusammengeduckt in ihrem Sessel. Gabriels tat das Herz weh bei ihrem Anblick. Sie umfaßte die Mutter. „Was ich tun kann, will ich tun, Mutlerle, dir zuliebe," sagte sie leise und lüßie die alte Dams auf den grauen Scheitel. Dann ging sie hinaus. Mit fliegenden Händen nahm sie im Neben zimmer aus ihrem kleinen, alten Schreibtische Briefpapier. Auf einen schlichten, weißen Bogen schrieb sie mit etwas unsicherer Hand: „Mein geliebter Heinz I Bitte, komme morgen nachmittag um vier Uhr noch einmal an das Schillerdenkmal. Ich muß Dich sprechen, auf jeden Fall. Solltest Du verhindert. ssin§ bestimme eine andere Zeit. Du brauchst mir dann nur einen Zettel mit der Zeitangabe zu zusenden. Deine Gabi." Sie Invertierte und adressierte das Schreiben und machte sich dann zum Aus- gshsn fertig, um den Brief nach der Post zu besorgen. Dann ging sie mit müden Schritten wieder heimwärts. Wieder «ine schlaflose, schmerzdnrchwühlte Nacht — wieder in kurzen Zwischenräumen die peinigenden Hustenanfälle der Mutter. Dis Stunden schlichen dahin wie gramerfüllte Ewig keiten. Dann kam der neue Tag mit seinen Pflichten. Wie langsam er verging. Nun war es halb vier Uhr. Heinz halte keine andere Nachricht geschickt, also würde er zur Steile sein. Sie verabschiedete sich von der Mutter.
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