Volltext Seite (XML)
^ 235, 8. Oktober 1918. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. vereinigt sein kann, und daß sie das Gewicht dieser Eingabe, so wichtig und verdienstlich diese auch sicher ist, höher schätzen sollten, weil statt des einen Verfassers einige Herren mehr dahin» terstehen? Ich halte diese Überstürzung für durchaus schädlich und für bedenklich, wie es jedes Unternehmen, das für die Dauer bestimmt sein soll, ist, wenn es auf einer Gründung rack bac« fundiert ist. Das Vorgehen ist vor allem aus dem Grunde nicht zu billigen, weil es für die Entstehung des Deutschen Anti quar-Vereins, der kommen muß, ein Präjudiz schasst. Denn vielleicht besteht die Absicht, aus diesem Lokalverein den Reichs verein herauswachsen zu lassen. Eine ganz kurze Notiz, die vor wenigen Tagen in der Berliner Presse erschien und die lautete, daß die deutschen Antiquare sich unter dem Vorsitze des selben Herrn, der den Berliner Verein leitet, zusammengetan hätten, könnte darauf schließen lassen. Vor dem Versuch einer solchen Metamorphose ist dringend zu warnen. Es gibt da nur zwei Möglichkeiten: Entweder soll sich der erweiterte Verein an die Beschlüsse des alten kehren oder nicht. In letzterem Falle ist nicht einzuschen, was eine solche Vorgründung für einen Zweck hätte. Im elfteren Falle ist vieles verdorben; denn der neue Berliner Verein hat den Wohnsitz beschlossen und einen Vor stand gewählt. Nun würde ich cs als Berliner gewiß begrüßen, wenn der deutsche Verein seinen Sitz in der Reichshauptstadt hätte. Aber haben wir das Recht, gerade in der jetzigen Zeit, in der so gegen die Zentralisierung gewettert wird, einem deut schen Verein vorzuschreiben, daß er von Berlinern geleitet wer den soll? Was werden die Leipziger dazu sagen? Man kann doch nicht verlangen, daß sic sich einfach einem Beschluß, weil er gefaßt ist, untcrzuordnen haben. Aber dann und in der Hauptsache: Der Vorstand hat sich gebildet, und wer Mitglied irgend eines Vereins ist (und welcher Deutsche ist dies nicht?), weiß, wie stark das Trägheitsmoment und andere Ein flüsse auf die Konservierung einmal gefaßter Vereinsbeschlüsse wirken. Es liegt mir fern, irgendwie Persönliches in die Debatte tragen zu wollen, und speziell der Schriftführer des Berliner Vereins gehört sicher an eine leitende Stelle. Aber es ist Tatsache, daß alle in den Vorstand gewählten Herren dem bibliophilen Antiquariat angehören oder zum mindesten dem wissenschaftlichen fernstehen. Nun laufen die Interessen dieser beiden Zweige durchaus nicht parallel — dies auszuführen man gelt hier der Platz, aber schon die »Lagerbuch«-Pelition ist viel mehr Sache des bibliophilen Antiquariats. Hat doch gerade die Entwicklung während des Krieges bewiesen, daß tiefgehende Unterschiede bestehen müssen. Und schon aus dem Grunde kann das wissenschaftliche Antiquariat nicht zugebcn, daß cs übergangen wird. Dann aber: Wie groß ist die Zahl der bibliophilen Anti quariate? — Ich möchte glauben, daß deren Menge in Deutsch land, will man nicht ganz unbedeutende Handlungen hinzuzählen, noch nicht 10 beträgt, und nur deren Kapitalkrast und geschickte Reklame gibt ihnen dem Publikum gegenüber ein stärkeres Relief. Was besagt diese Zahl gegenüber der relativ großen der wissenschaftlichen Antiquariate? Und mit Ausnahme von nur wieder zwei bis drei Häusern handelt cs sich bei den biblio philen um junge Firmen, denen ein 50 Jahre altes wissenschaft liches Antiquariat gegenübcrsteht. Und — wie ich dies in einer jüngst erschienenen Broschüre ausführlicher geschildert habe — letzteres ist in der ganzen Welt führend; kein Krieg, kein Haß kann es entwurzeln, es ist deutsches Monopol. Kann das bibliophile Antiquariat dies von sich behaupten? Sind nicht im Auslande gleichbedeutende Firmen; kann es der Zukunft nach dem Kriege ebenso beruhigt cntgegensehen? Scheinbar hat dies mit der Frage, um die es sich hier handelt, nichts zu tun. In Wirklichkeit aber soll aus dem Gesagten der Beweis geführt werden, daß, wenn, wie heiß zu hoffen ist, ein deutscher Anti quar-Verein entsteht, dessen Führung dem wissenschaftlichen An tiquariat gebührt, das vor allem nichts davon wissen will, ein Anhängsel einer Vereinigung von Antiquitätenhändlern zu sein. Vielleicht sprechen sich andere an dieser Stelle darüber aus. Man würde dann einer Verwirklichung des Planes näher kommen. Verband der Kreis, und Ortsvereine im Deutschen Buchhanoei. Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der 40. Ordentlichen Abgeordnetenversammlung, abgehallen amSonnabend, den27. April 1918, imDeutschen Buchhändlerhause zu Leipzig. «Schluß zu Nr. 223, 22S, 227, 229 ». 232.) Herr Hofrat Linncmann (Leipzig): Meine Herren! Es ist hier viel über die Einigkeit gesprochen worden, und sie ist ja zweifellos von außerordentlicher Wichtigkeit. Herr Geheimrat Siegismund und andere Herren haben mit Recht hervorgehoben, daß das ganze Vorgehen auch den Behörde» gegenüber von der allergrößten Bedeutung ist. Die Kommissionsbccatungen haben bisher noch keine Klarheit in dem Zustande geschaffen, der augen blicklich herrscht. Sie wissen, daß das Leipziger Sortiment — ich sage ausdrücklich leider — den Teuerungszuschlag noch nicht erhebt, Stuttgart ebenfalls nicht, und andere Ausnahmen sind Ihnen allen genau so bekannt wie mir. Ich würde mich als Ver treter des Leipziger Vereins nicht für befugt erachten, der Teue rungsordnung so, wie sie in 8 1 lautet, zuzustimmen, daß bei allen Verkäufen an das Publikum ohne jede Ausnahme der Teuerungszuschlag erhoben werden muß. Welche Ausnahmen nötig sind, das hier in einer so großen Versammlung zu erör tern, ist vollkommen unmöglich. Es wird sich auch nur um wenige Sachen handeln, die teilweise schon erwähnt worden sind und die wir ohne weiteres dem Vorstande des Börsenver- etns, des Verlegervereins und dem Verband der Kreis- und Ortsvereine überlassen können. Ich bin der Überzeugung, wir haben da die beste Leitung, die wir uns wünschen können, und jeder einzelne, der Kleinigkeiten auf dem Herzen hat, braucht sie da nur anzubringen. Jedenfalls wird es sich nur um ver schwindende Kleinigkeiten handeln. Mit Rücksicht aus eine mög lichst einmütige Abstimmung möchte ich Sie aber bitten, wenig stens den ersten Punkt der vom Verlegerverein gestellten Be dingungen anzunehmen, daß sachlich gebotene Ausnahmen nach Beratung dieser drei Vorstände stattzufindcn haben. Unter die sen Umständen würde ich auch für den Leipziger Buchhandel den Teuerungszuschlägen zustimmen; denn soweit ich die Stim mung unter meinen Leipziger Kollegen kenne, sind die Herren ebenfalls dazu bereit. Ich hoffe, daß dann auch die Bedenken von Stuttgart beseitigt sein werden, und dann hätten wir ja die Einigkeit, die jedenfalls viel großartiger wirkt, als wenn wir uns auf einen Buchstaben steifen, bloß damit cs heißt: wir haben uns keinen Buchstaben davon nehmen lassen! Herr Georg Eggers (Berlin): Ich kann jetzt verzichten, nach dem Herr Linnemann alles das schon gesagt hat, was ich sagen wollte. Herr Erwin Nägele (Stuttgart): Im Anschluß an die Worte des Herrn Linnemann kann ich auch nur sagen, daß unter diesen Umständen Stuttgart gern und freudig der Notstandsordnung zustimmcn wird. Herr Rudolf Schirdewahn (Gleiwitz): Von Sortimenterseite ist es als unkaufmännisch bemängelt worden, daß die Nolstands- ordnung automatisch erlöschen soll, und ich meine, mit Recht. Man kann Wohl davon sprechen, daß die Zustände mit dem Friedensschluß abgebaut werden, nicht aber, daß sie automatisch aushören sollen. Die Preise für Lebens mittel, für Kleidungsstücke usw. werden mit Ende des Krieges auch nicht plötzlich billiger werden; man kann aber Wohl an nehmen, daß nach dem Kriege allmählich ein Sinken eintretsn wird. Infolgedessen ist es Wohl angebracht, daß man nicht sagt: Ein Jahr nach dem Kriege sind die Bücher wieder billiger, und dann tritt die Notstandsordnung sofort außer Kraft, sondern es ist nötig, auf die jeweiligen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen und bei der dem Ablaufen der Notstandsordnung vorangehenden Hauptversammlung des Börsenvereins sich die Frage vorzulegen: was können und müssen wir jetzt tun? Also das -automatische Erlöschen» der Notstandsordnung möchte ich beseitigt wissen, und «07