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-k' 110, 13. Mai. 1883 Amtlicher Theil. Schriften, welche literarische Erzeugnisse genannt zu wer den verdienen, zu erfolgen habe; daß aber nach dieser Richtung bestimmte Directiven nicht gegeben werden können, sondern dem Ur- theile und Tacte des Bearbeiters bei der Entscheidung über die auf- zunehmenden und auszuschließendcn Bücher ein großer Spielraum zu lassen sei. Nur dann, wenn das R.-V. ein zuverlässiges Re gister der gesammten literarischen Kritik der beachtens- werthen Zeitschriften repräsentirt, ist der Verleger im Stande, aus demselben mit dem Gefühle der Sicherheit Kenntniß von der literarischen Beachtung seines Verlags zu gewinnen, und nur daun erfüllt es seinen Zweck. Um dieses Ziel zu erreichen, müßte die Bearbeitung durch einen, mit den einschlagenden Verhältnissen vertrauten, sowie mit einem scharfen Blick und sichern Urtheil ausgestatteten Gelehrten oder Buchhändler erfolgen, der seine Instructionen von dem Vor stand des Börsenvereins empfängt und diesem verantwortlich ist. Selbstverständlich würde die Herstellung eines so bearbeiteten R.-V. wesentlich höhere Kosten als bisher verursachen, sowohl in Rücksicht auf das Honorar des Bearbeiters, die Ausgaben für die Beschaffung des nicht unentgeltlich zu erlangenden Zeitschriften materials, wie auf die durch den muthmaßlich vergrößerten Umfang bedingte Erhöhung der Kosten für Satz, Druck und Papier. In welchen Verhältnissen die Kosten nach diesen drei Richtungen sich steigern werden/ läßt im voraus sich nicht mit Bestimmtheit an geben. Im Jahre 1877 betrugen dieselben bei einem Umfange von 576 Spalten 24 Bogen 4560 M. Wir glauben nicht zu hoch zu greisen, wenn wir 7000 bis 8000 M. als den künftigen jähr lichen Gesammtbetrag bezeichnen. Unter solchen Verhältnissen war es die unabweisliche Pflicht des Vorstandes, der Frage näher zu treten, ob ein derartiger Kosten aufwand dem Nutzen des R.-V. entspreche. Daß die Benutzung des selben eine sehr einseitige und beschränkte ist, bedarf kaum der Aus führung. In den allermeisten Fällen wird der Verleger in ihm nur seine Firma aufsuchen, um zu erfahren, ob einer seiner Ver lagsartikel eine Recension erfahren hat. Sehr selten wird aus sachlichem Interesse eine weitere, nie eine vollständige Durch sicht vorgenommen werden. Der Sortimenter hat fast gar keine Veranlassung zum Studium des R.-V. Es unterscheidet sich das selbe demnach von allen übrigen Abtheilungen des Börsenblattes dadurch, daß es selbst vonDenjenigen, für die es angefertigt und ge druckt wird, nicht in seiner Gesammtheit, sondern nur soweit benutzt wird, als der den Einzelnen betreffende minimale Bruchtheil für die einzelne Firma Interesse hat, während alle andern Abtheilungen des Börsenblattes in den meisten Fällen der Gesammtheit der Buch händler, mindestens aber den betreffenden Interessenten und zwar in allen einzelnen Theilen der betreffenden Abtheilung nutzbares geschäftliches Material darbieten. Es ließe sich die dem R.-V. gestellte Aufgabe, ohne das ge schäftliche Interesse der Verleger irgendwie zu schädigen, ebenso gut lösen, wenn es nicht durch den Druck veröffentlicht, sondern jedem einzelnen Verleger die angefertigte Zusammenstellung der von Arti keln seines Verlags erschienenen Recensionen im Manuscript mit- getheilt würde, wodurch der Aufwand für Satz, Druck und Papier zu ersparen wäre. Ist aber der Nutzen ein so beschränkter, so ergibt sich von selbst die Beantwortung der Frage: ob es dann gerechtfertigt erscheint, die Mittel des Börsenvereins für dasselbe fernerhin und zwar in erhöhtem Maße zu verwenden? Diese Frage müssen wir verneinen. Denn, wenn es schon Be denken hervorruft, jährlich Mittel des Börsenvereins in ansehnlicher Höhe im Interesse nur eines Theiles seiner Mitglieder zu verwen den, so müssen diese Bedenken sich wesentlich steigern, wenn die auf gestellte Behauptung zutrifft, daß der Nutzen für diesen Theil der Gesammtheit in keinem Verhältnis zu den aufgewendeten Kosten steht. Ein geschäftlicher Nachtheil aber wird durch einen Wegfall des R.-V. für die Betheiligten kaum entstehen. Die großen kritischen Institute beobachten ausnahmslos, die Verleger der übrigen kriti schen Journale zumeist die Sitte der Einsendung von Recensions- Belegen an den Verleger. Auf die Verallgemeinerung dieser Sitte, welche eigentlich als eine selbstverständliche Pflicht zu betrachten ist, kann der Einzelne und die Presse hinwirken. Eine andere Frage ist die, ob eine Zusammenstellung der in den wichtigsten Zeitschriften des Auslandes erschienenen Recensionen deutscher Werke, auch wenn das allgemeine R.-V. aufhört, im Börsen blatts erscheinen soll? Wir würden uns dafür erklären, weil die Kenntnißnahme von dem Erscheinen solcher Recensionen für den Verleger sehr häufig mit Schwierigkeiten verbunden ist und für die weitern buchhändlerischen Kreise die Beobachtung lehrreich sein kann, welche deutschen Werke das Interesse des Auslandes erregen Sollte der gänzliche Wegfall des R.-V. nicht sofort gebilligt werden, so würde man dem Gedanken näher treten können, welcher der Prägnanteste Ausdruck für die einseitige Bedeutung jenes Ver zeichnisses ist: dasselbe als ein selbständiges, gegen Bezahlung ab- zugebendcs Beiblatt zum Börsenblatte erscheinen zu lassen. Wir können uns diesem Gedanken trotz seiner Folgerichtigkeit nicht anschließen, selbst dann nicht, wenn die Deckung der Kosten gesichert erschiene. Es würde durch ein solches, unter der Ver antwortung des Vorstandes erscheinendes, mit dem Börsenblatt nur lose verbundenes, in seiner Ausführung mancherlei Schwierig keiten darbietendes Unternehmen ein bedenklicher Präcedenzfall geschaffen; bedenklich deshalb, weil andere verwandte Geschäfts zweige, wie der Musikalien- und Kunsthandel, für welche der Bör senverein und seine Organe ebenso gut bestehen, wie für den Ver lagshandel, ähnliche Ansprüche für eine derartige Förderung ihrer Specialinteressen erheben könnten. Ein solches Spccialunterneh- men würde Sache der Privatspeculation sein. Dem leicht aufzuwerfenden Einwande gegenüber, daß sür die Specialinteressen der vorhin genannten beiden Geschäftszweige bereits Mittel des Börsenvereins durch das im Börsenblatt regel mäßig erscheinende Verzeichniß der Musikalien und Kunstartikel verwendet werden, kann einfach begegnet werden durch den Hinweis auf die Bedeutung, welche diese beiden Verzeichnisse zunächst für die Gesammtheit der genannten beiden Geschäftszweige und außer dem für einen großen Theil der, Kunst- und Musikalienhandel als Nebenzweige betreibenden Sortiments-Buchhandlungen haben, und durch den ferneren Hinweis auf die bedeutend geringeren Kosten für beide Verzeichnisse, welche bei dem Mnsikalien-Verzeichniß sich nur auf 300 M., bei dem der Kunstartikel auf 225 M. an jährlichem Honorar belaufen, während das R.-V. im I. 1877 1850 M. an Honorar beanspruchte. Wir beantragen den Wegfall des R.-V. vom 1. Januar 1879 an, eventuell bitten wir um die Ermächtigung, mit der Expedition des Meßkatalogs in Verhandlung zu treten, und dieselbe gegen eine zu vereinbarende Entschädigung zum Rücktritt von ihrem Vertrage zu bewegen und dadurch den Wegfall des R.-V. schon vom 1. Juli d. I. an zu ermöglichen. 258*