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«r. r«. 20. Oktober 19SS. Vertag! L. m. »Srtnir, Aue. 2. Vetbla». Är/cus //o//erüe/c tTrZioder/roc^^dur» «ivrckti p«r/ap O-Kar ^oi/kor, U^««/aq, L». . ^«hckmik v»,Lo<«» »Ich freue mich, daß es Ihnen genützt hat/ «Erzählen Ste uns doch ein wenig von sich selber, Fräulein Hardenberg!" Toni lächelte schmerzlich. «Don mir? Was soll ich sagen Mein Leben ist so einfach, so nüchtern. Ich arbeite in einem Möbel-Abzahlunasgeschäst als Stenotypistin. Ich schreibe tagaus, tagein Mahnbriefe." «Fürchterliche Tätigkeit!" warf Markokf ein. «Ja. Freud« macht sie nicht. Mir ist oft zumute, als wenn der Menschheit ganzer Jammer aus meinen Briefen hervor» grinse." «Wollen Sie nicht diesen Posten aufgeben?" «Das ist nicht so leicht, Herr von Hollerbek. Stellen sind sehr dünn gesät." «Ich hätte eine Stellung für Sie, Fräulein Hardenberg." «Sie?" lächelte Tont. «Im Löwenkäfig?" Herr von Hsllerbek verbeugte sich. «Auch das! Aber daran denke ich setzt nicht. Ich brauche eine tüchtige Sekre tärin! Wollen Sie mir das werden?" Toni sah ihn überrascht an und antwortete nicht gleich. »Es ist eine schöne, aber keine leichte Aufgabe," sprach der alte Herr weiter. «Aber ich meine ... Sie hält doch kaum noch etwas in dieser Stadt. Das Schicksal nahm Ihnen Vater und Mutter und versagte Ihnen Geschwister. Kommen Sie mit uns. Wenn wir auch ein feste» Heim nicht kennen, wenn es uns auch von Stadt zu Stadt, von Land zu Land treibt, heimatlos sind wir trotzdem nicht, und unser Beruf ist schwer, aber schön." Toni nickte nachdenklich zu seinen Worten. „Sie sollen sich nicht heute, nicht morgen entscheiden. Wir sind noch den ganzen Monat in Berlin. Wir warten auf Sie. Immer sind Sie uns willkommen!" „Ich danke Ihnen, Herr von Hollerbek!" sprach Toni ge» rührt. „Sie meinen es gut mit mir. Vielleicht ... wahr» scheinlich werde ich kommen. Ich mutz nur erst mit mir ins Klare kommen " Die Männer drückten ihr die Hand und gingen. Toni aber begann Ordnung in den Räumen zu schaffen und einen Entschluß zu fassen. Der Entschluß wurde ihr nicht schwer. Sie wollte das Angebot annehmen, wollte damit ihrem Leben eine neue Wendung geben. Nachdenklich betrachtete sie die Möbel. Alt, wenig wert. Für alles zusammen würde sie keine hundert Mark erlösen, das wußte sie, denn es war mehr oder weniger alles Feuer holz. Zur kleinsten Neuanschaffung hatte es nicht gelangt. Ihre Ersparnisse betrugen genau neunundachtzig Mark. Sie entsann sich noch der Weihnachlsgratittkation. die sie erhalten hatte. Elf Mark hatte sie für das Weihnachtsfest ausgegeben, den Rest auf einer Sparkasse angelegt. Diesen Monat konnte sie noch im Geschäft arbeiten, dann tonnte sie noch ein paar unumgänglich notwendige An schaffungen machen. Also vom Ersten des kommenden Monats ab: Sekretärin bei Hollerbek! Das war ein Posten, um den sie alle ihre Kolleginnen beneiden würden, denn alles schwärmte für Markolf von Hollerbek Sie dachte an den schönen Mann und Freude erfüllte sie. daß sie ihn in Zukunft öfter sehen und sprechen konnte. Mehr wollte sie nicht. Am Abend nahm sie noch einmal den Nachlaß des Vaters vor. Sie studierte die Briefe, die begonnenen Manuskripte durch, aber sie fand nichts, das ihre Aufmerksamkeit irgendwie er regte. Eins nach dem anderen verbrannte sie, denn die Polizei hatte die Schriften freigegeben. Nur die alte Familienchronik der Hardenbergs, der zahl reiche Briefe beilagen, nahm sie an sich und «rpackte sie aut. Die Papiere ihres Vater» waren auch setzt nirgend» zu finden, ebenso fehlte das Manuskript über den Vorfahren. Die alten Kleidungsstücke des Vater» packte sie zusammen und schrieb «ine Karte an di« „Arbeitslosenhilfe", die Ne um aus- Schleewein" «Kommt nicht ist Frage!" - „Sie werden mir sogar mein ganzes Monal.g Abholung bat. Ihr« wenige Garderobe war bequem in dem großen Koffer unterzubringen. Das Leben hatte sie noch nicht mit schönen Kleidern verwöhnt. Alles war in Ordnung. Es bangte ihr ein wenig, allein in der Wohnung zu sein, in der ihr Vater ermordet worden war. Unwillkürlich erhob sie sich und sah nach, ob alles gut ver schlossen war. Dann überlegte sie. Noch etwa ein Monat sollte ver gehen. ehe sie ihre Stellung aufgeben konnte. Nein, sie mußte versuchen, sofort loszukommen, sie hielt es nicht aus, in der Wohnung noch so lange allein zu bleiben. Toni beschloß, sofort ins Geschäft zu gehen und um die Entlastung zu bitten. Der Chef war übellaunig. Cs paßte ihm nicht, daß sein« Angestellte nicht sofort vom Begräbnis an ihre Arbeit ge gangen war. Toni sagte nichts dazu, denn sie wußte, daß Abraham Schleewefn ohne jedes Gefühl war. „Ich möchte um meine Entlastung bitten, Herr Schlee wein!" Der alte Mann sah erstaunt auf. „Ah... das ist gut! Was wollen Sie denn ansangen?" „Mir ist eine Stellung angeboten worden, die ich anneh men möchte." „Wo? Bei der Konkurrenz?" „Nein! Als Sekretärin bei dem Zirkus Hollerbek." Schleewein wiegte den Kopf hin und her. „Hollerbek. .. no . . . was wird Ihnen geben de«- Holler bek.. . sagen wir einhundertfünfzig Mark .. . und müssen sich selber verpflegen." „Ich habe die Gehaltsfrage noch nicht erörtert." „So, so! BUden sich nun wohl ein, nun geht eine Fahrt ins Glück los. was?" „Ich bilde mir nichts ein, ich erhoffe aber einen guten Arbeitsplatz, den ich richtig ausfüllen kann." „Wann wollen Sie denn antreten?" „Gleich. Herr Schleewein!" «Gleich . . . gleich, das geht nicht, das geht unter keinen Umständen! Wenn Sie gleich gehen, dann zahle ich Sie nicht aus!" Da wurde Toni rebellisch. „Alter Geizkragen", dachte sie. „suchst du schon wieder «ine Gelegenheit, einem armen Mädel ein paar Mark abzuknapsen?" „Sie werden das Arbeitsverhältnis sofort lösen, Herr zah'en. Ich verlange das!" „Verlangen können Sie, o ja! Aber ich geb mx! Gar nix!" Toni blieb ganz ruhig. „Herr Schleewein, ich weiß, daß Sie ein ganz erbärmlicher Schuft sind . . .l" „Was bin . . ich - . hinaus, hinaus ... ich verklag' Ihnen!" schrie Schleewein in höchster Aufregung. „Was bin ich ... ä Schuft?" „Ja! Und wenn ich binnen vier Minuten nicht mein Ge- halt h er liegen habe und ein anständiges Zeugnis dazu, dann gehe ich zum Staatsanwalt und mache ihn ein wenig auf ihre Geschäftspraktiken aufmerksam. Seu einem Monat sehe ich klar, wie Sie arbeiten Soll ich Ihnen ein halbes Dutzend Fälle aufzählen, wo Ihre Halsablchneidere' klar zutage liegt? Ich nenne Ihnen nur: Baumgarten, Glaser und Stilke. Genügt das?" Schleewem war plötzlich wie umgewandelt. „AVer Frallein Hardenberg . . . nehmen Sie nur alle, nicht fo wörtlich! Wird doch der alte Schleeweln Ihrem Glücke nicht stehen im Weg«. Ich werd« Ihnen geben das Geld und da» Zeugnis! Waren e tüchtige Kraft!" Toni erhielt Geld und Papiere und verläßt schleunigst den alten Schleewein. Am nächsten Morgen rechnet Toni mit ihrem Hauswirt atz» Ste stellt ihm die Wohnung samt allen Möbeln zur Der« fügung. Der Hauswirt zahlt ihr dafür einen Hundertmark schein. Dann sieht sie noch einmal die Schränke und Kasten durch und packt die restlichen Habseligkeiten in den Koffer. Sie ist nun fix und fertig und will sich nur noch von der guten Beyerle verabschieden, da klingelt es. Toni öffnet. Dr. Weidel ist da, eben aus Amsterdam zurück» gekehrt. Toni ist überrascht und bittet ihn einzutreten. Als sie sich am Tische gegenübersitzen, berichtet Dr. Weidel über den Gang seiner Nachforschungen. Er schildert vor allem die Entdeckung der Spur, die zu seiner Reise nach Amsterdam Anlaß gab. „Meine Nachforschungen bei dem Zugpersonal des be treffenden Schnellzuges ergaben, daß tatsächlich ein Herr, wie ihn der Portier und der Page beschrieben hatten, den Zug benutzt hatte. Auf dem Amsterdamer Bahnhofe waren di« Nachforschungen schwerer. Ein Gepäckträger «Ntsann sich zwar auf den großen, schlanken Herrn mit dunkelbraunem Gesicht, das auf längeren Aufenthalt in den Tropen schließen ließ. Aber dann war alle» au». Wie vom Erdboden schien der Mann verschwunden zu sein. Die Amsterdamer Polizei hat mich in liebenswürdigster Weise unterstützt. In allen Hotels sind Nachforschungen veranstaltet worden. In Amster dam leben vier van Holkens, von denen aber keiner der Ge» lucht« war, und keiner einen Verwandten hat. der auf di« Beschreibung paßt, die ich ihnen gab. Alle Nachforschungen verliefen im Sande. Wir wissen also nur, daß der Mann, der mutmaßlich der Mörder Ihres Vaters ist, groß, schlank und Mitte der Vierzig ist, scheinbar lange in den Tropen ge lebt hat, sehr schnell, aber gut Deutsch spricht, dem kein aus ländischer Akzent anzumerken ist. Besondere Kennzeichen existieren nicht. Der Mann tritt sehr sicher auf, der Portier sprach sogar di« Ueberzeugung aus, daß es sich um «inen früheren Offizier handeln könne. Das ist sehr wenig, was wir wissen. Er nennt sich also van Holken. Der Name ist natürlich ein falscher." „Sie haben bewundernswert gearbeitet, Herr Doktor!" „Das war ganz einfach! Ich hatte Glück! Aber was soll nun werden? Mich reizt der Fall, ich denke, daß sehr viel da- hintersteckt, mehr als wir ahnen. Sie haben doch in der Zwischenzeit sicher alle Papiere Ihres verstorbenen Vaters noch einmal durchgesehen: haben Sie keinen Anhaltspunkt gefunden?" „Nein, nicht den allerkleinstenl Ich gestehe, ich habe dar nach gesucht. Ich dachte, vielleicht hat der Schreibtisch noch ein Geheimfach . .. aber auch das ist nicht vorhanden." „Nein, bestimmt nicht, aber ich habe nachgeforscht/ „Waren Sie schon einmal in der Wirtschaft „Schwarzer Ritter"? Dort hat mein Vater immer verkehrt." „Dort war uh auch! Aber es war nichts feststellbar, aus dem sich für mich hält« etwas herleiten lassen. Ich stehe wie vor einer Wand. Schade! Wer weiß, ob die Lösuna dieies Falles je gefunden wird. Ein Gefühl habe ich . . der Mord geschah doch um Reichtum und Besitz, und die Aeußerung Ihres Vaters . . daß er noch einmal sehr reich werden würde, die hat was auf sich. Bedauerlich, daß man ihr nicht nachgehen kann." Plötzlich klingelte es. „Einen Augenblick!" Toni ging öffnen. Ein großer, breitschulteriger Mann stand draußen. „Guten Tag. Habe ich die Ehre mit Fräulein Ha.den- berg?" „Bin ich? Was wünschen Sie!" „Sehr angenehm! Ich hätte Sie gern einmal gesprochen. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen." „Bitte treten Sie doch ein Ich Hobe Besuch, aber des wegen können Sie mir das Angebot auch machen." Der Mann stutzte, dann folgte er dem Mädchen. Forts, folgt! Don der Coburger Fürstenhochzeit. Das sürstliche Brautpaar wird getonsilmt. Der Tisch mit den Kochzeitsgeschenken. Der Eingang zur Feste Loburg, Sm Vordergrund rechts die Wiege, die dem Brautpaar von dem Lodurgschen Puppensiädtchen Neustadt der anläßlich der Anwesenheit zahlreicher europäischer aeschenkt wurde. Die Wiege hat bekanntlich einen doppelten Boden, in dem Loburger Erde unlergebracht Fürstlichkeiten unter besonderem polizeilichen Schutz ist. damit der künftige Sproß auch im semen Lande aus deutscher Muttererde liege. In der Mitte steht. «r der Waad das Porträt des Vaters der Braut, Lerzog Eduard von Sachsen-Loburg-Gotha