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Allgemeiner Anzeiger : 07.09.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189509077
- PURL
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18950907
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Bemerkung
- Beilagen für 1895 gesammelt in einer Ausgabe am 01.01.1895 Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-09
- Tag 1895-09-07
-
Monat
1895-09
-
Jahr
1895
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.09.1895
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I traf er in Budweis ein und wurde bei seiner Ankunft empfangen vom Erzherzog Rainer, dem ^Statthalter, den Behörden, der Geistlichkeit, dem s ^ffizierkorps und der mit Jubel den Kaiser be grüßenden Bevölkerung. Die Schulen, Kor porationen und Vereine bildeten Spalier bis zur Bischofsresidenz, wo der Bürgermeister den Monarchen begrüßte. Der Kaiser dankte für die Versicherung der Loyalität und Treue gegen die Dynastie, die der Bürgermeister namens der Stadt Budweis ausgesprochen hatte, und gab seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß die Bewohner beider Nationalitäten stets ihre treu österreichische Gesinnung bewahren würden. Er sagte, böhmisch fortfahrend, er wünsche aufrichtig, daß alle mit Einsatz der gesamten Kräfte für das öffentliche Wohl im Frieden wetteifern und so zum Ge deihen und Fortschritt der Stadt beitragen möchten. * Die Bischofskonferenz in Buda- p est beendete die Beratung über die anläßlich des Inkrafttretens der kirchenpolitischen Gesetze an die Katholiken Ungarns und an die Geistlichkeit zu erlassenden Hirtenbriefe. Frankreich. *Die französischen Blätter ver öffentlichen Artikel über die Schlacht von Sedan; die meisten schreiben die Niederlage bei Sedan der Uneinigkeit der Generale zu. Montag fand ein Tranergottesdienst statt, bei dem die französischen Veteranen zugegen waren. — Der Verein der französischen Vete ranen von Straßburg in Paris beschloß, ein Organisationskomitee zu bilden für die Feier, welche demnächst an der Straßburg-Statue stattfinden soll. Es wurde beschlossen, daß an dem Tage, an welchem die Feier auf dem Con cordienplatz abgehalten wird, die Veteranen gleich zeitig nach dem Friedhof vom Mont-Parnasse und nach der Statue Gambettas Delegationen senden sollen. *Der Pariser ,SoleiU veröffentlicht einen Brief aus Madagaskar. Unter den Offi zieren und Mannschaften der Expeditionstruppen herrsche Mutlosigkeit und Unzufriedenheit. Der Geist der Disziplin existiere nur noch dem Namen nach. Das Vorgehen des Chefs werde ungeniert kritisiert: die Situation sei äußerst gespannt. WWWWDWW—- .Lymen. Am Mittwoch traf 'der Monu.., —^er in Berlin ein. * Beim Sedan-Fe st mahl im Weißen Saal brachte derKaiser einen Trinkspruch auf seine Garden aus, gedachte seines Groß vaters und äußerte u. a.: „Doch in die hohe, große Festesfreude schlägt ein Ton hinein, der wahrlich nicht dazu gehört; eine Rotte von Menschen, nicht wert, den Namen Deutscher zu tragen, wagt es, das deutsche Volk zu schmähen, wagt es, die uns geheiligte Person des allver ehrten verewigten Kaisers in den Staub zu ziehen. Möge das gesamte Volk in sich die Kraft finden, diese unerhörten Angriffe zurück- zuwcisen! Geschieht es nicht, nun denn, so rufe ich Sic, um der hochverräterischen Schar zu wehren, um einen Kampf zu führen, der uns befreit von solchen Elementen." Zum Schluß toastete der Kaiser auf die Könige von Sachsen und von Württemberg, worauf König Albert von Sachsen in kurzen Worten dankte und ein Hoch auf den Kaiser ausbrachte. > * Aus Anlaß des Sedan-Jubiläums hat der Kaiser dem Fürsten Bismarck folgende Depesche zugehen lassen: „Fürst Bis marck, Durchlaucht, Fricdrichsruh. Heute, wo ganz Deutschland die 25 jährige Wiederkehr des weltgeschichtlichen Kapitulationstages von Sedan feiert, ist es Mir Herzensbedürfnis, Eurer Durch laucht erneut auszusprechen, daß Ich stets mit tiefempfundener Dankbarkeit der unvergänglichen Verdienste gedenken werde, welche Eure Durch laucht sich auch in jener großen Zeit um Meinen Hochseligen Herrn Großvater, um das Vater land und die deutsche Sache erworben haben. Wilhelm." — Hierauf ist aus Fricdrichsruh nachstehendes Antwort-Telegramm eingegangen: „Seiner Majestät dem Kaiser und Könige. Eurer kaiserlichen und königlichen Majestät lege ich meinen ehrfurchtsvollen Dank zu Füßen für die gnädige telegraphische Begrüßung am heutigen Tage und für Eurer Majestät huldreiche An erkennung meiner Mitarbeit an dem nationalen Werke des Hochseligen Kaisers und Königs, v. Bismarck." * Der Sedantag ist allüberall im Reiche in würdiger Weise gefeiert worden. Nicht nur in den großen Städten, sondern auch in den entlegensten Dörfern ist des Tages in festlicher Weise gedacht worden, der vor 25 Jahren das neue Deutsche Reich begründete und den Namen des deutschen Volkes vor aller Welt zur Achtung brachte! * Unter Mehrfachenunfällen litt das diesjährige Herb st Manöver des Tor- pcdogeschwaders. Außer dem ver unglückten Torpedoboot „8 41" erlitten weitere Torpedoboote Havarie. Ein Torpedoboot war wegen Maschinenunfalls gänzlich manövcrunfähig geworden, so daß es geschleppt werden mußte. Von anderen Torpedobooten stürzten Mann- schaftcn über Bord, die nur mit Mühe gerettet wurden. Der Kommandant des Torpedobootes „8 58" war ebenfalls ins-Wasser gestürzt und wurde erst nach halbstündigem Schwimmen gänz lich erschöpft gerettet. "Als Schieß auszeich nung ist der Kaiserpreis sämtlichen Soldaten der 13. Kom panie des 4. Garderegiments verliehen worden. Der Kaiserprcis besteht in einem auf dem rechten Oberarm des Waffenrocks befestigten vergoldeten Eichenkranz mit zwei gekreuzten Flinten und der Jahreszahl 1895, oben abgeschlossen durch die Kaiserkrone. Diese Auszeichnung wird alljähr lich an alle Mannschaften derjenigen Kompanie des Gardekorps verliehen, welche bei den wenig sten Schüssen die besten Schießresultate erzielt hat. "Der frühere n atio n a l lib er al.e Reichstagsabg. Kiefer, der Führer der badischen Nationalliberalen, ist am 1. September, nachdem er von einem Un wohlsein während seiner Sedanrede in Freiburg ergriffen worden war, in der Nacht gestorben. *.Der gesamte Gemeinderat der Stadt Bayonne hat sein Mandat niedergelegt, weil der Präfekt die Abhaltung von Stier kämpfen verboten hatte. Am Sonntag abend fanden vor der Präfektur und der Mairie andere heftige Kundgebungen gegen das Verbot statt. Die Gendarmerie griff die Menge an und ver wundete drei Personen unerheblich. Italic»». *Bei den Ersatzwahlen zur Depu- tiertcnkammcr, die am Sonntag stattfanden, hat Crispi wiederum eine Niederlage er litten. In Mailand wurde Barbato und in Catania Defelice gewählt, beide gehörten zu den von der Regierung dem Zuchthaus überlieferten Sozialistenführcrn. Ferner siegte in Budrio der Sozialist Costa, in Urbino der Radikale Bur- dassi. England. "Zur Armeereform erklärte im Unter haus bei der Beratung des Budgets des Kriegs ministeriums Brodrik, daß ein Extrakredit von 70 000 Pfund nötig sei, um genügenden Vorrat an Munition für die Handfeuerwaffen zu be schaffen. Die Regierung wünsche, daß die ge samten Truppen des Königreichs hinlänglich mit Munition ausgestattet werden und daß noch eine genügende Reserve an Munition vorhanden sei. Belgien. "Am Sonntag wurde in Brügge der vlämische „Landtag" eröffnet. Zahlreiche vlämische Vereine zogen unter Absingen vlämischer Lieder durch die Stadt. Am Nachmittag fand ein großes Bankett statt, woran sich vlämische Abgeordnete beteiligten. Dem Volke wurde mit geteilt, daß noch im Laufe des Jahres ein Gesetzentwurf in der Kammer eingebracht werde, wonach dievlämischeSprache in Kammer, Schule und Armee eingeführt werden soll. Oesterreich-Ungarn. Spanien. * Der Kaiser von Oesterreich hat * Marschall Martinez Campos ist in sich nach Böhmen begeben. Am Sonntag < Havana angekommen, um Instruktionen zu geben Asien. "Ein Londoner Blatt weiß von neuen Christenverfolgungen in der Provinz Folien zu berichten. Dort sind in der Nähe von Hingwha mehrere chinesische Christen grausam mißhandelt worden. Ihre Häuser wur den angezündet, ihr Eigentum geplündert, ihr Vieh gestohlen. Eine Person soll erheblich ver wundet sein. Die chinesische Obrigkeit weigerte sich einzuschreiten, trotzdem sie mehrfach dazu aufgefordert wurde. Sie hat einen zweideutigen Aufruf erlassen, in dem sie die Greuelthaten in in Kutscheng bespricht und zu einer Erhebung gegen die Christen aufrcizt. Man befürchtet noch schlimmere Unruhen. Don Uah und Fern. Die „Vereinigung zur Schmückung der Kriegergräber" in Metz hat jüngst' zum 25 jährigen Gedächtnis der Siege 1870/71 aus erobertem französischen Geschütz, welches ihr vom preuß. Kriegsministerium überlassen wurde, eine Denkmünze Herstellen lassen, die in der Größe eines Thalers, künstlerisch ausgeführt, auf der einen Seite die Bildnisse der Kaiser Wilhelmi., Friedrich III. und Wilhelm II., sowie diejenigen Bismarcks und Moltkes trägt, auf der anderen Seite die Namen der bedeutendsten Schlachten und den Vermerk: „Aus erobertem französischen Geschütz". Der erste Leuchtfeuerwärter Wege aus Arroesund ist am Freitag zu Grabe getragen worden. Nachdem er 1861 an Bord des Kasernenschiffes „Barbarossa" eingestellt war, nahm er am 9. Mai 1864 an dem Seegefechte bei Helgoland und am 9. November 1870 an dem Seegefechte bei Habana teil. In dem letzteren Gefechte zwischen dem deutschen Kanonen boot „Meteor", geführt von dem damaligen Kapitänleutnant Knorr, jetzt kommandierenden Admiral, und dem französischen Aviso „Bouvet" zeichnete sich Wege ganz besonders aus. Aus der letzten noch brauchbaren Kanone feuerte er jenen berühmten Schuß ab, der das franzö sische Schiff manövrierunfähig machte und zum eiligen Rückzug in neutrales Gewässer zwang. Für diese That erhielt er das Eiserne Kreus- Seit dem Jahre 1875 aus der Marine entlass und zum ersten Leuchtfeucrwärter in Arroesund und zum Hafenmeister bestellt, hat er hier zwanzig Jahre lang getreu seines Amtes gewaltet und sich durch die Begründung des FischereivereW besonders große Verdienste erworben. Eine Blntthat wird auS Eisleben be- richtet: Ein Bergmann hatte sich in einer du letzten Nächte mit seinem Bruder nach eine« ihm gehörigen, in der Nähe der Stadt gelegenen Kartoffelacker begeben, um denselben gegen Feld diebe zu bewachen. In der Nähe des Kartoffel ackers bemerkten die beiden zwei verdächtige Burschen. Einer der letzteren gab auf die Frage, was er hier zu suchen habe, ohne weiteres einen ! Schuß auf den Bergmann ab, dem die volle l Schrotladung ins Gesicht ging. Beide Augen - wurden von Schrotkörnern durchbohrt, so daß der Unglückliche, selbst wenn er mit dem Leben i davon kommt, doch jedenfalls das Augenlicht i völlig verliert. Unvorsichtiges Hantieren mit Artillerie- Geschaffen hat einen gräßlichen Unglücks fall in der Schmiede des Schmiedemeister Knappe in Kandlau bei Fraustadt verursacht. In voriger Woche brachte der Mühlenbesitzcr Linke aus Kursdorf dem Knappe mehrere Artillerie- Geschosse, die nach seiner und des Knappe An sicht vollständig entladen waren, mit dem Auf trage, an dieselben Handhaben anzubringen. Als nun Knappe mit seinem Gesellen Janskietvicz um das eine Geschoß einen glühenden Reifen, an dem sich die Handhaben befanden, legen wollte, explodierte das Geschoß, das noch nicht vollständig entladen war, infolge der von dein Reifen verbreiteten Hitze mit einem furchtbaren Knall. Dem Gesellen wurde die linke Hand und der Vorderarm gänzlich zerfleischt, während dem Knappe die rechte Hand nur leicht verletzt wurde. Dem Gesellen mußte der Arm bis zu« Ellbogen amputiert werden. Eigenartiges Bahnhindernis. Daß Krautwürmer (die Raupen des Kohlweißlings) in der Lage sind, einen Eisenbahnzug zu« Stehen zu bringen, dürfte vielleicht nie oder doch nur selten vorkommen. Dies war am ver gangenen Freitag abcnd der Fall. Als der Aschachcr Lokalzug (Unterfranken) zwischen der Haltestelle Breitwiesen und der Station Haiding sich befand, wo eine große Steigung besteht, wurde der Zug auffallend langsamer gehend, die Maschine konnte den Zug kaum mehr in Be wegung halten, sie fing zu pusten an, als wäre etwas an derselben geschehen oder als hätte sie zu wenig Wasser, dann noch einmal ein starkes Pusten und der Zug stand einen Augenblick. Es bedurfte der größten Arbeit der Maschine, den Zug wieder in Bewegung zu setzen und ihn in die Station zu führen. Auf die Frage an das Zugpersonal, was die Ursache des Vorfalles sei, wurde auf die Ueberreste Tausender und Tausender Krautwürmer hingewiesen, die an den Maschinen rädern klebten. Die Krautwürmer dürften abends die durch die Sonne erwärmten Schienen als Ruhepunkt nach ihrem zerstörenden Wirken aus ersehen haben. Unmassen von Würmern wurden von den Rädern der Maschine zerdrückt, wodurch sich eine schleimig-fettige Masse bildete, die ein Weitergreifen der Räder verhinderte und ein Rutschen derselben hervorbrachte. Der Wicn-Ostende-Exprestzug entgleist- Die Maschine des Expreßzuges Wien-Ostende ist Sonntag nachts gegen 11 Uhr zwischen Partenstein und Aschaffenburg entgleist. Die Ursache des Unfalls bestand darin, daß von zwei Ochsen, die aus eineni Gütcrzugc entsprungen waren, einer von der Lokomotive erfaßt und zer malmt wurde. Zur Brüxer Schwimmsandkatastrophe wird offiziell gemeldet, daß in Brüx am 1. August die behördlichen Erhebungen zur Feststellung der Ursachen des Schwimmsandeinbruches und zM Bestimmung von Sicherhcitsvorkehrungen, die die Wiederholung jener Katastrophe auszuschließen geeignet sind, begonnen haben. Sämtliche Experten einigten sich dahin, daß sowohl an der Peripherie des Bruchgcbietes, wie auch im Zen trum desselben mehrere Bohrungen vorgenommen und die Hauptbrunnen hinsichtlich des Wasser spiegels vor und nach der Katastrophe untersucht und die neu eintreffenden Truppenverstärkungen zu verteilen. Die Regierung beschloß, energisch vorzugehen bezüglich des in Ferrol geleisteten Widerstandes, der sich gegenüber den Befehlen zur Entsendung von Kriegsschiffen kundgab. Balkanstaaten. *AuS Anlaß der Errettung des Königs von Serbien zu Biarritz aus Lebens gefahr fanden in allen Kirchen Belgrads Dankgottesdienste statt, die zahlreich besucht waren. Der König hat der Witwe des er trunkenen Schwimmmeisters 2000 Frank zugehen lassen. * Wie man aus Konstantinopel meldet, be stehen die militärischen Vorkehrungen, welche die türkische Regierung für den Fall des Wieder auflebens dermacedonischenBewegung getroffen hat, im wesentlichen in folgenden Maßregeln: In dem gefährdeten Grenzgebiete wurde das gewöhnliche Truppenkontingent bei nahe verdoppelt, so daß dort gegenwärtig 25 In fanterie-Bataillone, 2 Kavallerie- und zwei Artillerie-Regimenter disloziert sind. Die Etats stärken der genannten Bataillone, sowie derjenigen in den nächstliegenden RayonS wurden durch Einberufung von 9500 Jchtiat (Reservisten) auf 500 Mann per Bataillon gebracht. Außerdem ist im dritten Korpsbereich die Redifbrigade Uesküb (8 Bataillone) und im zweiten Korps bereich das Redifregiment Gümildschina (4 Batail lone) in der Mobilmachung begriffen. Im ganzen beträgt die Verstärkung durch Einbe rufung der Jchtiat und Redif beinahe 20 000 Mann. * Die letzten Nachrichten aus Macedonieu lauten sehr bedenklich. An mehreren Orten ist die Anwesenheit von Banden festgestellt worden, die mit Dynamitbomben ausgerüstet waren. Solche Bomben wurden auch schon bei dem Angriff auf die Ortschaft Malko-Tirnowa im Vilajet Adrianopel verwendet, wo die Kaserne und die Regierungsbüreaus in die Luft gesprengt wurden. Vetrr Zal;' Vermächtnis. 21) (Fortsetzung.) Die Kommerzienrätin bemerke mitBefriediguug, wie sich ihrer Tochter Gesicht bei ihren Worten nach und nach entwölkte, und fuhr fort: „Und die alte Baronin? Nun ja, sie mag ja ihre unangenehmen Seiten haben, ich gebe es zu; aber immerhin ist sie eine Gräfin von Geburt, war Hofdame und gibt deinem Hause einen gewissen Hinter grund, der nicht zu unterschätzen ist." Elsa schwieg. Sie hatte sich schon lange da nach gesehnt, die Gedanken, die sie vorhin aus gesprochen und die sie in letzter Zeit oft beschäf tigt hatten, der Mutter zu beichten. Nun sah sie ein, daß von dieser Seite auf kein Verständnis für das ihr selbst befremdliche Empfinden zu hoffen war. Aber hatte die Mutter nicht wiederum recht? Waren solche Gedanken nicht auch in der That lächerlich? Würde sie wirklich mit einem Leben, wie es Gretchen erwartete, zufrieden sein können? Die junge Frau schaute lächelnd ihr Bild an, das ihr aus dem gegenüberstehenden Spiegel entgegcnstrahlte, zupfte die dunklen Löckchen tiefer in die Stirn und vertiefte sich mit der Mutter in ein Gespräch über Tagesncuigkeiten und Moden. Als aber bald darauf Gretchen in das Zimmer trat, fragte sie doch wärmer als sonst nach deren bräutlichen Interessen und hörte auf merksam zu, was diese berichtete. Gretchen selbst war ganz erstaunt darüber; war sie es doch seit ihrer Verlobung so halb und halb gewöhnt, sich von ihren nächsten weiblichen Anverwandten als aus der Art geschlagen bettachtet zu sehen. Inzwischen hatte Baron Max seinen Schwager verlassen, um, wie er sagte, den Papa zu begrüßen. Doch schien er nicht besondere Eile damit zu haben, denn sein Schritt wurde merklich langsam, als er sich dem Kontor näherte: Bevor er die Thür öffnete, stand er einen Augenblick still und fuhr mit der wohlgepflcgten Hand durch das Haar. „Es ist ja furchtbar unangenehm," murmelte er, „gerade jetzt; doch es geht nicht anders, ich muß es wenigstens versuchen." Im Geschäftszimmer fand er den Gesuchten nicht und ging auf Herrn Reicherts Weisung in das anstoßende Gemach. Der Kommerzienrat stand dort an seinem Pult, vor sich ein großes aufgeschlagenes Buch, doch sein Blick haftete nich an den Zahlenreihen, sondern darüber hin weg ins Leere. „Hoffentlich störe ich nicht, Papa," sagte der Baron, ihm die Hand reichend, ich komme, nach deinem Befinden zu fragen und auch — um gleich mit der Thür ins Haus zu fallen — in geschäftlicher Angelegenheit." Der Angeredete setzte sich auf einen Sessel und wies auf einen zweiten. „Nimm Platz, Max, es ist recht, daß du nach mir siehst. Wie es geht? Nicht gerade gut, der Kopfschmerz verläßt mich selten, obgleich Doktor Lorenz sich alle Mühe mit mir gibt, und dann liegt das Geschäft noch immer so danieder, daß man nicht aufatmen kann." Er unterdrückte einen tiefen Seufzer. „Doch wie ist es mit der Sache, von welcher du mich sprechen wolltest?" Der junge Mann bewegte sich unruhig auf seinem Sessel, während seine Stirn eine dunkle Nöte überzog. „Offen gestanden, Papa, wird es mir schwer, davon zu sprechen. Ich bin nämlich in Geldverlegenheit." Er lachte ge zwungen. „Du weißt, wir Landleute müssen gewöhnlich im ersten Jahre unseres Wirkens Lehrgeld zahlen, und da wollte ich dich bitten, mir zu helfen, mir für einige Monate Vorschuß zu gewähren." Der Angeredete erhob den gesenkten Blick, und sein Schwiegersohn sah jetzt erst, wie er schreckend bleich das Gesicht des Mannes war, wie tief die Augen in ihren Höhlen lagen. „Es thut mir leid, dir die Bitte abschlagen zu müssen, Max, aber ich kann dir leider nicht helfen, ich — ich bin nicht im stände dazu," sagte der Kommerzienrat zaudernd. Er fuhr mit der Hand über die Stirn und schaute düster vor sich hin. „Es ist eine schlimme Zeit für mich. Ich muß mit Aufbietung aller Kräfte, mit aller Vorsicht steuern, um mein Schiff glücklich durch die Klippen durchzubringen." Der Kommerzienrat schwieg. Er bot das Bild eines abgehetzten, todmatten Menschen. Der Baron stand unwillkürlich auf und bot ihm die Hand. „Verzeih, Papa," sagte er herz lich. „Ich wußte nichts von deinen Sorgen, sonst hätte ich dich nicht mit meiner Angelegen heit behelligt." Der Angeredete hielt die dargereichte Hand fest und schaute dem jungen Manne ernst in die Augen. „Ja, mein Sohn, helfen kann ich jetzt nicht, aber einen Rat, eine Warnung will ich dir geben. Deine Verhältnisse sind nicht in Ordnung, sagst du. Ich will nicht wissen, wie das jetzt schon möglich ist, keine Rechenschaft von dir verlangen, nur dir sagen: „Suche sie zu regeln um jeden Preis, selbst mit den größte» Opfern, wenn es sein muß, und dann sorge, daß sie, wenn einfach, doch geordnet bleibe« Ich weiß ja, du würdest noch Mittel und Wege finden, dir aus deiner augenblicklichen Verlegen heit zu helfen; du könntest noch eine Zeit, viel leicht noch Jahre hindurch fortleben wie bisher, aber ob früher oder später — einmal wurde doch der Tag kommen, wo der erborgte Flitter davonfliegt und dein scheinbares Glück Z»' sammenbricht wie ein Kartenhaus, das eine? Kindes Hand umstößt." Die Stimme des Sprechenden klang immer erregter, sein Blick glühte, seine Hand hob M wie beschwörend. „Darum verschließe nicht dem Ohr, wenn ich dir Halt zurufe: „Halt ein am der abschüssigen Bahn, ehe du strauchelst, sua« nicht im Schein dein Glück; du jagst Irrlicht nach. Das Glück und das Genügen woM nur in den Wänden deines Hauses. In treu^ Pflichterfüllung wirst du es finden, dort suche cs . (Ä hielt erschöpft inne, während sein Atem flog und seine Lippen bebten. Der Baron lM erschreckt und ergriffen gelauscht und sagte setz mit feierlichem Ernst, den man dem juM Lebemann kaum zugettaut hätte: „Ich ba<u dir, Papa! Ich will an deine Worte denke uno sie zur Richtschnur meines ferneren Leven nehmen. Aber du bist so erregt — deine Ha», ist eisig kalt. Du bist gewiß ernstlich leidend. „Nein, Max, mir ist nichts, nur etwas Kop« weh," antwortete der Kommerzienrat und zwan» sich, seiner Erregung Herr zu werden. „Sprami du Kurt schon?" fragte er dann plötzlich naw einigen Minuten.
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