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Allgemeiner Anzeiger : 17.04.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189504175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18950417
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18950417
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Bemerkung
- Beilagen für 1895 gesammelt in einer Ausgabe am 01.01.1895
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-04
- Tag 1895-04-17
-
Monat
1895-04
-
Jahr
1895
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.04.1895
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Politische Rundschau. Deutschland. * Nach Karlsruher Meldungen trifft der Kaiser dieser Tage zur Auerhahnjagd auf Kaltenbronn ein. * Nachdem Fürst Bismarck im Laufe der letzten Tage die Vertreter der höheren preuß. Lehranstalten, Lehrer und Schüler aus Jever und eine aus drei Personen bestehende Depu tation der Deutschen in Odessa empfangen hat, unternahnien am Gründonnerstag eine Anzahl deutscher Steiermärker eine Huldigungsfahrt nach Fricdrichsruh; sie sollten am Ostersonntag em pfangen werden. *Jst nun Prinzessin Alexandra von Koburg-Gotha mit dem Prinzen von Neapel verlobt, wie aus Rom gemeldet wurde, oder mit dem Erbprinzen von Hohenlohe-Langen burg, wie eine Nachricht aus Darmstadt besagte? Auf eine Anfrage, die bezüglich der Glaubwürdig keit der beiden Verlobungsnachrichten nach Koburg gerichtet wurde, kam die Antwort, daß dort weder von dem einen noch von dem anderen Ereignis etwas bekann sei. *Eine mysteriöse Angelegenheit hat ihren Abschluß, wenn auch nicht ihre Lösung gefunden. Herr v. Kotze ist sreigesprachen wor den. DaS bezügliche kriegsgerichtliche Urteil ist vom Kaiser bestätigt worden. Bei der Aus schließung der Oefsentlichkeit von den kriegs gerichtlichen Verhandlungen in Preußen ist es natürlich nicht möglich, nähere Aufschlüsse über den Verlauf der Verhandlungen zu geben oder einen Anhaltspunkt zu finden, ob die Spur des wirklichen Thäters aufgedeckt wurde. *Der Entwurf eines Börsengesetzes ist jetzt veröffentlicht worden. Die Vorlage zer fällt in sechs Abschnitte, die zunächst die allge meinen Bestimmungen, das Biaklerwesen und die Kursfeststellung, die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel, den Börsenterminhandel, die Kommissionsgeschäfte und endlich Straf- und Schlußbestimmungen enthalten. Ans dem ersten Abschnitt sei die Bestellung eines Staats kommissars bei jeder Börse als Organ der Landesregierung hervorgehoben, ferner aus dem vierten Abschnitt die schärfere Beaufsichtigung des Börsenterminhandels und die Einführung eines Börscnregisters. * Eine Petition an den Bundesrat und an den Reichstag bereiten die baugewerblichen Arbeiter von ganz Deutschland vor. Die Anlegung hierzu geht von dem Bauarbeiter- Kartell in Dresden aus. Es handelt sich um gesetzgeberische Maßnahmen gegen soziale und hygienische Mißstände im Baugewerbe; so wird eine Regelung der Baubuden-, Cokeskorb- und Fensterfragen, eine Ucberwachung der Bauten durch das Reichs-Gesundheitsamt, ferner eine Gewähr für die Lohnauszahlung mit einem energischen Vorgehen gegen den Ba ri sch wind el verlangt. Um Material zu einer die Petition begleitenden Denkschrift zn gewinnen, werden die Genossen aufgefordert, medizinisch und technische Fachmänner für die in Rede stehende Angelegenheit zu interessieren und aller Orten in öffentlichen Bauarbeiter-Versammlungen solche zu wählen, die die Sache in die Wege leiten. * Der polnische Abg. v. Komicrowski widerspricht die Mitteilung der Blätter, daß er in der Kommission für das Umsturzgesctz ge stimmt habe. Er habe der Kommission gar nicht angehört und von einem Gegensatz zwischen ihm und anderen polnischen Mitgliedern sei keine Rede. Es ist wahrscheinlich, daß die Polen gegen daS Umsturzgesetz stimmen werden. (Damit wäre allerdings das Schicksal des Ent wurfs in Frage gestellt.) *Nach Meldungen aus Dresden wird Preußen dem Uebereinkommen mit Sachsen gemäß die ausschließlich auf sächsi schem Gebiet belegene Strecke Nikrisch-Zittau der preuß. Staatseiscnbahn an Sachsen abtreten. Zu dem Gesamiabkommen ist die Zustimmung der beiderseitigen Landtage Vorbehalten. *Zur lippeschen Regcntschafts- fragc hat der lippesche Landtag noch keinen Beschluß gefaßt. Präsident Lcngerke teilte mit, daß der Kabinettsminister v. Wolffgramm an einer Lungenentzündung ernstlich erkrankt sei. Die Kommission, der das Aktenmaterial über den Geisteszustand des Fürsten Alexander über wiesen worden, habe ihre Beratungen noch nicht abgeschlossen. Schließlich beantragte der Präsi dent, daß die Sitzung eine vertrauliche sein solle. Asemissen brachte einen dringlichen Antrag ein, nach dem der Landtag die Regentschaft als zu Recht bestehend nicht anerkennt. Die Dringlichkeit wurde jedoch abgclehnt, da zuvor Beschluß über den Geisteszustand des Fürsten Alexander ge faßt werden soll. Hierauf folgte der Vorschlag des Präsidenten auf Abhaltung einer vertrau lichen Sitzung angenommen. Der Landtag hat sich bis nach Ostern vertagt. Oesterreich-Ungarn. * Die österreichisch-ungarischen Delegationen werden zum 5. und 6. Juni nach Wien einberufen werden. Der gemeinsame Voranschlag für 1896 bewege sich in den nor malen Geleisen. Das Kricgsministerium erhebe eine Mehrforderung von 4 Millionen Gulden. Auch das Budget des Ministeriums des Aeußeren zeige einige, aber nur sehr geringe Erhöhungen, welche durch Errichtung mehrerer neuer Kon sulate und ähnliche Verwaltungs-Maßregeln her vorgerufen werden. *Jn Tapolcza ist Franz Kossuth zum Abgeordneten gewählt worden. Frankreich. * Das Sozialmuseum, das kürzlich in Paris eingeweiht wurde, vereinigt alles in sich, was auf Unfallverhütung, Fabrikeinrichtungen und Wohlfahrseinrichtungen jeder Art Bezug hat. Die Anwesenheit des Präsidenten des deutschen Reichsversicherungsamtes, Boedicker, in Paris, gab Gelegenheit zu beobachten, von welchem Einfluß die deutschen Mustereinrichtungen auf die französischen Bestrebungen zur Einführung der staatlichen Arbeitcrvcrsichcrung sind. Noch ist man in Frankreich auf diesem Gebiete nicht über vergebliche Anläufe hinausgekommen; die Frage, ob lediglich Institute zur Unterstützung Be dürftiger, ob eine Arbeiterversicherung, wie die deutsche, zu schaffen sei, die den rechtlichen An spruch auf Unterstützung ohne Rücksicht auf vor handene oder mangelnde Bedürftigkeit gewährt, ist bisher nicht zur Entscheidung gebracht worden. * Der jugendliche sozialistische Abg. Mirman war bekanntlich als gemeiner Soldat zum Militär dienst eingczogen worden. Kurz nach Beginn der Kammersitzung am Mittwoch betrat Mirman den Bcratungssaal in der Uniform eines gemeinen Soldaten des Fußjäger-Bataillons. Radikale und Sozialisten applaudierten. Mirman nahm seinen Platz auf der äußersten Linken, wo ihn mehrere Deputierte begrüßten. Mirman hatte sich vorher durch Ansuchen eines mehrtägigen Osterurlaubs vom Militärdienst steigemacht. England. *Das Unterhaus wählte den ministe riellen Kandidaten William Court Gully, Abgeordneten für Carlisle, mit 285 gegen 274 Stimmen zum Sprecher (Präsidenten) des Hauses. Die Parnclliten stimmten mit der Minderheit. Belgien. * Der Senat hat dasGemeindewahl- gesetz in der von der Kammer genehmigten Fassung mit 56 gegen 18 Stimmen bei dreizehn Stimmenthaltungen angenommen. Schweden-Norwegen. *Bei den Wahlen zum Folkething hat die Opposition gesiegt, und der Ausgleich, der im vorigen Jahre nach fast zwanzigjährigem Verfassungskonflilt zu stände gekommen ist, hat nicht die Billigung der Wähler gefunden. Es sind 24 Mitglieder der Rechten, 28 ausgleichsfreundliche Liberale, 53 Radikale und 8 Sozialdemokraten gewählt. Während der letzten Legislatur-Periode hatte die Rechte 30, die ausgleichsfreundliche Linke 26, die radikale Linke 46 und die sozialdemokratische Partei 2 Sitze im Folkething innegehabt. Spanten. *Die spanischen Behörden auf Cuba sind von einer Verschwörung benachrichtigt worden, uni Marschall Campos, sobald er auf Cuba lande, eine Jnsurgenten-Streitmacht ent gegenzustellen. Zahlreiche Personen, darunter der Marquis von Santa Lucia und vier andere angesehene Einwohner, sind verhaftet worden. * Aus Cuba sind wiederum Siegesnach richten in Madrid eingetroffen. Nach Meldungen aus Havanna schlugen die Regierungstruppen die Streitkräfte Maceos bei Monteverde. Oberst Serrano erfocht über eine andere Abteilung der Insurgenten einen Sieg. Der Führer der Auf ständischen, Verona, wurde getötet. Balkanstaaten. * Die zeitweilige, mit einer Beförderung ver bundene Beurlaubung des Prinzen Arsen Karageorgewitsch aus dem russischen Heere durch den Zaren hat in Belgrader Hofkreiscn Bestürzung erregt. Es herrscht die Annahme, der Prinz habe diesen Schritt gethan, um angesichts der drohenden Gestaltung der Lage in Serbien größere Freiheit des Auftretens zu erlangen, und weil er ohnehin von der serbischen Prätendenten-Familie als Thron kandidat bezeichnet wird, an die Spitze einer antidynastischen Aguation in Serbien zu treten. Das könnte nm so mehr Sorge erregen, als der Prinz über reichliche Geldmittel verfügt. * Gegen den früheren bulgarischen Minister und Bürgermeister Petkow wurde in der letzten Sobranje wegen Beamten- bereicherung eingeschritten. Petkow hat sich bereit erklärt, den verlangten Nachweis über seine Vermögensverhältnisse, zu liefern. Man erwartet, daß in ähnlicher Weise gegen Stam- bulow vorgegangen werde. Asien. * Der chinesische Friedensunter händler Vizekönig Li-Hung-Tschang ist voll ständig wiederhergestellt und nahm persönlich die Friedensunterhandlungen wieder auf, die einer baldigen und befriedigenden Erledigung entgegen reifen. Don Uah und Fern. Der letzte französische Flottenbesuch im Kieler Hafen, fand im Jahre 1854 stat-t. Die französische Flotte, bestehend aus 12 Schiffen, lag zwischen Bellevue und Fciedrichsort vor Anker. Auch eine Konfirmationsfeier. Gelegent lich der Konfirmation des Kindes einer in der Humboldtstraße in Hamburg wohnenden Witwe fand durch mehrere Bekannte auch eine thea tralische Aufführung statt, zu der man ein Ge- legenhcitsstück „Clownstreiche" gewählt hatte. In diesem Stücke hat ein Bräutigam auf seine ungetreue Braut einen Schuß abzugeben und dann sich selbst zu erschießen. Der Held be diente sich dazu nun einer Flaubert-Pistole, die seiner Ansicht nach nur mit einem Zündhütchen versehen war. Er schoß über die Schulter seiner Mitwirkendcn hinweg, mit dem Resultat, daß eine im Zuschauerraum anwesende Frau mit lautem Aufsckrei zusammenbrach. Es erwies sich, daß die Pistole scharf geladen gewesen war. DaS Geschoß war der Frau in die Weichteile der linken Seite gedrungen. Auf Anordnung des sofart hcrbeigerusenen Arztes wurde die Getroffene inS Allgemeine Krankenhaus geschafft. Sic soll übrigens' nicht lebensgefährlich verletzt sein. Gegen den Thäter ist eine Untersuchung eingeleitet; ein Strafantrag ist freilich nicht ge stellt worden. Es ist gewiß ein Zeichen der Zeit, daß nian bei einer Konfirmationsfcier, der doch in den meisten Fällen viele Personen im jugendlichsten Alter beizuwohucn pflegen, Stücke derartigen Inhalts aufführt. Negertaufe. Die beiden Zöglinge des Lehrers Oesterle in Aalen, der Enkelsohn King Bells von Kamerun und der Sohn des verstor benen kaiserlichen Dolmetschers Matum daselbst, wurden dieser Tage getauft, wobei ersterer den Namen Rudolf Dualla und letzterer den Namen Theodor Tube erhielt. Neber die Erschießung eines Flücht lings berichtet der ,Hamb. Korr.': Am Montag gelang es dem wegen Einbruchs und Diebstahls zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilten, 21 Jahre alten Strafgefangenen Palme, der auf dem Hofe beschäftigt war, über die Umfassungsmauer ins Freie zu entkommen. Er entfloh über dir Wiesen, durchschwamm die Alster und setzte am anderen Ufer die Flucht fort. Sein Entweichen war sofort bemerkt worden. Die alarmierte Militärwache nahm die Verfolgung des Flücht lings auf. Als ein Soldat den Palme am jen- seitigtigen Ufer erblickte, wohin er ihm nicht zu folgen vermochte, gab er einen Schuß auf Palme ab. Die Kugel traf den Flüchtling in die Seite, ihn durchbohrend, und streckte ihn tot zu Boden. Palme war erst im vorigen Jahre nach Ver büßung längerer Gefängnisstrafe vom Hamburger Senat begnadigt worden. Er benutzte seine Freiheit aber sofort wieder zu Einbruchsdieb stählen, die ihm die oben erwähnte Strafe zu- zogcn. Rauchverbot. Unter Zustimmung des Kreisausschusses für den Umfang des Kreises Schwerin a. W. ist soeben folgende Polizeiver ordnung erlassen worden: Jugendlichen Personen unter 17 Jahren ist das Rauchen auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen und in öffentlichen Räumen untersagt. Jede Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wird mit Geldstrafe bis zu 30 Mk. bestraft, an deren Stelle im Unvermögensfalle entsprechende Haft tritt. Wie eine Münchener Zeitnng berichtet hatte, soll ein L-oldat, auf der Straße einen ihn wegen ungenügender Honneurs thätlich zurecht- wcisenden Offizier zu Boden geworfen und ge schlagen habe. Diese Meldung ist amtlich als Erfindung erklärt worden, sie scheint aber noch ein eigentümliches Nachspiel erhalten zu sollen. Die Korrespondenz', die seiner Zeit die Mit teilung brachte, erklärt: „Sie stelle fest, daß der dem Auditoriate der Stadtkommandantur be nannte Augenzeuge des Vorfalles ein Schreinermeister und achtbarer Bürger Münchens, heute noch auf die Wahrheit der Thatsache des Zwischenfalls in der veröffentlichten Fassung bestehen bleibt und trotz wiederholter, aber vergeblicher Versuche von gewisser Seite, ihn zur Zurücknahme seiner Aussagen oder zu deren Aenderung zu bewegen, sich verpflichtete, diese seine Aussagen jeder Zeit eidlich zu er härten." Die ,Neue Freie Volks-Ztg.' schreibt in der gleichen Sache: „Gerüchtweise verlautet, daß gegen den Schreinermeister mit Klage wegen Verbreitung unwahrer Mitteilungen vorgegangen werden soll." Ern streikender Küster hat das elsässische Dorf Wattweiler in Not versetzt. Derselbe will die Turmuhr des Ortes nicht mehr aufziehen, weil man ihm die Gebühr von 50 Mk., die er bisher dafür erhielt, gestrichen hat. Seit dem 1. April steht die Uhr still, und die Bewohner von Wattweiler schauen vergebens nach dem Zifferblatt, wo die sonst unermüdlichen Zeiger ihre Ruhe genießen. Die Wattweiler klagen im ,Els.' beweglich ihre Not. „So ordnungsstörend hat wohl noch selten ein Ausstand in das Leben und Treiben einer ganzen Gemeinde eingegriffen, als die Dienstverweigerung dieses unzusriedenen Sakristans." Auf offener Straße nicdcrgcschoffen wurde am Mittwoch in Wien der Amtsdiener Milestitsch von der österreichisch-ungarischen Bank. Es war seine verlassene Braut, die die Mord waffe gegen ihn erhoben hatte. Die Thäterin wurde sofort verhaftet. Eine militär-Historische Ausstellung wird gegenwärtig in Paris vorbereitet, welche in den Monaten Mai und Juni stattfinden soll. Die Ausstellung wird die Periode der Revolution und des ersten Kaiserreiches von 1792—1815 um fassen. Waffen, Bilder und Büsten von Kümpfen aus jener Zeit sind seitens der Nachkommen oder Erben zur Verfügung gestellt, ferner haben Be sitzer von Sammlungen, Schlachtenbilder, mili- tärifche Pläne und Skizzen auszustellen ver sprochen. Selbstverständlich werden napoleonische Andenken in großer Anzahl vorhanden sein. Der Rettung von Menschenleben durch die Besatzung des Hamburger Schnell dampfers „Normannin" widmet die Londoner ,Pall Mall Gazette' einen längeren Artikel, in welchem sie das Verhalten der deutschen See leute in höchsten Ausdrücken preist und die ganze That als eine der verwegensten und bravsten Hilfeleistungen bezeichnet, die jemals auf dem hohen Ozean versucht worden sind. Gin Hlückskinö. 6 s (Fortsetzung.) „Er verkehrt mit ihr fast jeden Tag, d. h. ich glaube, sie drängt sich ihm auf." „Liddi?" Elsa nickte. Nun nahm Ella Rose an den Arm und flüsterte: „Eugen ist unglücklich, daß er die Leiden- frost nicht abschütteln kann; sie hat sich ihm förmlich aufgedrungen und ihn schon mehrfach bloßgestellt." Rose zuckte die Achseln. „Mag er thun, was er will, Ella! Unsere Freundschaft kann es nicht umstürzen." „Du bist ein goldenes Herz." „Und du nicht minder, Schmeichlerin." Von diesem Tage an war Liddi Leiden frost Roses Feindin; bald wußte die ganze Pension Roses Geschichte, und wie einst auf der Schule hieß sie die Prinzessin vom goldenen Pantoffel. Die Rätin von Raven, Frau Aurora, be wohnte mit ihrer Tochter Lucie und ihrem Sohne, dem neugebackenen Assessor Kurt, eine Etage in der Schillerstraße. Die Wohnung war sehr komfortabel eingerichtet und verbreitete sogar einen Schimmer von Wohlstand um sich. Aber Frau Aurora hatte nur eine schmale Pension, und Kurt bezog erst seit einigen Tagen Gehalt. Wäre der Onkel Kammerpräsident nicht gewesen, wer weiß? Da hieß es: ätviäs st impsrs! Dem aufmerksamen Beobachter gähnte doch aus der ganzen Einrichtung der Mangel an Fonds entgegen. Rose sah es mit einem Blick. Die Frau Rätin schien sehr erfteut, die drei Mädchen bei sich zu sehen, wußte sie doch schon durch Elsa, welch ein Goldfisch darunter war. Sie hatte Kurt schon im voraus an das Herz gelegt, denselben für sich mit dem Ehenetze ein zufangen, denn ein zukünftiger Rat müsse bei der Heirat auf Geld sehen. Kurt aber hatte ge lacht und gesagt: „Mama, sorge nicht; ich werde meine Wahl schon treffen! Warum soll ich meine Seele ver kaufen ?" Aber die Rätin hatte den Kopf geschüttelt: „Kurt, Kurt, du urteilst wie ein Kind. Was ist Liebesglück ohne Mittel?" Darauf hatte Kurt geschwiegen. Der kleine Schelm Amor hatte hier längst als Ehestifter seine Rolle gespielt; die Frau Rätin kam mit ihrer mütterlichen Vermahnung längst zu spät, denn seitdem Kurt von Raven in Ellas Augen gesehen, mußte er des bescheidenen, trefflichen und hübschen Mädchens gedenken. Ihr galt darum auch alles, was er sagte. Bisher hatte Rose in ihren Kreisen als Meisterin auf dem Piano gegolten; hier fühlte sie sich von Elsa von Lindblatt übertroffen. Sie war darum nicht neidisch, sie liebte Elsa nur um so mehr. Kurt war glücklich, als auch Ella in diesem Kreise mit einigen mustergültigen Vor trägen auf dem Piano glänzte. Da klingelte plötzlich die Entreethür. Kurt ging hinaus und kehrte mit einem fremden Herrn zurück, den er der Gesellschaft als seinen Freund und Kollegen Edgar von Güldau vorstellte. Ella stieß Rose an und flüsterte: „Er stand damals bei Herrn von Raven auf dem Bahnhofsperron!" „Ganz recht!" gab Rose zurück. Auch Baron Edgar erinnerte sich jetzt; er begann mit Rose ein eifriges Geschpräch, blickte aber dabei wie sinnend und verzückt auf Elsa von Lindblatt, die sich in Schweigen hüllte. Man erzählte aus der Pension, von Eva Holzers Milcheimern und Mastochsen, von der englischen Grammatik Dr. Rennthiers, von den alten Römern Dr. Adalberts und dem dünnen Pensionsthee, wobei die Zeit schnell verstrich. Um 9 Uhr abends, gleich nach dem Thee, mußten die drei Besucherinnen aufbrechen. Die beiden Herren waren natürlich galant genug, den Besuch heimwärts zu geleiten. Man nahm mit der Sorglosigkeit der Jugend Abschied voneinander. * Kaum hatte sich die Gittcrthür des Hornschen Gartens mit ihrer weittönenden Klingel hinter den drei Pensionären geschlossen, so packte Edgar von Güldau Kurts Arm und sagte: „Bei allen Göttern, Mensch, du hast einen solchen Paradiesvogel in deinem Hause und sagst eS mir nicht, deinem besten Freund? Das ist stark!" „So weißt du auch schon, daß sie unermeß lich reich ist?" „An Geist meinst du." „Auch an Mitgift! Sie ist die Adoptiv tochter eines reichen Häuserspekulanten und seine Universalerbin!" „Von wem redest du eigentlich?" „Von Rose Winding-Lüßhorn!" „Ist es nicht die Blondine mit den tiefen Augen?" „Ganz richtig !" „Aber ich meine Elsa von Lindblatt." „Meine Kousine?" „Ja, ja!" „Das bleichsüchtige Mädchen?" „Du siehst durch die Brille der Verwandten, ich durch die der Aesthetik. Elsa war die Krone der Damen." „Laß das Lucie nicht hören." „Du wirst schweigen?" „Wie das Grab! Uebrigens geehrt wird sie sich durch deine Schwärmerei gerade nicht fühlen, wenn sie erfährt, wie du die Nachtigall Spon- tinelli vom Hoftheater liebst, die kleine Tänzerin Garlop und —" „Halt ein, halt ein! Das sind Figuren ans dem bunten Theater des Lebens, Elsa, aber, ja Elsa ist ein Teil meiner Seele!" Kurt lachte laut auf. „Schwärmer! Wir Ravens sind notorisch arm! Mamas Schwester heiratete den Kammer konsulenten von Lindblatt. Er war sehr alt und schwächlich. Elsa ist ihr einziges Kind mit dem Erbteil des Vaters! Beide Ellern sind tot; Verwandte des Vaters zahlen die Pension. Sie ist ärmer als arm!" „Muß ich mit meinen Aussichten auf Geld sehen?" Kurt lachte.
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