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Allgemeiner Anzeiger : 02.03.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189503022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18950302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18950302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Bemerkung
- Beilagen für 1895 gesammelt in einer Ausgabe am 01.01.1895
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-03
- Tag 1895-03-02
-
Monat
1895-03
-
Jahr
1895
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 02.03.1895
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Politische Rundschau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm ist am Dienstag früh zu den Beisetzungsfeierlichleiten für den Erzherzog in Wien eingetroffen. * Fürst Bismarck wird, wie ein Berliner Blatt erfährt, seinen achtzig st enGeburts- tag nicht in Friedrichsruh, sondern auf seinem Stammgute Schönhausen verleben. Dort wird, wie es weiter heißt, am 1. April auch der Kaiser eintreffen und mehrere Stunden bei dem Altreichskanzler zum Besuche verweilen. In Schönhausen sollen deshalb bereits Vorbereitungen zum würdigen Empfang der hohen Gäste getroffen werden. * Auf die an auswärtige Mächte ergangene Einladung zur Eröffnungsfeier des Nord-Ostseekanals haben diese Mächte bereits zugesagt. Auch Frankreich wird sich durch einen Admiral vertreten lassen, unter dessen Kom mando zwei Kriegsjachten neuester Konstruktion stehen werden. Ebenso wird ein russischer Admiral mit zwei Kriegsschiffen kommen. *Der im Reichsamt des Innern ausge arbeitete Gesetzentwurf betr. die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, war den Bundesregierungen und interessierten Korpora tionen zur Begutachtung zugestellt worden. An der Hand der eingelaufenen Gutachten ist man jetzt in eine Revision des Entwurfs eingetreten. Der letztere soll noch in der laufenden Session dem Reichstag zugehen. * Der telegraphische Unfall- Meldedienst ist von der Reichspost- und Telegraphenverwaltung im Jahre 1894 bei weiteren 1035 Telegraphenanstalten eingeführt - worden. Die Zahl der Orte, in welchen der j Unfall-Meldedienst besteht, ist dadurch von 6577 auf 7612 Ende 1894 gestiegen. Die Unfall- Meldestellen sind seitens des Publikums im letzten Viertel 1894 zur Aufgabe von 4229 Un fall-Meldungen benutzt worden; von diesen sind 3209 durch Erkrankungen von Menschen, 770 aus Anlaß von Vieherkrankungen, 99 wegen Feuers-, 22 wegen Wassersgefahr und 129 aus sonstigen Anlässen nötig geworden. Es haben sonach täglich im Durchschnitt 46 Unfallmeldungen telegraphische Beförderung erhalten. * Die Tabaksteuer-Kommission des Reichstages hat sich konstituiert und besteht zunächst aus 15 Gegnern und 13 Freunden der Vorlage. * Die Zentrumsabgg. Rintelen und Gen. hatten zur Umsturzvorlage einen Zusatz antrag gestellt, wonach auch die öffentliche Leug nung des Daseins Gottes und der Unsterblich keit der Seele unter Strafe gestellt sein soll. Die ,Rordd. Allgem. Ztg.' führt hiergegen an leitender Stelle aus, daß ein solcher Zusatz den Charakter der Vorlage vollständig verändere und schwerlich eine Mehrheit im Reichstag finden würde. " Dem Reichstage ist eine mit 153 836 Unter schriften versehene Petition zugegangen, die sich gegen alle etwaigen Vorschläge auf Abände rung des Margarine-Gesetzes vom 12. Juli 1887 wendet. Es wird in der Petition ausgeführt, daß die Margarine ein für alle nicht wohlhabenden Klassen der Bevölkerung unent behrliches Nahrungsmittel geworden sei. * Die fast täglichen Sitzungen des Preuß. Staatsministeriums beschäftigen sich, wie der ,Hamb. Korr.' wissen will, mit Vor schlägen zur Hebung der Landwirt schaft, die dem Staatsrate „in Konkurrenz mit dem Antrag Kanitz und als Ersatz für den selben" vorgelegt werden dürften. Damit hängt die Verzögerung des Termins für die Berufung des Staatsrats zusammen. Frankreich. * Eine vom Marineminister bei den Be amten der Arsenale angcordnete Haus suchung hat große Erregung hervorgerufen. Die Blätter fragen mit Bestürzung, ob cs mög lich sei, noch irgend einen Teil der öffentlichen Verwaltung zu finden, in dem nicht Bestechung und Unterschlagung in größerem Maßstabe vor- gekommen seien. *Die Radikalen veranstalteten am Sonntag, dem Jahrestage der Revo lution vom 24. Februar 1848, in St. Mando ein Bankett. Goblet versicherte, die Radi kalen und Sozialisten seien nicht Feinde; sie seien im Gegenteil hinsichtlich gewisser Fragen einig, unter der Bedingung, daß die Sozialisten sich lediglich gesetzlicher Mittel zu bedienen be absichtigen. Floquet erinnerte daran, daß die zweite Republik daran zu Grunde ging, weil sie die „bekehrten Monarchisten" in sich auf nahm. Schweiz. *Das Volk des Kantons Schaff hausen hat mit 4453 gegen 1527 Stimmen beschlossen, fortan seien alle Gesetze dem Volke obligatorisch zur Annahme oder Ver werfung mittels .einer Volksabstimmung vor- zulcgen. Ruhland. *Der neu ernannte russische Bot schafter fürBerlin, Fürst Lobanow, wird der,Kreuz-Ztg.' zufolge wahricheinlich Anfang nächsten Monats seinen Berliner Posten an treten. (Nach dem Tode Giers' hieß es, Lobanow würde Giers' Nachfolger werden. Ein solcher ist immer noch nicht bestimmt; von der Er nennung Lobanows scheint man aber abzu sehen, wenn dieselbe überhaupt in Frage ge kommen war.) *Jn Rußland wird jetzt heimlich ein „Offener Brief" verbreitet, der sich gegen die Selbstherrlichkeit des Zaren ausspricht und dessen Verfasser der bekannte Graf LeoTolstoi sein soll. Der letztere hat sich bisher noch nie in die eigentliche Politik gemischt und dürfte sein Auftreten bitter zu bereuen haben, wenn er wirklich der Verfasser wäre. Afrika. *Jn Aegypten ist wieder alles beim alten. Der Vizekönig hat den Engländern gegenüber klein beigegebcn; das gegenwärtige englandfreundliche Ministerium bleibt im Amte. Asien. *Die neue japanische Kriegsan leihe von 100 Millionen Pen ist vom japa nischen Landtag widerspruchslos bewilligt worden. Außerdem wurde ein Kredit von 3 Millionen Jen für Korea genehmigt. * Die Japaner führen jetzt neue Verteidi gungswerke auf und montieren neue Geschütze auf Liukungtao. Die Jnselforts sind durch See soldaten, die Forts auf dem Fpstlande durch ein Bataillon Infanterie und Artillerie besetzt. Die chinesischen Kriegsvorräte, die in die Hände der Japaner fielen, haben letztere mit einem Ucber- fluß von Nahrungsmitteln versehen. Der von Marschall Oyama eingesetzte Zivil-Gouverneur hat einen Aufruf erlassen, in dem den Ein geborenen schonende Behandlung zugesagt wird. *Jn China scheint man ernstlich an den Friedensabschluß zu denken oder viel mehr denken zu müssen. Nach einer Meldung der ,Times' hatte der amerikanische Missionar Reid in Peking eine Zusammenkunft mit der Majorität der Mitglieder des Großen Rates, die lebhaft den Frieden wünschen. Haupt mann Hanneken hat die Organisation der Armee aufgegeben infolge des widerspenstigen Ver haltens der chinesischen Beamten und infolge der Weigerung, die von dem Hauptmann für not wendig erachteten vorläufigen Bedingungen zu zugestehen. Australien. * Die republikanische Regierung auf Hawai hat an der früheren Königin wegen des jüngsten Aufstandes zur Wiederherstellung des Königreichs schwere Ver geltung geübt. Nach einer Meldung aus Hono lulu wurde die Königin Liliuokalani zu^ fünf Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 5000 Dollar verurteilt. Vielleicht wäre Ver bannung auch genügende Sühne für den ver unglückten Aufstand gewesen. Deutscher Reichstag. Auf der Tagesordnung der Montags-Sitzung steht zunächst die I n t e r P e l l a t i o n Richter, betr. die Ungültigkeitserklärung der Wahl des Abg. Casscl- scheinende Sparsamkeit in den Einzelhaaten, beson ders in Preußen. Das Gesetz wird auch den Finanzen der Bundesstaaten aufhelfen. In meiner Partei hat dies Gesetz auch bei Gegnern des Tabaksteuer-Gesetzes Zustimmung gefunden. Die Lasten der Militärvorlage sollen auf die starken Schultern gelegt werden, in gewissem Sinne ist das auch in der Tabaksteuervorlage geschehen, denn die teuren Zigarren sind viel höher besteuert als die billigeren. Das könnte man ja noch weiter aus- führcn, indem man erst bei der 6 Pfennig-Zigarre eine kleine Preissteigerung eintreten läßt und nach oben die Sätze erhöht. Eine allmähliche Schulden tilgung ist eine Lebensfrage des Reichs, darum nehmen Sie das Gesetz an. — König!, sächs. Finanz minister v. Watzdorf tritt in längerer Ausführung für die Vorlage ein. — Abg. Bebel (soz.): Für die Einzclstaaten hat der bisherige Zustand insofern einen Nutzen gehabt, als die Staaten ihre direkten Steuern haben ausbauen können. Freilich, die großen Vermögen sind noch nirgends in genügendem Maße für die Staatssinanzen herangezogen. Preußen ist der einzige Bundesstaat, der eine Vermögenssteuer einge- führl Hal. Durch die geplante Finanzreform werden diese guten Ansätze verkümmern und nicht weiter geführt werden. Diese Vorlage soll zugleich auch das Tabaksteuergesetz unter Dach bringen. Wer hier zustimmt, muß es dort auch. — Bahr. BundeS- bevollmächtigler Ministerialdirektor ».Stengel er- innerl daran, daß in Bayern eine Erbschaftssteuer bestehe, ferner eine Besteuerung des Einkommens stattfinde. — Bevollmächtigter Sachsen-Weimars, Geh. Rat Herwarth, tritt ebensalls für den Entwurf ein. — Abg. Kardorfs (freikons.): Herr Bebel sagt, wir wollten 30 000 Tabakarbeiter schädige», Herr Bebel will 25 Millionen schädigen, die Land wirtschaft treiben. — Staatssekretär Graf Pos a- dowsky wandte sich eingehend gegen die Rede» der Abg. Richter und Bebel, und widerlegte beson ders die Behauptung, daß die Einzelstaaten nach Annahme dieser Vorlage das Interesse an der Sparsamkeit im Reich verlieren würden. Auch die konstitutionelle Mitwirkung des Reichstags bei Feststellung des Budgets werde in keiner Weift eingeschränkt. — Abg. R i ck e r t (frs.Vgg.) warf eine» historischen Rückblick auf die Finanzgebahrung des Reiches und kam dann zu einer lebhaften Empfeh lung der Reichs-Einkommensteuer. — Abg. Hug (Zentr.) schildert die badischen Finanzverhältnisse, die sehr unter der Steigerung der Matrikularbeiträgi litten. Die Franckenstcinsche Klausel habe den Inhalt verloren, wenn die Ueberweisungen hinter den Matri- kularbeiträgen zurückblieben. — Abg. Richter (frf Vp.) polemisiert des längeren gegen die Ausführun gen der Vorredner. Mit der Annahme der Vorlagt breche der Reichstag die Werke, die sein Einnahme bewilligungsrecht verteidigten, selbst ab. Zum Schluß warnte Redner nochmals vor der Tabaksteuer. Wegen 18 Millionen Mehrertrag solle man nicht die ganze Fabrikation auf eine neue Grundlage stellen — Darauf wird die Debatte geschlossen und die Vor lage an die Tabaksteuerkommission verwiesen. — Es folgten Wahlprüfungen, wobei die Wahl des Abg. König-Kassel (Amis.) für ungültig erklärt wurde. Uon Uah und Ferm. Die döse Influenza. In Berlin find augenblicklich nach Angabe der Aerzte ganze Stadtteile von der Influenza durchseucht. Disi Aerzte vermögen kaum den an sie gestellten An'! forderungen zu genügen und in den Apotheke» herrscht nach den vergangenen Monaten geschält sicher Flaue reges Leben infolge des Begehre von Jnflucnzamitteln, von denen auch jetz> Preußisch«» Landtag. Das Abgeordnetenhaus setzte am Montag die Be ratung des Kultusetats fort. Es wurde nur das Kapitel „Höhere Lehranstalten" erledigt. Auf Anre gung des Abg. Seyffardt-Magdeburg (nat.-lib.) ent wickelte sich eine Debatte über die Forderungen del Gymnasiallehrer bezüglich Besserstellung nach Rang und Gehaltsverhältntssen. Minister Bosse nahm jedoch eine ablehnende Haltung ein. Am Dienstag setzte das Abgeordnetenhaus dft Beratung des Kultusetats bei Kapitel „Elementar schulwesen" fort. Auf eine Beschwerde des Abg? Porsch gab Kultusminister Bosse wiederum die Er klärung ab, daß die katholischen Lehrer bezüglich dec Vereinsbildung vollständig den evangelischen gleich gestellt seien und daß aus der Zugehörigkeit zu eine»' katholischen Lehrerverein kein Hinderungsgrund sich die Anstellung hergenommen werden dürste. Faß die ganze weitere Debatte drehte sich um die Fragt des polnischen Sprachunterrichts in den oberschlcsische» Schulen, wobei Minister Bosse entschieden Stellung gegen die national - polnische Agitation in Ober schlesien nahm. mann, deren Inhalt dahin geht, daß die großh. weimarische Regierung die Neuwahl für den Wahl kreis Eisenach zum 14. März auf Grund der alten Wählerlisten vom Mai 1893 ausgeschrieben habe. Der Reichskanzler möge die weimarische Regierung zur Neuausschreibung der Wählerlisten und Zurück nahme der Wahlausschreibung veranlassen. Staats minister ».Bötticher erklärte, daß die weimarische Regierung auf Veranlassung des Reichskanzlers neue Wählerlisten ausschrciben und einen anderen Wnhl- termin ansetzen wird. — Den zweiten Gegenstand der Tagesordnung bildet die Vorlage über die Reichsfinanzresorm. Staatssekretär Graf Posadowsky: Der Grund, warum dieser Gesetzentwurf zum zweiten Male vorgelegt werde, liege in den großen Schwankungen zwischen den Ueberweisungen und den Matrikular- beiträgen der Einzelstaaten. Die Vorlage mache noch geringere finanzielle Ansprüche als die vorige, man habe sie deshalb in der Presse die kleine Finanz reform genannt. Die kleineren Staaten fühlten die Schwankungen zwischen Ueberweisungen unv Matri- kularumlagen noch schwerer als Preußen; sie müßten oft alle Kulturaufgabcn zurückstellen, um dem Reich zu genügen. Die Ueberweisungen seien früher ganz stattlich gewesen, mit der Zeit sei man aber zu Zu zahlungen gekommen. Der Gesetzentwurf wolle die Einzelstaaten davor sichern, daß sie mehr Matrikular- umlagen zahlten, als sie an Ueberweisungen erhielten. Die Franckenstcinsche Klausel müsse aufrecht erhalten bleiben. Ihr Zweck sei, die Bundesstaaten für die ihnen entgangenen indirekten Steuern schadlos zu halten. Daß die Einnahmen des Reiches erhöht werden müssen, sehe man allgemein ein, obwohl einige Parteien sagten, sie hätten doch nicht für die Militär-Vorlage gestimmt und brauchten daher auch nicht für neue Mittel dazu zu sorgen. Die Börsensteuer habe man ja, aber weiter nichts. Die Erhöhung des Postzeitungstarifs, die Wehr steuer, seien nicht annehmbar, es bliebe nur die Tabak fabrikatsteuer. Gegen das Monopol verwahre er sich entschieden. Ohne neue Einnahme könne der Reichs etat schon jetzt nicht balanciert werden. — Abg. Richter (freis. Vp.) ist der Ansicht, daß dieses Gesetz eine sehr einschneidende Bedeutung sowohl in finanzieller wie konstitutioneller Hinsicht habe. Auch diejenigen, welche die Militärvorlage abgelehnt hätten, bemühten sich, in der Budgetkommission Deckung zu finden, allerdings nicht durch neue Steuern. Sollten solche eingcführt werden, so seien sie nicht auf die fchwachen Schultern zu legen, sondern nur aus die leistungsfähigen. Er halte die Vorlage als auch nicht im Interesse der Einzelstaaten liegend; sie werde denselben nicht entfernt solche Vorteile bringen, wie man es darstelle, sondern recht bald finanzielle Nach teile und Verkürzungen. Er bitte, das Gesetz nicht weiter zu beraten, es event. aber der Tabaksteuer- Kommission zu überweisen. — Bayr. Bundesbevoll mächtigte Frhr. v. Stengel gibt zunächst eine ge drängte Uebersicht der bayr. Finanzlage und behauptet, wenn das Reich nicht für die erforderlichen Mittel zur Deckung der gesteigerten Mehrausgaben selbst sorge, werde auch ganz sicher im bayrischen Haushalt ein Defizit eintreten, das nur durch Erhöhung der direkten Steuern beseitigt werden könne. Auch auf Annahme des Tabaksteuergesetzes lege die bayrische Regierung den höchsten Wert. Der Herzog!, meiningensche Staatsminister ».Heim trat warm für die Vorlage ein, ebenso der Weimar. Bundesrats-Bevollmächtigte Heerwart. — Abg. Lieber (Zentr.): Der Unterschied der jetzigen Vorlage von der vorjährigen verdiene genaue Beachtung. Die jetzige Vorlage kehre wieder ohne die Dotation von 40 Mill. Mark und verlange nur, daß die Matrikularbeiträge niemals höher werden als die Ueberweisungen, dadurch werde sie annehmbar. Aber nur auf 5 Jahr diesen Modus einzuführen, könne das Zentrum nicht billigen. Die geschichtliche Erinnerung an die wertvolle Francken- steinsche Klausel dürfe nicht verblassen. — Abg. v. Frege (kons.) sprach die Hoffnung aus, daß aus der Kommissionsberatung etwas Brauchbares hervor- gehcn möge; die Regierung habe wesentliche Kon zessionen gemacht. Am Dienstag wird die erste Beratung der Gejetz- entwurfs betr. die anderwcite Ordnung des Finanzwesens des Reiches fortgesetzt. Abg. Enneccerus (nat.-lib.): Der Abg. Richter hat das Gesetz gestern als ein preußisches bezeichnet; den Bundesstaaten nütze es wenig und schade viel. Er hat das mit vielen Zahlen zu belegen versucht. Ich halte das Gesetz für bestimmt, die unaussteh lichen Schwankungen in den Matrikularbeiträgen endlich zu beseitigen. Manchen Staaten wird ein volles Viertel ihrer Gesamteinnahmen durch die Matrikularbeiträge entzogen. Das vorliegende Gesetz will nun die deutschen Reichsfinanzen kräftigen. - miede? das Salipyrin die stärkste Nachfrage er- Man klagt- mit Recht an die oft übertrieben er- fährt. Im allgemeinen tritt die Influenza dies mal etwas gutartiger als früher auf. Da dft früheren Epidemien regelmäßig mit Ausgang des Winters erlöschen, darf auf ein baldiges Ver schwinden des unheimlichen Gastes gerechnet werden. Gekettet. 2Z '^erNetzMla.1 Pierrepoint ging von ihr, sie zitternd und bleich zurücklaffend. So saß sie da; nur ab und zu murmelte sie vor sich hin: „Ja, nun ist alles vorbei; nie werde ich wieder ein freund liches Wort von ihm hören, bis — bis er selbst mich vielleicht — fortschickt." 24. In die elenden Tage nach der traurigen Szene im blauen Zimmer fiel als ein schwacher Lichtstrahl Terry Sugdens feuriges Dankschreiben. Hilda reichte ihrem Gatten den Brief. Er las ihn und erklärte sich mit allem einver standen. „Hilda sagte zaghaft: „Es soll also dabei bleiben daß Terry hier ihre Ausstattung besorgt und ihre Hochzeit feiert?" „Warum nicht?" fragte er dagegen. „Wenn wir nicht in der glücklichsten Ehe leben, soll das ein Grund für Mister Betterton und Miß Sugden sein, ebenfalls nicht zum glücklichen Ziel zu gelangen? Du hast die Rechnungen nur an mich zu weisen." Hilda antwortete nicht und Hayes bemühte sich ebensowenig, die Unterhaltung fortzuführen, wie er sich auch nicht mehr bemühte, sein un glückliches Verhältnis vor den Leuten zu ver decken. Das Gesinde hatte früher wohl lächelnde Bemerkungen über Hugo Mackenzies Verkehr mit der Herrin gemacht; jetzt steckte man die Köpfe ernsthafter zusammen, nachdem der Herr zurück- gekehrt war und seiner Gemahlin meist finster schweigend gegenüber saß. * . < * Trotz allem wurde der Besuch im Petman- hurst ausgeführt und Hilda fühlte sich wohl- thuend durch den herzlichen Empfang Lady Toccatas berührt. Als Hilda in den Empfangssaal trat, fand sie bereits zahlreiche Gäste dort versammelt. Tcnterden und der junge Hennessy gegrüßten sie schon am Eingang mit ungekünstelter Freude, so daß sie schnell mit ihnen in lebhafte Unterhal tung vertieft war. Nichtsdestoweniger beobachtete sie scharf die Flügelthür, durch die die Gäste eintraten, und glaubte zu bemerken, daß Pierre point das gleiche thue. Endlich, nur eine Minute vor dem Essen, erschien die Erwartete: Mistreß Manntjoy. Lord Toccata ging ihr sofort entgegen, sie auf das verbindlichste begrüßend. So harmlos Hilda scheinbar ihr Gespräch mit Tenterden und Hennessy fortführte, so genau nahmen ihre Augen jede Einzelheit in der Erscheinung der jungen Schriftstellerin ein. Sic stand gerade unter einer Lampe, die dem lichtblauen Seidenkleid mit dem Besatz von Stahlperlen einen besonderen Lustre verlieh. Das feine Gesicht, von der Erregung des Augenblicks gerötet, die nußbraunen Augen blitzend, der wohlgeformte Kopf auf einer statt lichen Gestalt — es war ein Bild, so an ziehend, so anmutig, daß das Herz Hildas sich in plötzlichem Weh zusammenkrampfte. Wes halb ? — Sie wußte es sich selbst nicht zu sagen. Gespannt beobachtete sie Pierrepoints Begrüßung mit Mistreß Manntjoy; aber seine ernste Verneigung ließ keinem Argwohn Raum. Bei Tisch saßen Pierrepoint und Mistreß Manntjoy ziemlich gegenüber von Hilda, und sie fühlte sich mehrmals von Mistreß Manntjoy fixiert. Rach dem Essen nahm Lotta Toccata, die älteste Tochter des Hauses, Hilda in Anspruch, indem sie ihr einige Zeichnungen von ihrer ver heirateten Schwester Nacmi zeigte. Lotta plauderte gemütlich dabei. „Ich fragte Mistreß Leighs nach Ihren besonderen Lieb habereien, da kam ich hinter Ihr Talent zum Porträtieren. Mistreß Leigh hat Skizzen von Ihnen gesehen, die vortrefflich sein sollen." „O, sie hat aber Porträts von Mistreß Burten- shaw und dem kleinen Hubert gesehen, die brillant getroffen sind," beharrte Lotta. Hilda gab zu, daß sie ab und zu in Muße stunden porträtiere, aber nur skizzenhaft, ohne Ausführung. Hilda lächelte. „Mistreß Leigh ist sehr gütig, mir ein Talent anzudichten, welches ich wirklich nur in höchst geringem Grade besitze." Pierrepoint trat zu Hilda. „Mistreß Mannt joy wünscht dich kennen zu lernen, willst du mit mir kommen?" „Gut," sagte Lotta Toccata, „so nehmen Sie Ihre Frau mit sich; ich sehe, meine Mutter winkt mir." Hilda wartete, bis Lotta sich entfernt hatte; danach sprach sie ruhig: „Ich wünsche nicht, Mistreß Manntjoy vorgestcllt zu werden." Pierrepoint sah seine Gattin erstaunt an. „Was hast du für einen Grund für diese Weige rung ?" „Darf ich meine Freunde nicht nach meinem Geschmack wählen?" „Es handelt sich hier um eine gesellige Form, nicht um Freundschaft." „Und ich verweigere diese Form der Dame." Pierrepoint war vollständig perplex durch diese Art seiner Frau. Noch niemals hatte sie ihm offen wicdersprochcn. „Aber, Hilda," sagte er dringend, „du kannst doch einer Dame, die mit dir unter demselben gastlichen Dach weilt, nicht die gewöhnliche Höflichkeit verweigern? Wenn du jetzt nicht zu ihr gehst, wird sie sich später dir vorstellen lassen. Willst du dann eine Szene Hervor rufen ?" Ruhig erwiderte Hilda: „Nein, solche Takt losigkeit werde ich nicht begehen. Wenn Mistreß Manntjoy darauf besteht, meine Bekantschaft zu machen, so werde ich mich der Notwendigkeit unterziehen. Was ich verweigere, ist nur, ihre Bekanntschaft aufzusuchen." Mister Hayes zuckte verdrossen die Achseln. „Du bist das unlogischeste Wesen, das, glaube ich, je auf Erden existiert hat." Da sich Lord Tenterden soeben näherte, wandte er sich an diesen. „Lieber Tenterden, Sie könnten mir einen großen Dienst erweisen, indem Sie diese kleine Frau ein wenig ins s Gebet nehmen. Sie ist plötzlich so schüchtern geworden, daß sie erklärt, sich nicht der Mfftrcß Manntjoy vorstehen zu können. Reden Sic ihr doch diese Marotte aus, während ich sic bei Nlistreß Manntjoy entschuldige."
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