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Allgemeiner Anzeiger : 16.02.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189502167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18950216
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18950216
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Bemerkung
- Beilagen für 1895 gesammelt in einer Ausgabe am 01.01.1895
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-02
- Tag 1895-02-16
-
Monat
1895-02
-
Jahr
1895
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.02.1895
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VoMische Rundschau Deutschland. * Der Kaiser begab sich am Sonmag nach Hubertusstock, um auf Hirsche zu pürschen. Die Rückkehr ist am Dienstag ersolgi. * Der Kaiser erklärte, nach der Meldung eines Berichlserstatters, nach seinem Vortrage in der Kriegsakademie, Krupp habe sich er boten, falls die bevorstehende Marinevor lag c bewilligt werde, das Material zu den neu zu erbauenden Kriegsschiffen zum Selbst kostenpreise zu liefern. (Reiche Bürger des alten Roms thaten noch mehr: sie schenkten dem Staate eine ganze Kriegsflotte.) * Daß der Kaiser die Protokolle über die Beratungen der sog. Umst ur z k o mmis s i o n sowie ein Gutachten über die von der Kom mission beschlossenen Erweiterungen des Regie rungsentwurfs sich habe vorlegen lassen, beruht nach der offiziösen ,Berl. Ksrr/ auf Erfindung. *Jm Anschluß an die Nachricht, daß Oesterreich-Ungarn bei der Erö ff n u n g des Nord-Ostsee-Kanals durch zwei Schiffe seiner Kriegsflotte mit dem Erzherzog Stephan an Bord vertreten sein wird, erfährt der,Hamb. Korr/ noch weiter, daß Einladungen an alle großen seefahrenden Nationen ergehen werden, dem denkwürdigen Ereignisse, das voraussichtlich im Monat Juli stattfindcn wird, beizuwohncn. So wird sich eine stattliche Flotte, Schiffe der Marinen der Mächte Europas und Amerikas, im Hafen von Kiel versammeln. Nach der feierlichen Eröffnung des Kanals soll der Kaiser, da eine gemeinsame Durchfahrt für die in Kiel vereinigten Kriegsschiffe schon aus zeitlichen und technischen Gründen nicht thunlich ist, die Absicht haben, mit seinen Gästen auf dem „Hohenzollern" und dem „Kaiseradler" den Kanal zu durchfahren uud bei Brunsbüttel in die Eltze einzulaufen. * Der Gesetzentwurf gegeMen Sklaven handel ist nunmehr im Reichstag zur Ver teilung gelangt. Der Entwurf ist in derselben Fassung wie im Jahr 1891 eingebracht. Er be straft den Sklaven raub mit Zuchthaus oder, falls bei einem solchen Raubzug eine der Per sonen, gegen die der Streifzug gerichtet war, getötet wird, mit dem Tode: der Sklaven handel soll inst Zuchthaus oder Gefängnis geahndet werden. Zugleich kann in allen diesen Fällen auch auf Stellung unter Polizeiaufsicht erkannt werden. * Von den K o n s u mv cr c in en sind nach ! dem neuesten Petitionsverzeichnis 260 Peti - i tionen mit 55419 Unterschriften an den § Reichstag eingegangen, die die Nichtgenehmi gung des Antrages auf eiste Beschränkung des Geschäftsbetriebes der Konsumvereine bcfürwor.rn. Lcsterrcich-Ungarn. * Der ö st errcich is ch c Rei ch sr a t ist auf den 19. >d. einberufen worden. Frankreich. * Die Untersuchungskommission über den An teil Raynals an den Eisenbahn ver- trägen beschloß Geheimhaltung der Beratungen zu bewahren: nur ein kurzes Protokoll soll der! Presse mitgetheilt werden. Als Zeugen werden vorerst vernommen die überlebenden Mitglieder des ' Kabinets Ferry, die Mitglieder der Parlaments-s kommissionen, die die Konventionen geprüft haben, i die Parlamentsredner, die die Konventionen dis- , kutiert hatten, und die Verwalter der Eisenbahn- ! Kompagnien. Neue Enthüllungen werden voni der Vernehmung von Allain Targe erwartet. s England. * Der Gesundheitszustand des irischen Ober- s sekretärs John Morley soll seinen Freunden i nicht geringe Besorgnis einflößen. Und doch! steht er jetzt am Anfänge einer außerordentlich » aufreibenden Tagung. Die irische Parteii hat nämlich beschlossen, die folgenden Bills zu! beantragen: 1) eine zur Erweiterung des Amts-: bereiches der Arbeiterpfleger; 2) Erweiterung des s Gemeindewahlrechts in Irland; 3) Aufhebung! der Verbrechenakte; 4) zwangsweiser Verkauf ! von Ländereien; 5) Einsetzung von Grafschafts- ! räten in Irland; 6) Hebung der Hochfee- i fischerei, und 7) Reform des irischen Leuchtfeuer- aunes. Italien. * In Rom rrstt schon wieder einmal mit großer Bestimmtheit das Gerücht auf, Kaiser Wilhelm und die Kaiserin hätten König Humben mitgeteilt, daß sie im Frühjahr die Reise nach Rom antreten würden. Im Quirinal würden bereits alle Vorbereitungen ge troffen. In Berlin ist hiervon noch nichts be kannt, man wird daher gut thun, die Nachricht mit einigem Zweifel aufzunehmen. Spanien. * Die spanisch-marokkanischen Verhandlungen sind eingestellt worden in folge neuer Differenzen bei den Verhandlungen, worüber der Gesandte seine Regierung erst be fragen wollte. Es hat den Anschein, als habe der Gesandte den gegen ihn kürzlich verübten Exzeß zur Erreichung größerer Zugeständnisse ausnutzen wollen. Ruhland. *Jn gut unterrichteten Kreisen wird ver sichert, daß in betreff der Ernennung des Nach folgers des verstorbenen Ministers v. Giers noch keine Entscheidung getroffen sei. Als wahr scheinlicher Nachfolger würden immer noch Staal, Nelidow und Lobanow (jetzt Botschafter in Lon don, Konstantinopel und Wien) genannt. Der Gesundheitszustand Staals erlaube ihm aber nicht, während der kalten Jahreszeit nach Peters burg zu kommen. Nelidow sei in Konstantinopel zurückgchalten, wo seine Anwesenheit jetzt für nötig gehalten werde. Lobanow werde sich nach Wien begeben, um sein Abberufungsschreiben zu überreichen, sowie Kaiser Franz Joseph von Kap Martin zurückgekehrt sein werde. * Zwischen Rußland und Rumänien sind, wie verlautet, Zollschwierigkeiten entstanden, da die rumänische Zollbehörde die Eingangszölle auf Seile, Bindfaden und Hanfartikel von 30 Kopeken aus 3 Goldrubel per Pud erhöht hat. Das Ministerium des Auswärtigen hat infolgedessen Rumänien wissen lassen, daß Ruß land den Maximaltarif gegenüber den haupt sächlichsten von Rumänien ausgeführten Waren in Anwendung bringen werde. Balkanstaaten. *Die neuen griechischen Minister er klären sich bereit, neue Vorschläge der Inhaber griechischer Werte ernstlich und unbefangen in Erwägung zu ziehen. Falls die Vorschläge günstig sind, wird die Regierung bereitwillig auf Unterhandlungen eingehen. Ein etwaiges Arran gement könnte aber nicht ohne die Zustimmung der Deputiertenkammer abgeschlossen werden. (Sonst ist es Sitte, daß der Schuldner Vorschläge macht, wie er seine Verbindlichkeiten lösen zu können meint.) * Eine seltsame Kunde bringen die Londoner ,Daily News' aus Konstantinopel. Danach wurde der Befehl zur Mobilisieru ng eines bedeutendenTeiles dertürkischenReserven erlassen. Es ist schwierig, den Grund der Maß regel zu verstehen, aber es sind einige Gerüchte im Umlauf. Eines lautet, Rußland ziehe Truppen an der Grenze zusammen, das andere, daß Wirren in Makedonien begonnen haben oder dort als möglich betrachtet werden. Nach allen Teilen des Reiches seien Befehle gesandt, daß weder Ausländer oder Eingeborene die Städte, in denen sie ansässig sind oder in denen sie ankommen, ohne ausdrückliche Erlaubnis auS Konstantinopel verlassen dürfen. Eine ander weitige Bestätigung dieser Meldung liegt noch nicht vor. Amerika. *Die in Hawai erfolgte Verurteilung mehrerer Amerikaner wegen Verschwö rung dürfte noch zu Weiterungen führen. Der Gesandte der Ver. Staaten meldete nach Hause, daß von den 38 wegen Verschwörung vor das Kriegsgericht gestellten Personen zwei Amerikaner und ein Engländer zum Tode verurteilt worden sind. Der Staatssekretär wies darauf den Gesandten an, die Aufschiebung der Hin richtung zu verlangen, falls die Amerikaner nicht wegen wirklicher Teilnahme an dem Aufstande, sondern nur wegen Beihilfe verurteilt worden sind, ebenso wenn ihnen nicht gehörig der Prozeß gemacht und ihnen nicht hinlängliche Gelegenheit zur Verteidigung gegeben wurde. Im anderen Falle möge der Gesandte das Bewcismaterial mitteilen, auf welches hin die Verurteilung erfolgte. *Der Aufstand in Kolumbien scheint bereits völlig niedergeworfen zu sein. General Salmicnto, der Führer der Aufständischen in Tolima, hat sich mit 1500 seiner Anhänger er geben. Die Aufständischen wurden in Corozal geschlagen. Zwischen Argentinien und Chile scheint ein neuer Konflikt zu drohen. In Buenos-Ayres herrscht große Aufregung infolge des Gerüchts, daß eine chilenische Truppen- divisionndie Stadt Calama unweit der Grenze von Bolivia besetzt hält. Asien. * Die chinesischen Gesandten in Japan wurden telegraphisch mit ausreichenden Vollmachten ver sehen, um die Friedensverhandlungen zu erneuern. Deutscher Reichstag. Am Montag wird zunächst debattelos in dritter Beratung der Gesetzentwurf betr. Abänderung des Gesetzes vom 1. Juli 1872, über die Gebühren und Kosten bei den Konsulaten des Reichs unverändert angenommen. Sodann wir zur zweiten Beratung des Gesetzes betr. die Fest stellung des Reichs-Haushalts für das Rechnungsjahr 1895,96 geschritten und zwar zunächst zur Festsetzung des Haushalts für den Reichstag. Den Bericht über die Kommissionsverhandbmgen erstattet Bize-Präsident v. Bnol. Die fortlaufen den Ausgaben sind auf 650990 Mk. (4- 228 037) angesetzt. Die Mehrsumme fällt größtenteils auf die Ergänzungen und Ausstattung beim Reichstagsbau. — Abg. Richter (fr. Vp.) bittet, die Bezeichnung „Reichstagsgebäude" bcizubehalten nnd nicht „Reichs haus" zu wühlen. Das sei um so mehr nötig, als man das Haus offiziell auch für den Bundesrat in Anspruch zu nehmen scheine, der doch nur Gastrecht im Hause genieße. Was die Akustik im Saale an langt, so können mir zufrieden sein; was die Jour nalistentribüne anlangt, so ist eine große Verschlech terung im. neuen Hause eingetretcn. — Stnatsminister v. Bötticher: Der Bundesrat nimmt für sich kein Recht an diesem Hause in Anspruch; er nimmt aber daZ Recht in Anspruch, die für ihn bestimmten Räume zu benutzen. Die Thütigkeit der Baukommission halte ich nicht für beendet. Mängel müssen nach der Session nach Möglichkeit abgestellt werden. — Abg. Rickert (fr. Vgg.) stimmt den Ausführungen des Ministers bei, nur die Mängel der Journalisten - Tribüne hält er für dringend der Abhilfe bedürftig. — Bei Art. 3 (Hausinspektor) erklärt Abg. v. Man teuffel (kons.), daß ihm neulich im Reichstags gebäude ein Brief abhanden gekommen sei, der tags darauf in einer Leipziger sozialdemokratischen Zeitung abgcdruckt war; er bitte den Redakteur jener Zeitung, Abg. Schönlank, ihm bei Entdeckung des Diebes be hilflich zu sein. — Abg. Schönlank (soz.): er widert, der Brief sei der Redaktion der ,Leipz. Voksztg/ in Abschrift anonym zugegangen. — Abg. Werner (freikons.) tritt warm für die Unter beamten ein. — Bei Artikel 11 (Sonstige Ausgaben) befürwortet der Abg. Richter (fr. Vp.) die Be willigung von Diäten, welcher der Abg. v. Holleuffcr (kons.) entgegentritt, obwohl auch den Konservativen und dem Zentrum, als Vertretern einer Mittelstands- vartei, das Aufstellen von Parlamentariern oft sehr schwer falle. — Abg.M erner lAntis. bemerkt, daß die Diäten nur eine kleine Entschädigung für die den Abgeordneten auferlegten Opfer wären. — Abg. Lieber (Zentr.) führt aus, daß seine Partei auf dem Boden des freisinnigen Antrages stehe. — Abg. Graf Limburg-Stirum (freikons.) bemerkt, daß die Diäten gegeben werden könnten, aber mit dem Korrelat, daß der Abgeordnete in dem Wahl kreise wohnt, der ihn wählt. Der Etat des Reichs tags wird alsdann bewilligt. — Bei dem Etat des Reichskanzlers fragt Abg. Siegle (nat- lib.) an, was auf die Beschwerden der deutschen Ansiedler in Syrien und Palästina bisher von Reichswegen geschehen sei. — Staatsminister Frhr. Marschall v. Bieberstein entgegnet, daß für die deutschen Kolonisten geschehen sei, was geschehen konnte. Tas Auswärtige Amt stehe, den selben mit Rat und That zur Seite. — Abg. Richter brachte zur Sprache, daß die kaiserlichen Erlasse vom Februar 1890 von keinem Kanzler und keinem! Minister gegengezeichnet wären, und erwähnte auch § die angebliche Anstellung des Hauptmann v. Natzmer ! als Gouverneur von Kamerun im vorigen Jahre. — s Reichskanzler Fürst Hohenlohe erwiderte, daß die Verantwortung für die erwähnten Erlasse Fürst Bismarck trage. Eine Anstellung des Hauptmanns v. Natzmer habe nicht stattgefundcn. — Staatsminister v. Bötticher bemerkte auf eine weitere Anfrage des Abg. Richter, daß die Erlasse einer Gegenzeich- j nung nicht bedurften, da es programmatische Erklä- ! rungen Sr. Majestät seien. — Abg. Hasse (nat.- lib.) kommt auf seine Interpellation betr. den Schutz der Deutschen im Auslande zurück, »vorauf Minister Frhr. v. Marschall kurz erwiderte. Der Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei wurde be willigt. Am Dienstag wird die Beratung über den Rcichshaushalt fortgesetzt und zwar die über den Haushalt des Reichsamts des Innern Nachdem der Berichterstatter v. Holleuffcr die An nahme des Haushalts empfohlen, erhält das Wort der Abg. Hitze (Zentr.): Schon in der Gewerbe ordnung war die obligatorische Einführung von Fabrikinspektoren vorgesehen. Wir sind der Regie rung für die erhebliche Vermehrung der Fabrik inspektoren dankbar, sind aber heute noch für eine Erweiterung ihrer Befugnisse. Man hat natürlich in Fabrikantenkreisen auch über die Fabrikinspektoren geklagt und über Mängel der Beaufsichtigung. Ich schließe daraus, daß eine noch weitere Vermehrung der Inspektoren notwendig ist. Für Betriebe, in denen ausschließlich oder in der Mehrzahl Arbeiterinnen thätig sind, empfiehlt Redner weibliche Fabrik- insvektoren. Zur Bewältigung der Büreauarbciten müßten den Inspektoren Sekretäre bewilligt werden; mit der Verbinduug der Fabrikinspektion mit der Keffeluntersuchung erklärt Redner sich einverstanden. — Abg. Pachnicke (fr. Vgg.): Die Vermehrung der Fabrikinspektoren ist anerkennenswert, die Vereinigung der Inspektion mit der Keffelaufsicht halte ich für einen großen Fehler. Die Inspektoren sollten öfter aus dem Kreis der Fabrikarbeiter selbst hervorgehcn. — Staatsminister v. Bötticher: Es handelt sich um eine Frage des Handelsrechts. Die Verbindung von Kesselrevision und Fabrikinspektion ist der Ein wirkung des Reichs entzogen, ich kann den Einzel regierungen anheimstellen, die Frage nochmals zu prüfen. — Abg. Fischer (soz.): Fabrikaussicht und Kesselrevision sollten getrennt werden. Die In spektoren selbst Haiten das für nötig. Die Fabri kanten kümmern sich so wenig um die Inspektoren, daß sie nichl einmal deren Befugnisse kennen. Viele Großindustrielle entlassen einfach jeden Arbeiter, der die Vermitteümg der Gewerllerätc, also sein Recht, in Anspruch nimmt. Selbst die Behörden verfahren ähnlich. Mit den Arbeiter-Ausschüssen geht es auch gar nicht weiter. Wir verlangen: Ent lastung der Gewerbeinspektoren von der Kessel revision; nicht nur Techniker müssen zu Inspektoren gcwäblt werden; die Inspektoren müssen die Be fugnisse der Polizeibeamten bekommen. — Abg. Rösicke (lib.): Ich will mich über den Plan aussprechen, ob man den Boykott unter das Stras- recht stellen soll. Ich bin dagegen, obwohl gerade mein Gewerbe dem Boykott besonders ausgesetzt ist. Wir sehen in der Bestrafung keinen praktischen Zweck; an Stelle des öffentlichen würde der unangenehmere heimliche Boykott treten, der gerade die Kleingewerbe treibenden träfe. Die strafrechtliche Verfolgung hat in Dresden den Boykott noch verschärft. Mir ist von Herrn v. Stumm - hier die Kapitulation vor Herrn Singer vorgeworfen im Berliner Bierkrieg, das ist nicht wahr. In der Presse hat man gesagt, daß materielle Interessen zum Abschluß geführt hätten. Die mich kennen, werden solche Unterstellungen nicht glauben. Redner schildert den Verlauf des Berliner Bicr- streiks, wird dabei aber vom Präsidenten unterbrochen.— Abg. Singer (soz.) behielt sich seine Antwort vor, da der Präsident den Vorredner ersucht habe, nicht zu weit abzuschwcifen. — Abg. Wurm (soz.) wünscht die Zuziehung von Arbeitern und Arbeiterinnen zur Fabrikinspektion und übt vielfache Kritik an der jetzigen Handhabung. Er schloß mit dem Hinweis, daß der ganze morsche Bau des großkapitalistischen Betriebes bald zusammenbrcchen werde. — Abg. Dr. v. Frege (kons.) betont, daß auch seine Partei wünsche, daß die vorhandenen Schäden an das Tageslicht gezogen würden, aber es sei schwer, da gegen anzukämpfen, daß die Arbeiter sich mehr und mehr nach den großen industriellen Zentren drängen, wodurch die Abhilfe ihrer Klagen naturgemäß er schwert werde. Der Reichstag könne nur die allge meinen Direktiven geben, die Ausführung müsse den lokalen Behörden überlassen bleiben. Die Weiter- bcratung wurde vertagt. / Landtag. Das Abgeordnetenhaus setzte am Montag die Etatsberatung fort und erledigte das Ordinarium des Eisenbahnetats. Es kam hauptsächlich im An schluß an Petitionen die Frage der Gehaltsauf besserungen der Beamten zur Sprache. Am Dienstag erledigte das Abgeordnetenhaus den Rest des Eisenbahnetats ohne wesentliche De batte. Nach einer kurzen Beratung wurden sodann 1100000 Mk. zur Berliner Gewerbe-Ausstellung (bauliche Anlagen) bewilligt. Uon Uah und Fern. Ein Opfer der Hypnose. Ein junges Mädchen aus wohlhabender Familie in Berlik verliebte sich, wie die ,Volksztg/ erzählt, in einen KekeLLeL. IS) (Fortsetzung.) Der Wechsel von der Gesellschaft Hugos zu der ihrer Mutter war ein so jäher, daß er Hilda uner träglich däuchte. Sie versuchte, sich Veränderung zu schaffen, indem sie allmorgendlich trotz Wind und Wetter Gänge in das Dorf unternahm. Sie besuchte die Kranken und Armen: sie knüpfte Freundschaft mit den Kindern, sie holte mit ihrem Ponywagen die kleine Elsie zum Milch- mnkcn ab. Sie gewann sich durch solch ein Thun viel Liebe; aber ihr Herz blieb öde und leer. Von Tag zu Tag harrte sie der Antwort Pierrepoints auf ihren Brief, — umsonst; er ließ nichts von sich hören, und die Furcht vor seiner Rückkehr nahm zu, wie die Hoffnung ab nahm, an der Riviera mit Hugo zusammen zutreffen. Zuweilen errötete sie bei dem Ge danken, daß ihr Haupt an seiner Brust geruht habe; allein sie rechtfertigte sich immer wieder vor sich selbst: er, Pierrepoint, verdiene es nicht besser, ein Mordbrenner habe kein Recht auf die Liebe seiner Frau. Mittlerweile ließ sich Lady Mildred Priestly ganz häuslich auf Schloß Cruxwold nieder. Sie batte sich vorgesetzt, ihren Schwiegersohn zu er warten und ihn zur Rede zu stellen, und sie war die Frau, ihren Vorsatz durchzuführen, mochte sie auch durchfühlen, daß Hilda ihre Gegenwart nur schweigend dulde. Endlich am 26. Oktober erhielt Hilda den längst erwarteten Brief von Hayes. Man saß beim Luncheon. Kein Wort brachten seine Zeilen über Hildas Wunsch, nicht eine Erwähnung ihres Briefes. Sollte er ihn nicht empfangen haben? An Höflichkeit ließ es Pierrepoint sonst niemals fehlen. Er teilte ihr einfach mit, über acht Tage werde er in Cruxwold eintreffen. „Das freut mich ungemein," sagte Lady Mildred, als Hilda ihr über Tisch den Inhalt des Schreibens zu wissen that; „ich fürchtete schon, ich würde abreisen müssen, ohne deinen Mann zu sehen, nun ist es mir möglich, seine Ankunft abzuwartcn." Sie hielt mit einem Blick auf Miß Fisher inne. Diese Dame hatte sich plötzlich erhoben und stand nun da, sich mit einer Hand auf den Stuhl stützend und halb verwirrt, halb geängstigt, Hilda fixierend. „Was fehlt Ihnen ?" rief Hilda, zu ihr eilend, um sie anzufassen, denn sie wankte, man mochte denken, sie werde umfallen. „Stützen Sie sich auf mich!" bat Hilda herz lich, „ich will Sie in Ihr Zimmer führen. Sie litten heut früh an Kopfschmerzen, da haben Sie sich zu bald heruntergewagt." Unter den teilnehmenden Worten der jungen Frau erholte sich Miß Fisher. Sie nocknetc die kalten Schweißtropfen, die auf ihrer Stirn standen, und sagte dankbar lächelnd: „Es ist wahr, ich hätte auf meineni Zimmer bleiben sollen, dann wäre mir dieser plötzliche Ohnmachtsanfall wohl nichl passiert; aber ich wollte meine Schmerzen sowie meine trübe Stimmung bezwingen." Hilda fragrc warm: „Was hat Ihre Stim mung getrübt, Miß Fisher?" Siesseufzte tief, ! bevor sie Fassung gewann, zu antworten: „Es s ist herb für mich, Missis Hayes. Nachdem ich kaum die freundliche Heimstätte bei Ihnen ge funden habe, muß ich meinen Fuß wieder weiter setzen." Hilda schaute sic erstaunt an: „Weshalb wollen Sie mich verlassen?" Miß Fisher erwiderte sanft: „Den ganzen Morgen trage ich diesen Kummer bereits mit mir umher. Meine liebste Freundin liegt in London totkrank. Sie beschwört mich, sie zu pflegen. Was bleibt mir übrig?" Hilda fiel eifrig ein: „Selbstverständlich, meine liebe Miß Fisher, reisen Sie sofort. Wilberforx wird Ihr Mädchen rufen, damit es Ihnen packen hilft. Sic können in einer Stunde von der Station abfahren. Lassen Sie mich aber, bitte, Ihre Adresse wissen." Wilberforx stand am Büffett, wo sich mehrere Flaschen Whiskey befanden. Hilda fing Miß Fishers Blick auf, der sich auf die Flaschen richtete. „Wie unbedacht von mir," rief sie, sich an Wilberforx wendend, „bringen Sie ein Glas Whiskey, Wilberforx, bevor Sie die Bestellung ausrichten. Miß Fisher fühlt sich gewiß noch schwach," und Miß Fisher trank ein großes Glas voll des feurigen Getränkes mit einem Zuge aus. x „Sie sind so gut gegen mich, Mistreß Hayes, viel liebevoller, als ich es verdiene," sprach die Leidende thränenfeuchten Auges, ich werde Ihnen schriftlich danken, besser als ich es heute in meiner Erregung vermag. Dann nenne ich Ihnen auch meine Adresse; bis jetzt weiß ich noch nicht, ob ich bei meiner Freundin wohnen werde oder ein — eigenes Quartier suchen muß, da sie sehr eng logiert ist." Miß Fisher reiste ab, nicht ohne daß Hilda in feinster Weise ihr ein Päckchen eingchändigr hatte, worin sich das Gehalt für ein ganzes Jahr befand. Lady Mildred schaute der Dame nach, wie sie in der eleganten Equipage davonfuhr. „Wie versteht sich Pierrepoint mit Miß Fisher?" fragie sie ihre Tochter. „Sie haben sich noch nicht gesehen. Als er bald nach ihrem Eintreffen zurückkam, vertrat sie sich den Fuß, und nun wird er sie wiederum nicht kennen lernen." „Das ist ein eigentümlicher Zufall. — Kind, ich gebe dir recht, ich traue der Person nicht, so liebenswürdig sie sich gibt. Ich weiß selbst nicht, worauf ich meine Meinung begründen soll, es ist mehr Gefühlssache." Am Tage nach diesem Ereignis besuchte Lady Mildred schon am Vormittag Mistreß Leigh in Barham, die sich mit Hildas Mutter befreundet und sie auf einen vollen Tag eingc- laden hatte. Lady Mildred wünschte, Hilda möchte sie begleiten, sie habe versprochen, sie mil zubringen, allein Hilda lehnte ganz entschieden ab. „Freiheit von jeder Kontrolle außer Pierre points ist der einzige Vorteil, der mir durch meine unglückselige Heirat zu teil geworden ist; ich will morgen zur Stadt fahren." Lady Mildred fügte sich ohne ein weiterer Wort. Allein mit ihren Gedanken, die sie seit Pierre points Anmeldung während jedes einsamen Augenblicks auf den einen Punkt konzentriert
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