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Allgemeiner Anzeiger : 12.12.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189412123
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18941212
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1894
-
Monat
1894-12
- Tag 1894-12-12
-
Monat
1894-12
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.12.1894
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Rundschau. Deutschland. Der' K aiser ist am 8. d. aus Hummels hain, wo er mit dem Herzog von Sachsen- Altenburg zur Jagd war, nach Potsdam zurückgekehrt. * Die Umsturzvorlage enthält nach der ,Franks. Ztg/ drei Artikel. Der Artikel 1 ent hält: 1) Aenderungen des Strafgesetzbuches, zu nächst des § 111 desselben, wodurch die Auf forderung zu Verbrechen und strafbaren Hand lungen mit Gefängnis bis zu 3 Jahren bestraft werden kann und auch diejenigen Personen be straft werden, die ein gemeingefährliches Ver gehen anpreisen oder als erlaubt darstellen; 2) eine Erweiterung des 8 112, der die Ver leitung von Soldaten und Militärpcrsonen mit schärferen Strafen bedroht, wenn dabei Bestre bungen hervortreten, die auf den Umsturz der Staatsgewalt gerichtet sind; 3) wird 8 126, der von der Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens handelt, auf die Bedrohung mit Verbrechen überhaupt ausgedehnt; 4) wird durch einen neuen Paragraphen die Bestrafung des Kom plotts vorgesehen, das darauf gerichtet ist, den Um sturz der Staatsordnung herbeizuführeu; 5) wird 8 130 dahin erweitert, daß Personen bestraft werden, die Religion, Monarchie, Familie, Ehe und Eigentum in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise durch beschimpfende Aeuße- rungen angreifen. — Artikel 2 betrifft die Dis ziplinierung von Offizieren und Unteroffizieren des Beurlaubtenstandes. Diese sollen ihrer Stellungen enthoben werden, sofern sie wegen Verletzung der Strafbestimmungen im Abschnitt 6 und 7 des Strafgesetzbuches, also wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, und wegen Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung mit mindestens 3 Monaten Gefängnis bestraft find. — Artikel 3 betrifft die vorläufige Beschlagnahme von Preßerzeugnissen im Falle des Vergehens wider die oben er wähnten 88 m, 112 und 130. *Das Weißbuch, das dem Reichstag zugehen soll, erörtert die südamerika nischen Verhältnisse. Vor drei Jahren erschien nach Beendigung des Aufstandes in Chile bekanntlich schon ein Weißbuch über Chile. * Der Senioren - Konvent des Reichstags hat sich gleich am Mittwoch abend mit dec Geschäftslage des Hauses beschäftigt. Die erste Beratung des Etats ist auf Dienstag (11. d.) festgesetzt worden, nachdem die Fraktionen am Montag, an welchem Tage die Sitzung aus fallen soll, zur Sache Stellung genommen haben werden. Im Verlaufe der nächsten Woche soll auch die erste Beratung der sogenannten Umsturz vorlage auf die Tagesordnung gesetzt werden. *28 Initiativanträge seitens der einzelnen Parteien waren bereits am Mittwoch mittag im Bureau des Reichstages eingegangen. *Wie aus Kiel gemeldet wird, hat das ge samte Manövergeschwader mit Aus nahme des Panzerschiffes „Weißenburg" seine Uebungsreise in die skandinavischen Gewässer an getreten. * Mit dem Bau des neuen Torpedo hafens am Nord-Ostseekanal wird demnächst begonnen, werden. Das Projekt für den Bau des Torpedoboothafens war bereits im vorigen Sommer in großen Umrissen fertig gestellt und ist seitdem weiter ausgearbeitet. *Die Schutztruppe in Deutsch- Südwestafrika soll demnächst einen Nach schub erhalten, jedoch nicht zur Verstärkung der selben, sondern zur Ergänzung für Abgänge. An die Frei-Angeworbenen ist die Anfrage er gangen, ob sie in die kaiserliche Schutztruppe eintreten wollen, nachdem ihre Vertragszeit nahe am Ablaufen ist. Ein Teil der Mannschaften hat sich zum Uebertritt bereit erklärt, ein anderer Teil will in die Heimat zurückkehren. Für die letzteren und für Erkrankte soll nun Ersatz hin gesandt werden, etwa in Stärke von 100 Mann. Oesterreich-Ungarn. * Das österreichische Abgeordnetenhaus lehnte in der fortgesetzten Spezialdebatte des Straf gesetzbuches den Antrag auf Aufhebung der Todesstrafe mit 148 gegen 66 Stimmen ab. Die rechte Kabe. SH (Schluß.) „Mit diesen Elfenfingern?" lachte Felix, jeden einzelnen ihrer zarten, weißen Finger küssend. ^Mein holdes Lieb, ich hoffe nicht, daß wir ihnen solche Zumutung zu stellen brauchen. Mein Ruf, meine Einnahmen sind in stetem Wachsen begriffen, so daß ich meinem geliebten Weibe ein Heim bereiten kann, ohne daß das zarte Komteßchen allzuviele ihrer Gewohnheiten darin entbehren wird. Dieser Aufschwung meines Künstlcrlebens wird, so hoffe ich, vielleicht auch deine Eltem allmälig mit dem Lose aussöhnen, das du dir nun erwählt." — Um dieselbe Zeit hatte Graf Harald eine ernste Unterredung mit seiner Stiefmutter. Ernster noch als gewöhnlich sah er aus, als er die Gräfin in ihrem Salon anfsuchte. „Ich bcdaurc, dich heute nicht in die Oper begleiten zu können," Hub er an, „und vielleicht ziehst auch du es vor, sie heute aufzugeben, denn ich habe dir eine Eröffnung zu machen, die unsere Beziehungen zu den Elkströms nun völlig ändert." „Ein kleiner Zwist mit unserer Kapriziosa?" lächelte die Gräfin. „Nun, Harald, du bist ja zum Glück nicht leicht reizbar und wirst auch jetzl wieder die erste Pflicht „des Verlobten", die liebenswürdige Geduld, üben." „Die Sache ist doch ernster: Komtesse Andy hat mir mein Wort znrückgegeben. Die Ver lobung war ein gegenseitiger Jn-tum." Er sah die Gräfin fest an, Au Ausdruck von Erleichte *Daß der Kaiser Franz Joseph mit der Unterschrift unter die kirchenpolitischen Gesetze Ungarns so lange zögert, wenn er sie auch schließlich gibt, wird als ein Miß trauenszeichen gegen dasMinisterium Wekerle aufgefaßt, weshalb dieses zum Rück tritt entschlossen sein soll. Frankreich. *Ferdinand v. Lesseps ist am Frei tag gestorben. Sein Ruhm als Erbauer des Suezkanals hat durch den Mißerfolg seines Panama-Unternehmens starke Einbuße er litten. Lesseps stand im 90. Lebensjahre. Schweiz. *Der Nationalrat beauftragte den Bundes rat, die Verhandlungen bezüglich einer inter nationalen Regelung der Arbeiter schutzfragen wieder aufzunehmen. Die Schweiz ergriff bekanntlich schon im Jahre 1889 die Initiative in dieser Angelegenheit, zog aber ihre Anregung zurück, nachdem bald darauf Kaiser Wilhelm durch seine Einladung zur Ber liner Arbeiterschutz-Konferenz die Sache in die Hand genommen hatte. *Die Einführung des zehnstündigen Maximalarbeitstages in der Schweiz an Stelle des dort bestehenden 11stündigcn Maximal - Arbeitstages hat der schweizerische Nationalrat mit allen gegen 4 Stimmen abge lehnt. Italic«. *Nach einer Meldung aus Rom wird die Mitteilung, daß der Papst in Petersburg bei der Krönung des Zaren sich durch einen Nuntius werde vertreten lassen, in vatikanischen Kreisen noch nicht offiziell bekannt gegeben, doch wird derselben eine große Glaubwürdigkeit bei gemessen und in dieser Mission des Nuntius ein neuer Schritt des Papstes zur Wiedervereinigung der morgenländischen mit der katholischen Kirche gesehen. * Der Umstand, daß in der italienis ch en Thronrede der Dreibund mit keinem Wort erwähnt wurde, gibt französischen und englischen Blättern Anlaß zu der Meldung, Italien beabsichtige, von ihm zurückzutreten. Diese ganz willkürliche Annahme hat selbstverständlich mit den Thatsachen nichts zu thun, auch hier ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Italien weiß zu gut, wie wichtig und unentbehrlich ihm derzeit seine beiden Bundesgenossen sind. Rustland. *Ein Erlaß des russischen Ministeriums des Innern erklärt die in Rußland aufgetauchte Sekte der Stund isten als eine der gefähr lichsten für Staat und Kirche und verbietet unter schweren Strafen öffentliche stundistische Gebetversammlungen. Balkanstaaten. * Die bulgarische Sobranje erklärte die Wahlen in Bela Slatina, wo am 11. September Dragan Zankow und am 18. September der inzwischen vom Amte zurückgetretene Minister Tontschew gewählt worden waren, wegen vor gekommener Wahlunregelmäßigkeiten für un gültig. Für diesen Beschluß stimmten auch fast alle Zankowisten. Amerika. *Jn dem Staate Kolorado der Ver. Staaten von Nordamerika haben bei den letzten Staatswahlen 70000 Frauen von ihrem Stimmrechte Gebrauch gemacht. Im all gemeinen sind die Frauen konservativ und schutz- zöllnerisch. Sie waren schuld, daß die Volks partei unterlag und die Republikaner unerwartet einen großen Sieg davontrugen. In Kansas wollte man auch das Frauenstimmrecht für die Staatswahlen einführen. Der Antrag wurde aber mit großer Mehrheit abgelehnt. Asien. * Neuere Depeschen des Marschalls Aama- gata berichten weitere Gefechte in der Mandschurei mit wechselndem Ausgang. Befremden dürfte die weitere Mitteilung, daß die Japaner auf dem Rückmarsch nach Antarg am Dalufluß begriffen sind. Wenn das richtig ist, so würde sich daraus ergeben, daß die Japaner schon ihre Winterquartiere beziehen wollen. * Englische Zeitungen melden, daß Major Hanneken eine chinesische Armee von 100 000 Mann organisiere, die nur von Euro päern befehligt werde. Das erinnert ein wenig an das schöne Lied vom General Laudon mit 500 000 Mann. Denn wie die Chinesen jetzt in aller Eile solch ein Heer aus dem Boden stampfen sollen, sie, die nicht einmal fähig waren, ihre stärksten Festungen genügend zu besetzen, ist ein unlösbares Rätsel. Deutscher Reichstag. In der Eröffnungssitzung im alten Rcichstagsgebäude am Mittwoch übernimmt der Präsident v. Levetzow den Vorsitz und ernennt zu provisorischen Schriftführern die Abgg. Mirbach (fretkons.), Krebs (Zentr.), Dr. Kropatschek und Dr. Pieschel (nat.-lib.) Ein gegangen sind an Vorlagen der Etat für 1895'96 mit Anlagen und Anlcihegesetz und Rechnungs- Vorlagen. Zur Feststellung der Beschlußfähigkeit des Hauses mutz nach der Geschäfts-Ordnung der Namensaufruf vorgenommen werden. Derselbe ergievt die Anwesenheit von 383 Mitgliedern, das Haus ist somit beschlußfähig. — Präsident v. Levetzow: Ich schlage vor, die nächste Sitzung morgen Donners tag, 1 Uhr, zu halten im neuen Reichstags gcbäude und auf die Tagesordnung zu setzen die Wahl des Präsidiums und drei schleunige Anträge wegen Ein stellung von Strafverfahren gegen die Abgg. Schippel (soz.), Herbert (soz.) und Hirschel (Antis.). Damit schlägt die Stunde der Trennung von diesem Hause, welches den Reichstag 23 Jahre lang beherbergt hat. Mit vielem Geschicke und großem Fleiße wurde im Jahre 1871 dieses Haus zum provisorischen Gebrauch für den Reichstags hergerichtet, nachdem der Plan, ein dem erstandenen Reiche würdiges Gebäude zu errichten, schon gefaßt und die Mittel dazu aus der französi- schen Kriegsentschädigung reserviert waren. Am 16. Oktober 1871 hat der Reichstag unter dem Prä sidium des Dr. Simson seine erste Sitzung gehalten. 21 von dm damaligen Mitgliedern gehören noch heute ihm an, die allerdings nicht ununterbrochen es gewesen sind. Gar viele von den Männern, die an jenem Tage in diesem Saale gesessen, sind zu ihren Vätern heimgegangen und ost haben wir uns, um ihrer zu gedenken, traurig von unseren Sitzen erheben müssen. Aber das Haus hat auch die für die Be gründung des Reiches bestimmte Gesetzgebung voll zogen, hat den legislativen Ausbau des Reiches, Hst die Justiz-, die soziale Gesetzgebung und diejenige vollzogen, die auf die Heeresverstärkung, die Kolonialpolitik Be zug hatten. Wir haben aber auch hier die betrübende Kunde von dem Ablebm des alten Kaisers Wilhelm, des Begründers des Reiches, erhalten, wir haben den betrübenden Tag erleben müssen, als der überall überaus schmerzlich empfundene Tod Kaiser Friedrichs eingetreten war und des jetzigen Kaisers Majestät die Regierung übernahm. Wie überall, so haben wir auch gute und böse Tage gehabt, Mei nungsverschiedenheiten, Redekämpfe, große Sitzungen, viele Arbeit, aber auch Bekanntschaften und Freund schaften haben wir geschlossen. Stets war es aber die Fahne des Reichs, die wir hochgehalten. Einig fühlen wir uns in diesem Ausdruck und die Er innerung an die Stunden, die wir hier ver bracht haben, macht uns die Trennung schwer. Indem ich diesen Platz verlasse, danke ich dafür, daß der Reichstag während der langen Dauer meiner Amtsführung mir keinen Augenblick sein Wohl wollen, seine Unterstützung und Nachsicht vorenthalten hat. Das sei mein letztes Wort und damit schließe ich die Sitzung und das Haus. — Außerhalb der Sitzung und des stenographischen Protokolls schlage ich den Herren vor, heute Abend gegen 9 Uhr in dem neuen Reichstagsgebäude zu einer zwanglosen Vereinigung zusammenzukommen. Die zweite Plenarsitzung fand am Donnerstag im neuen Reichstagsgebäude statt. Präsident v. Levetzow eröffnet die Sitzung mit einer begrüßenden Ansprache, beginnend: „Mel Glück und Heil!" Es sei ein großartiger Augenblick, der seines Gleichen nicht habe. Schon der Anbkck der herrlichen Räume des neuen Gebäudes, an dem deutsche Kunst, deutsches Hand- ! werk und Gewerbe ihre ganze Kraft eingesetzt, erhebe ! das Herz, und dankbar gedenke man des genialen ! Baumeisters. Es sei ein Denkmal von hohem ! vaterländischen Wert; die Aufgabe desselben könne j aber nur gelöst werden, wenn alles, was mau darin berate, im Dienste des Vaterlandes geschehe. Nur dem Kaiser, dem Reich und dem deutschen Volke wollen wir dienen. Das sei die des obersten Gesetz de>»Reichs- tages! Präsident v. Levetzow schloß mit einem Hoch auf den Kaiser, in welches der Reichs tag dreimal einstimmte. Nur die Sozialdemo kraten blieben sitzen, was auf verschiedenen Seiten des Hauses lebhaften Unwillen und Pfuirufe hervor rief. Sodann gelangt ein Schreiben des Reichs kanzlers, Fürsten zu Hohenlohe-Schillingsfürst, zur Verlesung, in dem derselbe seine Ernennung zum Reichskanzler anzeigte. Eingegangen ist die Um sturzvorlage und eine Mitteilung des Reichskanzlers betr. das Handelsprovisorium mit Spanien. — Abg. Gescher zeigt an, daß er infolge seiner Er nennung zum Ober-Regierungsrat in Düsseldorf lein Mandat niederlege. Alsdann wird in die Tages ordnung eingetreten. Abg. Graf Hompesch schlägt vor, Herrn v. Levetzow durch Akklamation als ersten Präsidenten wiederzuwählen. Präsident v. Levetzow nimmt die Wahl mit Dank an. Zu Vizcpräsidcnien werden auf Vorschlag des Frhrn. v. Manteuffel die Abg. Frhr. v. Buol und Dr. Bürklin ge wählt. Bei der Wahl der Schriftführer beantragt Abg. Singer, den Abg. Fischer (soz.) auf die Liste zu setzen, welchem Vorschlag das Han? entsprach. Es findet infolgedessen die Wahl der Schriftführer durch Zettelabgabc statt, deren Resultat später verkündet werden wird. — Der Präsident v. Levetzow nimmt Veranlassung, auf das Nichl- erhebcn der sozialdemokratischen Abgeordneten bei dem Hoch auf den Kaiser zurückzukommcn und be merkt, es entspreche ein solches Verfahren nicht der Sitte deutscher Männer, beleidige vielmehr die Ge fühle der übrigen Mitglieder dieses Hauses. Er bedauere, daß er keine Mittel habe, um solche Vor kommnisse zu verhüten. — Unter großer Erregung des Hauses antwortet der Abg. Singer (soz.): Ich erkläre, daß wir gegenüber dem Umstande, wonach beschlossen war oder in Aussicht gestellt worden ist, zu befehlen, daß Soldaten, die Söhne des Volkes, auf ihre Brüder, Mütter und Väter schießen sollen, und gegenüber der Thatsachc, daß wir jetzt eine Gesetzesvorlage zu beraten haben, die sich gegen uns richtet, es mit unserer Würde und Ehre nicht vereinbar finden, in ein solches Hoch cinzu- stimmen. Der Antrag Auer aus Aussetzung der gegen die Abgg. Herbert, Schippel und Hirschel schwebenden Strafverfahren während der Dauer der Session veranlaßt eine ausgedehnte und sehr lebhafte Debatte. Schließlich werden die Anträge auf Ein stellung der gegen die Abgg. Herbert, Schippel und Hirschel schwebenden Strafverfahren angenommen. Nächste Sitzung Dienstag. Non Uah und Fer«. Geschenke des Kaisers. Wie man aus Kairo meldet, ließ Kaiser Wilhelm II. kürzlich durch den dortigen Vertreter, Baron v. Heyking, zwei Beduincnscheichs goldene Uhren überreichen. Die Uhren zeigen innen auf einer Seite das Bildnis des Kaisers und dessen Namenszug, auf der anderen den Namen des betreffenden Scheichs. Die Geschenke sollen eine Anerkennung für die Dienste bilden, die die beiden Scheichs verschiedenen deutschen Archäologen bei deren wissenschaftlichen Untersuchungen geleistet haben. Höchste Unverschämtheit. Ein reicher und sehr wohlthätiger Berliner namens H. hatte unter seinen vielen Schützlingen auch einen ge wissen Tarlauer, dem er seit etwa dreißig Jahren eine monatliche Unterstützung von 20 Mk. ge währte. Im Laufe der langen Zeit hatte sich ein gewisses freundschaftliches Verhältnis zwischen Almosengeber und Empfänger herausgebildet, MN so mehr, als der letztere streng darauf hielt, das Stipendium immer von Herrn H. persönlich zu erhalten. Aber eines Tages, als wieder der Monatserste da war, blieb der biedere Tarlauer aus. Dagegen erschien einige Zeit darauf ein Rechtsanwalt und bat, Herrn H. in einer Testa mentsangelegenheit sprechen zu dürfen. „JL einer Testamentssache ?" entgegnete verwundest Herr H. „Wer könnte wohl meiner in seinem letzten Willen gedacht haben?" — „Ein Herr Tarlauer!" — „Tarlauer? Den Mann habe ich ja seit dreißig Jahren unterstützt." — „Das ist es eben," sagte der Rechtsanwalt zu Herrn H., dessen Staunen den höchsten Grad erreichte, „Sie sollen auch keine Erbschaft erhalten, son dern eine solche . . . bezahlen. Hören Sie nur: Herr Tarlauer hat ein Testament hinterlassen, das u. a. folgende Bestimmung enthält: „Ich bestimme hiermit, daß die zwanzig Mark, die ich seit Jahren monatlich von Herrn H. erhalle, weiter gezahlt und zu wohlthätigen Zwecken als „Tarlauer-Stistung" verwendet werden sollen." Herr H. soll über die Unverfrorenheit des „Erb lassers" lange wie versteinert dagesessen haben. Dann aber fand er, daß der Witz monatlich zwanzig Mark für wohlthätigc Zwecke wert sei, und sagte lachend: „Herr Rechtsanwalt, ich trete die Erbschaft an." Der deutsche Seefischerei-Berein beab sichtigt im Jahre 1896 in der Berliner Aus stellung eine allgemeine deutsche Seefischerei-Aus stellung zu veranstalten. Den wesentlichen Be standteil wird eine große Flschkosthallc bilden mit besonderen Räumen für die Speisung be- rung, ja fast von glückseliger Heiterkeit spiegelte sich sehr erkennbar in seinen Augen. „Harald!" rief die Gräfin erblassend. „Du hast natürlich den Bruch provoziert. Du bist eben eine bedauerliche Abart eures Geschlechts, ein echter Prittwitz hätte es wahrlich heiliger mit seinem Wort genommen," stieß sie verächtlich hervor. Ihr haßerfüllter Zorn vermochte sich nicht länger zu beherrschen. „Nicht weiter," sagte Harald in drohender Auflehnung. „Ich habe schwer gelitten um dieses übereilt verpfändeten Wortes willen. Ich hätte es dennoch eingelöst, selbst um den Preis meines Lebensglückes, aber nun, da Andy mich hoch herzig freigibt, indem sie offen ihre Liebe zu Tiedow bekennt, gestehe ich dir rückhaltlos, daß ich über diese Lösung aller Wirren unendlich glücklich bin." „Das ist allerdings eine überraschende Neuig keit, aber ich bin nicht so einfältig, sie für mög lich zu halten." Die Gräfin lachte hohnvoll. „Andy, des Malers Frau? Das ist absurd. Da kenne ich sie doch besser mit ihrer Sucht nach Prunk und Verschwendung." „Du zögertest nicht, mich mit einer Frau von solchen Eigenschaften zu vermählen!" entgegnete Harald bitter. „Verhindern diese uns vielleicht, einem vor nehmen Hause glanzvoll vorzustehcn?" meinte sie sarkastisch. „Man erzieht uns ja für den Luxus, die Präsentation: Schönheit und Talent dafür ist es, was man von uns verlangt. So kann ich nur wiederholen, Andy wäre die Frau gewesen, dein ernstes, dunkles Haus strahlend zu beleben." .Und nun erlebst du die Täuschung, da' diese elegante Weltdame von ihren aristokratischen Dogmen absüllt, an ein Glück des Herzens glauben will und — bürgerlich romantisch handelt. Für dich mag das betrübend sein, mir ist es eine Genugthuung. Jetzt erst bewundere ich diese tapfere kleine Andy." Die Gräfin schritt erregt in dem Salon auf und ab. „Und mit welchen wahnsinnigen Zu kunftsplänen trägst denn du dich?" fragte sie plötzlich, vor Harald stehen bleibend. „Wenn ich an Andys Abfall glauben muß, so wird mich, was dich betrifft, nichts mehr überraschen. Ich bin gefaßt, die erste beste Dame „vom Zaun" nun hier als Gräfin Prittwitz einzichcn zu sehen. — Aber sieh' dich vor, deine Verpflichtungen gegen mich wenigstens können nicht erlöschen, so lange ich lebe." „In pekuniärer Beziehung bleiben sie selbst redend bestehen," entgegnete er kalt; „einen mora lischen Zwang dagegen erdulde ich ferner nicht. Die schönsten Jahre des Lebens habe ich deinem Frohndienst geopfert, ich ertrug jede Unbill um des Namens willen und weil mein Herz eben für sich selbst nichts verlangte. Nun aber liebe ich mit heißer, starker Innigkeit. Wer könnte es mir verargen, wenn ich endlich glücklich sein will? Du wirst mich nicht hindern, Inez Wallmor als die würdigste Herrin hier in das Schloß meiner Ahnen zu führen." „Du mußt dir sagen, daß ich nimmer neben dieser Bildhauerin hier leben werde, somit hat das Schloß nicht länger Raum für mich.". Wenn du die schöne, hochbegabte Künstlerin 's Tochter willkommen heißen magst " iemals, ich hasse das Mädchen, nur sie hat jedenfalls den ganzen Umsturz bewirkt," ries die Gräfin außer sich. „So wirst du allerdings deinen Aufenthalt nach Belieben wählen müssen," vollendete Harald" kalt. „Die Jahre der Leidenschaft dürften für dich vorüber sein," fuhr er mit erhöhter Stimme fort, „ich werde nicht mehr gezwungen sein, über die Ehre meines Namens zu wachen, und daun, es gibt jetzt Schöneres, Höheres für mich, als das Phantom des Namens." „Du wagst es, mich zu beleidigen? O, daß dein ritterlicher Vater dich hören könnte!" „Nur die Sprache eines unterdrückten Mannes ist es, der in seinem geschädigten Recht endlich den Mut zu entscheidendem Handeln gefaßt," war Haralds ruhig stolze Entgegnung. Hoch erhobenen Hauptes verließ er das Gemach, zum ersten Mal gleichmütig den heuchlerischen Thränen der Frau widerstehend, die so lange Jahre hin durch ihm das Leben verbittert. * - * * Am nächsten Tage, sobald die Schicklichkei: es irgend gestattete, eilte Graf Harald sehnsuchts- Loll in die Villa Wallmor. Das Hans wqr unheimlich Ml und leer. Im Vestibül nmher^ stehende Koffer sagten ihm, daß man sich zur Abreise gerüstet. Niemand kam, ihn zu melden. So schlug er endlich zagend den wohlbekannten Weg zum Atelier ein. Auch hier alles von derselben unheimlichen Leere, dem ängstlichen Schweigen umsponnen. Harald schauderte. Nun die beseelenden Gebilde entfernt waren, schien das Gemach nur ein weites, dunkles Groch.
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