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Allgemeiner Anzeiger : 10.11.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189411107
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18941110
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-11
- Tag 1894-11-10
-
Monat
1894-11
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.11.1894
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser hörte Montag vormittag im Neuen Palais die Vorträge des Chefs des Zivilkabinetts, des Staatssekretärs des Reichs marineamts und des Chefs des Marinekabinetts. Mittags begab er sich nach Berlin, um dem Trauergottesdienst in der. Kapelle der russischen Botschaft beizuwohnen. Nach demselben be sichtigte der Kaiser im königlichen Schlosse den Umbau des Weißen Saales und empfing darauf den deutschen Konsul für Norwegen, Coates. * Fürst Hohenlohe wird am 10. Novem ber in Straßburg eintreffen, um seinen dortigen Hausstand aufzulösen. Zu gleicher Zeit kommt sein Nachfolger dorthin, der am 1. De zember die Statthaltergeschäfte übernehmen will. *Wie die ,Kreuz-Ztg.' hört, ist dem Bundes rat der Entwurf eines Gesetzes betr. die Auf nahme einer Anleihe für Zwecke der Ver waltungen des R e i ch s h e ers, derMarine und der R ei ch s eis enb ah n en für 1895/96 zugegangen. * Die kaiserl. Verordnung, die denReichs - tag auf den 15. November einberufen hatte, wurde amtlich aufgehoben und die Einberu fung auf den 5. Dezember verschoben. Es ist wohl das erste Mal, daß ein solcher Widerruf erfolgt. Als Grund wird die Ein setzung eines neuen Reichskanzlers angesehen, die eine Verschiebung des Termins wünschens wert erscheinen lasse. Im Interesse einer ersprieß lichen Erledigung der parlamentarischen Geschäfte ist dieser ganz ungewöhnlich späte Beginn der Reichstagsscssion zu bedauern. In den vierzehn Tagen vor den Weihnachtsferien ohne irgend welche größere Entscheidungen wird das Haus überaus spärlich besetzt sein. * Neber die geschäftlichen Dispositionen für den Reichstag hört die ,Nat.-Lib. Korr/, daß alsbald nach der Eröffnung die Vorlage zur Bekämpfung der Umsturzbestrebungen eingebracht wird, und zwar zunächst als einziger Gegenstand. Da bei dem ver späteten Beginn der Session nach den ein leitenden Förmlichkeiten nur noch wenige Tage vor den Weihnachtsferien zur Verfügung stehen werden, werde die Zeit mit der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs wohl vollständig aus gefüllt werden. Diese Anordnung erscheine zweckmäßig, damit nicht wieder, wie schon oft, die erste Etatsberatung sich über alle möglichen großen schwebenden Fragen verbreitet, die ein heitliche und auf die vorliegende Sache beschränkte Behandlung verzettelt und eine Voreingenommen heit schafft, chc genau bekannt ist, was eigent lich in der Umsturzfrage vorgeschlagen wird. *Auf eine Eingabe aus Hannover an den Reichsbankpräsidenten Dr. Koch in Berlin betreffend Kreditgewährung an Genossenschaften hat der Reichsbank präsident erwidert, „daß es die Kreditgewährung seitens der Reichsbank an die Genossenschaften wesentlich fördern würde, wenn sich diese zu leistungsfähigen Zentralkassen zusammenschließen. Den auf Errichtung solcher Zentralkasscn ge richteten Bestrebungen widme ich daher meine volle Teilnahme und darf versichern, daß die Reichsbankverwaltung die Pflege des Verkehrs mit soliden Instituten dieser Art sich angelegen sein lassen wird." * Die Stichwahl im Reichstagswahlkreise Bernburg-Köthen zwischen dem National liberalen Dr. Friedberg und dem Sozialdemo kraten Schulze findet am 13. d. statt. * Für die Wahlen zum Landesausschuß für Elsatz-Lothringen hat der bisherige Ab- geordnete Hommell ein Programm veröffentlicht, worin es heißt: „Die noch vorhandenen Aus nahmegesetze müssen aufgehoben werden, und jeder Elsaß - Lothringer muß die jedem anderen deutschen Bürger zustehenden Rechte voll und ganz genießen. Lange genug hat unsere Be vormundung gedauert; wir stehen alle auf dem Boden des Frankfurter Vertrages, verlangen aber auch, daß die Regierung uns die gleichen Rechte gewährt, wie jedem Bürger eines anderen Bundes staates." Oesterreich-Ungarn. * Wie die Blätter melden, richtete der Reichs- Kriegsminister an sämtliche Korpskomman- danten einen Erlaß gegen Beschimpfung und Mißhandlung der Mannschaften. *Jm österreichischen Abgeordneten hause gab es bei der Trauerkundgebung für den Zaren Alexander am Montag einen kleinen Skandal. Präsident v. Chlumecky widmete dem verstorbenen Zaren einen Nachruf. Kaum hatte Chlumecky seine Ansprache, bei der sich die Ab geordneten von den Sitzen erhoben hatten, be endet, so rief der polnische Abgeordnete Lewa- kowski: „Ich protestiere gegen diese Kundgebung im Namen der vom verstorbenen Kaiser so schwer bedrückten polnischen Nation!" Die Jungtschechen, die sonst gar nicht so zartfühlend sind, riefen Lewakowski zu: „Sie achten nicht einmal einen Toten, Sie Barbar!" Frankreich- * In der Madagaskarfrage hat die Howas - Regierung nun doch geantwortet, und zwar, daß sie sich nur der Gewalt unterwerfen werde. Damit ist der Bruch vollzogen. * Der französische Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus, gegen den bekanntlich gegenwärtig ein Verfahren wegen Hochverrats schwebt, ist 1859 in Mülhausen (Elsaß) geboren und hat für Frankreich optiert. Nach dem Militärstraf gesetzbuch könnte Dreyfus zu höchstens fünf Jahren Gefängnis verurteilt werden; aber man erinnert an den Fall des Unteroffiziers Chate lain, der vor sechs Jahren Deutschland und Italien Lebelgewehre zum Verkauf angeboten hatte und dafür nach Artikel 76 des Zivilstraf gesetzbuches, weil die Todesstrafe für politische Verbrecher abgeschafft worden war, zu lebens länglicher Deportation in einen befestigten Ort verurteilt wurde. Hauptmann Dreyfus dürste ebenfalls, wie es jetzt heißt, dem Artikel 76 und zugleich dem Gesetz betr. die Spionage unter stehen und zur gleichen Strafe verurteilt werden wie Chatelain. England. * In London ist am Sonntag abend vor einem Hause in Tilney Street in der Nähe des Hydepark eine Bombe explodiert. Das Haus wurde erheblich beschädigt; in den benach barten Häusern spra. gen die Fensterscheiben. Nach einem Gerücht, das der Bestätigung be darf, war das Attentat gegen den in der Nähe wohnenden Richter Hawkins gerichtet, der kürzlich mehrere Anarchisten verurteilt hat. * Am Donnerstag fanden die städtischen Wahlen in England und Wales statt. Dieses Mal hatten auch die unabhängige Arbeiterpartei und die Sozialisten in vielen Städten Kandidaten aufgestellt. Die „Arbeiterpartei" hat 14 Sitze erbalten, die Sozialisten haben drei Stadtratsmitglicder durch gebracht. Im allgemeinen scheinen die Konser vativen den größeren Vorteil gehabt zu haben. Belgien. * Die am Sonntag vorgenommenen Stich wahlen zu den Provinzialräten be stätigen im allgemeinen die Resultate der am vergangenen Sonntag stattgehabten Hauptwahlen. Das Gesamtresultat stellt sich wie folgt: Katho liken 417, Liberale 181, Sozialisten 57 Mandate. Schweiz. *Am Sonntag wurde in der Schweiz über den sogenannten „Beutezug", d. h. das aus gestellte Begehren, die Eidgenossenschaft solle aus den Zolleinnahmen jährlich 6 Millionen an die Kantone abgeben, die erforderlich gewordene Volksabstimmung vorgenommen. Dieselbe ergab die V erw erfung der verlangten Verfassungs änderung mit ungefähr 329 000 gegen 140 000 Stimmen. (Die Zentralgewalt würde durch An nahme dieses Antrages sehr geschwächt worden sein.) Rußland. * Zar Nikolaus derZweite hat gegen wärtig viel mit dex Beantwortung der Ergeben heitskundgebungen zu thun. Dem Staatsrat hat er erwidert, daß er die Bahnen nicht verlassen werde, die ihm sein Vater vorgezeichnet habe. Man schließt daraus, daß die Hoffnung auf Erlaß einer Verfassung nicht erfüllt werden würde. — Die Leiche des verstorbenen Zaren wird am 12. d. nach Moskau übergeführt. — Die Hochzeit des Kaisers mit der Prinzessin Alix (oder wie sie seit ihrem Uebertritt zur russisch-orthodoxen Kirche heißt: Alexandra Feodorowna) muß nach russischem Ritus noch vor Beginn der Adventszeit (16. Dezember) stattfinden. Balkanstaaten. - * Das bulgarische Regierungsblatt Mir bestätigt die Nachricht, daß der KaiserNiko - laus dem Prinzen Ferdinand auf dessen Bcileidskundgebunngen ein Dankestele gramm gesandt habe. Das Blatt fährt alsdann fort: Möge dieser Austausch freundschaftlicher Gesinnungen zwischen den Souveränen Ruß lands und Bulgariens den Weg zur Verständi gung zwischen beiden Ländern eröffnen. Asien. * Das ununterbrochene siegreiche Vor dringen der Japaner, durch das nun schon die Hauptstadt Chinas unmittelbar ge fährdet erscheint, hat die chinesische Regierung zu Entschlüssen getrieben, wie sie nur in äußerst kritischen Zeiten gefaßt zu werden pflegen. Nach einer Meldung aus Tientsin ist Prinz Kung zum Diktator ernannt worden. Li-Hung- Tschang, der bisherige Vizekönig, der in Ungnade gefallen war, wird das Kommando der ersten Armee in Lutai übernehmen. Liukunyi, der Vizekönig von Nanking, wird Vizekönig von Tientsin. Der Richter Huyuff und Kapitän von Hanneken haben den Befehl erhalten, eine neue Armee nach deutschem Muster als Kern eines neuen großen Heeres zu organisieren. * An der indisch-afghanischen Grenze hat ein heftiger Kampf zwischen Ein geborenen und englifch-indischen Truppen statt gefunden. Die Waziristämme an der Grenze zwischen Afghanistan und dem Pendschab griffen die indischen Truppen, die die Abgrenzungs kommission begleiteten, an und wurden nach er bittertem Kampfe zurückgeworfen. 250 Waziris wurden getötet, von den indischen Truppen wur den 44 getötet; ein englischer Offizier fiel, fünf wurden verwundet. Uon Uah «nd Fern. Der jüngst nach Eisleben gefallene Gewinn von 200 000 Mk. der Preuß. Lotterie wird Gegenstand eines Rechtsstreites werden. Das Los war von den Eislebener Agenten der Ostrauer Trichinenvcrstcherungsanstalt im Auf trage der Anstalt gespielt worden. Die Agenten glaubten nun, einer getroffenen Abrede gemäß, auf ein Viertel des Gewinnes Anspruch zu haben. Die Versicherungsanstalt will aber nur ein ! Fünftel zahlen. Außerdem macht auf den Ge- i Winn auch noch die Witwe des früheren Jn- j Habers der Versicherungsanstalt Anspruch. Vor aussichtlich wird die Sache zum gerichtlichen Austrag kommen. Ein Fall von Cholera ist, wie aus Glogau geschrieben wird, in einer Arbeiter familie in dem vier.Kilometer entfernten Jätschau vorgekommen. In der Familie sind in den letzten Tagen zwei Kinder im Alter von vier Monater bezw. 2^ Jahren an Brechdurchfall gestorben, bei einem 8 Jahr alten Mädchen der selben Familie wurde asiatische Cholera bakterio logisch durch Prof. Flügge in Breslau am Sonntag festgestellt; ein viertes Kind ist auch erkrankt. Der Urspruug der Cholera ist rätselhaft. Münzfund. Das Rittergut Groß-Dallenthin bei Graudenz ist in Rentengüter zerlegt worden. Einer der Rentengutserwerbcr, der Besitzer Raasch, hatte vor einigen Tagen das Glück, beim Pflügen seines Ackers auf eine eisenbeschlagene Kiste mit etwa einem Zentner polnischer Silber münzen, meist mit dem Gepräge 1780 versehen, zu stoßen. Ein Feinschmecker. Weinbergbesitzer in der Nähe von Koblenz klagen seit Jahren über Beraubung ihrer Weinstöcke durch Dachse. In der Nacht zum 2. d. gelang es dem Kastellan des Schützenhofes zu Koblenz, seit kurzer Zeit den vierten Dachs abzufangen; derselbe hatte ein Gewicht von 40 Pfund. Welchen Schaden diese Tiere anrichten, ergibt sich daraus, daß ein Dachs in einer Nacht 10 bis 12 Pfund Trauben frißt. Wechselfälscheriu. In Mannheim wurde im Gebäude der Mannheimer Bank eine gut ge kleidete ältere Frau verhaftet, die dort versucht hatte, einen gefälschten Wechsel in Höhe von 490 Mk. unterzubringen. Der Kassierer hatte sofort die Fälschung erkannt und sich durch tele phonische Anfrage bei dem Bezogeneu, dem Be sitzer einer bedeutenderen Gärtnerei, vergewissert. Bei der Frau, die bei ihrer Verhastung ver zweifelte Anstrengungen gemacht hatte, das Fal sifikat zu zerreißen, wurden noch mehrere aus gefüllte Wechsclformulare und ein Rasiermesser gefunden, das wahrscheinlich im Falle eines Fehlschlags des Versuchs zum Selbstmorde be nützt werden sollte. Die Verhaftete nennt sich Frieda Wagener und behauptet, in Horkheim bei Heilbronn eine Samen- und Spezcreihandlung zu besitzen. Die eingeleitete Untersuchung hat bisher ergeben, daß die Fälscherin in Heidelberg Komplicen hat und daß der Schwindel systematisch betrieben werden sollte. Typhusepidemie. Im hamburgischen Amt Ritzebüttel sind verschiedene Typhusfälle vor gekommen. Die Polizeibehörde verbietet das Trinken von Wasser, das dortigen Flüssen ent nommen ist, weil die Krankheitsfälle darauf zurückzuführen sind. Die Hans Sachs-Feier in Nürnberg zum Gedenken des 400. Geburtstages des be rühmten Meistersingers nahm einen glänzenden Verlauf. Bekanntlich ist Hans Sachs auch auf den Spitalplatz in Nürnberg ein Denkmal in Erz errichtet worden. Zu den Fuchsmühler Bauern-Krawallen. Die ,Amberger Volksztg.' erfährt aus dem um fassenden amtlichen Berichte des Obersten des dort garnisonicrenden Regiments, daß die schonendste Säuberung des Fuchsmühler Waldes eiugcschärft war. Die beiden getöteten, sowie die verwundeten Bauern hatten die Soldaten mit Aexten und Sägen bedroht. Die den Verletzten beigebrachten Stiche in den Rücken rühren von Soldaten her, die sich gegenseitig bei der Ver teidigung unterstützten. Ein Haberfeldtreiben hat trotz der ange drohten Strafen in der Nacht auf Donnerstag in dem Bezirk südöstlich von München wieder stattgefunden, diesmal in der Umgegend von Erlach (bei Otterfing). Nachts gegen 1 Uhr schreckten Böller- und Flintenschüsse die schlaf trunkenen Bewohner von Erlach aus den Federn. Man wurde sogleich iune, daß man es hier mit Haberern zu thun hatte. Die große Menge der Haberfeldtreiber (man schätzt sie auf 300 bis 400 Mann) hatte sich in zwei große Gruppen geteilt, hauptsächlich um und auf dem Berge zwischen Erlach und Steingau postiert, wo auch das Treiben stattfand. Nachdem die Haberer nach altem Brauche verlesen worden waren, be gann das Treiben, das verschiedenen Bauern rc. der ganzen Umgebung (Otterfing, Erlach, Bayerrain, Steingau rc.) galt. Da das Haberer- gcricht ganz unverhofft kam, hatten die Ruhe störer, weil keine Gendarmerie am Orte war, gar kein Hindernis zu überstehen. — Wie ver lautet, haben die scharfen Schüsse der HaberÜ keinen wesentlichen Schaden angerichtet. Das Treiben endete gegen zwei Uhr, worauf die Ge sellschaft ebenso geheimnisvoll, wie sie gekommen, wieder verschwand. Selbstmord eines Notars. In Zwei brücken erschoß sich der im 40. Lebensjahre stehende Notar Wolff aus Hagenau. Die Motive, die ihn zur That veranlaßt, sind nicht bekannt. Gänzlich verarmt kam letzter Tage in Zürich der 38 jährige Apotheker Gallati von Glarus mit seiner Frau, einem Knaben und zwei Mädchen an. Gallati wurde wegen Unter schlagung von 600 Frank verhaftet. Frau Gallati erdrosselte alsdann ihre drei Kinder und tötete sich selbst, indem sie sich mit einem stumpfen Taschenmesser die Halsschlagadern durchschnitt. In einem hinterlassenen Briefe erklärte sie, sie habe ihre Kinder vor Elend bewahren wollen; ihr Mann könne jetzt thun, was er wolle. Selbstmord einesGeneralstabsoffiziers. In Wien hat am 4. November ein hoffnungs voller und sowohl in Militär- wie in Zivilkreiset angesehener junger Generalstabsoffizicr, Haupt mann Kurt v. Reutter, sich in seiner Wohnung erschossen, v. Reutter war seit einigen Monats Bräutigam, seine Braut gehört einer der ange- Aie rechte Kabe. )l' lTr-rtieyuna. Andy zuckte auf, ihre Augen wichen scheu den seinen aus. „Ist es nicht genug des Glückes?" murmelte sie. Wie mit eisernem Griff preße er ihre Hände: .Andy, liebst du mich?" „Hätte ich sonst deinen Kuß geduldet?" Und wieder umschlang sie ihn in heftiger Leiden schaft. „Ja, ja, ich liebe dich, hörst du es, Felix? wie ich niemals einen wieder Mann lieben werde." So darf ich bei deinem Vater um dich werben, Andy, heute noch?" Ihre Arme sanken schlaff herab, zwischen ihren Brauen stand eine finstere Falte. „Willst du denn eine Abweisung förmlich provozieren? Sei doch verständig, Geliebter! Graf Elkström wird nicht sogleich, ohne jede Vorbereitung meinerseits, die einzige Tochter dem Maler Tiedow geben." „Sie haben recht, Komtesse, ich war ein Thor, es auch nur einen Augenblick zu denken." „Felix!" Welch' ein weiches Flehen lag in diesem Ton. Er mußte sich ihr nun doch wieder zuwenden. „Andy! Wenn meine Liebe dir wirklich ein Gli^ bedeutet, so wirst du darum kämpfen können." Sie seufzte. „Du ahnst eben nicht, was es für mich heißt, dieser Liebe zu folgen. Es heißt, mit allcm brechen, allen: entsagen, was mir bis dahin teuer und unentbehrlich war." „Wohl, wohl, mein Lieb, es ist das nicht leicht," rief er, schnell besänftigt. „Deine Liebe beseügt und erhebt mich, aber ich fühle auch in meinem großen, starken Gefühl die Kraft, dich zu beglücken, dir das Vaterhaus zu ersetzen. Glaube mir, gerade die Wonne deines Besitzes wird mich stetig antreiben, mein Talent zu fördern. Nur ein Weilchen Geduld, meine Andy, du sollst nicht immer die Frau deS unbekannten Malers bleiben. Nun aber versetze dich einmal auf meinen Standpunkt. Mein redliches Gefühl ver langt eine klare Darlegung. Wäre das ein rechter Mann, der auf Schleichwegen zum Ziel Ziel gelangen wollte, könntest du ihn' achten?" „Du hast vollkommen recht, Felix, und nur vor Ueberstürzung, die alles verderben könnte, möchte ich dich bewahren. Laß uns Zeit, lieber Thor. O, denke doch jetzt nur an die herrliche Gegenwart, halte heute nur daran fest, daß ich dich liebe." Wie süß sie zu schmeicheln verstand, und doch vermochte sie nicht völlig den Schatten aus seinen Augen zu bannen. „Und morgen, Andy?" drängte er. „Du wirst deine Eltern bis dahin vorbereiten." „Es ist eine kurze Frist," murmelte sie. „Eine ewig lange scheint mir's. Möchte ich doch gleich in die Wett jubeln: Sie ist mein, sie ist mein! Andy, du begreifst ja gar nicht meine Seligkeit." Sie strich ihm sanft das dunkle Haar aus der Stirn und sagte mit leiser Innigkeit: „Du bist ein Schwärmer, Felix, aber einer, dem man sehr gut sein muß. Und nun sei lieb, denke nicht an die Zukunft. Mir scheint, als könne uns der nächste Tag nie wieder das gleiche Glück dieser Stunde bringen. Wir wissen nur, daß die Gegenwart unser ist, und ich — o, Felix, ich bin jetzt so vollkommen glücklich." Sie sah so hold, so mädchenhaft keusch aus in diesem Ausbruch ihres Geständnisses, daß er in tiefer Rührung ihre Hände an die Lippen zog. „Ich vertraue dir, Andy. Die Liebe ist das Höchste im Leben." „Und vielleicht das Flüchtigste," fuhr es ihr durch den Sinn. Aber sie schwieg und spendete ihm das reine Glück, an das er glaubte — heute noch. Sie setzten den Weg zu den Hexensteinen nicht fort. Felix mochte mit seinem empfind samen, überfließenden Herzen nicht sogleich unter die ihm fremde Gesellschaft dort treten, während Andy es vorzog, einstweilen die neugierigen Augen ihrer guten Freunde und Verehrer zu meiden. Darum war sie nur zu gern bereit, den Rückweg einzuschlagen, auf dem sie Harald un fehlbar antreffen mußten, in dessen weiterer Be gleitung alsdann der äußere Anstand auf jeden Fall beobachtet blieb. Also vermochte sie zu kügeln, während Felix sich bedingungslos dem berauschenden Glück ihrer alleinigen Gegenwart hingab. Und dann riß auch sie der „süße Wahnsinn" fort. Sie genoß die ihr vergönnte Stunde, wie es ihre im Grunde glückverlangendc, leidenschaftliche Natur begehrte. Sie ahnte, es gab schwerlich für sie ein zweites „Heute". Sie zwang dem Schicksal ihren Anteil ab, nur bedachte sie nicht in ihrer Ichsucht, welch schwere Schuld sie gegen Felix mit ihrem holden, scheinbar demütigen Gewähren beging, indem sie ihn in Hoffnungen einwicgte, deren Erfüllung sie heimlich für unmöglich hielt Nicht weit vom Ausgangspunkte stießen sie dann endlich auf Harald, der die Zurückkchren- - den scharf prüfend ansah und des Freundes An gabe, Komtesse Andy sei schließlich doch zu er- müde: gewesen, um die Hexensteine erreichen zu können, mit heimlichem Unglauben aufnahm. Er kannte Felix zu genau, um nicht dessen unge wöhnliche Schweigsamkeit, den zerstreuten, ab wesenden Blick als ein Zeichen von Gemüts erregung zu deuten — doch kaum einer freudi gen. Felix sah sicherlich nicht glückstrahlend aus, als habe er die Braut gewonnen. „Armer Junge," dachte Harald, „so liebt fit ihn doch nicht." Andys Verhalten ließ diese Annahme aller dings entfernt nicht aufkommen. Sie lachte und plauderte mit Harald auf das unbefangenste. Sie fragte teilnehmend nach dem verlorenen Kleinod und zeigte eine Helle kindliche Freude, als sie hörte, daß er so glücklich gewesen st:, dasselbe nach längerem Suchen in der TW wiedergefunden zu haben. Felix schritt in finsterem Schweigen neben den beiden her und kam sich lächerlich überflüssig vor. Das war der Fluch der Heimlichkeit, des illegitimen Glückes. Er biß die Zähue aufein ander. Es dünkte ihm schmachvoll, nach der ver flossenen Stunde nun so rechtlos neben Andy hcrgehen zu müssen, zu dulden, daß sie nur schmeichelnder Liebenswürdigkeit Haralds Arm nahm, weil sie so ermüdet sei. Und all das, weil sie ihm abgerungen, zu schweigen, wenig stens heute noch und — selbst gegen den Freund.
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