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Allgemeiner Anzeiger : 14.11.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189411149
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18941114
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18941114
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-11
- Tag 1894-11-14
-
Monat
1894-11
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 14.11.1894
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KoMische Mnnd schau. Deutschland. * Der Kaiser hörte Donnerstag vormittag im Neuen Palais den Vortrag des Kriegs- ministers und des Chefs des Militärkabinetts, empfing dann den Präsidenten des evangelischen Oberkirchenrats, Barkhausen, und erteilte später dem italienischen General Ferrero, dem Vize präsidenten der Kommission für internationale Erdmessung, Audienz. *Wie das Depeschen-Büreau „Herold" von besonderer Seite erfährt, wird der Reichs kanzler Fürst Hohenlohe die Höfe von München, Stuttgart und Karlsruhe nicht nur zu dem Zweck besuchen, um sich als Reichs kanzler vorzustellen, sondern auch um den süd deutschen Souveränen über die Vorgeschichte der Kanzlerkrisis mündliche Aufklärung zu geben. Im besonderen wird Fürst Hohenlohe eine durch den Sturz Caprivis entstandene Verstimmung des Großherzogs von Baden zu beseitigen suchen. *Die Vorlage zur Bekämpfung der Umsturz tendenzen soll, wie verlautet, ihrem Wortlaute nach amtlich bekannt gegeben werden, sobald sie die Zustimmung des Bundes rats gefunden haben wird, was nach den vor aufgegangenen Beratungen der einzelstaatlichen Minister binnen kurzem der Fall sein dürste. *Von zuständiger Seite wird der,Nat.-lib. Korr/ mitacteilt: „Die Reichsfinanz- r.eform ist nicht aufgegeben und kann nicht aufgegeben werden. Ohne dieselbe hätte die Tabakfabrikatsteuer keine Begründung. Die Aus einandersetzung zwischen Reich und Einzelstaaten ist die Hauptsache und bleibt eine absolute Not wendigkeit, wenn auch auf Ueberweisungen ver zichtet werden muß." * Anläßlich der Vorgänge in Fuchs mühl hat nach dem,Bayer. Kurier' die Ge meinde Fuchsmühl eine Bittschrift an den Prinz- Regenten als an den obersten Lehnsherrn ge richtet und den Regenten um Schutz gebeten, damit die Gemeinde nicht zu Grunde gehe. * Das Mißlingen des geplanten Wahehe- zuges in Ostafrika hat nach der,Deutschen Afrikapost' rund 300 000 Mk. gekostet. Das Mißlingen ist auf die eingetretene Verwüstung eines großen Gebietes durch Heuschrecken zurück zuführen, die der Anlage von Verpflegungsstationen große Hindernisse entgegensetzte. Die in jenen Strecken eingetretene Hungersnot hat den Sklaven handel wieder neu belebt, der nach der 'Afrika post' über Mikindami ungehindert sein Geschäft betreibt. Oesterreich-Ungarn. * Der ungarische Ministerpräsident Wekerle wurde am Donnerstag morgen in Wien vom Kaiser in einstündiger Audienz empfangen, was zu den buntesten Vermutungen Anlaß bietet. Es heißt, Kalnoky solle veranlassen, daß die italienische Regierung auf dem Konsulats-Wege ihrem Unterthan Franz Kossuth die poli tische Wühlerei in Ungarn untersage. — Der junge Kossuth macht nämlich eine Rundreise Lurch Ungarn und hält überall Ansprachen. Frankreich. * In parlamentarischen Kreisen nimmt man an, daß die Regierung am Dienstag oder Donnerstag nächster Woche die von mehreren Abgeordneten über die Lage in Mada gaskar eingebrachten Interpellationen beant worten werde. Die Regierung hofft bis dahin alle Aufschlüsse zu erhalten und den Entwurf zur Expedition vollständig fertiggestellt zu haben. Euglanv. * Ueber das Bombenattentat in London, das gegen den Polizeirichter Hawkins gerichtet war, ist noch nichts Genaueres bezüglich der Thäter ermittelt worden. Neuerdings sind wieder eine Anzahl Anarchisten in England an gekommen. Wahrscheinlich in Verbindung mit dem Mordanschlag steht ein schwülstiges Manifest, das vor einigen Tagen englischen Anarchisten zugegangen ist. Der Titel lautet: „Tod den Richtern! Tod den Geschworenen!" Nnstland. *Auf Befehl des Kaisers Nikolaus wird in ganz Rußland eine Sammlung eröffnet, um Kaiser Alexander III., „dem großen Friedensstifter", in Moskau ein Denkmal zu errichten. — In Petersburg treffen insgesamt 75 fürstliche Personen mit Gefolge zu den Bei setzungsfeierlichkeiten ein. In Charkow werden Vorbereitungen zur Bewirtung von Armen anläßlich des Leichenbegängnisses des Kaisers getroffen. Derartige Speisungen entsprechen einer uralten russischen Sitte. Die Kosten werden aus der Privatschatulle des Kaisers bestritten. Es sollen dabei gegen 7500 Personen mit russi schen Nationalspeisen, Bier und Met bewirtet werden. * Der ,Köln. Ztg.' wird aus Petersburg ge meldet, daß, entgegen den Mitteilungen der aus ländischen Blätter, die H o ch z ei t des Kai s er s von Rußland erst nach drei Monaten stattfinden wird. Demselben Blatte zufolge reist der Großfürst-Thronfolger Georg zum Winter aufenthalt nach Abns-Tuman ab. * Einem in der Regel gut unterrichteten Wiener Blatte zufolge hat der Gouverneur von Warschau General Gurko der Beileids-Ab ordnung der Warschauer Bürgerschaft die merkwürdige Antwort gegeben: „Es ist mir nicht bekannt, ob Ihre Gefühle auch aufrichtig sind. Für Sie ist der Tod des Kaisers ein Verlust, für uns ein entsetzlicher Verlust. Der Heimgegangene war die Verkörperung des russischen Geistes. Gebe Gott, daß sein Nach folger in seine Fußstapfen trete." Man kann sich denken, daß die Abordnung von dieser An sprache, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, nicht sonderlich erbaut war, * Wegen nihil istis cher Umtriebe ist der Premier-Leutnant Boborykin vom 14. russi schen Dragoner-Regiment vom Warschauer Kriegs gericht zum Verlust des Ranges, des Adels und aller sonstigen Rechte, sowie zu lebenslänglicher Bergwerksarbeit in Sibirien verurteilt worden. Amerika. * Bei den Wahlen in den V e r. Staaten von Nordamerika, die am 6. November statt fanden, handelte es sich erstens um Neuwahlen zum Repräsentantenhaus in 40 Staaten, wo die Hälfte der Vertreter, 178, neu zu wählen waren; zweitens wurde in 20 Staaten gewählt zur Legislatur der Einzelstaaten, zu Gouverneurs posten rc. Das Ergebnis aller dieser Wahlen war eine vollständige Niederlage der Demokraten, die im Herbst 1892 ans Ruder gekommen waren und am 7. Dezember 1892 aus ihren Reihen den jetzigen Präsidenten, Cleveland, gestellt hatten. * Der niederländische Konsul in Panama warnt Auswanderer, auf die Nachricht von der Gründung einer neuen Gesellschaft zur Aus führung des Panama-Kanals sich dorthin zu begeben, da die Aufnahme der Arbeiten noch nicht gesichert ist. Bereits sind Auswanderer aller Nationen eingetroffen, die nun in traurigen Verhältnissen leben. *Die Insurrektion in Peru scheint Fortschritte zu machen. In Buenos Ayres war am Mittwoch das Gerücht verbreitet, der Jn- surgentenführer Pierola bereite einen Angriff auf die Hauptstadt Lima vor. Asien. * Vom ostasiatischenKriegsschau- platz kommt wieder eine für die in China ein- gerissene Verwirrung und Kopflosigkeit höchst bezeichnende Meldung. Aus Schanghai wird englischen Blättern berichtet, daß gegen den Befehl Li- hung-tschangs an das Peyang-Ge schwader, Port Arthur zu verlassen, etwa zwölf Schiffe daselbst zurückgeblieben sind. Dieselben werden in die Luft gesprengt werden müssen, um zu verhindern, daß sie von den Japanern ge nommen werden. Port Arthur muß allerdings den Japanern über kurz oder lang in die Hände fallen. Zugleich läßt jene Meldung auch darauf schließen, in welchem schlechten Zustande der noch vorhandene Rest der chinesischen Flotte sich be- finden muß. Die Friedenssehnsucht der Chinesen wird nach alle dem immer begreiflicher. Australien. * Zwischen den Eingeborenen der Gesell schafts-Inseln und den französi schen Behörden sollen nach Meldungen aus der Hauptstadt Tahitis ernste Zusammenstöße stattgefunden haben. Seit der Besetzung dieser Inseln durch Frankreich haben die Häuptlinge und Eingeborenen der Insel Nejatea es beharr lich abgelehnt, die Oberhoheit der Franzosen an zuerkennen, wie sie diesen denn auch bewaffneten Widerstand geleistet haben. Der Widerstand der Insulaner hat dann einen so entschiedenen Charakter angenommen, daß der französische Gouverneur von Tahiti sich nach Frankreich ge wendet hat, um fünf Kriegsschiffe und 3000 Mann zu verlangen, die ihn in den Stand setzen sollen, die Eingeborenen von Rejatea zu unterwerfen. Diese wiederum sind wohl bewaffnet und fest entschlossen, einer Invasion der Fran zosen entschieden Widerstand zu leisten. Uon Uah und Fer«. Bei den gegenwärtigen Kontrollver sammlungen werden den Mannschaften die neuen Vorschriften über die Anbringung von Beschwerden bekannt gegeben und in die betr. Pässe die Bestimmung eingeklebt. Dieselbe lautet: Bei Anbringung dienstlicher Gesuche und Beschwerden find die Mannschaften des Beur laubtenstandes verpflichtet, den vorgeschriebenen Dienstweg einzuhalten. (Gesuche sind an den Bezirksfeldwebel der Kontrollstelle zu richten, Beschwerden dem Bezirkskommandeur vorzu- traaen; richtet sich die Beschwerde gegen den letzteren, so ist sie bei-dem vorgesetzten Bezirks oder Kontrolloffizier, wenn aber ein solcher nicht vorhanden ist, bei dem Bezirksadjutanten anzu bringen.) Die Mannschaften des Beurlaubten standes sind im dienstlichen Verkehr mit ihren Vorgesetzten, oder wenn sie in Militäruniform erscheinen (wozu auch der Entlassungsanzug ge hört), der militärischen Disziplin unterworfen. Der Bau ves neuen Reichstagsge bäudes steht in bezug auf die bei demselben vorgekommenen Unglücksfälle besonders günstig da. Statistisch kommt bekanntlich auf je etwa eine Million Mark verbauter Gelder ein tötlich ver laufener Unglücksfall von Bauhandwerkern. Der Bau des Reichstagsgebäudes hat dagegen bei einem Kostenaufwande von über 30 Millioneu in 10 Jahren nur acht schwere Unglücksfälle ge fordert, so daß deren einer immer nur auf fast 4 Millionen Mark entfällt. Nächtliche Leihanstalten. Eine sehr frag würdige Neuerung beabsichtigt ein Geschäftsmann in Berlin einzuführen. Derselbe ist bei der Be- Hörde vorstellig geworden, an besonders besuchten Straßenpunkten, namentlich in der Nähe der großen Bahnhöfe, Leihanstalten einzurichten, die Tag und Nacht geöffnet nnd dazu bestimmt sind, sowohl dem durchreisenden Fremden wie den in momentane Verlegenheit geratenen Einheimischen auch in nächtlicher Zeit Gelegenheit zu geben, sich aus augenblicklicher Zahlungsverlegenheit herauszuhelfen. Wenn das Unternehmen ins Leben tritt, werden voraussichtlich derartige An stalten in der Nähe der großen Spielklubs Unter den Linden und in der Schadowstraße errichtet werden. Zu den Massenerkrankungen in der Garnison Glogau schreibt der,Reichs-Anz.': Beim 2. Bataillon 3. posenschen Infanterie- Regiments Nr. 58 in Glogau sind am 5. und 6. d. Magen- und Darmerkrankungen in größerer Zahl vorgekommen. Das Auftreten derselben weist auf eine gemeinsame schädliche Einwirkung hin, die zwar ihrem Wesen nach noch nicht genau ermittelt ist, jedenfalls aber eine ganz vorübergehende war und nicht mehr fortdauert. Ein Verdacht auf Cholera, die kurz vorher in einem nahe bei Glogau gelegenen Dorfe fest gestellt wurde, ist nach dem Ergebnis der bakteriologischen Untersuchungen und dem Ver lauf der durchweg leichten Erkrankungen auszu- schlicßen. Bereits am 7. d. waren fast sämtliche Erkrankte genesen und auch bei den wenigen noch in Behandlung Befindlichen lagen bedrohliche oder auch nur schwere Krankheitserscheinungen nicht vor. Sechs Söhne vei ver Fahne. Der Landwirt Genzel in Albersroda bei Freyburg a. U. hat sechs Söhne, die gegenwärtig sämtlich beim Militär stehen; fünf davon sind Kapitulanten. Da der Vater gern einmal „seine Söhne des Mars" beisammen sehen wollte, richtete er ein Bittgesuch an den Kaiser, der auch die Komman deure der betreffenden Truppenteile anwies, den Brüdern in einer bestimmten Zeit zehn Tage Urlaub zu gewähren. Dies ist nun geschehen und es wurde im Genzelschen Hause ein freu diges Familienfest gefeiert, zu dessen Ehren auch ein fettes Borstentier sein Dasein opfern mußte. Die Not der „fahrenden" Kunst wird wieder einmal vor Augen geführt durch folgen- H den Aufruf, den der Theaterdirektor Fritz Unger in dem Lokalblatt des 6000 Einwohner zählenden sächsischen Ortes Klingenthal veröffentlicht: V „Hochverehrte Einwohnerschaft! Seit beinahe 14 Tagen bin ich hier, gebe Vorstellungen, die" sich der allgemeinen Beliebtheit erfreuen, aber der pekuniäre Erfolg ist derart, daß er jeder Beschreibung spottet, denn mit meinem Ensemble (17 Personen) habe ich während der ganzen Zeit 3 Mk. 40 Pf. verdient. Kommt demnach auf die Person 20 Pf. (!) — Wenn man be denkt, welche Kosten zu bestreiten sind, so glaube ich, daß es niemand unbillig finden wird — wenn ich an den Kunstsinn der geehrten Korpo rationen und Bürgerschaft appelliere, auf daß die wenigen Vorstellungen, die ich gebe, wenig stens einigermaßen besser besucht werden, damit ich, wenn ich später das Buch der Erinnerungen durchblättere — bei dem Namen Klingenthal nicht zu schmerzlich berührt werde." Aus Bersehen erschossen. In Waize bei Birnbaum ging abends der Domimalförster auf den Anstand. Im Dunkel sah er vor sich etwas sich bewegen und in der Annahme, daß es ein Hirsch sei, gab er Feuer. Da es schon zu dunkel war, ging er nach Hause, um am nächsten Morgen die Spur zu verfolgen. Als er auf den Platz kam, fand er zu seinem Er schrecken die Leiche eines Mannes mit einem Gewehr in der Hand. Ein Rehposten war dem Wilddiebe durch die Stirn gegangen. Ein entsetzlicher Unfall ereignete sich in Schwelm. Der mit Düngcraufladen beschäftigte Landwirt H. warf nach vollbrachter Arbeit die schwere Düngergabel in eine Ecke, ohne zu wissen, daß dort sein achtjähriges Kind unter Stroh Verstecken spielte. Das spitze Eisen fuhr dem Kinde in den Kopf, so daß es, ehe Hilfe nahte, seinen Geist aufgab. Im Trüben gefischt. Der Geestemünder Fischdampfer „Nereide" wurde beim Fischen innerhalb der dänischen Territorialgrenze von dem dänischen Kanonenboot „Grönsund" über rascht und nach Esbjerg geleitet. Dort wurden die Geräte und der ganze Fang beschlagnahmt, der Kapitän außerdem jetzt zu 1000 Mk. Geld strafe verurteilt. „Eisleben" in Westfalen. Wie in Eis leben, so bilden auch in dem Kohlengebiet die Bergbauschäden seit langen Jahren ein ständige Klage in Dorf und Stadt, denn die unterwühlte Erdoberfläche beginnt an vielen Stellen in un genehmer Weise zu sinken. Zahllose Prozesse sind von Grundbesitzern wegen Beschädigung ihrer. Häuser oder Grundstücke anhängig gemacht. Viel fach zahlen die Zechen gutwillig. Die Eisen« bähen haben ebenfalls unter den Üebelständen zu leiden, manche Strecken können nur durch stetes Anfüllen fahrbar erhalten werden. Auch das Stationsgebäude in der Gemeinde Marten im Landkreise Dortmund war gesunken; cs war ein großes Gebäude, aber nur aus Fachwerk er richtet. Jetzt hat man es nach amerikanischem System um 60 Zentimeter gehobeu. Es geschah dieses mit Winden. Die Arbeit verlief so vor züglich, wie man es kaum erwartet hatte. Was kostet ein Schnurrbart? Mit dieser, bekanntlich schon öfter der gerichtlichen Ent scheidung unterstellten Frage hatte sich am 4. November das Schöffengericht in Mannheim zu beschäftigen. Es stand diesmal nur ein halber Schnurrbart in Frage, den der Schuhmacher- - meister Johann Karl Michel in Sandhofen seinem Freunde Matthäus Weimer am 3. Oktober bei einer Rauferei ausgerissen hatte. Weimer, der als Zeuge erschien, konnte nur das trübselige Bild eines halben Schnurrbarts aufweisen; der Nachwuchs auf der verwüsteten Seite befand sich noch im ersten Keimen, während die andere Schnnrrbarthälfte eine fesche Spitze von fünfzehn Zentimeter Länge zeigte. Der öffentlichen Klage hatte sich der Mißhandelte als Nebenkläger an Aie rechte Gabe. 12) (Fortsetzung.) „Welch eine Frage, Andy!" versetzte die Gräfin kalt. „lind wenn ich Felix dennoch heiratete?" „Das hieße deine Eltern verlieren und mit ihnen alles, was dir überhaupt Lebensbedingung ist. Du kannst das Schicksal nicht soweit heraus fordern wollen. Die Pflicht gegen deinen Vater, ja die Pflicht der Selbsterhaltung verbietet es dir. Laß dich warnen, Andy." Das Mädchen antwortete nicht. Sie trat an das Fenster und drückte in stummer Qual die Hände gegen ihre pochenden Schläfe. — Ihre Augen irrten zum dunklen Nachthimmel empor, mit einem Blick der Verzweiflung. — „Wie wird er es tragend O, mein Gott, er hat mich so lieb und — ich, ich scheine so schul dig gegen ihn," murmelte sie angstvoll. Ihre Hände sanken schlaff herab. Sie drückte die brennende Stirn gegen die kalten Scheiben, heiße Thränen stiegen in ihre Augen. „Wünschest du, daß ich deinem Vater den ehrenvollen Antrag mitteile, den sein verzogener Liebling erhalten?" klang der Mutter ironische Frage zu ihr hinüber. Andy zuckte auf. „Vorbei!" seufzte sie. Sie wischte die Thränenspuren von den Wimpern und richtete sich gefaßt empor. Dann trat sie zu der Gräfin hin mit den entschlossenen Wor ten: „Warte noch einige Tage, bis ich in der That von einem ehrenvollen Anträge nach eurem Sinne berichten kann. Ich — ich möchte den Papa nicht enttäuschen —" „Andy!" rief die Gräfin erfreut, „mein gutes, liebes Kind!" „Das deiner Erziehung doch entsprechen muß, nicht wahr, Mama?" Andy lachte bitter auf. „Jawohl, ich werde Graf Harald heiraten und — Felix das Herz brechen." „Keine Uebertreibung, mein Kind. Das Menschenherz, und vor allem das eines leicht lebigen KünsÜers, ist garnicht solch zerbrechliches Ding, wie du es in Romanen lesen magst. Es kann und muß recht vieles überwinden, und dem Manne wird solch ein Kampf, wenn es überhaupt dazu kommt, überdies gar leicht gemacht." „Ein herrliches Ding, so ein zäher Muskel," spottete Andy. „Ich werde ihm sicher jedes Rebellieren fortan abgcwöhnen." „Um so sorgloser und befriedigter wirst du dein Leben genießen," versicherte die Gräfin nüchtern. „Und nun verschlafe diese erste kleine Enttäuschung. Morgen will ich wieder meine alte, fröhliche Andy sehen." „Morgen?" wiederholte Andy erschauernd. Sie biß die Zähne zusammen, wie in innerem Schmetz. „Morgen wollte Felix sich die Ent scheidung holen. Du wirst mir erlauben, Mama, ihn zu empfangen und es ihm selber zu sagen, daß ich überhaupt kein Herz zu vergeben habe." „Wozu die erneute Aufregung? Du thätcst besser, die Affäre mit einer kurzen schriftlichen Erklärung abzuschließen, sofern das überhaupt nötig ist." „Ich möchte ihn noch einmal sehen, Mama, mit die die * Während Felix freudiger Zuversicht eine ruhelose Nacht * * den dämmernden Tag begrüßte, schloß Andy, ich machte einen dummen Streich, wenn du es mir verbötest," rief Andy mit heiß flimmernden Augen. Die Gräfin wußte, daß es nicht ratsam sei: ihrer ezcentrischen Tochter bis zum äußersten entgegen zu sein. Mit einem unruhigen Blick in Andys blasses, trotziges Gesicht gewährte sie, „Es sei, sofern du durchaus dir die nutzlose Szene nicht ersparen willst und ich dir im übri gen sicher trauen darf." „Sei ruhig, Mama, die Vernunft hat über meine Zukunft nun endlich entschieden." „Und sie allein ist die Basis eines reellen Glückes," tröstete die Gräfin, indem sie der Tochter die Stirn zum Gutenachtkuß entgegen neigte. Andy streifte sie mechanisch mit kalten, zit ternden Lippen. Ihr war's, als sei der beste Teil in ihr erstorben mit der Erfüllung dieser Lehre. „Heute schmerzt es, morgen ist's vergessen," murmelte die Gräfin, als sie sich allein sah. „Ich kenne Andy. In Gefühlssachen hat sie das kürzeste Gedächtnis der Welt." verbracht, mit Grauen überwachten Augen vor dem einbrechenden Morgenlicht. Wie sie sich auch sehnte und härmte um der gestrigen glückvollen Stunde willen im stillen Walde, der nie eine ähnliche folgen sollte, ihre Sorge um Felix war dennoch größer als das eigene Leid. Sie wußte, trotz aller sophistischen Beschönigungen ihrer Mutter, M daß er schwer leiden würde um das so schnell I dahingestvrbene Glück, schmerzlicher Wohl als sie ! selbst. Und dies heiße Mitleiden mit ihm ließ ! sie nur um so dringender darauf bestehen, ihm k selber so schonend als möglich die Unausführ- I barkeit seiner Wünsche zu künden, trenn schon t sic anderseits vor seinem schmerzlichen Zorn > zitterte. Als er dann im Laufe des Vormittags sich melden ließ, sic überraschenderweise allein im Salon fand uud sich mit einem herzinnigen . „Meine Andy!" über ihre Hände neigte, da wich sic mit heimlichem Entsetzen zurück. Was hatte sie unternommen, wie konnte sie ihm denn selber den hohen Glauben an ihre Liebe morden wollen! F Unendlich kindlich und unschuldsvoll stand v sie vor ihm in' dem weißen, rotumsäumten Morgcnklcide, während das offene Haar in natürlichen Locken über ihre zarten Schultern flutete. Gleich einem Engel des Lichts war sie anzuschauen. Entzückt von soviel Holdseligkeit, wollte er Z sie stürmisch in die Arme schließen. Der hatte 4 Blick eisiger Abwehr, der jedoch nun seiner lachenden Glückseligkeit begegnete, ließ ihn er schreckt zurückfahren." - >. „Was ist's Andy?" stammelte er erblenMd, „deine Eltern —" - Da hatte sie es schon verraten. Schonend, gelinde wollte sie die bittere Wahrheit sagen, , j ihm nicht gleich den ersten seligen Atemzug ab- schneidcn. Aber in dem Trotz der Verzweiflung, V der sie urplötzlich übermannt, h^tte sie die Herr-—
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