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Allgemeiner Anzeiger : 28.11.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189411283
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18941128
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1894
-
Monat
1894-11
- Tag 1894-11-28
-
Monat
1894-11
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.11.1894
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Mhren und Umgegend ein Festessen hatte, - dachte man, das Verhältnis wohl kennend, fol- , Mden Toast aus: „Es lebe die Frau Forst- ' Mtär und, wenn fie's gnädig gestattet, auch »!" Beim Umzug nach Sondershausen fand die nachrevidierende Frau Gerlach das Gerippe einer alten Stalllaterne vergessen an einem Nagel hängend vor. Keifend warf sie ihrem Manne seinen Leichtsinn vor und zwang ihn, da alles schon verpackt .war, diese alte Laterne mit im Koupee bis nach Sondershausen zu tragen. Der elegant gekleidete Förster soll mit seinem Laternenüberreste auf den Umsteigestationen eine eigenartige Figur gebildet haben. Die gemeldete Verwechslung von Sublimat niit Antipyrin durch einen Apotheker- Schilfen in Freiburg i. B., die einem Studenten das Leben kostete, hätte leicht weiteres Unglück im Gefolge haben können. Die in der Apotheke vorgenommene Untersuchung ergab nämlich, daß der jetzt in Untersuchungshaft befindliche Gehilfe zwischen dem 3. und 14. November fünf weitere Päckchen Antipyrin verkaufte, unter denen sich ebenfalls zwei Päckchen Sublimat befanden. Die Staatsanwaltschaft erließ sofort in sämtlichen Freiburger Blättern eine Warnung vor dem Ge brauch dieses vermeintlichen Antipyrins. Der Umstand, daß bis jetzt kein weiterer Vergiftungs- sall vorkam, läßt annehmen, daß die Warnung noch rechtzeitig erfolgte. Alpen-Balloufahrten. In der Schweiz Seht man damit um, einen Fesselballon von 30000 Kubikmeter herzustellen, der sich von der Wengernalp zu einer Höhe von 2066 Nieter, d. h. 99 Meter über den Gipfel der Jungfrau erheben wird. Derselbe soll 50 Personen auf- nehmcn und der Auf- und Abstieg soll etwa eine Stunde beanspruchen. Fürstin Pignatelli — versöhnt. Jahre lang dauerte der Kampf zwischen der Fürstin Maria Gaetana Pignatelli, die als Konzert sängerin und „Ballkönigin" öffentlich auftrat, und Sven hocharistokratischen Angehörigen. Vor kurzem hat sich jedoch ihr Schicksal zum besseren bewendet. Die Verwandten der Fürstin haben M eine ansehnliche Jahresrente unter der Be- bmgung ausgesetzt, daß sie nie mehr öffentlich auftrete. Fürstin Pignatelli hat den Versöhnungs- Vorschlag angenommen und Wien zum bleibenden Aufenthaltsort gewählt. Sie hat ihre beiden bisher in einem Kloster in Turin erzogenen Töchter zu sich genomnien und widmet sich nun ausschließlich ihren Kindern. Auch ihr 19jähriger L>ohn Aristides weilt bei seiner Mutter, die demnächst aus dem Hotel in eine Jahreswohnung übersiedelt. Im Gefängnis zu Lüttich erschoß sich ein Landstreicher. Bei Antritt seiner Strafe sollte ar das vorgeschriebene Bad nehmen. Als er aus dem Badezimmer nach längerer Zeit nicht zurückkehrtc, öffnete der Wärter die Thür und land den Gefangenen in seinem Blute liegend. Der Sträfling hatte sich eine Revolverkugel durch Ute Schläfe gejagt. Unbegreiflich ist, wie der vorher genau durchsuchte Sträfling zu der Waffe gelangt ist. Ein Kronen-Diamant verloren! Während der Ueberführung der Kaiserlciche vom Nikolai- Bahnhofe nach der Peter Pauls-Festung ist ein großer Brillant aus der Hutter dem Sarge ein- hergetragcncn Krone verloren gegangen. Einige Juweliere sind der Ansicht, daß der Brillant wahrend des Tragens vielleicht aus Unvorsichtig- wtt eingedrückt wurde und sich nun zwischen dem Samtfntter und dem Metallgestelle befindet, werden^rd daraufhin genau geprüft Wie dem russischen Volke die Zaren neue beigebracht wird, darüber berichtet man o . aus dem russischen Grenzstädtchen Nähe von Thorn: Kommt da Plötzlich ein Gendarm mit einem kleinen Trupp Grenz-Kosaken angesprengt und nimmt Auf- ltellung mitten im Orte. Der Troinpeter bläst Alarm. Natürlich strömt die Bevölkerung zu- lammen. Der Gendarm macht darauf bekannt, daß innerhalb einer Stunde sich alle Männer des Ortes von 12 Jahren aufwärts zu sammeln haben, um zur Eidesleistung nach der nächsten Kirche (ungefähr drei Meilen entfernt) zu marschieren. Während sich nun die Männer langsam zusammenfinden, gehen zwei Kosaken jedes Haus absuchen, ob nicht etwa Leute zurück geblieben sind, die sich der Eidesleistung ent ziehen wollen. Als dieses Geschäft abgewickelt, setzt sich der seltsame Zug in Bewegung, eskor tiert von dem Gendarm und den Kosaken. Natür lich hat diese Art, den Treueid für den Zaren zu erzwingen, großen Unwillen in der Bevölke rung erregt, um so mehr, als sich in dem wie einen Gefangenen-Transport sich ausnehmenden Zuge Männer in angesehener gesellschaftlicher Stellung befinden. Und wie skrupellos man dabei vorging, beweist der Umstand, daß auch ein Deutscher sich darunter befunden hat, der trotz seines Protestes die drei Mellen mit marschieren mußte und erst am Bestimmungsorte angelangt, entlassen wurde. Jedenfalls beweist diese Art, für den neuen Zaren Sympathie zu schaffen, nicht gerade die vielfach auftretende Behauptung, daß in Rußland nunmehr eine neue, bessere und freiheitliche Aera angebrochen sei. Umgewehter Schornstein. In Chicago hat der Orkan der vorigen Woche eine verhäng nisvolle Einsturzkatastrophe herbeigeführt. Es wurde nämlich der 60 Fuß hohe stählerne Schorn stein des Universitäts-Klubgebäudes umgeweht und stürzte auf das Dach des benachbarten Prachtgebäudes des Millionärs Handy in der Washington-Street. Durch die herabfallenden Trümmer, Ziegel und Glassplitter wurden über 125 Personen verletzt, darunter auch Handy selbst. Das Klubgebäude ist viel höher als Handys Haus. Der massive Schornstein stürzte von einer Höhe von 120 Fuß aus das Dach des letzteren. Den Kredit der Wetterpropheten hat die wissenschaftliche Forschung immer weiter untergraben. Dahin ist der Glaube an den „Hundertjährigen Kalender", die Schar der Gläubigen, die zum Schäfer Thomas halten, wird immer kleiner und auch manch' „Wetter gelehrter", der sich auf seine wissenschaftlichen Berechnungen stützt, kann vor der strengen Forschung nicht bestehen. Jetzt rückt man auch dem armen harmlosen Laubfrosch zu Leibe und raubt ihm den Nimbus eines Wetterpropheten. Der Czernowitzer Zoologe Professor v. Lenden feld hat, wie er im ,Zoologischen Anzeiger' be richtet, im vorigen Sommer zur Entscheidung der Frage, ob und in welcher Weise das Auf- und Absteigen der Laubfrösche durch das Wetter be einflußt wird, frei inmitten eines Grasplatzes ein allseitig offenes, 1 Meter breites und 1 Meter langes und 2 Meter hohes, aus Drahtnetz her gestelltes Froschhaus errichtet, in dem von 10 zu 10 Zentimeter Sprossen (im ganzen 20) ange bracht waren. In dem Käfig befanden sich stets zwischen 15 und 25 Frösche. Eine mit Syrup getränkte Schnur, an der auch kleine Stücke faulenden Fleisches aufgehängt waren und die frei in der Mitte des Froschhauses herabhing, lockte Fliegen und andere Insekten in so großer Menge an, daß die Frösche keinen Mangel an Nahrung zu leiden brauchten. Lendenfeld hat die Nummern der von unten nach oben mit 1 bis 20 bezeichneten Sprossen mit der Zahl der auf ihnen sitzenden Frösche multipliziert, die so er haltenen Zahlen addiert und eingetragen. Jeden Tag, vom 15. Juli bis 31. August, hat er neun solcher Ablesungen des „Froschbarometers" gemacht und daraus Tagesmittel bestimmt, die in Form einer Kurve dargestellt und mit den Luftdruck-, Feuchtigkeits- und Regenkurven der meteorologischen Station zu Czernowitz ver glichen wurden. Die Vergleichung der „Frosch kurven" mit den meteorologischen Kurven ließ nun deutlich erkennen, daß Regen keineswegs durch ein Herabsteigen der Frösche angekündigt wird: denn an den Vortagen von den 19 Regentagen, die gezählt wurden, war die Froschkurve zehn Mal hoch, neun Mal tief. An den Regentagen selbst war in zwölf Fällen die Frosch kurve hoch und nur in sieben Fällen niedrig. Für Feuchtig keit und Luftdruck wurde ebensowenig ein Ein fluß auf die Frösche festgestellt wie für den Regen, so daß Lendenfeld nunmehr die bestimmte Behauptung ausspricht, daß das Auf- und Ab steigen der Frösche nicht von den Witterungs verhältnissen abhängig sei. Anderseits zeigte sich aber deutlich, daß die Frösche zu bestimmten Tageszeiten mit Vorliebe hinauf-, zu anderen mit Vorliebe herabsteigen. Des Abends steigen sie hinauf, des Morgens herab. Um 8 Uhr morgens waren die meisten Frösche oben, um 4 Uhr nachmittags waren die meisten unten. Von 4 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags steht das Froschbarometer im allgemeinen tief, in der Zeit von 5 Uhr nachmittags bis 4 Uhr morgens steht es hoch. Dieses nunmehr sicher festgestellte Hinaufsteigen Her Frösche am Abend ist nach Lendenfeld eine Folge deS abendlichen Emporsteigens jener Insekten, die den Fröschen zur Nahrung dienen. Gemeinnühiges. Ein einfaches Mittel, leicht und ohne jede Gefahr Feuer anzuzünden, teilt man einem Weimarischen Blatte mit. Man nehme Asche (gleichviel ob Holz- oder Torfasche), thue selbige in ein Gefäß, schütte Petroleum hinzu, bis die Asche durchfeuchtet ist, und rühre sie rum. Um nun Feuer anzuzünden, nehme man einen Löffel voll auf ein Stückchen Papier, lege dies auf den Rost, schichte Holz darauf und zünde eS an. Man wird auf diese Weise bald ein schönes, volles Feuer haben, ohne daß, wie gesagt, die geringste Gefahr für den Anzündenden entsteht. Mit Petroleum für 5 Pfg. kann man so vierzehn Tage Feuer anzünden. Welchen Einflust hat der Schnee auf die Fruchtbarkeit des Bodens? Allgemein ist man überzeugt, daß der Schnee eine um so mehr befruchtende Wirkung auf den Boden ausübt, je länger er liegt, ohne zu wissen, ob er direkt Nährstoffe zuführt oder nur das Ver dunsten der bereits im Boden befindlichen gas förmigen Stoffe verhindert. Da sich indessen in der Lust Ammoniak in verschiedenen Mengen befindet, so nehmen die sich bildenden Schnee wolken dasselbe in sich auf, führen es mit dem Schnee zur Erde und geben es beim Schmelzen an dieselbe ab. Je langsamer der Schnee schmilzt, desto mehr Ammoniak vermag der Boden einznsaugen oder zu absorbieren, wäh rend bei heftigem, mit Regengüssen verbundenem Tauwetter ein großer Teil desselben hinweg geschwemmt wird und für den Boden verloren geht. Wer daher schon im Herbst seinen Acker gepflügt und sein Gartenland tief und grob- scholllg umgegraben hat, damit das Tauwasier nicht abfließen, sondern in die Tiefe eindringen kann, führt ohne besondere Ausgabe seinem Lande einen wertvollen Dungstoff zu. Kuntes Allerlei. Rauchlose Lokomotive. Wie die Mayr. Verkehrsbi.' mitteilen, hat der Ingenieur Langer in Wien einen Rauchverzehrungsapparat erfunden, der in Eisenbahnfachkreisen lebhaftes Interesse erregt. Der Genannte ist durch langjährige praktische Beobachtungen zu der Erkenntnis ge langt, daß zur Verzehrung des Rauches die Einführung und Regelung der zuströmenden Oberluft die erste Vorbedingung ist. Der Apparat regelt den Brennprozeß derart, daß bei stetiger Erhaltung einer gewissen Temperatur die zuge führte Oberluft die vollständige Verbrennung der Rauchgase im Innern der Lokomotive ermöglicht. Der Rauchverzehrungs-Apparat besteht aus einem kreisförmigen, in der Heizthür angebrachten Register, das beim Oeffnen der Heizthür den Zutritt der äußeren Luft reguliert. Das all mähliche Schließen dieses Registers wird durch einen Luftkatarakt besorgt, der sich mit der Heiz thür automatisch aufzieht. Die Verteilung der Lust im Jnnenraum, sowie die Vermischung der Gase mit der Luft wird durch einen in den Ver brennungsraum einströmenden Dampfschleier in zweckentsprechender Weise besorgt. Da aber beim Schließen des Regulators die feueranfachende Wirkung des Blasrohres aufhört, so ist auch für diesen Fall durch eine automatische Uebertragung vom Regulator aus auf den Steuermechanismus so gesorgt, daß die Oberluft - Einströmung mit dem Gang der Feuerung in stetigen Einklang gebracht wird. Vor einiger Zeit fand eine Probe fahrt mit einer rauchlosen Lokomoüve auf der Nordwestbahnstrecke von Wien bis Znaim statt, zu der ein Sonderzug gestellt war. Die rauch lose Lokomotive bewährte sich trefflich. Der Apparat arbeitete ohne jegliche Rauch- . Qualm-Entwickelung. Die mit dem LangerscheW Apparat ausgerüsteten Lokomotiven der öfter-s reichischen Nordwestbahn wurden kürzlich vom Preuß. Eisenbahn-Direktor Garbe studiert, der sich über die sinnreiche Erfindung mit rückhaltlosem Lob aussprach und sie als einen Fortschritt für die weitere Entwickelung des Lokomotivbelriebs bezeichnete. Der Apparat ist so einfach zu handhaben, daß der Führer seine ganze Auf merksamkeit der Fühmng der Maschine zu wenden kann. Das neueste Industrie-Erzeugnis ist — Gummischuhe für Hunde! Wenn im Winter die Straßen der Großstädte mit Schnee bedeckt sind, wenn die Pferdebahnschienen durch Salz davon befreit werden, dann werden die Füße der Hunde leicht wund und so ist man auf den Gedanken gekommen, sie durch Gummischuhe gegen der artige Fährlichkeiten zu schützen. Die Schuhe sind aber nicht billig und damit verfehlen sie ihren eigentlichen Zweck: denn in erster Linie sollten doch die Ziehhunde gegen die Einflüsse der salzigen Flut geschützt werden; da deren Besitzer aber meist arme Leute sind, so werden nur die verwöhnten Schoßhündchen den Vorteil davon haben. Ein riesiger Mahagonistamm, wohl der größte Stamm dieses edlen Holzes, den die amerikanischen Wälder je hervorgebracht haben, ist in der Sierra Chisee in Guatemala gefällt worden. Der Stamm ergab einen Block brauch baren Holzes von 13,52 Meter Länge, der am dickeren Ende 1,52 mal 1,27 mißt und etwa 19 600 Kilogramm wiegt. Der Block wurde etwa 480 Kilometer weit bis an die Küste der Campöche-Bai geflößt, dort in zwei Teile ge schnitten und nach Greenpoint im Staate New Jork verschifft. Aus jedem der beiden Stücke können etwa 28 massive, aus einem Stück bestehende Tischplatten von 6,70 Meter Länge und anderthalb Meter Breite hergestellt werden, an deren jeder bequem 32 Personen Platz finden würden. Alexander m und Graf Tolstoi. Des verstorbenen Zaren Lieblingsschriftsteller, so schreibt die ,Christian World', war Graf Tolstoi, der es nur des Zaren persönlichem Schutz zu verdanken gehabt, daß er für seine frei geäußerten Ansichten keine Verfolgungen zu erleiden hatte. Dieser Schutz habe sich leider nicht auf seine Schüler ausgedehnt und die Tolstoiten in den Süd- und Zenttal-Provinzen hätten viel von der Polizei zu leiden. Unter andern sei vor zwei Jahren ein Fürst Khilkow, ein reicher Grund besitzer, der alle seine Güter unter die Armen verteilt habe, nach dem Kaukasus verbannt worden; die Strafe sei dadurch verschärft worden, daß ihm seine Kinder, die ihn in die Verbannung begleiteten, genommen wurden. Fürst Khilkow appellierte nun an Tolstoi, er solle seinen großen Einfluß aufbieten, um ihm seine Kinder wieder zu verschaffen, was der Dichter auch versprach. Er beschloß, an den Kaiser zu schreiben. Wie sollre er aber den Brief anfangen? Seine Grundsätze verboten ihm, solch' hochtönende Titel wie „Kaiserliche Majestät", „Selbstherrscher aller Neuffen" rc. zu gebrauchen. Nach langer Ueber- legung entschied er sich, ihn als „Lieber Alexander Alexandrowitsch" zu adressieren. Er schrieb darauf einen kleinen familären Brief, in dem er seinem „Lieben Alexander" den ganzen Fall aus einandersetzte und ihm zeigte, wie er einen wohl verdienten Mann belohnen könne, dadurch, daß er ihm seine Kinder wieder gäbe. Der Kaiser sandte als Antwort einen Adjutanten an den Grafen mit der Bitte — ihm nicht mehr zu schreiben und das war das letzte, was Tolstoi und der Fürst von der Sache hörten. Ein artiges Kind. Onkel: „Lieschen, bist du denn auch immer recht brav gewesen, seit ich nicht mehr hier war?" — Lieschen: „Ja, Onkel." — „Weißt du denn, wie artige Kinder sein müssen?" — „Ja, sie dürfen nicht gleich fragen: Onkel, hast du mir etwas mitgebracht, sondern müssen warten, bis sie etwas bekommen." Ehrlich. A.: „Ist es wahr, dein Kassierer soll mit zehntausend Mark und deiner Tochter durchgegangen sein!" — B.: „Allerdings; aber er ist ein ehrlicher Mensch ... die Tochter hat er schon zurückgeschickt!" dachte Harald schmerzlich, während ich mich nur vor gänzlichen: Verlieren m peinvolle Wirren Äen will, wenn ich die Besuche in diesem Hause aufgebe. Ist sie so unbefangen oder zürnt sie meinem gestrigen unbewachten Blick? Aber wie bleich und erschreckt sie aussieht, — sie ist denuoch verändert. Habe ich ihren Frieden schon auf- gestört ?" Das alles ging ihm quälend durch den red lichen Sinn, als er Inez mit dem Auge heim licher Liebe betrachtete und jetzt gewahrte, wie tief blaß und gleichsam von innerer Unruhe be drängt sie vor ihm stand. Ich werde die Komtesse veranlassen, einst weilen die Sitzungen zu unterbrechen, oder besser Noch sorgen Sie, daß dieser Wunsch von Ihrem Vater ausgcht. Es dürfte dies zweckmäßiger fein da mir die Komtesse auf ihre kleinen Lieb habereien wenig Einfluß zugesteht," schloß er mit einem matten Lächeln. Dasselbe geschieht unr mit dem Vater. Doch versuchen wir es — es darf ja nicht so weiter gehen," entgegnete Inez schwermütig. „Nein!" sagte Harald fest. Dann grüßte er tief und Inez schritt gedankenvoll dem Hause zu. Sie traf den Vater in einer gehobenen Stimmung. „Nun rate, Kind, welch einen Be such ich ganz allein für mich hatte," rief er chr heiter entgegen. , „Das weiß ich schon," lächelte sie. „Graf Prittwitz begegnete mir im Garten, und du be- findest dich jetzt besser?" „Die Unterhaltung hat nnr geradezu wohl- rethan. Das ist ein Mann nach meinem Sinn, m gerader, offener Charakter, ein kluger Sinn, keine Spur von kindischem Adelsdünkel und cur warmes, redliches Herz. Die kleine, bezaubernde Komtesse scheint dabei diesen gehaltvollen Mann kaum recht zu würdigen. Sie ist mir ein Rät, el. Sie gibt sich so kühl und oberflächlich, und doch ist sie eine leidenschaftliche Natur, die in stetem inneren Widerspruch zu handeln scheint." Inez wandte sich unruhig ab. „Möchtest du die Sitzungen nicht vorläufig aufheben, lieber Vater?" bat sie dann unver mittelt. „Das Arbeiten greift dich an, schone dich eine Weile." „Was fällt dir ein, Kind? Diese kleinen Schwächeanfälle find ja keineswegs von ernster Bedeutung, augenblicklich fühle ich mich Wohler als je. Auch dürfen wir das Komteßchcn nicht im Stich lassen. Ein paarnial muß sie noch kommen, dann erhält sie ihre Büste zu dem ver sprochenen Zettpunkt. Nein, Inez, rede mir nicht dazwischen, seit langem habe ich nicht so gern geschafft. Es geht mir gerade jetzt merk würdig besser, da könntest du wohl den Abend bei Onkel Reimarus verbringen. Du hast ihn letzthin ein wenig vernachlässigt. Geh, Kind, mach' ihm die Freude." „Willst du mich schon wieder los sein? Aber dein neuer Freund kommt heute nicht mehr, da mußt du ja allein bleiben." „Ist mir heut abend ganz recht, Kind. Da krame ich mal in den alten Papieren und schaffe Ordnung damnter. Das würde dich langweilen, während ich dich hierbei entbehren kann." Er sah sie in liebevoller Rührung an. „Wir find sonst ganz leidliche Kameraden geworden, wie, Inez? Ja, du hattest eine herzliebe Geduld mü deinem alten, störrischen Vater. Bist du noch so unglücklich, Klind?" Mit einer angstvollen Bewegung schlang sie heftig die Arnie um seinen Hals. „Nicht, so lange ich dich habe, liebster Vater," flüsterte sie. Wallmor küßte innig ihre Stirn. „Gedrttde dich nur, auch das Glück kommt einst zu dir, meine arme Peri." „Ich werde wieder schaffen können, glaubst du es?" fragte sie atemlos. „Deine Seele regt sich schon im Schlafe. Doch nicht das ist's, was mir jetzt im Sinne liegt für dich. Ein anderes, Kind. Es gibt ein Höheres noch für das Weib, der Himmel gewähre es dir." Er sah sie mit unbeschreib lichem Blick an. „Deine Mutter war glücklich — vollkommen. Und nun geh, mein Kind, gute Nacht." * * * „Kommst du endlich einmal, nach mir zu sehen?" rief Professor Reimarus freudig, als Inez seine Klause betrat. „War ich so lange nicht hier, Onkel?" „Frage meine Folianten, wie oft ich über sie hinweg nach der Thür geschaut habe. „Wirklich? Ihre Vernachlässigung, nur mich Störenfried wegen, will was sagen und könnte mich eitel machen, wenn das nicht zu spät wäre für mich," scherzte sie. „Ach, Kind, ich könnte dir erzählen, daß man sich noch im sechzigsten Lebensjahre ändern kann," sagte Reimarus träumerisch. „Doch nun beichte mir, was du denn alles in der langen Zeit ge trieben hast." „Wenig genug," seufzte sie. „Lassen wir das, ich will dir etwas anderes erzählen. Denke nur, ich lernte eine junge Dame kennen, die sich meine Freundin nennt. Ach, Onkel, jetzt sehe ich erst, wie sehr ich von anderen Mädchen ab weiche. Abgesehen von der äußeren Lebens stellung, die uns selbstredend viel beeinflußt, bin ich dennoch grundverschieden von KomtesseElkström. Mein ganzes Denken und Fühlen ist ein anderes." Der Professor nickte bedächtig. „Du bist groß, klassisch, wer könnte dir gleichen," murmelte er. „Aber erfreut dich dieser Verkehr?" fragte er ablenkcnd. „Andy ist überaus reizend und kann sehr liebenswürdig sein. Sie hat viel Geduld mit mir und verwöhnt mich geradezu. Gegen andere ist sie oft sehr lannig und rechthaberisch, mir zeigt sie eine große Milde und Nachgiebigkeit, weil — sie mich eben lieb hätte, wie sie be hauptet. Wo ihr Herz nicht mitsprächc, da herrsche sie. Nun, das scheint für gewöhnlich ziemlich stumm zu sein, denn sie tyrannisiert eigent lich alle Welt. Ein sonderbares Wesen. Ich bewundere durchaus nicht alles, was sie thut, doch muß ich sie gerne haben, sie läßt einem keine Ruh'. Sie hat mich wirklich lachen ge lehrt, und auf den Vater wirkt sie so wohl- thätig, daß ich ihr herzlich dankbar bin. Er lebt auf, Onkel, und doch scheint mir dies nur ein letztes Aufflackern vor dem Erlöschen," fügte sie trübe hinzu. „Ach, Onkel, ich meine, seine Kraft geht zu Ende, — wenn ich ihn verlöre, wenn er mich allein in der.Welt zurückließe, jetzt wo er mir näher trat und wir einander viel ge worden sind!" «L« lFortjetzung folgt.»
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