Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 19.09.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189409191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18940919
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940919
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-09
- Tag 1894-09-19
-
Monat
1894-09
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 19.09.1894
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm nahm am Donnerstag in Swinemünde zunächst die Flottenparade ab. Bei der Abfahrt der Manöverflotte nach Beendigung der Parade setzte sich die „Hohenzollern" an die Spitze der übrigen Schiffe. Dabei gewährte der Uebergang aus der einfachen Kiellinie in Geschwaderformation einen besonders interessanten Anblick. Die Schiffe fuhren bald zu zweien, bald zu dreien oder vieren nebeneinander. Allgemeine Bewunderung riefen die Torpedoboot-Flottillen hervor, die blitzartig das Panzergeschwader umkreisten, sowie die überraschende Promptheit, mit der die auf dem Admiralschiff „Wörth" gegebenen Signale befolgt wurden. Die gesamte Manöverflotte ging nachmittags bei Saßnitz vor Anker. * Der Rücktritt des bisherigen Gesandten in Schweden, v. Wedel, soll nach einer Mitteilung des Morgenbladesi in Chriftiania feinen Grund darin haben, daß Graf v. Wedel sich mit einer hochstehenden schwedischen Dame zu vermählen gedenkt. * Es herrscht immer noch im Publikum die irrige Ansicht, daß Fabrikmarken bezw. Warenzeichen, die nach dem Gesetz vom 30. No vember 1874 angemeldct sind, einer Neuanmel dung nach dem Gesetz vom 12. Mai 1894 nicht be dürfen. Demgegenüber ist zu erwähnen, daß Waren zeichen, die nach dem Gesetz vom 30. Novem ber 1874 eingetragen sind, dem neuen Gesetz unterliegen und können dieselben bis zum 1. Oktober 1898 jederzeit in die Zeichenrolle des kaiscrl. Patentamtes eingetragen werden. Der bis dahin gewählte Schub erlischt am 1. Okto ber 1898. *Bei der Beschlußfassung über Abände rungen der Konkursordnung, zu der die Handelskammern von der Regierung aufge fordert worden sind, hat die Handelskammer Sagan zwei Punkte von besonderer Wichtigkeit gutachtlich in Borschlag gebracht. Zunächst em pfiehlt sie, die Gebührenordnung dahin zn regeln, daß ein Satz festgestellt werde, der prozentualiter zu der verwalteten Masse zu bemessen sei. Ferner sollen die Paragraphen über Ausgestaltung des Gläubigerausschusscs die Erweiterung erfahren, daß im Vorverfahren vom Richter ein Ausschuß eingesetzt wird, wenn die Gläubiger, die ein Viertel der Masse ausmachen, dies beantragen. Bei einer Ucberschuldung von 33'/g Prozent sei Konkurs anzumelden; nur wenn dieser Satz nicht überschritten sei, könne Zwangsvergleich statt- findcn; die von dritter Hand geliehenen Kapi talien zur Geschäftsgründung kämen dabei nicht in Betracht. * Von neununddreißig der angesehensten deutschenM argarine-Fabrikanten wird eine Eingabe an den Bundesrat und Reichstag vorbercitei, worin gebeten werden scll, die reelle Herstellung und den reellen Vertrieb der Marga rine weder durch eine Gesetzändcrung zu unter binden, noch auch durch eine besondere Besteue rung einzuschränken. Die bekannten Anträge aus landwirtschaftlichen Kreisen würden nur der ge- sundhcitsscbadlicheu Fälschung Vorschub leisten und anderseits den minder wohlhabenden Be- völkecungskreisen einen guten Ersatz für Butter entziehen. Die deutschen Handelskammern sollen aufgefordert werden, diese Eingabe zu unter stützen. * Wegen Landesverrats ist nunmehr die Voruntersuchung gegen Frau Jsmert an geordnet und die von ihr erhobene Beschwerde gegen den Strafbefehl vom Reichsgericht ver worfen worden. *Die sächsische Militärverwal tung hat für die in Militärlazaretten von schwerer Krankheit oder Verletzung Geheilten in der Nähe von Dresden eine Genesungs anstalt erbaut, die erste derartige Einrichtung für Soldaten im Deutschen Reiche. Oesterreich-Ungarn. * Am Donnerstag vormittag fand imStephans- dome zu Wien die feierliche Enthüllung des Denkmals zur Erinnerung an die Befreiung Wiens aus der Bedrängnis durch dieTürken im Jahre 1683 statt. Der Feier wohnten der Kaiser, die Erzherzöge, der Ministerpräsident Fürst Windischgrätz, mehrere andere Minister, der päpstliche Nuntius Agliardi, der Statthalter, sowie zahlreiche Hof- und Staatswürdenträger und der Bürgermeister bei. Kardinal Gruscha hielt eine feierliche Ansprache an den Kaiser. Frankreich. *Die französische Republik macht Front gegen orleani st ischen Kundgebun gen. Der Ministerpräsident Dupuy hat ein Rundschreiben an die Präfekten gerichtet, worin er ihnen vorschreibt, keinerlei öffentliche Kund gebungen der Monarchisten anläßlich des Todes des Grafen von Paris zu dulden. *Das royalistische Komitee ahmt die Taktik der Bonaparti st en nach, die in den ersten Jahren der dritten Republik viel von sich reden machte. So sind allen Gegenden Frankreichs Arbeiter und Bauern aufgeboten worden, in der Provence, in der Freigrafschaft, in der Vendee, in der Normandie, sogar in Paris, und man hat diese aus Dieppe über Newhausen, einzelne auch aus Calais nach London spediert, damit sie bei dem Begräbnisse des „Königs" das französische Volk vertreten. Ob man ihnen auch noch weiße und blaue Blusen überzog, wie zur Zeit der Fahrten nach Chisle- hurst, wird nicht gesagt. England. *Der englischen Regierung scheinen in Indien neue Schwierigkeiten zu erwachsen. Der nie ganz beseitigte Hader zwischen Mo hammedanern und Hindus tritt wieder einmal in blutigen Kämpfen an die Oeffentlich- keit. Nach einer Meldung aus Puua fanden dort in der Nacht zum Donnerstag religiöse Ruhestörungen statt, hervorgerufen durch einen Zusammenstoß zwischen den Mohammedanern und den Hindus. Eine Moschee wurde geplün dert; eine Person wurde getötet, viele andere wurden verwundet. *Zur Samoafrage hat die englische Regierung in der ,Pol. Korr/ einen Fühler aus- gestreckt, an die Stelle des durch die Samoa- akte geschaffenen gemeinsamen Protektorats von Deutschland, England und Nordamerika ein deutsch-englisches Protektorat zu setzen. Die Geneigtheit der nordamcrikanischen Union, auf ihren Einfluß auf Samoa ganz zu Verzichten, wird dabei mit einer auffallenden Be stimmtheit vorausgesetzt. Schweden-Norwegen. * König Oskar von Schweden hat jüngst einen offenen Brief an das schwedische Volk erlassen, in dem es aufgefordert wird, den im Dezember eintretenden 300. Jahrestag der Geburt des Königs Gustav Adolf als nationalen Festtag zu feiern. Sofern die Lehr anstalten am vorhergehenden Tage die Feier abhalten, soll jeder Unterricht ausfallen. Ueber die Feier im Heere sollen die entsprechenden An ordnungen erlassen werden. Rußland. * Ueber eine anscheinend weitere Verstär kung der russischen Besatzungen in den west - lichen Grenzgebieten wird aus Odessa gemeldet: Hier eingegangene Nachrichten aus Batum bestätigen, daß dort Vorbereitungen zur Verschiffung der 38. Truppendivision nach Odessa im Gange sind. Von hier soll die Division, wie verlautet, zu dauernder Garnison nach der Stadt Bobrinez nahe der Westgrenze des Reiches ge brach: werden. Balkanstaaten. * Die Albanesen scheinen wieder über mütig zu werden^ 4000 Albanesen bemächtigten sich der Stadt Sienica, plünderten sie, metzelten v^ele Einwohner nieder und schändeten die Frauen. Zahlreiche türkische Truppen marschieren gegen die Albanesen. Asien. *Jn dem Krieg zwischen China und Japan tritt immer deutlicher die Thatsache hervor, daß die Chinesen Japan ohnmächtig gegenüberstehen. Sie suchen die japanische Flotte fortwährend und finden sie nie, d. h. sie ziehen sich zurück, sobald sie dieselbe vor sich haben und schützen dann deren Unsichtbarkeit vor. Je schwächer sie sich im großen zeigen, desto stärker zeigen sich die Chinesen, wenn sie Japaner in, kleiner Anzahl auffinden. Dieselben werden dann ohne weiteres geköpft. Das find dann die Siege der Chinesen über Japan. Man hat Grund zu der Annahme, daß die europäischen Mächte über diese Art der Kriegsführung über kurz oder lang Vor stellungen in Peking zu machen Anlaß nehmen dürften. * Vom o st asiatischen Kriegsschau platz waren, wie dem ,Reuterschen Büreach aus Schanghai gemeldet wird, dort Gerüchte verbreitet, wonach am 2. September eine Schlacht in der Nähe von Kaitscheng stattgefunden haben soll. Chinesischen Blättern vom 10. September zufolge wäre dieselbe nach zweitägiger Dauer unentschieden geblieben. Am 12. September meldeten die Zeitungen, vom General Ach sei Bericht über einen Sieg der Chinesen einge laufen, es herrscht jedoch in Schanghai die An sicht, daß China eine Niederlage erlitten habe. Die chinesischen Truppen sind noch immer durch das Hochwasser am Uebergang über den Jmtsching- Fluß gehindert. Uom Grafen von Paris. Zu Weybridge ist am Mittwoch der Graf von Paris unter ernstem Trauergepränge und unter Teilnahme aller Getreuen seines Phantasie- Thrones zur ewigen Ruhe bestattet worden, nach dem sein nunmehr abgeschlossenes Erdendasein, wenigstens seitdem die ideellen Thronansprüche auf ihn übergingen, das Bild einer zeitlichen Ruhe gewährte. Einen geduldigeren, anspruchs loseren, ergebeneren Thronanwärter kennt die Ge schichte des Prätendententums kaum. Er, der als Kind in Eisenach eine deutsche Erziehung ge nossen, der dann die amerikanischen Kriege mit machte, lange in Italien und zuletzt in England lebte, war trotz dieses äußerlich internationalen Wesens ein ganzer Franzose und von seinem Anrecht auf den französischen Thron tief und innig durchdrungen. Aber er hatte cs keines wegs eilig mit dem Antritt der Erbschaft. Dem guten Familienvater, dem trefflichen Gatten, dem Manne, dem die stille Häuslichkeit über alles ging, wäre der Ruf zu lärmenden, auf regenden politischen Aktionen vielleicht recht un bequem gewesen. Stowe House, der Landsitz des Grafen, ist durch seine Pracht wohl im stände, dem Brote der Verbannung etwas von seiner Bitterkeit zu nehmen. Das Hauptzimmer ist die hohe Marmorhalle mit ihrer von Säulen getragenen Kuppel und ihren Bildsäulen. Der Empfangs saal ist mit kostbaren Gemälden geziert; dazu kommt noch ein Billardzimmer, ein Museum für die Jagdtrophäen des jungen Herzogs, eine Banketthalle, eine Hauskapelle, deren Zederholz täfelungen von den Schiffen der spanischen Armada stammen, und die hohe Bibliothek, die zugleich als Wohnzimmer dient. Eine stattliche Allee führt zu diesem wahrhaft königlichen Sitzehin. SiebenJahre verbrachte hierderGrafvon Paris, sieben lange Jahre, wie er oft wehmütig zu seinen Besuchern sagte, obgleich es bei allen ziemlich feststand, daß er das friedliche Präten- dententum in fremden Landen dem stürmischen Königtum zu Paris vorgezogen hätte. Gleich Napoleon, der ebenfalls in England starb, fern von dem Lande, das er sein wähnte, hatte auch der Graf von Paris schriftstellerischen Ehrgeiz, nur daß er ihm mit mehr ehrlichem Fleiß und minderer Eitelkeit oblag. Seine Bücher waren sehr sorgfältig ausge arbeitet, aber es fehlte ihnen der Schwung und seine Verleger machten damit kein glänzendes Geschäft. Wenn aber seine sonstige Schwer fälligkeit auf Rechnung seiner „deutschen Ab stammung" gesetzt wird, so vergißt man, daß seine Blutter Helena von Mecklenburg eine der zartesten Idealistinnen war, die Deutschland jemals hervorgebracht. Nebenbei war sie die einzige, die bei der Revolution von 1848 den Kopf nicht verlor, und wenn es an ihr gelegen hätte, wären sie und ihre Söhne damals in Paris geblieben und hätten den Stnrm abge wartet. Sie begab sich nach Eisenach, wo die Söhne unter der Oberaufsicht Regniers erzogen werden sollten; aber dies mißfiel dem Exkönig und der Exkönigin und so siedelte sie nach Eng- ! lano über, wo sie beständig von mißvergnügten i Höflingen umgeben waren. Leider starb die i Herzogin schon 1858, als der Graf von Paris erst 18 Jahre zählte; der Einfluß auf seine Mannesentwickelung ging dadurch verloren. Was s dann von seiner deutschen Abkunft blieb, M l die Gründlichkeit. Er las unausgesetzt, hielt ! sich mehr Zeitungen als ein englischer M, ! kannte sich in englischen Blaubüchern aus und war eine anerkannte Autorität im Fache da Botanik. Die Sparsamkeit des Grafen von Paris r ist von seinen Parteigängern und Gegnern M i gern bekrittelt worden, von seinen Parteigängern I sogar oft noch schärfer, da sie glaubten, durch größere Opfer für ihre Sache etwas zu ge winnen. Vieles nun, was über seinen Sparsinn ver- lautet, soll auf tendenziöse Erfindung zurüchn- sichren sein, denn daß der Graf von Paris, wo die Verhältnisse cs ersorderten, reichlich zu geben l und auch in dieser Hinsicht als wirklicher Gent- I leman zu handeln wußte, steht außer Zweifel I Ein glänzendes Zeugnis wird ihm von Paul i de Cassagnac — also von einem Politiker aus- I gestellt, der nicht zu seiner Partei gehört und l durch besonders schonende Behandlung persön- - sicher und sachlicher Fragen nie sich hervorge- than hat. Seit dem Tode des kaiserlichen . Prinzen will der imperialistische Publizist keinen . fürstlichen Herrn von so warmem Empfinden, ft edlem Streben und so vornehmer Gesinnung i kennen gelernt haben, wie den Grafen von Pans. I Dieses lobende Urteil wird — wenn man die i Persönlichkeit desjenigen in Betracht zieht, der es ! fällt — kaum zu überbieten sein. Uon Uah und Fern. Rekruteneinstellung. In diesem Jahre I werden die Rekruten in folgender Weise zur ! Einstellung gelangen: Oekonomiehandwerker aui ! 2. Oktober, Train am 3. Oktober, Kavallerie aw I 4. Oktober, Fußartillerie am 9. Oktober, Eisen- l bahn-Kompanie an, 10. Oktober und Infanterie, ! Schützen, Jäger, Feldartillerie und Pioniere am , 13. Oktober. Deutsche Industrie. Im glastechnischcn , Laboratorium zu Jena ist man gegenwärtig mit j dem Rohguß eines Objektivs zu einem astrono- - mischen Fernrohr beschäftigt, das nach seiner - Fertigstellung die größte bisher gegossene Linst s aufzuweisen haben wird. Der Durchmesser der selben beträgt nicht weniger als 110 Zentimeter^ d. h. 14 Zentimeter mehr als derjenige der bis herigen größten Fernrohrlinsc auf dem Lick ft Kalifornien, deren Durchmesser nur 96 Zenti- s meter beträgt. Die neue Linse wiegt im Roh guß etwa 10 Zentner. Das Schleifen derselben wird in München besorgt. Die Kosten der fertig geschliffenen Linse werden 300 000 Mark be tragen. Auf der nächsten Berliner Gewcrbe- ausstellung soll das neue Objektiv ausgestellt werden. Das Branduugliikk in Rießen bei Guben bei dem zwei Soldaten des 4. Garderegiments verbrannt sind, ist nach dem bisherigen Ergebnis der Untersuchung durch Unvorsichtigkeit del Soldaten selbst veranlaßt worden. Der Be sitzer, bei dem die Soldaten in Quartier lagen, hat zwei nebeneinander liegende Hofstellcn. AM der einen steht ein neues massives Haus, aus der anderen noch ein altes Strohgebäude, das Wohnräume, Stall und Heuboden unter einem Dach vereinigt. Den 10 Soldaten hatte der , Besitzer dieses alte Haus angewiesen und zwar ; sollten 8 Soldaten in den Wohnräumcn, zwei ! auf dem Boden schlafen. Unbefugterweisc sind i aber mehr Soldaten nach dem wärmeren Heu- boden gegangen, obgleich der Quartierwirt sie ausdrücklich davor gewarnt hatte. Bei der ; Durchsuchung der Brandstätte hat man zwei Taschenuhren gefunden. Verunglückter Radfahrer. In der Nacht . zum Montag verunglückte ein Radfahrer aus Bautzen auf der Straße von Postwitz auf eine ganz entsetzliche Weise. Es war finster und von weitem sah der Fahrer zwei Lichter, die er für die Laternen zweier nebeneinander fahrenden Radler hielt. Da dieselben nach seiner Meinung weit genug voneinander waren, wollte er im schnellen Tempo mitten hindurchfahrcn; das, was er für Radfahrer hielt, war jedoch ein, Keimgefunden. 1H (Fortsetzung.) EinerLawine gleich pflanzte es sich jubelnd fort: „Sie kommen, unsere Retter kommen!" Losgelöst und befreitwaren alle Gemüter vondem jahrelangen Drucke, und hoffnungsfreudig blickte man dem Sieg und Kampf entgegen. Zugleich mit dem Einrücken der Kaiserlichen wurde ein offener, von Andreas Hofer und Martin Teimer unterzeichneter Aufruf verbreitet und diesem Rufe folgend, kamen sie von allen Seiten herangezogen, die helden kühnen Streiter. Schon am nächsten Tage, am 10. April, kam es im Pusterthale zum Aufstande, als die bay rischen Truppen bei St. Lorenzo die Brücke ab brechen wollten, um die Oesterreicher aufzuhalten. Siegreich stritten die Tiroler, und die Bayern mußten sich am rechten Ufer der Eisack über Schals zurückziehen. Nach einem abermaligen hitzigen Gefechte wurden sie auf Sterzing zu gedrängt und zwar über Mittelwald. Nun er schien auch Andreas Hofer, der schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und 1805 als Hauptmann der Passeier ins Feld ge zogen war, mit dem Landsturm der Gerichte Sareuteim und Passeier und griff die sich zu rückziehenden Bayern so siegreich an, daß ein Teil derselben abgeschnitten wurde, der sich nach dem Sterzinger Moos flüchtete, wo er sich nach großen Verlusten am 13. ergeben mußte. In zwischen hatten sich auch die Ober- und Unter- innthaler erhoben und bereits am 12. Innsbruck erobert. Mit Pfeifen und Tromnieln, mit Vivat schreien, Jodeln und Singen hielten sie ihren Siegeseinzug in die Landeshauptstadt; wohl an 13 000 Wehrmänner befanden sich an diesem Tage in derselben, von den Städtern mit be geistertem Jubel empfangen. Als die Freude ihren Höhepunkt erreicht hatte, brachten plötzlich einige Bnrschen einen hölzernen, zweiköpfigen Adler vsn ungeheurer Größe herbei, den sie im Betsaale des Damenstiftes an der Franziskaner- kirchc aufgefunden. Alles schloß sich jauchzend den Burschen an, und bald ging es im unab sehbaren Zuge dem Taxischen Posthause entgegen, an welchem sie den Adler über der Thür be festigten. Kaum war es geschehen, so stieg einer nach dem andern die Leiter hinauf, um den österreichischen Adler zu küssen, wobei oen meisten die Hellen Thränen über die Backen liefen. Dies alles glich jedoch nur einem Vorspiele zur eigentlichen Siegesfeier; denn am andern Tage mußten sich die Franzosen und Bayern unter den Generalen Brisson und Wrede be dingungslos ergeben. Am 15. April hielt auch der Feldmarschall- Leutnant Chasteler mit einer Trrrppenabteilung in Innsbruck seinen Einzug, indem er dem Volke, das ihn jauchzend empfing, zuries: „Wir wollen mit euch leben, siegen oder sterben!" Und als wirklich die Stunde der Not erschien, war er der erste, der die Tiroler verließ. Bisher hatten die lang sam nachfolgenden kaiserlichen Truppen nichts weiter zu thun gehabt, als die von den Land sturmmännern gemachten Gefangenen zu über nehmen. Bei dem Engpässe von Calliano wur den von Chasteler in nutzlosem Kampfe mit einem , überlegenen Feinde gegen tausend seiner tapferen Soldaten aufgeopfcrt. Andreas Hofer war, ohne Innsbruck be treten zu haben, mit seinen wackeren Leuten vom Brenner zurückgekehrt, in Meran seinen feierlichen Einzug haltend. So hatten die Tiroler durch eigene Kraft mit verhältnismäßig geringen Opfern ihr ge liebtes Vaterland befreit und eine Anzahl an Gefangenen gemacht, darunter die Generale Brisson und Wrede. Staunend vernahm die Welt die Kunde von dem unbezwingbaren Heldenmute und den glänzen den Siegen des biederen Volkes und auch bei dem deutschen Volke begann sich Hoffnungs- frcudigkeit zn regen. Schon bei dieser ersten Erhebung der Tiroler trat leuchtend die edle Gestalt Andreas Hofers hervor, dessen Brust kein unlauterer Gedanke in dem heiligen Kampfe erfüllte und dessen Herz frei war von jeder Regung der Eitelkeit und des Neides und welcher dem besiegten Feinde gegenüber stets Menschlichkeit und Edelmut walten ließ. Nachdem Tirol wieder frei, ging es schonungs voll an die Beseitigung der bayrischen und bay risch gesinnten Beamten. Als Baron Thurming, Augustens und Johannas Onkel, in den Wagen stieg, der ihn zurück nach Bayern führen sollte, da wurden die Tiroler, die ihn näher kennen gelernt, nicht müde, ihm die Hand zu drücken. Ms es auch ein Greis mit schneeweißen Haaren that, sprach dieser treuherzig: „Wir haben die Bayern Hinausgetrieben und ! zwar mit tausend Freuden, dich aber, gnädiger Herr, behielten wir gern im Lande, wenn es ' eben ginge; denn du hast ein treues, deutsches Herz und warst stets gut gegen uns!" Die Beweise dankbarer Gesinnung, die ihm diese schlichten Leute entgegeubxachten, benahmen ihm jede Bitterkeit darüber, daß er gezwungen Tirol verlassen mußte. Zu seinen Nichten, die zurückblciben und sich auf ihr Schloß begeben wollten, hatte er beim Abschied bedeutungsvoll gesprochen: „Ich verlasse dieses Land, wv noch aüe deutsche Treue wohnt und in dem ich in fried lichen Zeiten gern leben möchte. Die Stunde des Weltgerichts hat für Napoleon noch nicht geschlagen und auch Tirols Schicksal wird nicht in diesen Bergen, sondern in offener Fcldschlacht entschieden; sinkt Oesterreichs Kaiscraar daselbst - danieder, so kehren die Franzosen und Bayern zurück, und mit Blut und Feuer wird das arme j Land für den kurzen Freiheitstraum zu büßen haben. Aber ein leuchtendes Beispiel hat dies biedere Hcldenvolk der Welt gegeben, aus welche Weise das Tyrannenjoch zu brechen ist!" — . Das Schicksal Tirols sollte wirklich nicht in den heimischen Bergen endgültig entschieden wer den. Nachdem Napoleon die österreichische Armee in einer fünftägigen Schlacht bei Eckmühl unweit Regensburg zurückgeworfen, drang der Feind unter Lefebre und Wrede aufs neue in das Land und bald waren sie wieder die Herren desselben. Doch auch nun erhoben sich die Tiroler und zwar so siegreich wie das erste Mal. Nach den unter Hofers Führung am 25. und 29. Mai stattgefnndcncn Gefechten war der Feind nach unerhörten Verlusten gezwungen,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)