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Allgemeiner Anzeiger : 29.08.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189408294
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18940829
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- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-08
- Tag 1894-08-29
-
Monat
1894-08
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.08.1894
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Politische Rundschau. Deutschland. * Das Kaiserpaar empfing am Donners tag den Besuch des Prinzen Christian von Dänemark, Bruders des regierenden Königs. Der Prinz hatte Berlin auf der Durchreise nach Kopenhagen berührt. * Daß bei den Erwägungen über die Thun- lichkeit der Abhaltung der Kaisermanöver in -Ost- und Westpreußen eine günstigere Auffassung der Sachlage Platz zu greifen scheint, erweisen einige spezielle Anordnungen, die erst iw letzter Zeit getroffen sind. So sind zur Ehren wache für die Zeit des Aufenthalts des Kaisers in Marienburg bereits Mannschaften aus gewählt worden. Jedes Regiment stellt eine be stimmte Anzahl und zwar wird die Wache auf diese Art vom ganzen Armeekorps kombiniert. — Ferner hat der Thorner Stadtverordneten sitzung am Mittwoch der Bürgermeister ein Schreiben des Hofmarschallamtes verlesen, In halts dessen der Kaiser die Einladung der Stadt Thorn zu einer Festlichkeit nicht annehmen kann, da nach Beendigung der militärischen Uebuugen die Zeit zu kurz bemessen sei, doch werde er den Ehrentrunk vor dem Rathause annehmen. *Eine wichtige Arbeit der bevorstehenden Reichstagssession wird die Entscheidung über die ungewöhnlich große Zahl ange fochtener Wahlen sein. Diese Wahlen sind im Reichstag bereits mit ganz vereinzelten Ausnahmen zur Verhandlung gekommen, und es ist, dem Antrag der Wahlprüfungs-Kom mission gemäß, Veranstaltung von amtlichen Ermittelungen beschlossen worden. Das Er gebnis derselben dürfte bei dem Wieder zusammentreten des Reichstages vorliegen und dann bald die Entscheidung erfolgen. Es be finden sich darunter mehrere Wahlen, die mit knappster Mehrheit von wenigen Stimmen erzielt wurden und man wird sich darauf gefaßt machen müssen, daß manche Unrichtigkeitserklärungen er folgen. * Herzog Ernst H. von Koburg- Gotha soll in Koburg ein ehernes Standbild erhalten. Zu diesem Zweck erläßt ein Komitee, dem Oberpräsident v. Bennigsen vorsteht und dem hervorragende Männer aus allen Ständen und Berufsklassen angehören, einen Aufruf. * Die für Kamerun angeworbenen Sudanesen bewähren sich nicht; sie huldigen zu stark dem Branntwein und können auch das feuchte Klima an der Küste nicht vertragen. Außerdem sind sie auch nicht botmäßig, so daß es schon wiederholt zu Exzessen unter ihnen ge kommen ist. Der Gouverneur wird sie daher auf Stationen im Innern schicken, sobald neue Anwerbungen von Negern gemacht worden sind. Oesterreich-Ungarn. * Ein Anknüpfungspunkt zwischen Tschechen und Deutschen in Böhmen, wobei der Nationalitätenhaß einmal ganz zurückgetreten ist, hat sich auf wirtschaftlichem Gebiet gefunden. Ein Komitee von Vertretern des Landesaus schusses und der Handelskammern von Prag, Reichenberg und anderer an der Elbe und Moldau gelegenen Städte beschloß, Ende September eine Stromschaufahrt von Prag nach Außig zu unternehmen, um die Notwendigkeit der Schiffbarmachung dieses Stromgebiets in einer Denkschrift nachzuweisen. Der Präsident der Handelskammer, Schebor, sprach seine Freude über das einmütige Zusammengehen beider Nationen in dieser wichtigen Frage und den Wunsch aus, daß Deutsche und Tschechen sich auch im polifischen Leben die Hände reichen möchten. Frankreich. ^Schießübungen bilden immer noch einen Bestandteil des französischen Volks schulplanes. Neuerdings hat das Ministerium des Innern ein besonderes Reglement für die Volksschul-Schießübungen anfertigen lassen und einen Wettbewerb zur Herstellung eines dafür geeigneten Gewehres ausgeschrieben. Das infolge dessen dazu ausersehene Gewehr entspricht dem Jnfanteriegewehr Modell 1886, es ist also eine kleinere Form des Lebelgewehres. *Jn Frankreich folgen die sozialisti schen Kongresse jetzt einander in kurzen Abständen. Nach dem Lyoner Kongreß steht nunmehr der von Nantes bevor, welcher vom 17. bis 22. Septemöer dauern soll, und zu dem alle Arbeitersyndikate eingeladen worden sind, .Delegierte zu senden. Der Hauptzweck der Zu sammenkunft soll, so heißt es in dem Aufrufe des Orgauisatiönskomitees, darin bestehen, die „ökonomischen Forderungen zu vereinheitlichen, um die soziale Emanzipation zu erreichen." Belgien. *Ueber die anarchistische Bewe gung werden, wie man einem Brüsseler Blatt mitteilt, nach einem zwischen allen Regierungen getroffenen Abkommen gegenwärtig alle Sicher-, .heitsbehörden auf dem Laufenden erhalten. Die belgische Regierung gibt von jeder Ausweisung eines Anarchisten aus belgischem Gebiet allen ausländischen Sicherheitsbehörden Kunde, ins besondere der Polizei desjenigen Landes, wohin sich der Ausgewiesene gewandt hat. Holland. * Eine Spaltung ist in der sozialdemo kratischen Partei Hollands ausge brochen. Es wird zugegeben, daß der „sozial- demokratische Bun d" in seiner Mehrheit anarchistisch gesinnte Mitglieder hat und den „ultrarevolutivnärcn" Standpunkt pflegt. Die eigentlichen Sozialdemokraten sind nun ausgetreten und erlassen ein Dianifest, in dem zur Gründung einer „neuen sozialdemokratischen Partei" auf gefordert wird. Italic«. * Schon wieder tauchen Gerüchte über mysteriöse V o r g ä n g e in einem italienischen Truppenteile auf, deren Bedeutung jedoch von offiziöser Seite abgeschwächt wird. Die Mforma' erklärt das Gerücht, wonach Soldaten des 24. Infanterie-Regiments im Lager von Bracciano Meuterei begangen haben sollten, für unbegründet. Es handle sich lediglich um Fälle persönlicher Insubordination, die mit Diszi plinarstrafen geahndet worden seien. — Die volle Wahrheit wird wohl auch diesmal nicht in Er fahrung zu bringen sein. * In der Romagna sind bei Anarchisten und in deren Vereinen Fahnen, Waffen, Munition und wichtige Papiere mit Beschlag belegt worden; fünf anarchistische Führer wurden verhaftet. Ruhland. *Jn Ergänzung der Nachrichten über den Gesundheitszustand des Zaren verlautet, daß sich der Kaiser überarbeitet habe und der Ruhe bedürfe, doch sei der Zustand ge fahrlos. *Die russischen Behörden haben jetzt den Hotelpächter Kondzielski aus Podwoloczyska (Galizien), der vor zwei Jahren durch ein fingiertes Telegramm nach Kiew gelockt und mittlerweile durch einen bestellten Ein bruch in seiner Podwoloczyskaer Wohnung seiner Briefschaften beraubt wurde, mit zahlreichen anderen österreichischen Staatsangehörigen als der Spionage überwiesen nach Sibirien verschickt. Balkanstaaten. * Der zweite Chef des türkischen General stabes und Inspektor der Militärschulen Frhr. v. d. Goltz-Pascha geht für sechs Wochen auf Urlaub nach Deutschland. Frhr. v. d. Goltz wird auf Einladung des Kaisers an den Manövern des 1. und 17. Korps (Königsberg und Danzig) teilnehmen. Er führt gleichzeitig siebzehn türfische Offiziere nach Deutschland, die zu ihrer Ausbildung auf drei Jahre in die preußische Armee eintreten werden. *,Swobodno Slowo^ meldet, Zankow habe der Regierung schriftlich mitgeteilt, daß er im Laufe dieser Woche nach Bulgarien zurückkehren werde. Der Ministerrat habe jedoch in der Erwägung, daß Zankow der An stifter verschiedener Handstreiche sei, auf Grund des Amnesfiegesetzes von 1886, das dem Mini sterrat das Recht einräumt, gewisse Personen von dieser Amnestie auszuschließen, beschlossen, Zankow die Rückkehr nach Bulgarien nicht zu gestatten. Dieser-Beschluß ist auch dem noch in Wien weilenden Zankow durch den dortigen bul garischen Agenten sofort bekannt gegeben worden. Unmittelbar danach erklärte jedoch Zankow einem Besucher seinen festen Entschluß, unbekümmert um die Folgen nach Sofia gehen zu wollen. Er teilte ferner mit, er habe bei der Fürstin Luise, die auf Schloß Schwarzau weilt, eine Audienz nachgesucht, um ihr die Notwendigkeit des Ueber- tritts der fürstlichen Familie zum orthodoxen Glauben darzulegen.' Er wolle' ihr sagen, so lange dies nicht geschehen, - könne.der Fürst nur durch Schrecken regieren. * Zwischen Montenegrinern und Albanesen sind neue. Streitigkeiten ausge brochen. Bei einem Zusammenstoß hat es auf beiden Setten Tote und Verwundete gegeben. Afrika. * Der König Mene lik von Abessinien beabsichtigt eine Reise nach Europa zu machen. Asien. * Die von China verbreiteten Sieges nachrichten begegnen, da eine anderweite Bestätigung derselben bis jetzt noch nicht einge troffen ist, allseitigem begründeten-Z w e i f e l. Weder das englische Auswärtige Amt noch die japanische oder chinesische Gesandtschaft erhielten eine Bestätigung der japanischen Niederlage in Korea. Nach einer Meldung aus Jokohama zeichnete der japanische Adel für Kriegskosten 80 Millionen Dollar, wofür keine Zinsen bean sprucht werden. Uon Uah und Fern. Die Dowesche Panzerangelegenheit will nicht zur Ruhe kommen. Jetzt will Dowe einer Fälschung seines Panzers auf die Spur gekommen sein. Wie er selbst mitteilt, ist er dem Urheber der Nachricht, daß sein Panzer in Spandau der Jnfanteriepatrone nicht standge halten habe, nachgegangen und will dabei die überraschende Erfahrung gemacht haben, daß eine Nachahmung seiner Erfindung in Spandau hinter seinem Rücken zur Probe vorgelegt worden sei, diese aber nicht bestanden habe. Des Verrats beschuldigt er den Kunstschützen Marfin, mit dem er bisher zusammen aufgetreten ist. Marfin soll dies auch in Zwickau einem Offizier gegenüber zugestandcn haben. Dowe hat' in zwischen seinen Panzer in Aachen und Mann heim wiederum auf die Kugelsicherheit von Offizieren prüfen lassen und wiederum, wie er wenigstens versichert, das Ergebnis gehabt, daß die Pattone des Armee-Jnfanteriegeivehrs der Erfindung machtlos gegenübersteht. Zwischen Marfin und Dowe ist es jetzt zu einer Trennung gekommen und letzterer reist jetzt nur noch in Begleitung des Kunstschützen Western. Die auch in Berlin verbreitete Nachricht, Dowe sei bei einer Schießprobe in Aachen verwundet worden, dementiert Dowe ausdrücklich. Die Cholera. Aus Danzig wird berichtet: Der Staatskommissar meldet: Cholera ist bak teriologisch festgestellt bei drei Personen aus Troyl bei Danzig, bei zwei aus Klein-Plehnen- dorf, bei einer aus Weichselmünde, bei einem Obdachlosen und bei einem Matrosen vom Dampfer „Windau" aus Libau im hiesigen Stadtlazarett. Ein bedenklicher Choleraherd hat sich in der etwa eine Melle von der schlesisch-preußi schen Grenze entfernten polnischen Stadt Bendzin gebildet. Deshalb sind die Grenzübergänge nach nach dem Kreise Kattowitz gesperrt worden. Die Cholera soll erst seit Freitag und zwar gleich äußerst heftig aufgetreten sein; am 18. d. zählte man bereits 8 und am 19. sogar 40 Tote. Die Lage in Bendzin ist um so bedenklicher, als die Erkrankten die von den Aerzten verordneten Medikamente nicht nehmen wollen, da das un sinnige Gerücht verbreitet ist, es sei den Aerzten anbcfohlen worden, Cholerakranke sofort zu ver giften. Eine brave That hat ein dreizehnjähriger Knabe in Trotha bei Halle a. S. ausgeführt. Zwei kleinere Knaben waren an der Saale in einen Kahn gestiegen, der Kahn löste sich von der Kette und trieb den Strom hinab. Da sprangen die beiden Knaben in ihrer Angst ins Wasser, der eine erreichte glücklich das Ufer, aber der andere trieb im Strom weiter. Das sah eine Frau, die mit ihrem dreizehnjährigen Sohn in der Nähe war, sie forderte sofort ihren Sohn auf, das im Strom treibende Kind zu retten, und. dieser kam der Aufforderung sofort nach. Der brave dreizehnjährige Bursche stürzte sich in die Saale, erreichte das dem Ertrinken nahe Kind und brachte es glücklich (schon in bewußt losem Zustand) ans Ufer, wo es bald wieder ins Leben zurückgerufen wurde. Während des Gottesdienstes schlug am - Sonntag ein' Blitzstrahl in d'ic Kirche des Dorfes ' Trabitsch im Netzethal. Ein Mädchen wurde ge lähmt und mußte nach Hause getragen werden. Die übrigen Personen hatten sich schleunigst ohne Kopfbedeckung aus der mit Dampf angefüllten Kirche entfernt.' An mehreren Stellen sind daS Gotteshaus und der Turm beschädigt. Ein blinder Passagier ist am Montag im Kreise Oppeln entdeckt worden. Auf der Station Gagolin bemerkte der Stationsbeamte, daß aus einem mit einem Plane verdeckten Eisen- .bahnwaggon ein menschlicher Kopf hervorrage. ' Bei näherer Untersuchung fand man in dem Waggon einen etwa 15jährigen Knaben, der auf diese Weise die Reise von Kiel bis Gogolin ge macht hatte. Der Knabe befand sich seit 2 Tagen unterwegs und hatte während dieser Zeit noch nichts genossen; erst in Gogolin, wo man den blinden Passagier aussetzte, sorgte man auch für dessen leibliche Bedürfnisse. Auf eigentümliche Weise kam in Siegen der Auktion'skommissar H. Griffe zu Tode. Der im besten Mannesalter stehende Herr fiel drei Stufen einer Treppe herab und schlug auf die Steinplatten des Hauses. Er brach dabei das Nasenbein, die Folge war ein Bluterguß ins Gehirn und nach einer Stunde der. Tod. Durch einen groben Bertrauensbruch verlieren zahlreiche Arbeiter und Arbeiterinnen in Hagen ihre gesamten im Laufe vieler Jahre zusammengebrachten Ersparnisse. Im Jahre 1860 gründeten die Arbeiter einer großen Fabrik eine Privat-Sparkasse, die von dem Werkmeister H., einem Mann, der bislang sowohl das Vertrauen seines Chefs wie auch der ihm unterstellten Arbeiter besaß, geleitet wurde. Vor einigen Tagen erkrankte der Werkmeister. Es erfolgte eine Revision der Kasse und dabei stellte sich der ,Hag. Ztg/ zufolge ein Fehlbettag von 13 000 Mark heraus. Vorhanden waren nur etwa 1400 Mk. bar sowie ein Sparkassenbuch von über 400 Mk., so daß der weitaus größte Teil der eingczahljen Gelder für die Einleger ver loren ist. In den letzten 15 Jahren war die Kasse einer Revision nicht mehr unterzogen worden. In Mittweida ist bekanntlich die zumeist aus Sozialdemokraten bestehende Feuerwehr auf gelöst worden, weil sie sich weigerte, bei einem Stiftungsfest des Verschönerungsvereins die Polizei in der Aufrechterhaltung der Ordnung zu unterstützen. Eine neugebildete freiwillige Mittweidaer Feuerwehr begrenzt die Aufnahme auf diejenigen, die in Treue zu Kaiser und Reich, König und Vaterland an der bestehenden Gesellschaftsordnung festhalten. Aus der aufge lösten Feuerwehr sind 46 Personen bei der neuen Feuerwehr eingetreten. Eine ungemein aufregende Szene er eignete sich in Bamberg am Feste Maria Him melfahrt in der Pfarrkirche -zu unserer Lieben Frau während des Gottesdienstes. Mitten in der Aufführung der Messe mußte der exekutierende Gesangchor Plötzlich innehalten. Der Chvrrektor und Lehrer Fiebler, Vater von mehreren Kindern, der in jüngster Zeit wiederholt unter Anzeichen von fixen Ideen und heftigen nervösen Anfällen zu leiden hatte, verfiel plötzlich dem Irrsinn und mußte in die Irrenanstalt gebracht werden. Be reits in früher Morgenstunde bestieg der genannte Herr Chorrektor den Orgelraum und dirigierte, ohne daß ein einziger Säuger da war, bis ihn der inzwischen aufmerksam gemachte Pfarrherr herabholte und in seine Wohnung bringen ließ- Der Unglückliche, ein tüchtiger und fleißiger Lehrer und Chorrektor, wird allgemein bedauert. Ein Student aus Bayern stürzte sich Nl Bern in einem Anfall von Melancholie aus eine« Fenster des zweiten Stockes herab und fiel auf einen Briefträger, der erheblich verletzt wurde. Der Student wurde bewußtlos weggetragen. Da der Börsenschwindel mit den alten Keimgefunöen. 7s (Fortsetzung. > Mit herzlichem Dankeswort reichte Auguste ihm die Hand, die sie mit weichem Druck eine kleine Weile in der seinen ruhen ließ. Als auch Johanna dieses that, nachdem die andern bereits wieder weitergingen, flüsterte er ihr zu: „Was macht meine Mutter, ist noch Hoff-, nung vorhanden? Seit drei Tagen schleiche ich ums Haus, ohne daß ich es betteten durste, da französische Soldaten als Einquartierung darin lagen, die erst vor wenig Stunden wieder ab gezogen. Heut muß ich die Teure sehen und wenn es mein Leben kosten solltet Wie steht's mit ihr? Johanna fand nicht gleich Worte. Als sie aber in das schmerzbewegte Gesicht des jungen Mannes blickte, rollte langsam eine Thräne über ihre Wangen; dann hauchte sie kaum ver nehmbar : „Es wird ihr eine letzte hohe Freude sein, noch einmal den geliebten Sohn zu sehen!" Da schlug der junge Mann erschüttert die Hände vors Gesicht, hieraus herrschte eine Weile fieses Schweigen; als er sie wieder sinken ließ, waren seine Augen thränenübersttömt. Nachdem Johanna ihn verlassen, blickte er bewegt den andern nach, wie sie zu Thale schritten. Plötzlich hielt Auguste die Schritte an und wandte ihm das Gesicht entgegen, und als sie ihn droben stehen sah, überzog dunkler Pur pur ihre Wangen; dann winkte sie ihm ver stohlen mit dem Taschentuch noch einen letzten Abschiedsgruß. Dorbleu schritt einstweilen allein dahin. Er besaß scharfe Augen und ebenso scharfen Spür sinn, weshalb ihm das auffallende Benehmen der beiden Mädchen nicht entgangen war. Sorg sam zog er sein Notizbuch hervor und nachdem er einige Zeit darin herumgesucht, begann .es freudig in seinen Augen aufzuleuchten als er las: „Fritz Stoiber, Oberleutnant in österreichischen Diensten, gebürtiger Tiroler und Sohn des Forst meisters gleichen Namens, ist seit kurzem von seinem Regiment abwesend und soll sich, wie ge heime Nachforschungen vermuten lassen, in seiner Heimat befinden. Derselbe ist hoch und kräftig an Gestalt und steht im Anfänge der zwanziger Jahre; ein besonderes Kennzeichen bildet eine kleine Narbe an seiner linken Stirn. Sollte er ergriffen werden, so ist er zufolge des neuesten Erlasses Seiner Majestät des Kaisers Napoleon als Spion zu erschießen. Lafor, Chef der Geheimpolizei." Nachdem Dorbleu mit dem Lesen zu Ende war, flog ein höhnischer Zug über sein Gesicht. „Welch' guten Fang hätte ich machen können! Doch wäre es fraglich gewesen, ob er mir auch gelungen, denn auch er wird Waffen bei sich getragen haben, und auf Arnstein hätte ich mich kaum verlassen können und dann wäre ich den Damen gegenüber auch in dem ungünstigen Ljchte eines Häschers erschienen. Dafür soll der Fuchs in seinem Bau ausgehoben werden, ohne daß ich nötig habe, dabei selbst mitzuwirken. Geht alles nach Wunsch, so wird mir auch Beförderung werden!" Nachdem er das Notizbuch zu sich gesteckt, gesellte er sich abermals mit leisem Scherz Augusten zu, während Johanna einige Schritt hinterher mit Arnstein ging, welcher nach einer Weile heimlich begann: „Ich wollte darauf schwören,' daß der junge Tiroler Ihres Forstmeisters Sohn Fritz Stoiber gewesen!" „Und wenn es der Fall?" fragte Johann in verzehrender Angst. „So habe ich ihn einfach nicht gesehen!" -Einer unwillkürlichen Regung folgend, reichte ihm'Johanna die Hand entgegen, die er zum Kusse an die Lippen führte; dann sprach er schmerzlich bewegt: „Wir befinden uns in einer trüben Zeit des heißen Kampfes. O möchte uns bald die Friedenspalme winken, blühen in ihrem Schatten doch die einzig wahren Freuden des Lebens, für die Schlachtenruhm keinen Ersatz zu bieten vermag!" Lieschens Freude über den Besuch ihrer vornehmen Freundinnen war eine überaus große; aber auch Arnstein wurde als alter Bekannter herzlich willkommen geheißen. Dann reichte sie Dorbleu freundlich, aber verschämt die Hand, welcher bei ihrem Anblicke sprachlos vor Ueberraschung war; eine solch' thaufrische, liebliche Alpenblume hatte er auf diesen Bergen nicht vermutet. Nun gab es auf einmal kein „gemeines tiroler Bauernpack" bei ihm, sondern er war diesem einfachen Mädchen gegenüber- ganz unerschöpflich in den überschwenglichsten Schmeicheleien, die bei ihrem ziemlich eitlen Sinne auf guten Boden fielen. Und da er merkte, daß Frohsinn und Heiterkeit ihr Lebens- elcment, da jagte bei ihm ein Scherz den andern, wodurch auch ihre Scheu vor dem vornehmen- Offizier, schwand. Nach einem ländlichen, aber wohlschmeckenden Mahle, das Lieschens Eltern den Gästen vor gesetzt, erschien diese in ihrem prächtigen Sonntags staat, in dem sie noch schöner erschien. Sie hatte sich mehr des galanten Franzosen als ihres Peters wegen so geschmückt, zu welch' letzterem nun die Wanderung angetreten wurde. Derselbe brachte auf Dorbleu ganz den entgegengesetzten Eindruck wie sie selbst hervor, als er gleich einem weißen Gespenste aus der Mühle trat. Lachend, fragte der Franzose verstohlen Lieschen, wer der großmächfige Mehlklumpen sei, auf welche Frage dem Mädchen, das mit ihrem Schatze zu glänzen hoffte, die Antwort im Halse stecken blieb. Nachdem jedoch auch Peter sein Sonntagsgewand angelegt, konnte er sich mit seiner blühenden Jugendkrast und Stattlichkeit und seiner kleidsamen Tirolcrtracht recht wohl neben den beiden glänzenden Offizieren sehen lassen, worüber Lieschen hohe Genugthuung empfand, während Dorbleu sich eines unange nehmen Gefühles nicht zu erwehren vermochte, da er sich bereits ziemlich siegesgewiß gefühlt. Für ihn schien Peter garnicht vorhanden zu sein und er ließ sich; als sie, begleitet von dem Liebespaare, wieder zu Thale- stiegen, nicht i« geringsten abhalten, letzterer auf Tod und Leben den Hof zu machen und eine Schmeichelei nach der anderen zu sagen. Die beiden Schwestern waren zu viel mit ihrem eigenen Denken und Empfinden beschäftigt, um auf das Thun und
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