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Allgemeiner Anzeiger : 11.08.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189408116
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18940811
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940811
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-08
- Tag 1894-08-11
-
Monat
1894-08
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.08.1894
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Sachen. (Sollte zu dem Entschluß Wallots nicht auch das absprechende Urteil wesentlich bei getragen haben, das der Kaiser vor drei Jahren in Rom vor den dortigen deutschen Künstlern über das Reichstagsgebäude abgegeben hat?) Am nervösen Jahrhundert. Von ärztlicher Seite wird der ,Kreuzztg/ geschrieben: Es ist eine Thatsache, daß die Be schäftigungs-Neurosen, deren bekannteste uns als Schreibekrampf entgegentritt, immer häufiger werden. Die Ursache hiervon ist aber nicht so sehr, wie gemeinhin angenommen wird, die immer größer werdende Kompliziertheit menschlicher Ver richtungen, sondern die zunehmende Nervenschwäche, die unserem Jahrhundert die Signatur des „neurasthenischen Zeitalters" aufgedrückt hat. Nur auf einem nervösen Boden kann sich die Beschäftigungs-Neurose entwickeln. Diese neu gewonnene Ueberzeugung ist wichtig für die Be handlung der Krankheit, da man vor allem be strebt sein muß, die Grundursache der Krankheit zu bekämpfen, wenn man das lokale Leiden heilen will. Die Beschäftigungs - Neurose ist trotz der Geringfügigkeit des Leidens, das nur bei einer ganz bestimmten Verrichtung in die Erscheinung tritt, von großer sozialer Bedeutung. Patienten, die von ihr befallen werden, geraten ost in die peinlichste Lage, da sie die Arbeit, die sie jahr zehntelang verrichtet haben, plötzlich aufgeben müssen. Natürlich betrifft dies nur Kranke, die von ihrer Hände Arbeit leben. Das sind aber die meisten. Das Vorkommen dieser Neurose in den höheren Ständen kann wohl als Rarität bezeichnet werden. Neuerdings ist in Berlin neben dem Augenexerziermuskelkrampf auch der „Radfahrerkrampf" wiederholt beobachtet worden. Ein bis dahin noch nicht beobachtetes Symptom für die Neurose wurde von Prof. Mendel an gegeben, nämlich Schmerz bei Druck auf den Radialnerv oberhalb des Ellbogens. Dieses Zeichen bedeutet, daß die Neurose fast immer vou einer Nerven - Entzündung begleitet wird. Es ist daher, außer der Bekämpfung der allge meinen Nervenschwäche, bei der lokalen Kur neben kunstgerechter Blassage und Elektrizität die Jodbehandlnng einzuleiten. ohn freu icht ome Lor auf be- an der uns uhle lag in ide- kürz her, mat -den mnz ocfe llag Die die ndet Es Be folg rmr dec ffen doch mgt Kien der kten ' ist wrd orca h in der )em :rio, ihn uter iden nis- Sie in," iber issa- Der nsch var, uen lten der ;en: Nr, mit tter wer er- hen mit. acht Ke ssen >ut- des sich rau ist aux m; M. der di- »ea j as- / der im chL en! ine sill s)ie jen ich ag nd nd eit nn ild md die ;en ill- ein em ils ist. och sen urf ;e- em nn zu nn Ueber die englischen Kaus hattnngs schulen macht der Töchterschuldirektor Ernst in Schneide- mühl, der sich gegenwärtig auf einer Studien reise in England befindet, der,Schneidern. Ztg.' zufolge interchante Mitteilungen. Danach bildet dieser Unterricht eine der wichtigsten Lehrdiszi plinen in allen Mädchenschulen Englands. Er gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Ersterer wird unter dem Namen „vomsstte Leonomz-" (häusliche Oekonorme) entweder dem Stundenplan eingefügt oder un mittelbar mit der Praxis verbunden. Gegenstand der Unterweisung sind: 1) die Kenntnis der Nahrungsmittel und wie ste gut zu kochen sind; 2) die Kenntnis des passendsten Materials für Kleidung, und wie einfache Stü^e am besten zu verfertigen sind; 3) die Kenntnis von der besten und billigsten Erwärmung, Reinigung und Lüftung der Wohnung und des besten Materials für Wäsche; 4) die Kenntnis der Gesundheitsregeln und ihrer Anwendung ebensowohl, wie die rich tige" Behandlung des Krmrkenzimmers, wenn jemand krank ist, eMich 5) die Kenntnis des Geldes, wie es zu verdienen, auszugeben und zu sparen ist. Aus dem Gebiet des praktischen Unterrichts berichtet Direktor Emst über den Kochunterricht. Von den neueren Schulhäusern hat jedes seine Küche. Für die älteren Schulen ist für je 3 bis 4 derselben im Mittelpunkt ihres Bezirks eine Küche eingerichtet. Die Küchen find alle nach demselben Muster hergestellt, 21 Fuß lang, 18 Fuß breit, und enthalten einen Demon strationstisch, einen Gasofen, einen Rost, einen Anrichtetisch, eine Scheuerbank, mehrere Schränke, einen Abwaschraum und die einfachsten Küchen geräte, außerdem Schulbänke für 16 bis 20 Schülerinnen. Jeder Kursus hat 20 bis 22 Lek tionen, und die Schülerinnen find verpflichtet, vom 10. bis 13. Jahre teilzunehmen. Die ge kochten Speisen werden billig, aber immer noch Das neue Reichstagsgebaude. lieber die Fertigstellung des Reichstags gebäudes berichtet der Hamburgische Korrespon dent : Baumeister Wallot hat danach nur ungern dem Drängen der Reichstagsbaukommisfion nach denhleunigter Fertigstellung des Baues nach gegeben. Wenn es nach seinem Willen ginge, Aürde der Bau weder 1894 noch 1895 dem gebrauch übergeben werden. Nach seiner An- Et dürfte es bei einem solchen Monumental en nicht auf einige Jahre ankommcn. Wallot lege das höchste Gewicht auf die Bedeutung eines solchen Bauwerkes als einer Art von Hochschule lur das Kunsthandwerk. Der deutsche Reichs- iWbau hätte für das deutsche Kunsthandwerk Werden müssen, was für das französische die cchloßbauten von Fontainebleau und Versailles Mesen find; dieser wichtigste und wertvollste Meck einer solchen Schöpfung gehe aber not wendig. verloren, wenn die ganze innere Aus- üattung in einem knappen Zeitraum überhastet werden muß. Wallot pflege kein Hehl daraus A machen, daß ihm diese Beschleunigung vom Standpunkt der künstlerischen Interessen schmerz- uch ist _ „aber die Herren von der Bau- Annssion drängen, da mich man ihnen den Willen thun." Fertig wird der Bau auch zum ^kwber noch keineswegs. Er wird dann zu den Schafts zwecken des Reichstages brauchbar Wl ab^ an der Vollendung wird noch manches Wen, namentlich an Getäfel und Malereien. Esch sei es, die Beschleunigung der Arbeiten As den eigentlichen Grund für den Weggang Ballots von Berlin anzusehen, da er ja auch M seiner Ueberfiedelung nach Dresden die Zweiten bis zu ihrer völligen Vollendung, die "°ch Jahre in Anspruch nimmt, überwachen WW. Man dürfe dagegen wohl armehmen, sein Entschluß, die ihm in Dresden ^gebotene Stellung anzunehmen, durch Mancherlei Enttäuschungen, die mit dem ^Astagsbau im Zusammenhang stehen, be wußt worden ist. In dieser Hinsicht erzähle ch eingeweihten Kreisen merkwürdige Die Cholera. Nach amtlicher Mitteilung wütet in Russisch-Polen die Cholera noch immer sehr stark. Besonders ist dies der Fall in den Gouvernements Kielce und Radow. In Kielce find in drei Tagen 220 Erkrankungen und 102 Todesfälle, in Radow 370 Erkrankungen und 108 Todesfälle vorgekommen.. — Die Fälle im preußischen Weichselgebiet bleiben vereinzelt. Man hat setzt in Palästina noch eine wichtige Bahnlinie ins Auge gefaßt. Dieselbe soll ganz Palästina von Nord nach Süd durch laufen. Sie soll in Damaskus aufangen, von da nach Beirut gehen und dann an der Küste entlang mit Seitenlinien nach dem Innern lauten und in Jsmaila oder Suez endigen. So würde Palästina mit dem ägyptischen Eisenbahn netz und dem Schiffsverkehr von mehr als der halben Welt, der durch den Suezkanal geht, verbunden werden; auch würde der Suezkanal, . die wichtigste Wasserstraße der Welt, zum Hafen stir Palästina werden. Ueber „fürstliche Bräute aus der Maschinenfabrik" schreiben amerikanische Blätter: „Fräulein Singer, deren Verlobung mit dem Fürsten Edmund de Polignac kürzlich veröffentlicht wurde, ist in der Familie des be rühmten amerikanischen Nähmaschinen-Erfinders keineswegs die erste fürstliche Braut. Ihre ältere Schwester Winerette wurde schon vor Jahren Prinzessin von Scey - Montbeliard, eine andere Schwester ist Herzogin von Decazes." Einen Eiscnbahnzug mittels Dynamit rn die Luft zu sprengen, ist am Donnerstag auf der St. Louis- und San Francisco-Eisenbahn versucht worden. Die Bombe war bei Eureka, EnoiS, gelegt. Die Lokomotive wurde be schädigt. Wahrscheinlich war es auf einen Raub abgesehen. Auf einem Scitengeleise befand sich em mit Dynamit beladener Waggon, von wo her die Räuber den Sprengstoff nahmen. Es grenzt au ein Wunder, daß niemand von den Fahrgästen des Zuges verletzt wurde. Ehe die Exolosion erfolgte, hatte der Beamte des Expreßwagens, in dem sich das Geld be fand, auf einen Räuber geschossen. .. Aber auch der langbärtige, stattliche Mann Aftt im Dahinschreiten ein Selbstgespräch, das gleichfalls wenig erfreulich war. .. ,,Das war der Iakob Burgmaier! Jetzt erst W's wie Schuppen von meinen Augen! Es 'bwmt auch alles zu, sind doch die zwanzig Jahre A zu denen er verurteilt wurde. — Er war -Knabe mein liebster Spielkamerad. So tief Ahnten, mein Gott, mein allbarmherziger Gott! thut mir leid, daß ich ihn nicht gleich erkannt, Me ihm gern ein freundliches Won gesagt, hat n doch seine That schwer genug gebüßt, und -EN wird er wohl auch ein anderer geworden W! — Ich gönne ihm die Rückkehr ins Vater- Ed, aber jetzt hätte er nicht kommen sollen, wo M, die letzten Vorbereitungen für den Öligen Kampf zu treffen. Wehe dem treuen Gröler Volke, wenn ihm in dem gewesenen Eubmörder Jakob Burgmaier ein Verräter ent- stehen sollte!" < 3n der Wohnung des Burgmaierschen Hauses We Stille. Auf dem Tische bräunte „ "/seines Oellümpcheu, das nur spärliches Licht verbreitete. In einem Kinderbette schlummerte ein ungefähr dreijähriges Mädchen, vor dein mit Psalmen Händen betend ein altes Mütterchen last Als sie damit zu Ende, blickte sie gedanken voll empor zur Decke und bald darauf klang Mes, was sie so lief bewegte, in den Worten aus: „Endlich werde ich meinen Jakob wieder- lehcn !" Dann geriet ste ins Träumen und da stiegen MLtMMMMElder aus längst vergangenen Zeiten vor ihr empor, und sie begann all' die entschwundenen seligen Stunden nochmals im Geiste zu durchleben. Ach wie lieb und gut war er als Kind gewesen! Stets ließ sie die Rückerinnerung nur bis an die Grenze seines Knabenalters schweifen und nur das erste Jahr seiner Ehe fügte sie mitunter noch hinzu, nach her aber kam finstere, rabenschwarze Nacht. Wie sie nun so dasaß, da war es ihr, als sehe sie ihren Jakob als frischen Knaben vor sich, wie er dereinst am heiligen Weihnachts abend, als er mit freudegeröteten Wangen vor dem kleinen, strahlenden Christbüumchen stand. Wie sie so daran dachte, umspielte ein leises Lächeln des Glücks ihren Mund. Doch plötz lich wurde sie aus ihren Träumen aufgeschreckl durch das rasche Ocffuen der Zimmerthür, in welcher ein hoher, kraftvoller Mann erschien. Bist zitternder Stimme fragte sie denselben: „Was willst du, Fremder, kommst du zu mir?" Ausweichend und bettoffen entgegnete der Mann: „Wie mir scheint, sind die Burgmaiers von hier ausgezogen. Du kannst mir wohl nicht sagen, wo sie jetzt wohnen? „Die alte Burgmaierin bin ich selber — doch die Stimme, die bekannte Stimme!" „Blutter, meine Blutter!" klang es mark- und beinerschütternd durch das Zimmer. „Iakob! Jesus, Maria und Joseph! die Gnad', die viele Gnad'!" Schon hing das alte, gebrechliche Mütterchen lachend und weinend am Halse des zurück gekehrten Sohnes, über dessen Wangen gleich vorteilhaft verkauft. Es ist Vorschrift, daß nur solche Speisen gekocht werden dürfen, die auf den Tisch des sogenannten kleinen Mannes kom men. Wichtige Maßregeln werden in ein Büch lein eingetragen, zieren auch wohl auf Tafeln in großem Druck die Küchenwände. Der Koch unterricht in den englischen Gemeindeschulen datiert vom Jahre 1875. Die ganze Bewegung hat auch die Ansichten über Kochen und Haus haltungswesen in den höheren Kreisen geändert. Heute gilt es nicht mehr für eine Hausfrau der besseren Stände für „sboekinx", wenn sie sich persönlich um Haushalt, Küche und Keller kümmert. Meitze als Kannibalen. Unter dieser Ueberschrift schreiben amerika nische Blätter: Kapitän Healy vom Zollkutter „Bear" berichtet über haarsträubende Vorfälle, die mit dem Untergange des Walfischfahrers „James Allen" im Beringsmeere in Verbindung stehe. Von der aus 49 Personen bestehenden Bemannung haben nur 25 den Untergang des Fahrzeuges überlebt, die Ueberlebenden wurden auf Unmak Island (?), nachdem sie unsägliche Leiden ausgestanden hatten, in einem ganz ent setzlichen Zustande gefunden. Sie hatten ver sucht, ihr Leben mit eßbaren Muscheln und dem Fleische wilder Vögel zu stiften, konnten aber nicht genug davon auftreiben. Andere Lebens mittel hatten sie nicht. In ihrer schrecklichen Hungersnot gruben sie die Leiche eines ihrer Gefährten aus und aßen ste vollständig auf. Auch die Leiche eines anderen wurde, nachdem sie schon zwei Wochen im Grabe geruht hatte, auSgegraben und von den Schiffbrüchigen teil weise verzehrt. Wie Healy mitteilt, fand man noch einen Rumpf vor, von welchem die Arme und Beine abgeschnitten waren, sowie auch Stücke Menschenfleisch in einem Topft, der am Eingang der Hütte stand, welche die Schiffbrüchigen er richtet hatten. Als die Schiffbrüchigen aufge funden wurden, hatten sie sich apathisch um ein Feuer gelagert; ihre Gesichter waren mit dem Blute ihrer unglücklichen Genossen beschmiert, und um ste herum lagen Menschenknochen. Die Apathie der Schiffbrüchigen hatten einen solchen Grad erreicht, daß sie keine Versuche mehr machten, Fahrzeugen, die in in der Ferne in Sicht kamen, Notsignale zu geben. Hyrtt-Anekdsten. Joseph Hyrtl, der jüngst verstorbene Wiener Anatom, war Zeit seines Lebens ein Original. Schon das Kostüm, in dem er dozierte, war eine Art Sehenswürdigkeit: plumpe Stiefel, eine vielfach geflickte, blaue Hose, ein fadenscheiniger, brauner Kittel, ein zerknittertes, ungestärttes Hemd. Jahrzehntelang ließ Hyrtl sein Gesicht vollständig glatt rasieren, nur uni sich nicht einer offiziellen Bartvorschrfft des Unterrichtsministers Grafen Leo Thun fügen zu müssen. Die rei zendsten Geschichten datieren aber wohl aus der Zeit, — und es sind dies mehr als zwei Jahr zehnte — während der Hyrtl als der Einsiedler von Perchtolsdorf bekannt war. Er führte auch in seiner von einem Garten umgebenen Villa und in seinem alten Turm ein wahres Ein siedlerleben. Tagelang sperrte er sich in seiner Ruine — er hatte die verfallene Burg mit dem Turm um 50 000 Gulden erworben — ein, ließ sich seine Mahlzeiten hinbringen und schlief auch dort, mitten in seinem von wissenschaftlichen Schätzen strotzenden Museum. Kam er heraus, dann badete er ganz ungeniert in dem Wasser bassin seines Gartens. Ein Mches Bad hat er noch am Samstag während der großen Hitze genommen und sich dann, nm mit dem Hemde bekleidet, in das Badehans begeben, das er übrigens erst nach vielem Zureden hatte errichten lassen. Ebenso bekannt, wie die Wasserbäder des großen Gelehrten, waren auch eine Zeitlang seine Luftbäder, die er in feistem Garten zu ge brauchen pflegte. Passierte es, daß irgend jemand den Greis im groben Leinwandkittel mit dem sturmgeprüften Hut für einen armen Teufel hielt und ihm ein Almosen gab, so nahm es Hyrtl ohne weiteres- Einmal gab ein kleines Mädchen ihm eine Semmel und einen Kreuzer; am folgenden Tage erhielt das Kind als falls stromweise die Thränen rannen. Dann sank er an der Mutter auf die Kniee nieder, indem er flehte: „Mutter, kannst du mir vergeben und noch einen Funken Liebe für mich fühlen?" Da legte sie ihm die Hände aufs Haupt und nachdem sie einen frommen Segensspruch ge murmelt, begann sie: „O du mein liebes Kind, wie schwer hast du leiden müssen! Aber ich habe ja tausend fach mitgelitten! Nicht war, ich bin recht alt geworden? Damals war ich noch frisch und stark. Tag und Nacht habe ich die vielen Jahre hindurch gefleht, der Herr möge es mir vergönnen, dich noch einmal zu sehen. Du brauchst nun eine gute Mutter gerade so nötig, wie dereinst, als du noch ein hilfloses Kind warst. Sei versichert, ich habe immer in treuer Liebe an dich gedacht, an welcher du dich nun wieder empor richten sollst!" „Und wo ist der Vater und wie denkt er über mich?" kam es bang fragend über Jakobs Lippen. Kaum hörbar hauchte das alte Mütterchen: „Der schläft droben auf dem Kirchhofe, und auch dein Weib und deine Tochter Rosel sind ihm ins Jenseits nachgefolgt. Sie haben in ihrer Sterbestunde noch dein gedacht, und mich gebeten, dir ihren Segen zu überbringen!" Mit einem Schmerzensschrei vergrub Jakob sein Gesicht in den Händen der Mutter. So viel Liebe und Treue lag also droben auf dem kleinen Friedhöfe für ihn begraben! Die ihn in der Todesstunde noch gesegnet hatten, die hatte er bei seiner Heimkehr seinen wilden Trotz fühlen Revanche eine wertvolle Riesenpuppe. — Eine? Tages kam Hyrtl auf den Einfall, er wolle das Schlangengift studieren. Er ließ sich daher eine Sendung indischer Sandschlangen schicken. Als die Schlangen kamen, sagte er zu seinem Assistenten Fridlowsky, der mit ihm in die „Perchtoldsdorfer Verbannung" gezogen war, er habe sich all sein Lebtag nicht gefürchtet, er möchte sehen, ob die Schlangen ihm Furcht ein flößen könnten. Er öffnete den Schlangenkasten und sah neugierig zu: als aber die eine Schlange sich zischend gegen ihn aufrichtete, ergriff ihn panischer Schreck und er kletterte in Todesangst auf einen hohen Wandschrank. Fridlowsky folgte ihm und beide schrieen nun um Hilfe und blieben in der peinlichen Situation, bis die Schlangen alle vom Gartenfenster aus getötet worden waren. — Hyrtl hatte sich die Liebe seiner Schüler nicht nur durch die geistvolle Art seines Vortrags, sondern durch seinen nicht versiegenden Humor und seine Freundlichkeit als Prüfender erworben. Ein Doktorand der Medizin, der nicht besonders vorbereitet war, wandte sich vor dem Examen an Hyrtl. „Herr Professor, ich konnte von der Anatomie nichts weiter studieren, als die Leber, aber die Leber kenne ich, wie kein Zweiter. Wenn Sie mich nach etwas anderem, als nach der Leber fragen, bin ich verloren." — „Ich liebe es", versetzte Hyrtl, „wenn die Leute von der Leber sprechen". Der Professor hielt sein Wort, aber der Student sagte sein Kapitel mit einer Geschwindigkeit her, gegen die ein Wasserfall das reine Kinderspiel war. In 5 Mi nuten war er mit der Zergliederung der Leber fertig. Da aber jeder Kandidat eine Viertel stunde geprüft werden muß, so war der gnädige Examinator in Verlegenheit, was für eine weitere Frage er dem schlechtbeschlagenen Kandidaten vorlegen sollte. So dachte er denn eine Weile nach und sagte: „Sprechen Sie mir noch ein mal von der Leber", und als der Student nun mehr in weniger als fünf Minuten mü der neuer lichen Beantwortung fertig war, rief er rasch „noch einmal". Durch dieses zweimalige Da oapo waren Prüfer und Geprüfter, beide im Schweiße ihres Angesichtes gerettet. — Nach einer anderen Anekdote sagte Professor Hyrtl in den ersten Tagen des Wintersemesters 1869/70 zu den in seinem Hörsaale versammelten Studenten: „Meine Herren, das Studim der Anatomie ist ohne Totenschädel kaum möglich. Es muß ein jeder von Ihnen, meine Herren, Mittel finden, sich einen zu verschaffen." Betrübt kam Hyrtl am nächsten Tage zu seiner Vorlesung. „Meine Herren", sagte er traurig, „es haben mich einige von Ihnen offenbar mißverstanden, sie haben kein Biittel unversucht gelassen, um sich Toten schädel zu verschaffen. Ich habe heute morgen in meiner Schädelsammlung einen großen Ab gang an Totenschädeln entdeckt." — Ein jüdischer Doktorand der Medizin namens Jerusalem unter zog sich bei Hyrtl dem Rigorosum und seine An gehörigen harrten mit gespannter Ungeduld vor der Thür des Prüsungssaales des Prüfungs ergebnisses. Da öffnet sich die Thür und statt des sehnsüchtig erwarteten Kandidaten tritt Pro fessor Hyrtl heraus, der beim Anblick der Menge in die bekannte Elegie des Jeremias ausbricht: „Weine, Israel, Jerusalem ist gefallen!" Kuntes Allerlei. Herstellung von Papier aus Torf. Der in früherer Zeit so wenig wertvolle Torf, den man mr als ein nicht sehr kostbares Brennmaterial, dann zur Streu für Vieh be nutzen konnte, findet jetzt gar mannigfache Ver wertung. Nachdem man ihn als solides Bau material, dann zur Erzeugung von Mkohol em pfohlen hatte, beginnt man jetzt, weißes Papier aus ihm herzustellen. Der chinefisch-japanische Konflikt hat auch bereits seinen Sänger gefunden. Seine An schauungen gipfeln in den Versen: . . China hat nach 'ner Depesche ' / - ! Weg bis jetzt die meisten Dresche, Doch, wie ich das Ding durchschaue, Kriegt auch Japan seine Haue usw. Wer weiß, wie lange es noch dauert und ein „Dramaturg" kleistert für ein Winkeltheater em Trauerspiel vom neuesten Kriegsschauplätze zu- s ammen! n. «M lassen wollen! Hier im Vaterhause hatte sein Herz sich zum ersten Male wieder ganz zurecht gefunden. Nach einer langen Welle erst erhob er sich und als es geschah, sah er im kleinen Bett das schlummernde Mädchen liegen. Nur mit zitternder Stimme vermochte er zu stagen: „Mutter, wem gehört das Kind?" „'s ist ja dein Enkelkind, 's ist das Kind deiner Tochter Rosel, deren Namen es auch führch nimm's als ein liebes Vermächtnis von ihr an!" Sein Enkelkind! Er war also während seiner Kerkerhaft Großvater geworden! Erschüttert kniete er an dem Bette des Mädchens nieder und faßte innig dessen Händchen. Da schlug es plötzlich die Augen auf und sah ihn verwundert an Hierauf fragte es mit zarter Stimme: „Bist du der Großvater, der heimkommen sollte?" Jakob konnte nur stumm dazu nicken. Das Kind aber fuhr fort, indem es seine Aermchen zärtlich um seinen Hals schlang: „Ich will dich aber auch recht lieb haben, recht von Herzen lieb!" In wortloser Rührung drückte er das Köpf- che» des lieblichen Mädchens innig an seine Brust. 2. Goldiger Sonnenschein fiel durch das Bogen fenster in das hohe, getäfelte Gemach, in dem sich der Baron Gottwald Thurming mit seinen beiden Nichten befand. Er war ein Mann von ungefähr sechzig Jahren und aus seinem Gesicht sprachen Geist und Herzcnsgüte. H » (Fortietzuuz totzl-t
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