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Allgemeiner Anzeiger : 02.06.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189406027
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- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-06
- Tag 1894-06-02
-
Monat
1894-06
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 02.06.1894
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Politische Aundichau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm nahm am Mittwoch auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin die Früh jahrsparade über das Gardekorps ab. Das Wetter war günstig; dem militärischen Schauspiel Wohnten auch viele fremde Offiziere bei. * Bei den diesjährigen Kaisermanöver n werden der .Köln. Ztg.' zufolge die vierten Infanterie-Bataillone von zwei auf vier Kompanien verstärkt werden, sodaß alle vier Bataillone der Infanterie-Regimenter gleich mäßig und in voller Friedensstärke an den Manövern teilnehmen werden. Die aktiven Mannschaften dieser vierten Bataillone werden auf die aufzustellenden vier Kompanien verteilt und demnächst werden zur Erreichung der Friedenselalsstärke Mannschaften des Beurlaubten standes eingezogen, die sich auch an der Kaiser parade beteiligen. * Nach Mitteilung der .Nordd. Allg. Ztg.' hat die deutsche Regierung gleichzeitig mit der Mitteilung über die Einführung der Zuschlags- zölle der s p a n is ch e n R e g i erung eröffnet, daß sie sich nach Verlauf der gegenwärtigen Tagung der Cortes an den Handelsver trag nicht weiter gebunden erachte, und wenn bis dahin eine Genehmigung desselben nicht er folgt sei, den Versuch einer handelspolitischen Verständigung mit Spanien für gescheitert ansehen werde. * lieber den Stand der Margarrne- fabrikation hat der Reichskanzler aus Anlaß der Klagen aus landwirtschaftlichen Kreisen nach dem .Reichsanzeiger' für den Umsang des ganzen Reichsgebiets Erhebungen einge leitet. Dieselben erstrecken sich auch über den Einfluß der Margarinefabrtkation auf den Handel mit Naturbutter sowie über die bisher iu den einzelnen Bundesstaaten gemachten Wahrnehmun gen über die Wirksamkeit und etwaige Abände- rungs- oder Ergänzungsbcdürftigkeit des ge dachten Gesetzes. Auch sind die Bundes regierungen um Aeußerung über die Ausführ barkeit und Zweckmäßigkeit der von den Ver tretern der Landwirtschaft befürworteten Vcr- schärfungsmaßregeln ersucht. Auf Grund des eingcgangenen Materials werden die erhobenen Beschwerden geprüft und die zur Beseitigung obwaltender Mißbräuche etwa zu veranlassenden weiteren Maßnahmen erwogen werden. , * Die Konferenz zur Beratung der Lage der Landwirtschaft trat am Montag vor mittag im Bundcsralszimmcr des Reichstags zusammen. Von Vertretern der Staatsregiernng waren u. a. erschienen Minister v. Heyden und Finanzministcr Dr. Miguel. Zur Teilnahme an den Verhandlungen haben sich neuerdings außer stände Märt Freiherr v. Hammerstein - LoMn und Freiherr v. Huene. Neuerdings berufen wur den Abg. Schoof und Geh. Rat Professor Dr. Meißen. Minister v. Heyden gab in der Er öffnungsrede eine Darlegung der Zwecke der Konferenz und hob hervor, daß die Initiative zu diesen Beratungen vom Landwirtschafts- Ministerium allein und nicht vom Kesamt- minislerium ausgegangen sei. * Der Kanzler Leist aus Kamerun ist am Montag in Berlin eingetroffen. * Aus Hannover wird gemeldet: Ein an den Kaiser von privater Seite gerichtetes Immediatgesuch, in dem um die Genehmigung der Errichtung eines Denkmals für den ver storbenen König Georg V. von Hannover ge beten wurde, ist durch den Minister des Innern abschlägig bcschieden worden. *Die preuß. Regierung ist der Errichtung eines Freihafens in Stettin näherge treten. Die Mitglieder der Kommission, bestehend aus Vertretern der Steuerbehörde, des Magistrats und der Kaufmannschaft sind am Montag zur Besichtigung der Freihafenanlage nach Hamburg abgercist. * Der Prinzregent von Bayern empfing Sonntag mittag den neu ernannten prcußischenGe sandten, Frhrn. v. Thiel mann, in feierlicher Antrittsaudienz. Der Minister des Auswärtigen, Frhrn. v. Crailsheim, wohnte der Audienz bei. *Der bayrische Reichsrat hat, wie die .Germania' seststellt, allerdings eine ge heime Sitzung abgehalten, aber nicht erst in letzter Zeit, sondern weit früher zur Beratung der Adresse an die Krone, und eine andere, um das gute Verhältnis zwischen der ersten und zweiten Kammer aufrecht zu erhalten. An eine Aenderung der Regierung sei aber in Wirklich keit nicht zu denken, und in Abgeordnetenkreisen werde man sich nur aus den zwingendsten Gründen zu einer Verfassungsänderung verstehen. Oesterreich-Ungarn. * Die Lage in Ungarn ist durch die Reise des ungarischen Ministerpräsidenten nach Wien noch nicht geklärt. Die Meldungen über das von Wekerle bei dem Kaiser von Oesterreich Erreichte gehen wirr durcheinander. Die Regie rungspartei hofft übrigens, daß das Oberhaus, das sich in einigen Tagen nochmals mit der Zivilchevorlagc beschäftigen wird, die selbe diesmal mit einer kleinen Mehrheit an- nehmen wird. Frankreich. * Bei der Neubildung des französischen Kabinetts scheint man auf den toten Punkt angelangt zu sein. Am Montag hielt die Depnticrtenkammer eine nur wenige Minuten währende Sitzung ab; da die Ministerkrisis noch nicht beendet war, vertagte sich die Kammer auf Donnerstag. Dupuy, ihr Präsident, guälte sich zuletzt mit der Neubildung eines Ministeriums; man nimmt an, daß ihm dieselbe gelingt. * An der Sicgesbeute, die General Dodds aus Dahomcy nach Paris geschickt hat, findet der Pariser ,Figaro' wenig Gefallen. Er ver sichert, die Büreaus des Marineministeriums ver langten dringend, daß man sie von der Krone und den Arm- und Beinspangen Behanzins befreie, da dieselben jenen den Afrikareisenden wohlbekannten unangenehmen Geruch verbreiten, den die Haut der Neger ausströmt. Die Krons ebenso wie der Thronsessel des Exkönigs von Dahomcy sind deutsches Fabrikat und wurden dem Fürsten seiner Zeit von der deutschen Kaufmannschaft in Wydah zum Geschenk gemacht, um ihn für ihre Interessen zu gewinnen. Der ,Figaro' bemerkt, man hätte die Insignien, die General Dodds Sr. schwarzen Majestät abnahm und nach Paris brachte, gleich den Postkollis ans verseuchten Gegenden desinfizieren sollen, bevor man sie ans dem Marineministerium nicderlegte. *Der Graf von Paris ist schwer er krankt. Die Fannlie des Grafen, soll sehr be sorgt sein. Die Herzöge von Aumale und Chartres bleiben in der Nähe des Kranken. Italien. *Am Schluffe der Montags-Sitzung der italienischen Depnticrtenkammer richtete Jmbriani an den Ministerpräsidenten Crispi und an den Minister des Auswärtigen Baron Blanc die Anfrage, ob dieselben beabsichtigen, eine Aktion zur Wahrung der unterdrückten nationalen Rechte der lateinischenVölker Oesterreich- Ungarns einzuleiten. Crispi erklärte, er könne die Anfrage nicht beantworten. Jmbriani erwiderte schreiend, ein Schmerzensschrei komme von Klauscnburg; von dem italienischen Parla ment müßten ein stolzer Protest und Worte der Sympathie für die um ihre Unabhängig keit kämpfendenVölker ausgehen. Der Präsident der Kammer bemerkte, nachdem Crispi die BeantwoAung der Anfrage abgclehnt habe, könne Jmbriani keine weitere Ausführungen über seine Anfrage machen. Hierauf wurde die Sitzung geschlosieitt * Der italienische Exminister Nicotera, ein bekannter Parteiführer der Linken, der in letzter Zeit wiederholt Schlaganfälle gehabt und am Freitag von einem neuen Anfälle betroffen wurde, liegt im Sterben. Rußland. * Der Ukas des Zaren, der die Anstel- lung und Entlassung von Beamten den einzelnen Rcssortchefs entzieht und einer be sonderen Kommission überweist, ist erschienen. Es soll dadurch vermieden werden, daß es bei Ver gebung der Stellungen wie bisher vielfach nach Gunst geht. * Die panslawistische Bewegung in Rußland hat in neuerer Zeit stark nachge lassen. Diese veränderte Stimmung tritt nament lich in der Haltung des Publikums gegenüber dem durch sein agitatorisches Treiben im Inter esse des Panslawismus genügend bekannten „Slawischen Wohlthätigkeits - Verein" zu Tage. Während früher die Versammlungen dieses Ver eins das Interesse von ganz Petersburg wach er hielten, kümmert man sich jetzt, sehr wenig nm dieselben; auch werden in den Sitzungen nicht mehr die aufreizenden Reden wie früher gehalten. Balkanstaaten. *Stambulow, den man den „Bismarck Bulgariens" nannte, hat sein Ent lass nngsgesuch eingereicht. Er war schon öfter in Konflikte mit seinem Fürsten geraten, die aber immer wieder beigelegt wurden. Nach einer skandalösen Affäre "mit der Frau des (zurückgetretenen) Kriegsministers Sawow for derte ihn dieser zum Zweikampf. Stambulows Stellung wurde aber unhaltbar, als der Fürst nicht den vom Ministerpräsidenten vorgeschlagenen Kandidaten für das Kriegsportefcuille ernannte, sondern den Oberst Petrow berief, einen Ovpo- sitionsmann und persönlichen Gegner Stam bulows. *Aus Serbien liegen Nachrichten von Belang nicht vor; ein königlicher Ukas hat die Machtbefugnisse der Polizei verstärkt und die der Gerichte eingeschränkt. Die angebliche Ent deckung einer Patronenfabrik in Belgrad, die in Massen Patronen für einen geplanten Aufstand der Radikalen geliefert haben sollte, stellt sich als eine grobe Flunkerei der serbischen Gewalt haber heraus. Die wegen angeblich geheimer Patronenerzeugung verhafteten Arbeiter wurden vom Gerichte freigcsprochen, nachdem der Werk- stätteninhaher nachwies, daß er die Patronen auf Bestellung von Kaufleuten Belgrads und des inneren Landes erzeugte. *Der serbische Gesandte Wassiljewitsch er klärte einem russischen Journalisten, Milan werde im August, nach der feierlichen Begehung der Volljährigkeit des Königs, wieder in das Ausland zurückkchren. Uon Uah und Fern. Das kalte Wetter der beiden letzten Wochen hat das Wachstum der Weinbertze der maßen verzögert, daß dieselben jetzt trotz ihrer ungewöhnlich frühen Entwickelung nicht mehr viel gegen sonstige bessere Jahre voraus sind und bereits hinter der Entwickelung im vorigen Jahre etwas zurückstehen. Für die bevorstehende Blütezeit ist warmes Wetter dringend erforderlich; dann wird dieselbe sicher vor Johanni in allen Lagen eintreten. Immerhin ist dieser Termin noch sehr früh, da selbst bei den Gescheinen, die noch vierzehn Tage nach Johanni blühen, ein guter Wein erhofft werden kann. Bom Hauseinsturz in Berlin. Bei dem am Montag vormittag erfolgten Einsturz im Hause Kochstraße 73 sind zwei Maurer getötet und drei schwer verwundet worden. Anfänglich hatte das Gerücht die ohnehin schon sehr traurige Sache noch erheblich übertrieben. Die Schachmeisterschaft der Welt ist am 26. d. von Steinitz, der bisher diese Würde vertrat, an den jungen deutschen Schachspieler Lasker übergegangen. Ausgemacht war, daß derjenige Sieger sein sollte, der zuerst zehn Partien gewonnen habe. Das war bei Lasker der Fall am 26. d. Steinitz hatte nur 5 ge wonnen, 4 blieden remis (unentschieden). Ein Opfer seines Berufes wurde der als Assistent am Pathologischen Institut in Halle thätige junge Arzt vr. msä. Saucrhering. Er hat sich bei der Sektion eines an Diphtheritis verstorbenen Kindes eine Blutvergiftung zuge zogen, der er in kurzer Zeit erlag. Verhaftung. In Posen ist unter dem Ver dachte des Mordes der 19 jährige Arbeitsbursche Anton Ryback verhaftet worden. Derselbe wurde am Freitag in Begleitung des seitdem ver schwundenen 2'/, jährigen Stanislaus Klies ge sehen. Sonntag früh wurde die Leiche des Kindes gefunden. Aus der rechten Backe war ein Stück Fleisch im Durchmesser von acht Zenti meter ausgeschnitten, ebenso ein großes Stück aus der Halsgegend unterhalb des Kinns. Der Der SLaaLsanwatt. 10! jForrieyung.» Der Staatsanwalt suchte nach dem Ueberzieher, den Wilhelm am Morgen getragen hatte und holte ihn aus dem Schranke hervor. Er hielt ihn gegen das Licht, vielleicht war da irgend eine Spur. Aber nichts, nichts. Der Staub, der am Morgen darauf saß, war sorgfältig abgebürstet, kein Stäubchen mehr übrig geblieben. Der Staats anwalt klopfte mit der flachen Hand darauf, aber auch jetzt war nichts zu sehen. Ja, hier . war die Spnr verwischt, bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Oder vielleicht an seinen Beinkleidern, daß ein Flecken, ein kleiner Flecken daran war. Hier waren die, die er am Morgen an hatte. Aber sie waren tadellos sauber; nichts, nichts I Und doch, je weniger der Staatsanwalt fand, um so unruhiger wurde er. Es war, als packte ihn eine unheimliche Macht und schüttelte und rüttelte ihn zu Tode. War er vielleicht krank? Er faßte nach seinem Puls. Ja, er schlug rasch, außergewöhnlich rasch. Aber deshalb war er doch bei Besinnung, vollkommen bei Besinnung. O, er wußte, was er wollte, nur zu genau. Und so hieß es: suchen, suchen! Er zog den Kasten deS Schreibtisches auf. Da, Bücher und Briefe, unordentlich durch einandergeworfen. Hier eine Photographie irgend einer Schönen — ach, was kümmerte ihu das alles! Er wollte nicht den Geheimnissen seines Sohnes nachspüren, er würde sich geschämt haben, wenn er es gethan. Er wollte nur eins: Gewißheit! Und so warf er den Inhalt noch mehr durcheinander und kehrte das Unterste zu oberst, und — fand nichts. Da war die große altväterische Kommode, ein altes Stück, das er von seinem Großvater geerbt, mit den breiten Messingbeschlägen und den bogenförmig geschweiften Kästen. Der Schlüssel fehlte, aber er wußte noch von früher, daß sie nicht verschließbar war und so probierte er mit einem andern Schlüssel so lange, bis er den untersten Kasten glücklich Ms hatte. Es war Wäsche darin. Vielleicht war darunter etwas verborgen. Er packte ein Stück nach dem andern aus und betastete es sorgfältig, ob nicht vielleicht eine Rolle Goldstücke darin war. Aber nichts, nichts! Er that alles wieder hinein und fühlte noch einmal nach, aber es war umsonst. Und ebenso im zweiten und im dritten Kasten, nichts, nichts! Sollte er sich wirklich getäuscht haben? Sollte es nichts sein als ein häßlicher Traum, dessen er sich schämen mußte? O wie gern wollte er sich schämen! Aber er brauchte vorerst Gewiß heit, Gewißheit! Hier, vielleicht auf dem Kleiderschrank war es verborgen. Man versteckt es vielleicht da, wo es am wenigsten gesucht wird. Aber auch da war alles Suchen umsonst. Oder vielleicht unter den Möbeln? Der Staatsanwalt kniete nieder und störte mit einem Stocke in allen Ecken; er legte sich flach auf den Boden, daß ihm das Blut ins Gesicht schoß und seine Kleidung ganz mit Staub bedeckt wurde; er achtete es nicht; er wollte Gewißheit, Gewißheit! Bei der ungewohnten Arbeit fing er allmählich an zu keuchen, von seiner Stirn rannen große Schweißtropfen und tropften nieder auf die Erde. Er war wie von einem Taumel erfaßt, von einer halb wahnsinnigen Begierde, sich selbst zu vernichten. Da öffnet sich die Thür und Wilhelm steht auf der Schwelle. Es ist nichts mehr an ihm davon zu sehen, daß er die Nacht durchschwärmt hat; die Frühlingssonne hat die letzten Spuren verwischt und die frische Lust hat ihm eine ge sunde Gesichtsfarbe gegeben. So steht er da, jugendlich schlank und doch kräftig, mit einem elegant sitzenden Frühjahrs-Anzug bekleidet, das zierliche Stöckchen nachlässig in der behandschuhten Rechten, ein Bild blühender Jugend. Alle Aus schweifungen scheinen ihn nicht zu berühren, durch den tiefsten Sumpf scheint er fleckenlos hindurchzugehen. „Du, Vater?" sagt er verwundert, als er seinen Vater auf der Mde knieen und unter den Möbeln Nachforschungen halten steht. Der Staatsanwalt schaut auf und als er Wilhelm sieht, erhebt er sich. Sein Gesicht ist wie mit Blut übergossen und einen Augenblick flimmert's ihm vor den Augen. Er fühlt sich beschämt und gedemütigt, daß er sich so über raschen ließ. Was soll er sagen? Wie soll er seinem Sohne jetzt entgegentreten? Ist es nicht fast Wahnsinn, was er da treibt? Wütet er nicht gegen sein eigenes Fleisch und Blut und ist er nicht daran, sich selbst und seine ganze Familie zu Grunde zu richten? Aber diese Gedanken, die ihn quälen und ver folgen, die sich immer wieder hervordrängen und Hals wies außerdem mehrere Stichwunden auf. Ryback, der die That noch leugnet, ist schon wiederholt vorbesttast. Ein heftiger Konkurrenzstreit spielt sich gegenwärtig in dem pommerschen Städtchen Richieuberg zwischen der Bäckcriunung und dem Mühlenmeister K. ab. Vor einer Woche eröffnete der obengenannte Herr K. eine Bäckerei und ver kaufte 7 Pfund schweres Roggenbrot für 50 Pf., ein Preis, für welchen die guten Richtenberger bisher nur 4'/» bis 5'/, Pfund wiegende Brote erhalten hatten, und der die übrigen Bäckermeister wohl oder übel zwang, auch ihrerseits mit dem Gewichte des Brotes in die Höhe zu gehen. Nachdem nun vor einigen Tagen die Bäcker innung durch Ausruf bekannt gemacht hatte, daß sie ebenfalls für 50 Pf. 7 Pfund Brot liefere, folgte auf dem Fuße eine Veröffentlichung des neugebackenen Bäckermeisters, daß er vom kom menden Tage ab — 7'/, Pfund schweres Brot für denselben Preis abgebe! „Turner zieh'» froh dahinMit diesem schönen Wanderliede zogen jüngst mehrere Kinder nach dem Buchholze in Naumburg, so daß man glaubte, sie machten mit ihrem Vater, der ihnen vorausging, einen heiteren Spaziergang. In Wirklichkeit hatte es aber zu Hause zwischen Vater und Mutter, die beide nicht ganz nüchtern waren, eine Prügelei gegeben, nach der der Vater erklärte, sich erhängen zu wollen. Da ihn nun daheim die Kinder daran hinderten, so wollte er sein Vorhaben im Buchholze ausführcn, gab es endlich aber auch dort aus, weil ihn die Kinder auf Schritt und Tritt hartnäckig ver folgten. Falsche Zwei-Markstücke, die aus einer Legierung von Zink und Blei durch Guß her gestellt sind, das Bildnis Kaiser Wilhelms l. und die Jahreszahl 1883 tragen, sind im Bezirk Wiesbaden im Umlauf. Die falschen Stücke fühlen sich etwas fettig an, im Klang sind sie den echten sehr ähnlich. Die Mainzer Spionenaffare hat nun schließlich doch harmlos geendet. Die der Spio nage verdächtigen Franzosen, die Ingenieure George Bontinet und Emile Bazelle aus Reims, sind wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Untersuchung hatte belastende Momente gegen die Beschuldigten nicht ergeben, obwohl sie sich sehr unvorsichtig benommen hatten. Ermordet und eingesalzen. Aus Dün kirchen wird gemeldet, der dorüge Konsul der argentinischen Republik habe vom Staatsanwalt in Buenos Aires eine Depesche erhalten, in der der letztere ihn auffordcrte, einen Franzosen, Jean Templier, verhaften zu lassen, der am 2. Mai Buenos Aires auf dem Dampfer „Para guay" verlassen habe, der heute in Dunkerque ankommt. Templier soll in Buenos Aires eine Frau ermordet, die Leiche in Stücke geschnitten haben und unter seinem Gepäck mit sich führen. Dieses Verbrechen soll mit den Verbrechen von Witcchapel große Aehnlichkeit haben. Man fragt sich daher, ob Jean Templier nicht der berüchtigte Jack der Aufschlitzer sein könnte. Schlimme Folgen eines „Scherzes". Bei einem Neubaue in Wien erlaubte sich kürz lich der Maurer Heinrich Uli einen Scherz, den er mit dem Tode büßen mußte. Er schlich sich zu seinem arbeitenden Genossen Ludwig Ohla und kitzelte ihn. Dieser verlor das Gleichgewicht, klammerte sich an Uli und beide stürzten vom 4. Stockwerk herab. Uli fand dabei seinen Tod. Ohla kam mit schweren Verletzungen davon. Vom Wonnemonat in Frankreich lautet das jüngste Bülletin: Am Sonntag herrschte in ganz Frankreich Winterkälte; an vielen Orten fiel Schnee. Sonderbare Individuen spült gelegent lich das Pariser Schlammmeer an seine Ufer. So wurde jüngst ein schmutziger alter Bettler mit einem großen, struppigen Bart eingeheimst, als er einem Juwelier einen kostbaren Schmuck zum Verkauf anbot. In der Amtsstube der Polizei gab er an, er habe den Schmuck in der Nähe der Komischen Oper gefunden. Dann gab er an, er sei 67 Jahre alt, stamme aus Lyon und heiße Edmond Vicomte de la Morte. Früher sei er Kammerherr an einem großen europäischen Hof gewesen. Auf die Frage nach seinem gegen wärtigen Gewerbe wies er einen Sack vor, in ihm jeden Atemzug verbittern! Jedenfalls darf diese Unklarheit nicht länger dauern. Er muß Gewißheit haben, selbst auf die Gefahr hin, daß es ihn das Glück seines Lebens kostet. Eine lange Zeit steht der Staatsanwalt da, sinnend, mit niedergeschlagenen Augen, ohne sich zu regen und ohne etwas von den Gedanken zu verraten, die sich in seinem Gehirne aufeinander drängen; und Wilhelm beobachtet ihn halb staunend, halb mißtrauisch, doch nicht, ohne daß so etwas wie Mitgefühl sich in seinem Herzen regt. Denn wenn er auch nicht weiß, um was es sich in diesem Augenblicke handelt, so fühlt er doch heraus, daß sein Vater schweren Kummer und Sorge hat, und daß diese Sorgen mit seiner eigenen Person zusammenhängen. Endlich blickt der Staatsanwalt auf und schaut den Sohn mit prüfenden Augen an. Es ist der Blick, den die Verbrecher fürchten, der sich bis in die Tiefen der Seele zu bohren scheint und mitleidslos die innersten Gedanken des Herzens bloßlegt. Gewöhnlich sagt dem StaotSanwatt schon dieser prüfende Blick, was er von einem Menschen zu batten hat und die Erfahrung hat ihm bestätigt, daß er sich fast nie täuschte. Und als er jetzt seinen Sohn anschaut, wie dieser frei und selbstbewußt dasteht, in unge zwungener und doch edler Haltung, in jugendlicher Kraft und Anmut, und ihm offen ins Auge steht, da regt sich doch in ihm der Zweifel und eine Stimme in seinem Innern ruft: Nein, das ist kein Mörder! So wagt er nicht zu blicken; so könnte er mir nicht entgegentreten. Es ist ein falscher, ein schimpflicher Verdacht, den ich gegen ihn hege, für den ich ihn um Verzeihung zu
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