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Allgemeiner Anzeiger : 12.05.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189405127
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1894
-
Monat
1894-05
- Tag 1894-05-12
-
Monat
1894-05
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.05.1894
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liegt in dem alten Aberglauben der Provence, daß alle Ehen, die in dem der heil. Jungfrau geweihten Monat Mai eingegangen werden, kinderlos bleiben. Zu der Antwerpener Verbiftungsge- schichte wird jetzt gemeldet, daß die Leiche des vor zwei Jahren plötzlich verstorbenen Herrn Van den Kerchowe, Onkels der Frau Joniaux, schon zum zweiten Male ausgegraben worden ist; das erste Mal hat nur eine teilweise Durch suchung nach Gift stattgefunden. Ein Ergebnis der Untersuchung ist noch nicht bekannt. Weiter vermehren sich die Beweise dafür, daß das Ehe paar Joniaux in steter Geldverlegenheit gewesen ist, die sich namentlich in der letzten Zeit zu einer argen Bedrängung seitens der Gläubiger gesteigert hat. Noch kurz vor dem plötzlichen Tode ihres Bruders hat Frau Joniaux ihren dringlichsten Gläubigern die bestimmtesten Zu sicherungen gemacht, daß sie bald in den Besitz großer Summen kommen werde. Die stete Geld verlegenheit hat das Ehepaar nicht verhindert, in luxuriösester Weise HU leben, sowie alljährlich einen Erholungsaufenthalt in Monte Carlo zu zu nehmen und dort zu spielen. Noch etwas anderes hat die Untersuchung ergeben. Frau Joniaux hat bekanntlich am 5. März, am Tage vor dem plötzlichen Tode ihres Bruders, Mor phium gekauft. Sie erklärte auf Vorhalt, sie habe es für ihre Schwester Emilie, die in Gent wohnt, gekauft. Diese Emilie, die gleichzeitig in Gent verhört wurde, erklärte, ihre Schwester habe nie Morphium für sie gekauft. Einige Stunden später schrieb Emilie einen Brief an den Untersuchungsrichter, in dem sie ihre erste Aussage widerries und erklärte, daß ihre Schwester am 5. März in ihrem Auftrage Morphium ge kauft habe. Die Justiz hat nun aber Anhalts punkte dafür, daß diese veränderte Aussage dar auf zurückzuführen ist, daß es einer Verwandten gelungen ist, die Aussage der Frau Joniaux so fort an ihre Schwester zu melden, worauf diese sich beeilt hat, ihre Aussage zu berichtigen, um sie mit derjenigen ihrer Schwester in Ueber einstimmung zu bringen. Allgemeine Sensation erregt in Amsterdam ein am 5. d. verübter doppelter Eisenbahnmord. Der Arzt Tencate und dessen Schwester wurden in einem Eisenbahnwagen in der Station Hen- gerloo ermordet ausgefunden. Man vermutet einen Raub. Der Thäter ist entflohen. Eine Feuersbrunst ist in der großen Schnittwarenhandlung von Arnott u. Komp, in Dublin ausgcbrochen. 300 Angestellte schliefen im Hause, die sich nur mit knapper Not retten konnten. Die Flammen machten rasche Fort schritte und obgleich die Feuerwehr zeitig erschien, sah man doch bald ein, daß das Gebäude mit seinem wertvollen Inhalt nicht zu retten war. Eine Gasexplosion brachte die Mauern zum Ein sturz. Bald fingen die anstoßenden Häuser Feuer, und auch sie wurden trotz aller Anstren gungen der Feuerwehr, sie zu retten, eingeäschert. Das Militär wahrte die Ordnung und half der Feuerwehr. Der Brand ist der größte, der in Dublin seit vielen Jahren vorgekommen ist. Der Schaden wird auf zwei Mill. Mark geschätzt. Ein alter Mann, ein Angestellter der Firma, wird vermißt. Die Cholera. Unter den Mannschaften des russischen zweiten Schützenregimcnts in Plozk sind mehrere Erkrankungen an asiatischer Cholera, darunter einige mit tätlichem Ausgange, vorgekommen. Während des Monats April wurden in den Gouvernements Plozk, Kowno und Radom amtlicherseits 115 Erkrankungen und 49 Todesfälle an asiatischer Cholera fest gestellt. Ueber eine merkwürdige Vergiftung mit Cantharidin, dem wirksamen Stoff aus den „spanischen Fliegen", berichtet ein Militärarzt aus Algier. Eines Tages kamen gleichzeitig eine größere Anzahl von Soldaten zur Behandlung, die an Abgeschlagenheit, Schwäche rc. litten. Als der Arzt der Ursache dieses dunklen Leidens nachging, ließ sich zunächst feststellen, daß nur solche Soldaten davon befallen wurden, die als besondere Kost Frösche gegessen hatten, die sie in einem nahen Flusse gefangen. Wie nun weiter zu ermitteln war, hatten sich diese Frösche von einer dort massenhaft vorkommenden Fliegenart ernährt, die den echten spanischen Fliegen nahe verwandt, somit auch cantharidinhaltig sind. Als diese gefährliche Beikost verboten wurde, genasen die erkrankten Soldaten sehr rasch. GerichtshaUe. Bern. Der Sekretär der Bernischen Arbeiter-Organisation, Wassilieff, wurde wegen Anstiftung zum Berner Krawall vom Juni v. zu 11 Monat Gefängnis verurteilt. Das Radfahren. Jugend- und Volksspiele sind in den letzten Jahren iu Deutschland im Aufschwung begriffen. Man erkennt den gesundheitlichen Wert der kör perlichen Uebungen immer mehr an, und sowohl Aerzte wie Lehrer sind bemüht, die Volksspiele in immer weitere Kreise zu verbreiten. Zum Teil mit Erfolg. Jedoch kann von einer einigermaßen befriedigenden Verbreitung und Handhabung der Volksspiele noch keine Rede sein. Es wird, hofft der Verfasser, den Lesern des Blattes angenehm sein, wenn ich auf den ge sundheitlichen Wert eines Sports aufmerksam mache, der schon ziemlich stark verbreitet ist: auf den Wert des Radfahrens, besonders weil manches Vorurteil noch gegen dasselbe besteht. Das „Stahlroß", anfangs ungelenk und schwer, ist in den letzten Jahren ganz bedeutend vervollkommnet worden. Der Radfahr-Sport hat einen ungeahnten Aufschwung genommen; er ist nicht mehr das Vorrecht einzelner wenigen geblieben, er ist bereits ins Volk gedrungen. In „Schrecken erregender Weise" vermehren sich die Radfahrer und „belästigen überall die Fuß gänger", hört und liest man sehr oft, und danach sollte man meinen, ein ordentlicher Mensch würde sich nicht mehr auf das Stahlroß setzen. Die Klagen des Publikums haben ihren Grund viel fach in dem Ungewohnten und Neuen: es kommt ihm sonderbar vor, auf den Radfahrer Rücksicht nehmen zu sollen. Mit der Zeit gewöhnt sich das Publikum sehr gut an das Radfahren, und die meisten Klagen werden vollständig ver stummen. Der Radfahr-Sport hat iu gesundheitlicher Beziehung seine volle Berechtigung. Die Turn stunden der meisten Elementarschulen und höheren Lehranstalten, die vielfach in geschlossenen Räumen abgehalten werden, reichen nicht aus zur kräftigen Entwickelung des menschlichen Körpers. Auch die Turnvereine können eine all- seitige Kräftigung des Körpers nicht erzielen, weil von den einzelnen nur eine geringe Zeit auf das Turnen verwandt wird; und wie wenige Mitglieder im Verhältnis zur Bevölkerung diesen Vereinen angehören, weiß jeder. Worauf es bei der Heranwachsenden Jugend hauptsächlich an kommt : für die kräftigste Ausbildung der Lungen und des Herzens, für die Förderung des Stoff wechsels, leistet der Turnunterricht, wie er ge wöhnlich betrieben wird, nicht Genügendes. Hierzu müssen, wie das allerdings stellenweise geschieht, Laufspiele, Fangspiele, Ballwerfen rc. hinzukommen. Durch die Entwickelung mancher unserer Großstädte, in denen alle freien, großen Plätze zu Anlagen und Anpflanzungen benutzt werden, die besser als Tummelplätze für die Jugend dienten, und die jetzt der Fuß keines Kindes betreten darf, ist dem Drange der Jugend nach Spiel und Lauf, nach Ringen und Springen künstlich ein Ziel gesetzt worden. Der Körper der Knaben zeigt vom 9. bis 13. Lebensjahre eine stark verzögerte Entwicke lung. Mit dem 14. Lebensjahre beginnt der Körper sich sehr schnell zu entwickeln, sowohl in Hinsicht auf seine Länge, als auch aus sein Körpergewicht. Im 15. und 16. Lebensjahre erreicht der Fortgang des Längenwachstums seinen stärksten Grad, um mit dem 18. Lebens jahre ungefähr beendet zu sein. Von da an überwiegt die Gewichtszunahme das Längen wachstum. Es liegt auf der Hand, daß gerade in diesen Jahren der körperlichen Entwickelung eine vollständige Ausbildung aller Organe von der allergrößten Wichtigkeit ist. Leicht verständ lich ist es, daß mit der Entwickelung des Körpers auch zu gleicher Zeit die Stärkung des Körpers am leichtesten zu erreichen ist. Ist die Etwicke- lung des menschlichen Körpers einmal abge schlossen, so ist die Stärkung und Kräftigung desselben mit bedeutend mehr Schwierigkeiten verbunden. Für die Heranwachsende Jugend ist die Aus bildung der Lungen und des Herzens, die Ver mehrung des Stoffwechsels zum Aufbau des ganzen Körpers von der größten Bedeutung. Im Zustande der körperlichen Ruhe wird das Atmungsgeschäft nur von einem Teile der Lungen besorgt, das Herz arbeitet nur mit einer geringen Kraft, zugleich geht auch der Stoffwechsel im mensch lichen Körper nur langsam vor sich. Bleibt dieser Zustand der Lungen-Unthätigkeit längere Zeit bestehen, so büßen die Lungen an ihrer Aus dehnungsfähigkeit ein. Wird das Herz nicht zeit weise kräftig angestrengt, so wird der Herz muskel schwach und in größern Anstrengungen nicht mehr gewachsen. Ist der Stoffwechsel im Körper andauernd ein nur geringer, so können sämtliche Organe des Körpers in ihrer Ausbil dung unter der Norm zurückbleiben. Aus einem solchen Znstand entwickeln sich langsam aber sicher verschiedene Schwächezustände, schlechte Haltung, blasses Aussehen, Unlust zu jeder Arbeit, und der ganze Körper ist für jede Art der Er krankung leicht empfänglich. Die Lebensweise ist für sehr viele Menschen gleichsam dazu geschaffen, die Thätigkeit der Lungen und des Herzens herabzusetzen und die oben geschilderten Zustände zu erzeugen. Mit dem 14. Lebensjahre treten viele in ein Geschäft und sind gezwungen, den ganzen Tag sitzend und im geschlossenen Raume zu arbeiten; es bleibt ihnen nur wenig freie Zeit, um sich im Freien zu bewegen. Vielfach ist der Körper auch von der Arbeit so ermüdet, daß er keine Bewegung im Freien sucht, sondern Ruhe verlangt, um für den folgenden Tag den gestellten Anforderungen gewachsen zu sein. Der Schüler Höherer Lehr anstalten verbringt ebenfalls den größten Teil des Tages im geschlossenen Raume, und wenn zur Erholung Spaziergänge gemacht werden, so fehlt oft die Zeit, dieselben so weit auszudehnen, daß die Lungen und das Herz ordentlich ange strengt werden. Die Folge des ruhigen Dahin lebens ist eine stetig größer werdende und leichter eintretende Ermüdung des Körpers; das Be dürfnis nach Ruhe wird immer heftiger, die Lust zur körperlichen Bewegung und Arbeit immer geringer. Das Radfahren ist im stände, die ge wünschte Arbeit der Lungen und des Herzens auszulösen, es wirkt aus den Stoffwechsel in günstigster Weise ein und, vernünftig betrieben, wird es zu keinerlei Schaden führen. Ver schiedene Spiele können denselben Erfolg erzielen, aber von allen Spielen hat keines den eigen tümlichen Reiz, den das Radfahren mit sich bringt. Das Bewußtsein, in kurzer Zeit ohne zu große Anstrengung ganz bedeutende Wege strecken bewältigt zu haben, ist für jeden Rad fahrer ein wohlthuendes Gefühl, das sich nur vergleichen läßt mit der Freude, die ein jeder nach einer beendeten größern Arbeit empfindet. Schon beim mäßig schnellen Fahren — ein Kilometer in vier Minuten — stellt sich bei dem Radfahrer eine tiefere Atmung und ein schnellerer Herzschlag ein. Beini Dauerfahren wird die Atmung nicht allein tiefer, sondern auch schneller; der Puls steigt bis zu Hund ert Schlägen in der Minute. Die andauernd tiefe Atmung, der kräftige und schnelle Herzschlag ist zur Stärkung der Lungen und des Herzens unbedingt notwendig. Es ver steht sich von selbst, daß eine Ueberanstrengung nicht zu lange anhalten darf. Der jugendliche Körper erholt sich von einer Ueberanstrengung merkwürdig schnell; schon nach wenigen Minuten der Ruhe ist der Puls regelmäßig, die Atmung normal. Aeltere Leute bedürfen längerer Zeit zur Erholung. Durch den schnelleren Blutkreislauf, die voll ständige Ausdehnung der Lungen und Füllung derselben mit frischer Luft werden einerseits ver brauchte Bestandteile aus dem Körper schneller herausbefördert, anderseits verbindet sich der Sauerstoff der frischen Luft rascher mit dem Blut und befähigt es, den Ernährungs-Prozeß im Körper zu beschleunigen. Der Appetit hebt sich, die Kräftigung des ganzen Körpers zeigt sich gar bald in dem ausgezeichneten Allgemein befinden des Radfahrers, der Strecken bis zu 100 Kilometer ohne besondere Ermüdung zurück legt. Nicht allein die Körperkräfte werden durch das Radfahren gehoben, auch der Lebensmut er höht, der Arbeitssinn vermehrt. Keine Arbeit greift den Körper mehr und nachhalsiger an, als die geistige. Für den Studierenden, für den Gelehrten ist daher eine Entlastung und Erholung des Gehirns ganz be sonders notwendig. Diese wird am besten er zielt durch jede körperliche Bewegung, die den Stoffwechsel im Körper befördert, die in den an gestrengten Organen verbrauchten Bestandteile entfernt und ihnen neues Nahrungsmaterial zu führt. Ich will nun durchaus nicht sagen, daß gleich jeder, der einen wissenschaftlichen Beruf hat, sich aufs Rad setzen soll, um dadurch Er holung zu finden. Aber dem Vorurteil, das gegen das Radfahren in manchen gebildeten Kreisen besteht, muß ich entgegentreten. Wer seinen Körper und sein Gehirn nicht regelmäßig und zeitweise über die Norm anstrengt, wird bald merken, daß die Elastizität sowohl des Körpers als des Geistes abnimmt. Jedes körperliche Organ bleibt nicht ohne weiteres im Vollbesitze seiner Kraft; es verliert an Wert, wenn es seine Kraft nicht äußern kann. Es muß aber dafür gesorgt werden, daß das Gehirn durch körperliche Arbeit entlastet und gekräftigt wird. Wer viel geistig arbeitet, muß auch viel körper liche Bewegung haben. Im plastischen Leben ist der Nutzen des Rades nicht zu verkennen. Mancher Arzt auf dem Lande benutzt es täglich zum Besuch seiner Kranken. Er spart dadurch an Kosten und ge winnt an Zeit. Der Kaufmann, der mit aus wärtigen Kunden arbeitet, kann dieselben leicht besuchen. Mancher Beamte, mancher Auffeher be dient sich des Rades mit großem Nutzen. (,Köln. Volks-Ztg/) Aus Paris. Anläßlich der Carpeaux-Ausstellung, die gegen wärtig in Paris das künstlerische Ereignis des Tages ist, werden eine Menge mehr oder minder gute Anekdoten über den Künstler bekannt, von denen folgende wohl mit die beste ist: Nachdem Carpeaux die Büste der Kaiserin Eugenie vollendet hatte, was bei den Launen der Kaiserin wahr haftig keine leichte Arbeit gewesen war, gönnte sich Carpeaux einige Wochen Ruhe und blieb dem Hofe fern. Kaiser Napoleon jedoch, der den Künstler gern sah, ließ denselben endlich rufen und zog ihn bei dem großen Tuillcricn- feste beiseite, um sich eine Stunde gemütlich mit ihn: zu unterhalten. Selbstverständlich verzehrte der Neid die anderen Künstler förmlich, und als Carpeaux wieder lächelnd in den Saal trat, be stürmten sie ihn, ihnen zu sagen, was der Kaiser gesagt, was er von ihm gewollt habe. „Kinder," sagte Carpeaux und nahm die „lieben Kollegen" geheimnisvoll beiseite, „wenn ihr mir euer Ehren wort geben wollt, es keinem Menschen zu sagen, dann will ich es euch mitteilen. Aber Diskretion, Freunde, Diskretion!" Feierlich wurde ver sprochen, das Geheimnis zu hüten. „Nun denn, Kinder ... der Kaiser hat mich angepumpt." „An. . ge. ." stammelten die anderen. — „Angepumpt," wiederholte Carpeaux mit Seelen ruhe. „Na, und da ich nicht mehr bei mir hatte als fünfzehn Frank, habe ich brüderlich mit ihm geteilt." — Am nächsten Tage besuchte Kaiser Napoleon das Atelier des Künstlers. Er besah sich alles und äußerte sein lebhaftes Wohl gefallen. Plötzlich beim Weggehen blieb er stehen: proxos, lieber Carpeaux", sagte er, „heute bin ich bei Kasse, da haben Sie Ihre 7 Frank 50 zurück." — „Majestät," stammelte dann der Künstler, „ein schlechter Scherz." — „Schlecht?" entgegnete der Kaiser, „nein, ich und Eugenie haben viel darüber gelacht, aber ein nächstes Mal, lieber Carpeaux — ich spreche in Ihrem Interesse — pumpen Sie mir ein bißchen mehr." Kuntes Allerlei. Darum. Lieschen: „Ach, Onkel, ich hab' dich zu lieb!" — „Wirklich, mein Engel?" — „Ja, wenn du kommst, gibt's immer Kompott!" Das Alter eines Huhns zu bestimmen. „Woran bestimmst du das Alter eines Huhnes?" — „An den Zähnen." — „Ein Huhn hat doch keine Zähne!" — „Aber ich." danken gefaßt gehabt. Er äußerte indessen zurück haltend nur: „Es ist möglich." Da im Schlafzimmer weiter keine Anhalts punkte zu finden waren, so kehrte man in das mittlere Zimmer zurück, in welchem der größte Teil der auf Pfand gegebenen Wertsachen aufbewahrt war. Die Wände waren mit Hohen und breiten Regalen besetzt, die in Fächer eingeteilt waren. In den Fächern lagen zahlreiche steine, sorgfältig numerierte Pakete, die nach einer bestimmten Ordnung aneinandergereiht waren. Einige davon waren durchsucht; und zwar wurden hier Uhren und andere Goldsachen aufbewahrt. Von mehreren Päckchen hatte der Mörder das Papier abgerissen und das Pfand genauer untersucht. Doch schien er sich von diesen Sachen nichts an geeignet zu haben. Der Kriminalbeamte, der mit dem Staats anwalt diese durchwühlten Fächer genau besichtigt hatte, lächelte verständnisvoll. „Hier, Herr Staatsanwalt," sagte er, „liegt die Sache, wie ich denke, ganz klar. Der Mörder hat dem Alten einen Wertgegenstand in Versatz gebracht, dielleicht eine Uhr oder dergleichen. Er hat da bei gesehen, wo der Alte sein Geld aufzu bewahren pflegte und er hat den Plan gefaßt, zu stehlen. Ms er dann durch einen Unglücklichen Zufall zum Mörder geworden war, hat er wohl im ersten Augenblick, um alle Spuren seiner That zu verbergen und um jeden Ver dacht von sich abzulcnken, nach dem Versatzstück gesucht, das von ihm Herrührt. Aber es wird 'M bald der Gedanke gekommen sein, daß er gerade dadurch, daß er dieses Versatzstück ent kerne, sich verdächtig machen würde, und so hat er alle diese Sachen schließlich liegen lassest. Immerhin, aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Mörder einer von denjenigen Personen, denen diese Sachen gehören." Vielleicht," erwiderte der Staatsanwalt, ^daß doch eins oder das andere Stück fehlt. Wir werden das später jedenfalls nach den Büchern noch genauer untersuchen." Der Staatsanwalt ging in das erste Zimmer zurück. Der Tote lag noch immer am Boden, mit dem Gesicht nach oben, das in seiner fahlen Farbe, von dem grauwcißlichen struppigen Haar umgeben, einen schrecklichen und beängstigenden Eindruck machte. Die Hände waren krampfhaft zusammengeballt, doch waren sie leer; kein Stück chen Zeug, das sie etwa im Todeskampfe dem Mörder vom Leibe gerissen hatten, keine Spur, die auf eine bestimmte Fährte führen konnte. „Kehren Sie den Toten um, wie er ursprüng lich gelegen," sagte der Staatsanwalt, „Viel leicht, daß wir da etwas finden." Der Kriminalkommissar that nach seinem Ge heiß. Dock auch hier kein bestimmtes Merk mal; nur daß das braune wollene Hemd, das der Tote an hatte, fast über den ganzen Rücken hin weiß gefärbt war wie von dem Kalk einer Wand. „Was ist das?" fragte der Staats anwalt. Und abermals durchfuhr es ihn von oben bis unten, als ob etwas Furchtbares, Un heimliches ihn bedrohte. „O," sagte der Beamte, „die Erklärung hier für ist doch leicht. Der Tote hatte eben in der Dunkelheit mit dem Mörder gerungen und da mag er von ihm gegen die Wand gedrückt worden sein. Die Wand ist weiß getüncht und hat abgefärbt und dies hier sind die Spuren davon." „Ja, ja," meinte der Staatsanwalt nach denklich, indem er sich gewaltsam beherrschte. Der Kriminalbeamte war aufgestanden und suchte an der Wand. „Hier kann man es übrigens deutlich sehen," sagte er daun. „Hier ist eine Stelle, von der der Anstrich gewischt ist. Offenbar ist es hier gewesen, wo der Alte gegen die Wand ge drückt wurde. Auch die Höhe paßt zu seiner Größe." Der Staatsanwalt stand da, in Gedanken verloren und schien weder zu hören noch zu sehen. Der Kriminalbeamte indessen verfolgte die Fährte weiter. „Wie?" meinte er, halb zu sich selbst, „wenn nun auch der andere eine solche Spur auzufweisen hätte? Die Wand färbt leicht ab, man braucht nur ein bißchen daran zu wischen, um Kalk an den Händen zu haben. Vielleicht wäre da ein Zeichen." Er suchte indessen umsonst. Offenbar war der Mörder der Stärkere von den beiden ge wesen. Er hatte den Alten hin und her gezerrt, bis er ihn endlich mit dem Gesicht auf die Erde niederdrückte und ihm mit seiner Waffe den Schädel einschlug. Aber er war nicht weiter mit der Wand in Berührung gekommen. Wenig stens war keine weitere Stelle zu entdecken. „Aber vielleicht, als er sich unter den Klei dern versteckte?" fuhr der Beamte in seinem Selbstgespräch fort; und er begann sogleich die Sachen, die einen Teil der Wand bedeckten, ab zunehmen. Dann rief er plötzlich wie triumphierend: „Hier haben wir's, Herr Staatsanwalt! Hier hat der Mörder gestanden. Es ist ganz, deutlich zu sehen. Hier hatte er sich verborgens als der Alte aus seinem Zimmer kam, um nach; dem Geräusch zu forschen, das er gehört hatte. Sehen Sie hier, wie er sich in seiner Aufregung', dicht an die Wand gedrängt hat, um sich zu f verbergen. Ms ob er hineinkriechen wollte. Er muß die halbe Wand auf dem Rücken gehabt! haben. Und vielleicht ist hier ein Beweis. Denn - es sieht mir nicht so aus, als ob der Mörder f so viel Besonnenheit gehabt hätte, sich wieder zu - reinigen. Hier wenigstens hat er keine Bürste ' oder dergleichen gebraucht." Der Staatsanwalt hielt sich mit übernatür licher Kraft aufrecht. O diese schrecklichen Ge danken, die ihn quälen und verfolgen, die hinter ihm drein sind wie ein wildes Rudel von Wölfen und ihn zu zerreißen drohen. Aber er will sich dagegen wehren, mit aller Gewalt will 'er sich dagegen wehren und sie von sich abschüttcln. Nein, es darf nicht sein! Es ist schon ein Ver brechen, das nur zu denken. Gerade und fest steht er da. Was immer in seinem Innern vorgeht, kein Mensch soll es wissen. Er ist der Diener der ehernen Gerech tigkeit und er wird seines Amtes walten. Die Pflicht, das ist der einzige Weg, den es für ihn gibt, und er wird diesen Weg nicht verlassen. So tritt er denn heran und bettachtet gleich falls diesen deutlich sichtbaren Fleck an der Wand, von dem der Kalküberzug abgewischt ist. eia i (Fortsetzung folgt.)
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