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Allgemeiner Anzeiger : 28.07.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189407289
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940728
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-07
- Tag 1894-07-28
-
Monat
1894-07
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.07.1894
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VoMschr Deutschland. *Dcr Kaiser hat dem Prinz- Regenten von Bayern seine Teilnahme wegen der durch einen Cyklon angerichteten Zer störungen in Oberbayern telegraphisch ausge sprochen und für die heinigesuchten Ortschaften eine Beihilfe von 3000 Mk. bewilligt. * Portugiesische Blätter meinen, die Streit frage zwischen Deutschland und Por tugal betreffs Kionga, das in dem südlichen Zipfel der Kolonie Deutsch-Ostafrika liegt, werde zum „Gegenstand einer Vsrmittelung gemacht wevdcn". Die ,Nat.-Zig.' erklärt dem gegenüber offiziös, es liege kein Anlaß vor, daß Deutschland seine Besitzansprüche auf Kionga in irgend einer Hinsicht überhaupt als strittig be trachten dürste. *Dic Redemptoristen, deren Wieder- znlassung iu Deutschland vom Bundesrate be schlossen worden ist, haben in Preußen vor ihrer Auflösung fünf Niederlassungen im Besitze ge habt, nämlich zu Trier, Aachen, Bochum, Born hofen und Romp im Regierungsbezirk Münster. Die größte Ausdehnung hatte der Orden in Bayern, wo er sieben Niederlassungen besaß, während weitere vier sich in Elsaß-Lothringeu befanden. Was die „Väter v.o m heiligen Geiste" anbetrifft, die gleichfalls zugelassen werden sollen, so geben sie sich vornehmlich mit der Ausbildung von Missionaren für die Kolo nien ab. *Die Beschaffung der BeklcidungS- igegenstände für das Heer wird demnächst von Grund auf eine Umgestaltung erfahren. Die kleinen Werkstätten der einzelnen Regimenter, werden später mit der Neuherstellung von Uni formen überhaupt nicht mehr befaßt, die gesamte Fabrikation vielmehr Korps - Bekleidungsämtern übertragen werden, die, wie es in neuerer Zeit geschieht, im Bedarfsfälle außer den Oekonomie- handwerkem noch Zivilpersonen beschäftigen. Diese Bckleidungsämter verfügen über alle Hilfs mittel der Großindustrie, sie arbeiten mit Kraft motoren und den neuesten leistungsfähigsten Maschinen, sind also in jeder Hinsicht auf die Massenfabrikation eingerichtet. Die Regiments- Werkstätten sind dagegen lediglich kleinhandwerks- mäßige Betriebe. Oesterreich-Ungarn. * Graf Kalnoky, der österreichisch-unga rische Minister des Auswärtigen, soll, wie die Wiener Montagsrevue' versichert, in der nächsten Zeit, möglicherweise noch während der gegen wärtigen Tagung der Delegationen, in den Ruhestand treten. Der angebliche Rücktritt soll durch das Verhalten Kalnokys gegenüber dem ungarischen Zivilgesetz, das er zuerst bs- kämpfte, später aber unterstützt hat, verursacht sein. Eine Bestätigung dieser Nachricht liegt noch nicht vor. Belgien. * Die Brüsseler Polizei ist augenblicklich damit beschäftigt, zwei Anarchisten aufzu spüren, die in einem Cafe das Lyoner Attentat verherrlicht und zugleich angekimdigt, Peri er werde bald dasselbe geschehen. Der eine von den Anarchisten zog einen Dolch hervor und war im Besitze einer großen Anzahl Goldstücke; der andere besaß ebenfalls eine große Geld summe und sagte, er sei von den französischen Anarchisten gedungen, um dem König der Belgierzu ermorden. (Es müssen sehr dumme Kerle sein, die damit öffentlich prahlen.) Schweden-Norwege». * Der neuerliche Beschluß des norwegi schen Storthings, daß Norwegen vom 1. Januar 1895 ab ein eigenes (statt wie bisher mit Schweden gemeinsames) Kon sul a t s w e s e n haben solle, hat vorerst keine praktische Bedeutung, da ihm der König seine Zustimmung verweigern wird. Erst wenn drei aufeinander folgende Storthinge (d. h. neu gewählte) in der Konsulatssache gleichlautende Beschlüsse fassen, Witt das Gesetz auch ohne die Genehmigung des Königs in.Kraft. In dieser Beziehung hängt also alles von dem Ausfall der Neuwahlen ab, denn wenn die Radikalen ' ihren Kampf gegen die Union mit Erfolg fort- setzen sollen, ist Bedingung, daß sie wiederum siegreich aus diesem bevorstehenden Wahlkampf chervorgehen. Italien. *Das italienische Parlament ist endlich geschlossen worden; Crispi hat durchgesetzt, was er ernstlich durchsetzen wollte. Die heilsamen Reformgesche für Sizilien da- gegeu Hai die Kammer unerledigt gelassen. * Bonghis Ausflug nach Frankreich behufs Anbahnung einer Versöhnung zwischen Italien und Frankreich hat in den Kreisen der ruhig denkenden Italiener, namentlich auch wegen an geblicher taktloser Acußerungen Bonghis über den Dreibund, nicht wenig verstimmt. Zur Abschwächung dieser Mißstimmung erklärt Bonghi in einem an den Direktor der,Fanfull'a' ge richteten Schreiben, daß bei der Unterredung zwischen dem Präsidenten der französischen Repu blik und ihm weder Casimir-Perier noch er über den Dreibund gesprochen habe (!!) Der Präsi dent Casimir-Perier habe sein volles Ver trauen zu der Erhaltung des Friedens in Europa ausgedrückt. * Nach Meldung eines Mailänder Blattes wurde der Oukel Caserios, der 50jährige Paolo Caserio iu Palermo verhaftet. Er war 1878 wegen Mordes zu 20jähriger Kerker strafe verurteilt, die er in Brindisi abbüßte. Vor einigen Monaten entlassen, scheint er in anarchistische Kreise geraten zu sein und wurde deshalb eingesperrt. Paolo Caserio erhält die Insel Pantellerio M Zwangsaufenthalt zugewiesen. Das ist das erste Opfer des Zwangs domizilgesetzes. Spanien. * Eine ernstliche Schlappe haben die Spanier auf den Philippinsnins eln «litten. Der spanische Kolonialminister empfing ein Telegramm von dem Gouverneur der Philippinen, wonach eine Abteilung der spanischen Kolonialttuppm auf Mindanao vou muhamedanischen Malayen überfallen worden ist. Vou den spanischen Truppen wurden 14 Mann, worunter ein Offizier, getötet und 47, wovon 2 Offiziere, verwundet. Die Malayen wurden allerdings, wie zum Trost für die Spanier weiter gemeldet wurde, zurück geschlagen und hinterließen 27 Tote. Balkanstaaten. * Wie die Kölnische Zeitung' ausBelgrad meldet, gedenkt König Milan sein Pariser Haus gänzlich aufzugeben. Er läßt seine meisten dortigen Möbel bereits verauktionieren. Kreise, die es wünschen, erzählen, er werde sich diesmal mit der Königin Nabalie gänzlich versöhnen und möglicherweise mit ihr nach Serbien zurück- kchrcn. Fest steht, daß der neue Gesandte Garashanin bei der Exkönigin thatfächlich Schotte in dieser Richtung gcthan habe. *Der lange vergeblich gesuchte Mörder des bulgarischen Ministers Belt schew ist nunmehr ermittelt und verhaftet wor den. Ein Bbwohner der Dobrudscha, namens Bocuvarow, hatte durch ein Schreiben das bul garische Ministerium des Auswärtigen auf die Spur gebracht und der Brief Bocuvarows wurde sodann auf diplonmtischem Wege der rumänischen Regierung mitgeteilt, die hierauf das Erforder liche veranlaßte. Der Mörder ist ein Albanese, Toader Ivan Arnaut mit Namen, der sich iu einem Dorfe des Bezirks Tulcea aufhielt. Der erst 22sährige Bursche ist vollkommen geständig und behauptet, daß er gleich seinem wahrschein lich nach Rußland geflüchteten Mitschuldigen Diener bei dem serbischen Konsulat in Swfia gewesen fei. * In einem Umlaufschreiben des griechi schen Ministers des Innern an die Offiziers rang bekleidenden PoHetkommissare wird der Zweikampf streng verboten. Duel lanten sollen unnMichtlich verfolgt und streng bestraft werden. Ein gleiches UmlauMreiben hat der Justizminister an die Gerichtsbeamten ergehen lassen. Afrika. * Privatnachrichten aus Tanger zufolge, fahren die Priester fort, die Kabylen gegen die marokkanische Regierung aufzu wiegeln. Das Leben des Sultans soll bedroht sein und Abd - el - Aziz wird vorläufig in Meguinez bleiben. Zahlreiche Verhaftungen sind bereits vorgcnommeu. Asien. *Eine Verschärfung der Spannung zwischen Japan und China wegen Koreas ist in den letzten Tagen eingetreten. Nach den einzelnen seit Sonntag eingettsffenen Meldungen ergibt sich, daß die angebotenen guten Dienste der europäischen Mächte kein Entgegenkommen gefunden haben, so daß jeden Augenblick die Feindseligkeiten zwischen den hart aneinander stehenden chinesischen und japanischen Truppen beginnen können — vielleicht schon begonnen haben. Uon Uoh und Fern. Auf dem Manöver - Geschwader wird jetzt zum ersten Male der Versuch gemacht, lebendes Vieh mitzuführen. Es kommen zwei lebende Rinder und sechs Schweine an Bord des größten Geschwaderschlffs Flaggschiff „König Wilhelm". Als Schlächter ausgebildete Mann schaften sind stets an Bord. Die Cholera. Der Staatskommissar in Danzig meldet, daß bei einem Werftarbeiter in Schidlitz Cholera bakteriologisch festgestellt wor den ist. Drei Offiziere des Husaren-Regiments Ms Danzig, begleitet von drei Husaren, unter nahmen am Fseitäg SchwimmAnmgen zu Pferde durch den „Espenkrug-See". Nachdem sie den See einige Male durchschwommen, versank nor den Augen der anderen ein Husar mit seinem Pferde. Nach einiger Zett kam der Husar ohne Pferd an die Oberfläche des Wassers und wurde von den anderen Husaren gerettet. Der Kadaver des Pferdes wurde später herausgeholt. Schatzgräber. Ein mit Geld gefüllter Kessel soll in der Wen Nogat in der Franzosenzeit versenkt worden sein. Diesen Schatz an das Tageslicht zu fördern, ist man jetzt eifrigst be- müht. An der Stelle, wo der vermeintliche Schatz sich befinden soll, ist jetzt eine Spund wand eingesetzt worden, damit der innere Raum ausgetchöpft werden kann. Man will osim Anf- ftnßeu mit einem Haken in der Tiefe ganz deut lich einen Klang vernommen haben. Wenn die Schatzgräber sich dabei nur nicht geirrt haben! Eine brave That vollführte dieser Tage bei einem Brande in Lippborg ein Metzger bursche aus Hamm. Er war auf der Brand stätte Zeuge, wie eine Mutter händeringend nach ihrem Kinde rief, das in dem brennenden Hause zurückgelassen war. Schnell ließ der Metzger sich die Einrichtung des Hauses erklären, stürzte hinein und nach einer Minute bangen Wartens lag das Kind gerettet in den Arnlen der Mutter. Der Retter hatte kaum das brennende Hans ver lassen, als es prasselnd zusammenstürzte. Kanalerweiterung. Die Arbeiten zur Er weiterung und Vertiefung des Emskanals werden in den nächsten Tagen wieder beginnen; die Trockenlegung der ganzen Kanalstrecke ist bereits erfolgt. Die Wiederaufnahme der LAMen wird gleich mit vielen Hunderten von Wettern erfolgen, da der letzte Termin bis zur neuen Füllung des Kanals der 19. Oktober ist, die Arbeit also auf die kurze Frist von kaum drei Monaten beschränkt bleibt. Unter den sich um Arbeit Bewerbenden finden sich besonders viele Hollander. Auf eigentümliche Weise versuchte der Schmiedelehrling Thiem in Osthausen bei Erfurt seinem Leben ein Ende zu machen. Er versah ! sich mit Nahrungsmitteln und glitt in einen, mitten im Felde sich befindenden, 20 Meter tiefen Erdfall, um zu verdursten. Aus seiner Lage sich wieder zu befreien, war dem Jüngling ein Ding der Unmöglichkeit. Er wurde schließ lich aufgefunden und war b«eits so ermattet, daß er kaum im Stande war, sich den herabge- lasseuen Strick um den Leib zu Wingen. Durch leichtsinniges Spielen mit emLM Revolver ist wieder schweres Unglück angeMftet worden. Der Sohn eines Besitzers in Groß- Kommorsk im Kreise Schwetz hatte sich beim Gänsehüten den geladenen Revolver seines Vaters zu verschaffen gewußt. Es waren andere Jungen bei ihm und er zielte auf einen derselben mit den Worten: „Soll ich dich erschießen?" In demselben Augenblick trachte der Schuß und -er Gefragte stürzte zu Boden. Die Kugel hatte ihm über dem einen Auge die Stirn durchbohrt und ihn getötet. Der unglückselige Schütze ist noch nicht 12 Jahre ast. Ein Nacht voll Schrecken hat d« Gärtner Boek Ms dem Dorfe Schwarzbach bei Fuld« durchgemacht. Der etwa 50 jährige Mann war zum Kirschenpflücken auf einen ganz jungen Stamm gestiegen, glitt jedoch von dem durch den Regen schlüpfrig gewordenen Baum ab, wo bei ein Fuß sich zwischen zwei Neste verfing, so daß Boek mit dem Kopfe nach unten hängen blieb. Trotzdem behielt er seine Besinnung, holte fein Taschenmesser hervor und suchte den Stamm zu durchschneiden. Als ihm dies zur Hälfte gelungen war, entfiel das Messer seinen Händen. Nunmehr suchte Boek, sich mit den Armen auf einen etwas tiefer stehenden Ast stützend, sich aus seiner verzweifelten Lage zu befreien. Auch dieses mißlang, da der schwache W brach, und nun fühlte Boek, wie ihm das Bein im Knöchel brach. Der Unglückliche wurde am andern Morgen, nachdem er 16 Stunden in dieser qualvollen Lage verbracht hatte, bewußt los, indessen noch lebend aufgefunden und aus seiner gräßlichen Lage befreit. Da der Zustand bis zur Stunde sich etwas gebessert hat, hoffen die Aerzte, daß Boek mit dem Leben davon kommt. Ertrunken. Im Reiherstieg bei Harburg wurde am Sonntag abend ein Ruderboot mit vier Damen von einem Harburger Dampfer überrannt. Der Jollenführer und zwei Damen, Geschwister Sievers aus Wilhelmsburg, ertranken. Verhagelt. Wie die staatliche Hagel versicherung festgestellt hat, ist in diesem Jahre bis jetzt ein Sechstel aller bayrischen Gemeinden verhagelt. Ueber ein fürchterliches Eifersuchts drama meldet der Telegraph aus Cannstatt vom 23. Juli: Gestern abend erschoß ein Arbeiter nainens Manus seine Hauswirtin, eine Arbeiterfrau Hipp, angeblich aus Eifersucht, ver letzte deren Ehemann schwer durch Revolver schüsse und Dolchstiche und verwundete sich selbst dann gleichfalls schwer durch Schüsse in die Brust und Schläfegegend. Das Klavier als Lebensretter. Ein brecher wollten jüngst einer während des Som mers in WeMngau wohnenden Wiener Familie einen Besuch abstatten. Sie stiegen durch ein offenstehendes Parterrezimmer ein und wurden am Weitergehen nur durch ein dicht am Fenster befindliches — offenes Klavier gehindert. Der eine der Einbrecher hatte nämlich die Füße auf die Klaviatur gesetzt, wodurch die im Neben zimmer schlafenden Herrschaften geweckt winden. „Arnold," rief nun der Hausvater, „warum spielst du so spät?" Arnold, das Goldsöhuchen des Hauses, schlief aber fest und hörte nichts, und auch der Einbrecher mochte nichts gehört haben, denn er stieg nun auch mit deni zweiten Fuß ein, so daß abermals die Tasten erklangen. Jetzt machte endlich der Hausherr Licht und sah, wie eine Gestalt durchs Fenster huMe und über die Veranda der Straße zueilte — ein spitzes Messer blinkte in der drohend erhobenen Hand! Ein unerhörter Vorfall ereignete sich jüngst in der ungarischen Ortschaft Dragojest. Mehrere Pferde und Fohlen ivaren aus unbe kannten Gründen verendet, und das Volk ver dächtigte eine 75jährige Greisin namens Marianczu Stanka, die Tiere mit ihren Hexenkünsten umgc- bracht zu haben. Die fanatischen Leute zündeten der armen, hilflosen Frau das Haus über dem Kopfe an, und die Polizei hatten alle Mühe, die mit Brandwunden bedeckte Greisin vor dem Flammentode zu retten. Brückeneinsturz. An der neuen, fünfzig Nieter langen Stahlbrücke über den Wildbach Chiarso an der italienisch-österreichischen Grenze bei Pandlaro, deren Eröffnungsfeier am Sonntag stattfinden sollte, wurden tags zuvor die letzten Widerstandsproben vorgenommen. Unter der übergroßen Belastung ging die Brücke ausein ander und stürzte in den Wildbach hinab; der Erbauer derselben, der Ingenieur Venier, kam dabei ums Leben. Der Antwerpener Giftmordprozest gegen die Frau Jonniaux wird wohl nicht zur Vcr- Das Kreuz am Waldessaum. III «FortieyuilA.t Aber auch Brunini wurde cs unheimlich in deni Zimmer, war ihm doch, als befinde er sich in einer Mördergrube. Wie von einem Alp be freit, atmete sr auf, als sich die Thür öffnete und Heinrich in Begleitung seines beim ncchen Bezirksgerichte angestellten Studienfreundes Edmund Weiß und des jungen Lehrers von Kllerwang erschien, bei welchem Anblick der Lindenbauer vollends meinte, die Erde öffne sich unter seinen Füßen, um ihn zu verschlingen. Brunini aber war es im ersten Augenblicke, als müsse er den Schmuck an sich reißen und den Lindenbauer laut des Mordes beschuldigen und zu s«ner Festnehmnng auffordern. Dies zu thun erschien ihm jedoch sofort als Thorhest, denn wie hätte er hoffen können, auch nur im geringsten Glauben zu finden; man würde ihn höchstens für einen plötzlich wahnsinnig Gewordenen gehalten haben. Verzweifelt suchte er nach einem Auswege, denn der Schmuck war ihm ja das sicherste Beweismittel, von dem er wußte, daß cs der Lindenbauer auf immer verschwinden lassen werde, wenn man ihn nicht gewaltsam daran hindere. Brunini wußte ab« auch, daß es ihn das Leben kosten würde, wenn er den Versuch wagen wollte. Nur der eine Ausweg kam ihm in den Sinn, die Aufmerksamkeit der Freunde Heinrichs recht eingehend auf den Schmuck hinzu lenken, dessen genaue Beschreibung durch den Bezirksrichter nach seiner Angabe bei Gericht verzeichnet worden war. Brunini begann deshalb recht bedeutungsvoll Edmund Weiß und den jmrgen Lehrer in so auffallsilder Weise auf jede Eiirzelheit des Schmucks aufmerfam M machen, daß endlich Edmund Weiß lächelnd sprach: „Mein lieber Brunini, Sie machen ja, als wenn es sich um ein gestohlenes Gut handeln würde! Dieser Schuck ist übrigens seiner eigentümlichen Form wegen leicht zu merken, sieht er doch aus wie ein Ordensstern an goldener Kette!" Nachdem Brumm noch entgegnete, daß es für einen Gerichtsbeamten immer gut sei, sich so manches zu msrken, was anscheinend gleichgültig, da es später mitunter recht bedeutungsvoll wer den könne, empfahl er sich, mit der Bemerkung, daß er jetzt nicht stören, sondern spät« einmal kommen werde, um ein Geschäft zu machen. Als er sich wieder im Freien befand, wußte er nicht, ob er wache oder träumte. Trotzdem er den Schmuck nicht in den Händen hatte, glaubte er doch, nun einen vernichtenden Schlag gegen den Lindenbauer führen zu können, lebte doch noch der frühere Besitzer, von dem er das Geschmeide einst erstanden, desgleichen noch einige Bauern, die beim Verkaufe desselben an den Viehhändler zugegen gewesen. Angelangt vor Rairchofers Wohnhause sprach er voll tiefster Rührung zu sich: „Vor vielen Jahren stand ich in gräßlicher Winterkälte mit meiner totkranken Mutter vor der Thür dieses Hauses, und hier hat man uns mitleidig ausgenommen und da durch das Leben gerettet! Dann kamen Jammer und Trübsal über dieses Haus! Nun aber werde ich alter Mann bald vergelten können, was man Gutes an uns gethan, und dann werden wieder Glück und Freude unter diesem Dache wohnen, und Glück und Freude auch in meinem Herzen! Trotzdem es bereits tief im Herbst, so war die Nacht doch weich und lind. Am Himmel zogen die Wolken dahin und verhüllten von Zeit zu Zeit die volle Scheibe des Mondes, die Erde dann mit Finsternis umziehend. Die Turmuhr hatte bereits die zwölfte Stunde verkündet. Nichts regte' sich mehr und tiefes Schweigen herrschte ringsumher. Auf ein samem Wege schlich sich ein Man* an Rain hofers Wirtschaft heran. Verzogen sich die Wolken und goß der Mond seinen lichten Schein herab, so verbarg er sich vorsichtig im Schatten der Bäume, ja er bückte sich selbst unter die Sträucher, um von niemand bemerkt zu werden. Endlich war er an der Hinteren Seite des Wohn gebäudes angelangt. Wie er so horchend und spähend lauerte, den Kragen des Rockes sorg fältig heraufgeschlagen, die rechte Hand in der Brust verborgen, wurde Plötzlich der Mond wieder frei und von dem Lichte desselben be leuchtet, stand der Mann da; es war der Linden bauer, dessen Gesicht bleich, aber entschlossen war, während es in seinen dunklen Augen un heimlich blitzte. Aber auch die Kinge eines großen Messers blitzte im Mondenscheine, das er sorgfältig zu verbergen suchte. Eine Schauer- that zog unaufhaltsam die andere stach sich. Der einzige lebende Mensch, der schwere Ver dachtsgründe gegen ihn schleudern konnte, mußte auf ewig verstummen. Wenn man ihn auch nicht überführen könnte, so wäre ihm eine öffent liche Beschuldigung oder Anklage doch schon so viel gewesen, als wie der Tod durch Henkers Hand. „Einer von uns beiden!" lautete es seit dem Nachmittage beim Lindenbauer und rasch hatte er sich zu dem schauerlichen Ent schlusse aufgerafft. Brunini hatte sich bei dem plötzlichen Erblicken des Schmuckes zu sehr ver raten und auch nicht versäumt, die Aufmerksam keit von Edmund Weiß und dem jungen Lehrer darauf hinzulenken, als gelte es, die beiden als Zeugen zu benützen. Den Schmuck hatte er noch im Laufe des Nachmittags in den tiefen Sumps beim Teiche im Walde versenkt. „Verstummen mußt du auf ewig, Brunini, denn dann erst gibt es wieder Ruhe bei mir! — Und sollte Rainhofer, auf den der Verdacht fallen muß, abermals für sine That büßen müssen, die ich begangen, ich kann ihm nicht helfen; wenn es die eigene Freiheit und das eigene Leben gilt, dann schweigen alle Stimmen des Herzens! Warum hast du diesen Hausierer gastlich ausgenommen? Und diesem selbst ge schieht nur sein Recht, und Notwehr ist es, wenn ich ihn beseitige!" Damit suchte der Lindenbaucr sich zu be ruhigen, den jedoch trotz seiner Mannhaftigkeit und Entschlossenheit ein leises Grauen an wandelte, galt es doch abermals, einen Mord zu verüben und auf gefährlichem Wege mußte er wie ein Gewohnhcitsmörder diebesgleich zu seinem Opfer schleichen. Davor grauste ihm mehr als vor der Mordthat selbst, denn wie leicht könnt« er dabei entdeckt werden, allein es blieb ihm nichts anderes übrig, er konnte sci« Opfer nicht in stillverschwiegener Nacht ad- lauem, wenn es auf einsamem Wege ging, cr mußte die That heut noch vollbringen, bevor
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