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An der russischen Grenze. KriegSroma» vo» S. Herrma«». Schluß. (Nachdruck verboten.) Für Marie war jedenfalls geringe Aussicht voryan- den, daß ihr Ehrenthal sein heimlich gcgehencs Wort hal ten und sie zu seiner Frau machen würde. Mit innigem Beileid sagte sich Klothilde, das; auch der Stolz des schönen Mädchens schwer leiden mußte. Wieviel besser hatte eS das Schicksal doch mit ihr gemeint! In Baumert führte cs Ihr den Mann zu, dem i^zc Liebe gehörte, der diese Liebe .'rtzt nicht nur voll erwiderte, sondern in ihrer Person im mer das weibliche Wesen sehen würde, das er über olle an dern stellen würde. Während Klothilde den Hof in Mislanken durchschritt, nm wieder zurück nach Kotlischcn zu gehe», graute der Morgen in immer lichteren Tönen. Ueber Gras und Blü ten perlte der Tau, und die Sonne, die im Höchsteigen mit ihren Strahlen darüber hinblihtc, entlockte ihm Regen- bogenfarbcn. Die Vögel zwitscherten ihre vielstimmigen Weisen und schnellten in eiligem Fluge durch die Zweige der Bäume. Die feinen Aestchen der dunkelglänzenden Tannen schnellten oft hoch empor, wenn solch ein zierlicher, gefiederter Gast sie verließ. Wie glückverheißender Zauber zog es mit diesem son nendurchglänzten Morgen über Mislanken, und Klothilde gehörte zu denen, über die diese Stimmung in der Natur volle Gewalt bekam. Sie war auch hier in ihrer Liebe glücklich; der Sonnenglanz, die jubilierenden Vöglein ta ten es ihr an. Trotz des grauen Krieges, der mit Unglück und Schrecken über die Lande zog, trällerte sie mit verhal tener Stimme den Vöglein nach. Dabei war sie der lebenden Hecke, die hier den Park nach der Straße hin abschloß, nahe gekommen; sie wollte die kleine Tür gewinnen, die ans dem Park in die Felder führte. Die kleine Eiscnpsorte sang plötzlich in ihren rosti gen Angeln, Klothilde horchte bei diesem so wohlbekannten Ton ans und sah, wie eine schlanke Männergestalt den Park durch die kleine Tür betrat. Woher kam der Mann im sei nen Zivilanzug und wer war er? Aber als ihm jetzt Klo thilde ins Gesicht sah, erkannte sie den Rittmeister von Ehrenthal, der vor ihr grüßend den Hut zog und dann an sie herantrat. „Sie kommen wohl direkt aus dem Herrenhaus von Mislanken, gnädiges Fräulein, und können mir sicher Be scheid geben, wie es bei Riemenschneiders geht; ich selb? komme auf ganz kurzen Urlaub/ Klothilde war stehen geblieben, sah ven Ntttmetstei freundlich, fast strahlend an, während sich der frische Far« benton auf ihre» Wangen noch um einen Schein höher färbte. Sie freute sich von Herzen, daß Ehrenthal noch einmal kam, un» Marie zu sehen, sie war selbst in ihrer Liebe zu glücklich, um cs einer anderen nicht so recht von Herzen zn gönnen, daß auch sie ihr Teil an Jngendglück bekam. Sie erzählte dem Rittmeister alles, was sich bisher hier im letzten Winkel des Dentschen Reiches zugetragen hatte, nnd als sie erwähnte, daß Marie beim alten Futter mann die Krankenwache gehalten, ging ein Zucker» der Rührung über das Gesicht Ehrenthals. „Vielleicht ist es Ihnen noch unbekannt, gnädiges Fräulein, daß Marie Nicmenschneider meine heimliche Braut ist." Und als Klothilde schwieg, er aber doch in ihcen».Ge sicht las, daß sie es gewußt hatte, fuhr er fort: „Sie haben es also gewußt, gnädiges Fräulein, nun, da haben Sie vielleicht auch gewußt, daß ich einige Zeit nichts von mir hören ließ. Wie das so manchmal kommt, wir Männer sind wetterwendisch, aber wenn wir wirklich lieben, dann kommt auch die Treue. Sagen Sie selbst, können Sie sich sich einen Mann denken, den» Marie ihre Liebe geschenkt hat, der diese Liebe nicht voll und ganz er widert? Na, der Ausbruch des Krieges hat mich auch ge lehrt, daß es für den flotten, leichtlebigen Ehrenthal nur ein Mädchen auf der Welt gibt, und um sie mir fürs Le ben oder wenigstens für die kurze Zeit, die einen» noch fürs Leben bleibt, zn gewinnen, Hosse ich, sie wird in eine Kriegötrauung willigen. Aber nun, nach dieser Beichte, gnädiges Fräulein, helfen Sic einem armen Schächer zu seinem Erdenglück. Bitte»» Sie Marie hierher in den Park, damit wir uns aussprechen können." „Mir könnte nichts lieber sein, als der» Schutzengel zweier Liebenden zu machen," sagte Klothilde scherzend, während sie Herrn von Ehrenthal Warrn anblickte. „Aber Offenheit gegen Offenheit, Herr Rittmeister. Auch ich will Ihnen erzählen, daß ich die glückliche Brant Inspektors Baumerts bin. Mein lieber Vater hat die Ver lobung zugegeben, was'er erst gar nicht wollte. Sie ver stehen eS wohl, Vater wollte höher hinaus!" sagte sie mit allerliebster Offenheit , und sie setzte dann hinzu: „Nun aber Vater Baumert so recht kennen gelernt hat, steht er ein, daß fein-' Tüchtigkeit und Ehrenhaftigkeit Reichtum und sonstige Vorteile aufwiegcn. Er ist seit AuSvruch des Krieges >ür Kotlüchen nnd für alles, was da kreucht und fleucht, unentbchrsich geworden. Mcrn Vater Hut, glaube Ich, jetzt Bange, er könnte ihn verlieren: wenn Baumert auch leider Neichskrüppel ist, na also, wir solle»» auch kricgsgctraut werden, und da können »vir Brautpaare das ja gemeinsam a.bmachen," schloß sie lustig. „Na, also ich schicke Ihnen Marie und nehme einstweilen ihren Platz am Krankenlager ein. Mit der Schnelligkeit des leichtfüßigen Rehes eiltc .Klothilde den Weg zurück, den sie gekommen und knrze Zeit darauf war cs Marie, die durch den morgcnkühlcn Park schritt. Aber langsam kam sie daher, fast zagend, und als ihr Herr von Ehrenthal cntgegcnschritt, durchlief ein Zucken ihr blasses Gesicht, in dem die Spuren pcrgossencr Tränen noch so deutlich zu sehen waren. Aber der Rittmeister zog sie in seine Arme und das, was er ihr sagte, lies; sie ruhig und zuversichtlich werden. Seine zärtlichen Worte, aus denen diesmal die wahre Liebe zu ihr sprach, ließ sie alles Leid, das so auf ihr ge lastet, daß es ihr alles Hoffen genommen hatte, vergessen. Sie war jung und diese Jugend war cs, die aus der Trä- nensaat Blumen sprießen sah. Sie schien dem iunaen. tau frischen Morgen gleich geworden. Wie ihn die immer hö- her steigende Sonne zum strahleuden Tage machen würde, so war es bei ihr, die ihr aufs neue geschenkte Liebe, die ihrem Leben, das sie noch eben mit so leeren Augen ange- sehen den beglückenden Inhalt gab. Trotzdem der Krieg, ocssen lodernde Brandfackel überallhin leuchtete, ihr wie so vielen Menschen alles rauben konnte, diese Stunde war reich genug, un» mit der Erinnerung an sie anch im Leid stark und groß zu sein. Etwas, das in Mislanken seit Menschengedenkcn noch nicht vorgckommen war, das brachte der Abend dieses Ta ges, der Standesbeamte, Rittergutsbesitzer Riemenschnei der verband durch Kriegstrauung drei Paare. Seine Töch ter Marie mit Herrn von Ehrenthal, Ilse mit dem Pastor Erhard und außerdem Klothilde mit dem Inspektor Van merl. Als die jungen Paare aus der Amtsstube in daS Nebenzimmer traten, erglänzte zwischen Tannengriin ein kleiner Altar, an dem ein alter Geistlicher stand und den kirchlichen Segen über sic sprach. Der Kirchenchor aus Berbausken sang zum Harmonium ein iu leisen Tönen ge haltenes Kirchenlied. Nach dem Schlußakkord aber intonierte eine kräftige Männerstimme: „Deutschland, Deutschland über alles." Eine Stimme nach der anderen siel ein, der Gesang schwoll an und brauste wie ein Trenecid durch den weiten Raun». In der großen Stille aber, die nach dem Absingen des Liedes über der Versammlung lag, fühlte wohl jeder, daß in dieser Stunde die kleinen Einzelschicksalc der Menschen zu Luft »lud Schall wurden. Es handelte sich ja hier um das große Ganze, das so viele Millionen Einzelgeschöpfe mit schützenden Armen umfangen hatte. Das geliebte deutsche Vaterland war in Not und Gefahr gerate»» und es daraus zu befreien, ihm etwas von der Liebe, die sie alle vo,» ihm empfangen hatten, zurückzuzahlen, das wars, was ihnen das Lied verkündet hatte nnd dieser Ruf sollte nicht vergeblich an ihr Herz gepocht haben. — Ende.— Sta-i un- Land — Han- in Han-, Von Ad. PeddinghauS, Hemer. Bon einem Teilnehmer der Aufklärung-« mache Im Osten, deren Zweck die Förderung des Verständnisses zwischen Industrie unk Landwirtschaft ist, wird uns aus Thorn ge schrieben: Was die aus dem Westen nach dem Osten gereisten Herren — Männer aller Berufskreise, Arbeiter, Beamte, Geistliche, Schriftleiter — angenehm berührte, das war die offene Herzlichkeit, mit der man sie aufnahm, die trotz aller Kriegsnöte großzügige Gastfreundschaft Das »var vor allem die sich kundgebende ernste Auffassung von den Pflichten, die der Osten für die Polksernährnng des Westens auf sich zu nehmen hat. Im Westen glaubt man vielfach, im Osten herrsche noch Überfluß. ThornS Oberhaupt, Oberbürgermeister Dr. Hasse, zeigte nun auf dem Empfangsabend, daß die Rationierung in den Städte« des Ostens deren Bewohner nicht günstiger stellt, als di« des Westens, eher das Gegenteil. Thorn hat keine Kartoffeln mehr, es gibt statt sieben Pfund Kartoffeln pro K»pf mit Woche als Ersatz Pfund Grütze. An Fleisch erhalten die Thorner weniger als z. B. die Berliner, ein Ei gibtZ jetzt alle drei Wochen. Ohne Murren nimmt das di« Bevölkerung auf sich, sie weiß, daß die Nüstnngsarbeite» so gut wie eben möglich versorgt werden müssen. Daß di» Behörden nicht die Schuld tragen, beweisen die Mitteilungen des Regierungspräsidenten Dr. Schilling-Marienwerder. Er hat versucht, alles restlos zu verwerten, Prüfungen de, Bestände und Nachprüfungen wurden streng durchgeführl und dabei volles Verständnis gefunden. „Für unser» Industriearbeiter muß alles getan werden", sagte mir de» Besitzer eines 8000 Morgen großen Gutes. De, Regierlingsbezirk Marienwerder mit 960 000 Ein wohnern hat es vermocht, auf einer Bodenfläche vor 1758 000 Hektar 127 874 Tonnen Brotgetreide, 40200V Tonnen Kartoffeln abzuliefern, der Versorgungskreis Thorn hat 70 000 Tonnen abgeliefert und sitzt nun selbst völlig auf dem Trockenen. Diese Zahlen werde»» gewiß in; Lande ihres Eindrucks nicht verfehlen, so wenig sich die Männer ans dem Westen der Wucht der Tatsachen verschließen konnten. Das kam in allen Rede»» zum Ausdruck. Treue um Treue — so wollen sie es halten, Stadt und Land, Ost und West. Unsere deutsche Ostmark das durch die Tapferkeit auch der Krieger aus dem Wester vom Feinde gesäuberte und freigehaltene Land, weiß, was es schuldet, um die Arbeiterschaft und Bevölkerung unserer Nüstnngszentren lebensfähig zn halten, damst dort weiter die Waffen für unser Heer geschmiedet Werder können. Altes deutsches Kolonialland ist es, das der Weichsel breiter Strom durchfließt. Vom Westen wurde diesem Land die Kultur gebracht, die es dann in eigener Weist weiter entwickelt hat. Sieben Jahrhunderte alt sind di< Beziehungen zwischen Thorn und Westfalen, das der vor den Ordensrittern gegründeten Burgstadt den ersten Bürger meister gab in Johann von Soest. Die drei Jahrhundert pob nischc Herrschaft haben diese Beziehungen niemals unter drücken können und werden sie in Zukunft, wenn erst einmal de, Mittelllandkanal durchgeführt und das VcrkehrswesenimOster noch besser ausgebaut ist, noch vertiefen. Der Osten erwartet dabei die Mithilfe des Westens, erwartet eine Entwicklung, du die Bodenschätze dieses Landes vorteilhafter verwertet znm besten der dentschen Volkswirtschaft. Die günstige Ge staltung der Verhältnisse im angrenzenden Osteuropa er öffnen dem Handel des alten deutschen Ordenslandes nein Wege. Bei ihrer Erschließung wird der Westen anch mit helfen. Die Bedeutung unserer Ostmark für das Wirt schaftsleben unseres Vaterlandes, vielfach verkannt, hat de; Weltkrieg ins rechte Licht gerückt. Wenn anch nach den» Friedensschluß manches wieder tu alte Bahnen zurückkehrt, so wird doch das als Frucht der Lehren dieses gewaltige»» Kampfes Gemcingnt werden: Ost und West müssen ein nnteilbares Ganzes bilden, eint muß das andere stützen und fördern. Stadt und Lani Hand in Hand, Ost und West in Treue fest — dann „liek Vaterland »nagst ruhig sein!" Diebstahl van Lebensmiiielkarien. Grundlegende Entscheidung des Reichsgerichts. Den Dieb trifft in der Regel eine harte Strafe, da- Gesetz sieht Gefängnis vor, mit Geldstrafe ist der Dieb» stahl nicht abzumachen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Dieb so wie es jetzt in den Großstädten ai» der Tages ordnung ist — in großen Mengen und Sachen von bedeu tendem Wert stiehlt wie Stoffe, Waren jeder Art, Maschinenteile usw. oder ob er sich „bescheiden" mit kleinen Gegenständen von unbedeutendem Wert begnügt: einem Bnch, Bild, einer Tasche, einen» Portemonnaie usw. Gleich gültig übrigens auch, ob er den gestohlenen Gegenstand nachher wieder zurückgibt oder nicht, der Diebstahl wird durch Rückgabe nicht aus der Welt geschafft. Von dieser harten Strafe gibt es nur zwei Aus nahmen; die eine ist noch ziemlich junge», Datums; sie ist nämlich erst 1912 in daS Strafgesetzbuch aufgenommen; sie besagt: wer aus Not geringwertige Gegenstände stiehlt, kann mit Geldstrafe bestraft werden, und überhaupt mvc dann, wenn der Bestohlene Strafantrag stellt. Wer alfo z. B. ein Portemonnaie stiehlt, un» für das Geld sich Nahrungsmittel zu kaufen, weil er in Not ist, oder sonst Gegenstände, z. B. ein Buch, Kleidungsstücke usw., auch weil er in Not ist, wird milder bestraft. Dazu noch eine zweite Ausnahme, die schon seit jeher im Gesetze enthalten ist und 1912 nur erweitert wurde, der sogenannte, ja ganz allgemein bekannte „Mundraub"; das Gesetz sagt: „wer NahrungS- oder Genußmittel oder andere Gegenstände des hauswirtschaftlichen Verbrauchs in geringer Menge oder von unbedeutendem Werte zum alsbaldigen Verbrauch entwendet, wird mit Geldstrafe bis 150 Mark oder mit Haft bestraft." Es muß also eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. „Nahrungsmittel": Der Begriff dürfte in unserer Zeit klar sein, Fleisch, Butter, Eier, Brot usw. tauchen vor »ins auf. „Genuß- mitteU sind z. B. Zigarren, Zigaretten, Tabak, Spiri tuosen usw. Gegenstände des hauswirtschaftlichen Ver brauchs sind z. B. Kohlen, Holz, Stiefelwichse usw. Ferner dürfen beim „Mundraub" diese Dinge nur in geringer Menge und zum alsbaldigen Verbrauch entwendet werden; wer Brot stiehlt, um es zn essen, begeht einen Mundraub; wev Zigarren stiehlt, um sie selbst zu rauchen, ebenso; wer aber eines davon stiehlt, um es zu verlausen, selbst rvenn die Menge nicht groß ist, begeht einen gewöhnlichen Dieb stahl. Aber anch »ver z. B. Kohlen stiehlt, nm sie selbst zu verbrennen, jedoch in großen Mengen, begeht einen gewöhnlichen Diebstahl, eben »veil „Mundraub" geringe Menge»» verlangt. Nun haben »vir heute meist — wenn »vir keine Hamster sind — von all den Herrlichkeiten keine großen Mengen im Vorrat, sondern statt dessen die Karten; und es erhebt sich die Frage: »ver Lebensmittelkarten stiehlt, begeht der den milde zu bestrafende»» Mundraub oder den hart zu be strafenden Diebstahl? Mai» könnte nämlich meinen: Ent wendung der Karte ist heutzutage mit Entwendung des Lebensmittels identisch; man kann Kvar nicht die Karte, verzehren, aber doch darauf das Nahrungsmittel in Empfang nehmen und dies alsbald verspeisen, also „Mund raub". Aber unser höchstes deutsches Gericht, dem sicher lich die Mehrzahl aller Gerichte folgen wird, sagt: Ent wendung von Brotkarten ist kein Mundraub, sondern Diebstahl. Denn die Pappkarte ist eben kein „Nahrungs mittel", aber anch kein „Gegenstand des hauSwirtschaft- lichen Verbrauchs"; ein solcher ist nur dann vorhanden, wenn er durch Zerstörung oder Veränderung benutzt »vird, »vie die Kohle und das Holz, die man ver brennt. Die Pappkarten zerschneidet man zwar, aber die einzelnen Stücke bleiben ganz, besonders das Mittelstück, sie werden nicht so verbraucht »vie die Kohle und das Holz. Das Reichsgericht begründet seine An schauung noch ferner damit, daß die Karten ja anch nicht von „unbedeutendem Wert" sind, da, gleichviel »vie der Geldwert ist, Brot ohne diese Karten nicht zu er halten ist. Wie man sich rinn auch zu dieser Anschauung stellen mag, die Praxis der Gerichte wird ihr folgen. Dann aber muß man konseancnterwcise auch die Entwendung anderer Lebensmittelkarten so betrachten »vie die von Brotkarten, also Diebstahl annehmen und ferner auch dei» oben dar gelegten Notdicbstahl für unanwendbar erklären, da auch dieser die Entwendung „geringwertiger Gegenstände" voraussetzt. Rechtsanwalt Dr. Albert Baer, Berlin. Aus -er letzten Instanz. Spirituosen als Lebensmittel. Der Kreis der Lebensmittel ist im Sinne der Verordnung des Reichskanzlers vom 24. Juni 1916 (gegen den Kettenhandel), unter Be rücksichtigung der allgemeinen Knappheit der Nahrungsmittel, möglichst weit zu ziehen. Man hat darunter alles zu ver stehen, was den Verdauungsorganen des menschlichen Körpers einverleibt wird, mag es auch mehr zuin Genuß als zur Er nährung bestimmt sein. Hierzu gehören, »vie das Kgl. Obcr- landesgericht in Frankfurt a. M. in Übereinstimmung mit dem Präsidenten des Knegsernährungsamtes in einer neuen Ent scheidung hcrvorhebt, auch Spirituosen, insbesondere Jamaika- Rum. Nack; den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz herrschte in Fachkreisen Streit darüber, ob Rum als Lebens mittel im Sinne der Kettenhandels-Verordnung oder nur als Genußmittel anzusehen sei. Unter diesen Umständen h§t die Vorinstanz mit Recht eine Erkundigunglspflicht des Angeklagten angenommen. Dieser Pflicht genügt er nicht, wenn er sich einfach der Auffassung seines Jnteressenkreises auschließt. Er muß sich vielmehr durch geeignete Erkundi gungen vergewissern, ob die Ansfassung dieser Kreise auch von berufenen amtlichen Stellen geteilt wird. Da der Angeklagte dies unterlassen hat, so hat er sich in einmi auf Fahr lässigkeit beruhenden, nicht entschuldbaren Irrtum befunden: die Bundesratsverorduung vom 18. Januar 1917 (Befreiung von Strafe wegen entschuldbaren Irrtums) ist also auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.