Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 07.07.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189407073
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18940707
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940707
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-07
- Tag 1894-07-07
-
Monat
1894-07
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.07.1894
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. Deutschland. * Am Montag hat das Kaiserpaar an Bord der Jacht „Hohenzollern" die Nordland reise angetreten. Vor der Abfahrt stattete der Kaiser dem Admiral Montagu auf dessen Dampfjacht „Mirage" einen Besuch ab; auch Prinz und Prinzessin Heinrich verabschiedeten sich auf der „Mirage" und der „Viking". *Der Bundesrat gedachte am 4. Juli und an den folgenden Tagen den Nord- Oftsee-Kanal zu besichtigen. Der Reichs kanzler hatte seine Teilnahme an der Besichti gung in Aussicht gestellt. Die Arbeiten am Kanal sind soweit gefördert, daß von Mitte nächsten Monats ab mit dem Einlauf des Wassers bei den Schleusen in Holtenau und Brunsbüttel wird begonnen werden können. Die Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals wird im Herbst dieses Jahres erfolgen. — Dem ersten Teil dieser Mel dung entgegen, findet nach dem ,B. TZ in dieser Woche keineSitzung desBundesrats statt. Dagegen findet in der nächsten Woche noch wenigstens eine Sitzung statt, worauf der Bundesrat geschlossen wird. Es steht noch nicht ganz fest, ist aber sehr wahrscheinlich, daß das Jesuitengesetz noch zur Erledigung kommt. *Die Abänderungen des Gesetzes über die Abwehr und Unterdrückung von Vieh seuchen werden im »Reichs-Anzeiger' ver öffentlicht. *Am 6. Juli werden es zehn Jahre sein, daß das Unfallversicherungs- Gesetz erlassen wurde. Seit jenem Tage ist dem ersten Unfallversicherungsgesetz noch eine ganze Anzahl anderer gefolgt, die die Unfall versicherung auf weitere Gewerbegruppen, wie Land- und Forstwirtschaft, Binnenschiffahrt, Fuhrwerksbetrieb, Seeschiffahrt u. s. w. erstreckten. Mit Bezug darauf wird an folgende Ergebnisse des ersten Jahrzehnts der Unfallversicherung er innert. Während im ersten Volljahr der berufs- genossenschaftlichen Thätigkeit, im Jahre 1886, die an die Arbeiterschaft gezahlten Entschädigungen 1,9 Millionen betrugen, beliefen sich die in dem Jahre 1893 gezahlten auf nicht weniger als 38,1 Millionen. Mcht weniger als 278 777 Per sonen erhielten im Jahre 1893 Entschädigungen. Es befanden sich darunter der Hauptzahl nach Verletzte, aber auch Witwen, Kinder und Aszendenten getöteter Arbeiter erhielten in großer Zahl Unterstützungen. Die Zahl der Hinter bliebenen solcher Getöteter bezifferte sich auf nahezu 68 000 im Jahre 1893. Die Berufs genossenschaften haben aber nicht bloß daran gedacht, in ausreichendem Maße die Verletzten und deren Hinterbliebene zu unterstützen, sondern auch soviel als möglich die Unfälle zu verhüten; hierzu sind zahlreiche Vorkehrungen getroffen worden. *Der Bund der Landwirte hatte schon vor Einberufung der kürzlichen Agrarkon ferenz durch den Landwirtschaftsminister selbst eine Agrarkonferenz abhalten wollen. Diese findet jetzt Mitte Juli in Berlin als Sitzung der „Grundkreditkommission" des Bundes statt. Das Programm ist im wesentlichen beschränkt auf die Reform des Bodenkredits. Oesterreich-Ungarn. * Dem Kaiser von Oe st erreich wur den Sonntag bei seiner Anwesenheit in Tri est glänzende Ovationen seitens der Bevölkerung der Stadt und der Welschtiroler dargebrachl. Frankreich. * Zu der Begnadigung der franzö - sischenOffiziere (die wegen Spionage zu 6 und 4 Jahren Festungshaft verurteilt und in Glatz gefangen gehalten wurden) durch Kaiser Wilhelm schreibt der ,Soleil': „Kaiser Wilhelm bewies hierdurch ein Zartgefühl, dem wir unsere Huldigung nicht versagen können. Solche Akte ehren die Souveräne und mildern kleinliche Spannungen. Das Verhalten des Kaisers an läßlich des Todes Mac Mahons und der Er mordung Carnots sei schon in gerechter Weise gewürdigt worden. Der Akt der Milde, den er soeben vollbrachte, werde die französische Natton noch tiefer berühren." — Präsident Casimir- Perier antwortete dem deutschen Botschafter auf die Mitteilung von der Begnadigung der Offi ziere: „Herr Botschafter, ich bitte Sie, Seiner Majestät dem Kaiser meinen lebhaften Dank auszusprechen. Dieser Akt wird unmittelbar zu den Herzen der Franzosen gehen." — Bei der Trauerfeierlichkeit in der Kirche Notre Dame schritten der Präsident des Senats, der Vize präsident der Kammer, de Mahy, zahlreiche Senatoren, Deputierte und sonstige politische Persönlichkeiten auf den Grafen Münster zu, drückten ihm die Hand und sprachen aus, welch tiefen Eindruck die That des Kaisers an diesem Tage nationaler Trauer auf alle französischen Herzen ausgeübt habe. * In einer Straße unweit der Wohnung des Präsidenten Casimir Perier entdeckte die Polizei einen Maueranschlag, worin der neue Präsident von den Anarchisten mit dem Tode bedroht wird. Ein zweiter, unweit des ersten aufgefundener Maueranschlag enthielt die mit riesigen Buchstaben gedruckten Worte: „Am 25. Juli wird Frankreich wieder trauern!" Die beiden Platate wurden von der Polizei sofort entfernt. * Das Ministerium Dupuy bleibt in seinem ganzen Bestände erhalten. Nach dem eine längere persönliche Aussprache, die zwischen dem neuen Präsidenten der Republik und dem bisherigen Ministerpräsidenten durch die gemeinsame Kandidatur um die höchste Würde entstandene Spannung ausgeglichen hatte, war eine andere Lösung der Krisis kaum denkbar. Das Ministerium, obgleich erst kurze Zeit im Amte, hat eine leidlich feste Stellung errungen; Dupuy stimmt zudem in seinen Ansichten mit Perier so überein, daß ihre gemeinsame politische Arbeit nur ersprießlich sein kann. Ob nicht dennoch die notdürftig ausgeglichene persönliche Verstimmung in Dupuys Brust umsomehr fort wuchern wird, als er im Grunde nur dem Um stande, daß Burdeau die Kabinettsbildung nicht übernehmen konnte, seine abermalige Be rufung verdankt, ist ine Frage. Persönlicher Ehrgeiz spielt oft, namentlich aber in Frankreich, eine größere Rolle als Uebereinstimmung oder Verschiedenheit der politischen Meinungen. *Die Pariser Blätter vom Montag erklären einstimmig, das großartige Leichenbegäng nis Carnots sei eine würdige Bezeugung der nationalen Dankbarkeit. *Bei der Beisetzung Carnots am Sonntag sind infolge des kolossalen Zudrangs des Publikums und der Hitze viele Unglücksfälle und Hitzschläge vorgekommen. * Das Anarchistenkomplott zur Er mordung des Präsidenten gilt für erwiesen. Die Mitteilungen aus Marseille über die Ent hüllungen des in Haft befindlichen Soldaten werden bestätigt. * Dem Erzbischof von Lyon, Coulliö, dem wegen seines Widerstandes gegen das Ge setz über die kirchliche Vermögensverwaltung das Gehalt ausgespcrrt worden war, ist jetzt der ganze Rückstand ausgezahlt worden. (Erzbischof Coullie hat dem Präsidenten Carnot die letzte Oelung gegeben.) Italien. *Der am Sonntag in Livorno ermordete Zeitungsverleger Bandi hatte in seinen Blättern gegen dieAnarchisten geschrieben, was diese ihm um so mehr verübelten, als Bandi ein alter Garibaldianer und zu den „Tausend von Marsala" zählte. Der schlecht gekleidete Mörder entkam. Bandi, dem wie Carnot, die Leber durchstochen war, und an dem vergeblich der Bauchhöhlenschnitt gemacht wurde, starb nach drei Stunden. Seine letzten Worte, mit denen er auf seine Narben wies, waren: „Gut be lohnt, diese Wunden!" Balkanstaaten. * Die neue bulgarischeRegierung sucht durch systematische Herabsetzung des Kabinetts Stambülow sich Sympathien zu erwerben. So hat sie einen angeblichen Fehlbettag in den bulgarischen Finanzen aufgedeckt, um die frühere Wirtschaft bloßzustellen, was sich aber darauf beschränkt, daß etwa 25 Millionen von der Länderbank-Anleihe nicht für Bauzwecke, sondern für andere außerordentliche Bedürfnisse verwandt worden sind. Die Erhöhung der Steuern und Zölle soll das Gleichgewicht Herstellen. Afrika. *Die Meldung von der Gefangen nahme des Sultans von Marokko durch den Stamm der Semur ist bisher von glaubwürdiger Seite weder widerlegt noch be stätigt. In Fes scheint man bisher keine Kennt nis davon zu haben, denn von dort— allerdings auf dem Kourierwege nach Tanger, da kein Telegraph im Innern Marokkos besteht — wird noch berichtet, die verschiedenen Stämme hätten dem Sultan bei dessen Durchreise ihre Unter werfung erklärt, mit Ausnahme der Riffkabylen, die sich gegen die Spanier zu erheben beginnen. Man befürchtet ernste Unruhen in Melilla. Das wäre für Spanien allerdings eine peinliche Ueberraschung. Amerika. *Zum Arbeiteraus stände in Nord amerika liegt aus Chicago folgende Mitteilung vor: Die Lage verschlimmert sich infolge des Ausstandes. Zweiundreißig Bahnen sind durch denselben in Mitleidenschaft gezogen. Die Aus ständigen haben einen Expreßzug im Weichbilde der Stadt zum Entgleisen gebracht. Der Ver kehr ist auf mehreren Linien vollständig einge stellt. Die Lebensmittel steigen im Preise. Asien. *Ein Krieg zwischen Japan und China wegen der Machtverhältnisse auf Korea wird immer wahrscheinlicher. Wie die,Times' aus Schanghai melden, setzt Japan die Vor bereitungen zum Kriege im großen Maßstabe sott. Dasselbe hat den König von Korea auf gefordert, das Suzeränetätsverhältnis zu China aufzugebcn, sich unter den Schutz von Japan zu stellen und den chinesischen Residenten fortzu schicken. — Dem ,Reuterschen Büreau' wird aus Schanghai gemeldet, die unmittelbare Entsendung von zwanzig Bataillonen chinesischer Truppen nach Korea sei angeordnet, weil es scheine, daß keine Hoffnung auf eine friedliche Lösung der Schwierigkeit mit Japan mehr vorhanden sei. Dupuys Trauerrede für Carnot. Die Rede des Ministerpräsidenten Dupuy hatte folgenden Wortlaut: „Carnot hat sein Leben für das Land hingegeben, er ist gestorben für Frankreich und die Republik, getroffen von der wilden Rache einer Sekte, die die Vereinigung der Völker ohnmächtig zu machen wissen wird; er fiel wie ein Soldat auf dem Felde der Ehre, er sprach bereits von der Stunde der Ruhe, denn er dachte nicht daran, sich um eine Wieder wahl zum Präsidenten zu bewerben, die er als dem Geiste der Verfassung zuwiderlaufend ansah; von der Aufgabe des Präsidenten hatte er einen sehr hohen Begriff; er hatte es verstanden, überall im Lande selbst wie nach außen Sympathie zu erwecken. Frankreich, sowie das Ausland, im Schmerze geeint, bringen nunmehr Beweise ihrer Sympathie dar für den Menschen, den Bürger und das Staatsoberhaupt, nament lich aber für den Freund des Friedens, dem er seine Kräfte geweiht, den er immer verherrlicht hat, er wird im Pantheon seine Ruhestätte finden neben dem „Organisator des Sieges". Der Tod wird somit das Genie des Krieges und das Genie des Friedens bergen; die Ge schichte wird sagen, er habe alle Franzosen in der toleranten, weisen, freien und dem Fort schritt huldigenden Republik vereinigen wollen." Dupuy hob sodann die Eigenschaften Carnots hervor und wies nach, wie seine Popularität stets im Zunchmen begriffen war; er schloß mit den Worten: „Lebe wohl! Dein Andenken wird nicht untergehen. Frankreich fühlt die Größe seines Verlustes. Wir danken dir, daß du eine Einigung aller seiner Söhne vorbereitet hast, eine Einigung in der gemeinsamen Liebe zur Republik und zum Vaterlande. Mr werdenden Grundsatz deines politischen Strebens festhalten, den Grundsatz, um der Republik zu dienen, nie mals Frankreich aus dem Auge zu lassen. Die Republik neigt über deinem Sarge die trauer umflorte Fahne. So nimm hin die letzte Ehr furchts-Bezeugung ihrer Dankbarkeit und Trauer." Don Uah und Fern. Vom Umfang des Pfingstverkehrs in Berlin sprechen folgende Zahlen: An den« Himmelfahrtstage und den drei Pfingsttagen find in diesem Jahre im Berliner Stadt-, Ring- und Vorortverkehr 2 250 680 Fahrkarten gelöst wor den. Hierzu kommen alle die nicht gezählten Personen, die auf Zeitkarten oder vorausgekaufte Fahrkarten Beförderung gefunden haben. Erwägt man, daß die Hinfahrt von Berlin sich mehr oder weniger auf den ganzen Tag verteilt, daß aber die Rückfahrt sich zumeist nur auf wenige Abendstunden zusammendrängt, so ergiebt sich, daß in den Stunden etwa von 6 bis 9 Uhr abends mindestens 1350 Züge erforderlich ge wesen sind, um die Ausflügler wieder nach Berlin zurückzubringen. Der Berlin-Hamburger Schnellzug, del morgens 9 Uhr Berlin verläßt, streifte am Montag bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Hagenow einige in einem Nebengeleise stehende Wagen, wodurch zwei Wage» des Schnellzuges entgleisten und erheblich beschädigt wurden. Bon den Reisenden und dem Zugpersonal ist niemand verletzt. Die Passagiere wurden mit einem Sonderzug weiterbefördert. Wahrscheinlich ist der Unfall dadurch herbeigeführt, daß dem Schnell zuge von der Station Hagenow vorzeitig das Einfahrtssignal gegeben worden ist. Die begnadigte» französischen Offiziere haben schon am Sonntag Glatz verlassen und sind leider bei ihrer Abreise der GegenstaÄ würdeloser Huldigungen gewesen. Sie fuhren im offenen Wagen zur Station und wurden vorn Publikum vielfach lebhaft begrüßt und mit Bluinen beworfen. Bei ihrer Abreise wurden gleichfalls Kundgebungen freudiger Stimmung laut Jugend- und Bolksspiele. Der Zentral ausschuß zur Förderung der Jugend- und Volks spiele in Deutschland hat sich am 30. v. in Thale i. H. zu einer Sitzung versammelt, in der eine Reihe von Fragen zur weiteren Förderung der Bewegung verhandelt ward. Die Versamm lung war gut besucht. Der Ausschuß wählte den Staatsminister v. Goßler zum Ehren mitglied. Kindes - Entführung. Bei dem Restau rateur P. in Stettin war seit etwa einem Monat die unverehelichte F. in Dienst. Am Freitag nachmittag ging das Mädchen mit einem dreizehn Monat alten Kinde ihrer Herrschaft aus und ist seit dieser Zeit verschwunden. Daß es sich nicht etwa um einen Unglücksfall handelt, beweist del Umstand, daß das Mädchen, wie sich herausge stellt hat, ihre Herrschaft um 200 Mk. und eine goldene Damenuhr bestohlen hat. Alle Nach forschungen nach dem Verbleib des Mädchen? mit dem Kinde waren bisher erfolglos. Ein rätselhafter Selbstmord wird aus Mainz gemeldet. Am 30. v. früh vermißte man auf dem von Mannheim nach Mainz fahrende« Dampfer „Germania" der Köln - Düsseldorfer Dampfschiffahrtsgesellschaft den Kapitän Müsken. ' Die sofort angestellten Nachforschungen ergaben, daß Kapitän Müsken vom Abort aus, dessen Thür er nicht nur verriegelt, sondern auch fest gehakt hatte, in den Rhein gesprungen war. ZulN Glück war noch ein Kapitän au Bord, so daß der Dampfer ohne jede Gefährdung nach Mainz kam. Was Müsken in den Tod getrieben, ist noch unaufgeklärt. Erschossen. In der Nacht zum Sonntag wurde in Danzig ein Unteroffizier des Grenadier- Regiments König Friedrich I. von einer Militär patrouille, die ihn auf einer Urlaubsüberschreitung betraf, und der er entlief, erschossen. Wieder eine! Die Frau eines Arbeiters in Mühlhausen (in Thüringen), die in das glimmende Feuer des Herdes Petroleum goß, um dasselbe anzufachen, wurde von den Flammen ergriffen und schrecklich verbrannt, daß der Tod alsbald eintrat. Nadfahrerfreuden. Bier Herren aus Fulda, die am letzten Sonntag auf den: Zwei-, rad einen Ausflug nach der Kreisstadt Schlüchtern , unternommen hatten, wurden auf dem Rückwege i in dem Dorfe Flieden von mehreren jungen. Burschen am Weiterfahren gehindert und schwer mißhandelt. Während sie deshalb bei der Orts behörde Anzeige erhoben, eilten ihnen einige der Das Kreuz am Waldessaum. 7 j (Fortsetzung.) Rainhofer fuhr fort: „Wie ost habe ich mit flehend erhobenen Händen auf den Knieen gelegen, während mein verzweifeltes Herz zu Gott aufschrie: „Lasse mich nicht zu Grunde gehen, Herr, und halte mich so lange aufrecht, bis daß ich den gefunden, der diesen Jammer über mich gebracht, der mir Vater und Mutter, der mir mein liebes Weib gemordet, den wahren Mörder lasse mich endlich finden!" Lange schwieg hierauf Rainhofer und auch der Pfarrer war zu tief erschüttert, um sprechen zu können. Die widerstreitendsten Gefühle be wegten denselben, und eine laute Stimme regte sich in seiner Brust für den enüassenen Sträf ling. Nach einer Welle begann Rainhofer bittend: „Hochwürden, niemand in meiner Heimat hat an mich geglaubt und wird an mich glauben, thun Sie es, oder halten Sie wenigstens den Glauben an meine Schuld fern!" Da faßte der Greis, einer unwillkürlichen Regung folgend, mild Rainhofers Hand, und ihn auf einen Felsenvorsprung mit sich ziehend, von dem aus man Ellerwang überblicken konnte, sprach er, nach dem Friedhof hinüberdeutend, von wo aus ihnen die Kreuze goldig entgegen- blinkten, ernst und feierlich: „Rainhofer, Eure Lieben, die dort drunten zur ewigen Ruhe ge bettet liegen, die haben an Euch geglaubt, felsenfest und ohne Wanken, und in diesem Glauben sind sie getröstet, nuld und ruhig hin über gegangen, dorthin, wo es keinen Irrtum mehr gibt, sondern nur sonnenhelle Klarheit! Eure Mutter bat mich auf dem Sterbebette, ich solle Euch, wenn Ihr endlich frei, in ihrem Nanien dafür danken, was Ihr an Vater und Mutter Gutes gethan, solle Euch sagen, daß sie nie an Euch gezweifelt, und daß Ihr aushalten möget in Geduld und alles Schwere tragen, da Eure Unschuld doch einmal an den Tag kommen müsse. Dann bat sie mich noch, ich möge Euch ihre letzten Liebesgrüße und den letzten Segen überbringen, um was mich später auch Euer Vater und Euer Weib gebeten!" Mit gefalteten Händen stand Rainhofer vor dem Pfarrer. Als dieser jedoch die Hand zum Segen erhob, fiel er auf die Kniee und die Thränen rannen ihm über die Wangen, als der Greis voll tiefster Rührung sprach: „So segne ich Euch im Namen Eurer guten Mutter, Eures Vaters und Eures Weibes! Möge Euch der Segenswunsch der teuren Abgeschiedenen glück bringend umschweben und Euch führen zum Frieden hier auf Erden! Amen!" „Amen!" konnte Rainhofer nur mühsam hauchen, während er mit beiden Händen das Gesicht bedeckte, der Pfarrer aber mit Thränen in den Augen sich still entfernte. Später kniete Rainhofer an den Gräbern seiner Lieben und bedeckte die blumengeschmückten Rasenhügel mit heißen Küssen. Inzwischen harrte Auguste mit tiefer Sehn sucht der Ankunft ihres Vaters, dem heute ihr ganzes Denken und Empfinden galt. Das Kämpfen und Arbeiten in ihrem Herzen hatte sie recht matt gemacht. Mit blassen Wangen saß sie nun an dem großen eichenen Tische, der mit einem rotgeblümten Tuche bedeckt war und in dessen Mitte ein Strauß duftiger Blumen prangte. Auch sonst sah es in dem Zimmer aus, als gelte es, ein Fest zu feiern. Auguste hatte nicht gemht, zu Ehren der Rückkunft ihres Vaters Haus und Hof zu schmücken. Wie gern hätte sie denselben in der Stadt begrüßt, und wie lieb wäre es ihr gewesen, wenn sein erster Blick in die freie West in die treuen Augen seines Kindes gefallen wärch allein er hatte es nicht gewollt und sie mußte sich sagen, daß es auch besser sei, wenn sie: sich allein und ungestört begrüßen konnten. Bärbel, die sich am Ofen etwas zu thun machte, sah von Zeit zu Zeit voll tiefster Zärt lichkeit nach dem Mädchen; aber auch recht besorgt leuchtete es dabei aus ihren Augen. Dann trat sie leis auf Auguste zu und ihr das Haar nus der Stirne streichend, begann sie innig: „Kind, lasse die weiche Stimmung und stehe fest da: bedenke, daß du fortan die Stütze sein mußt, an der dein schwergebeugter Vater sich Wieder aufrichten kann!" Indem Auguste sich erhob, entgegnete sie zaghaft: „Wie gern wollte ich recht stark sein, allein ich bringe es sogar nicht mehr zuwege!" Plötzlich schlang sie den Arm um Bärbels Hals und in tiefster Innigkeit begann sie mit gerührter Stimme: „Bärbel, wie ich mich freue, meinen armen Vater endlich wiederzusehen, mich freue, daß er es Überstauden hat, das kann nur Gott wissen! Und doch zittert mir das Herz, wenn ich daran denke, wie er zurückkehren wird!" Schluchzend ließ sie ihren Kopf an Bärbels Schulter ruhen und ungehindert flossen ihre Thränen, während die mütterliche Freundin sie zu trösten suchte. Später stand Auguste, nachdem Bärbel auf der Ofenbank Platz genommen, an dem Fenster und schaute gedankenvoll hinaus. Wie sie so in den von Purpurglut erfüllten Abcudhimmcl sah, wurde ihr recht traurig zu Mute, meinte sie doch, daß der Vater heut kaum mehr kommen werde und doch hatte sie sich dessen Ankunft so heiß ersehnt, wenngleich mit tiefem Bangen. Nun fühlte sie, daß die Freude wohl umsonst gewesen, und auch Bärbel mußte endlich dieser Ansicht beistimmen. Es herrschte hierauf tiefe Stille, während der ein jedes vollauf mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war. Plötzlich fuhr Bärbel empor, war es ihr doch, als habe sie das leise Knarren der Hausthür vernommen. Da fragte sie rasch Auguste, ob sie das Geräusch nicht auch gehört. Diese horchte nun gespannt, während sie am ganzen Körper zitterte: doch nur fiese Stille herrschte rings umher. Gleich darauf faßte sie mit der einen Hand krampfhaft nach dem Herzen, während sie mit der andern nach der Lehne des Stuhles griff, uni sich daran fest zuhalten. Ja, ja, das waren Schütte, die aus dem Vorhofe immer näher kamen. „Er ist es!" schrie sie auf, dann wurde ihr schwarz vor den Augen und die Kniee wollten ihr brechen. Verzweiflungsvoll rief sie: „Bärbel, um Gottes- Willen, so hilf mir doch!" Diese fing das
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)