Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 01.08.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189408012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18940801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-08
- Tag 1894-08-01
-
Monat
1894-08
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.08.1894
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Volttische Kund schau. Deutschland. * Bei emer Unterredung, welche Major von Wißmann mit dem Reichskanzler von Caprivi hatte, sollen, wie die",Post' vernimmt, afrikanische Fragen nur nebenbei behandelt wor den sein. Der Reichskanzler soll u. a. den Wunsch geäußert haben, Herr v. Wißmann möge den ihm gewährten langen Urlaub voll ausnutzen zur Stärkung seiner Gesundheit. Beim Herantreten kolonialerFragen werde er, der Reichskanzler, nicht ermangeln, Wißmanns erprobten Rat einzuholen. *Die im September 1892 in unmittelbarem Zusammenhänge mit dem Reichsgcsundheitsamt errichtete Cholera-Kommission, die sich aus vom Reichskanzler berufenen Fachmännern, sowie aus Vertretern der hauptbeteiligtcn Reichs behörden und Bundesregierungen zusammensetzt und deren Geschäftsleitung dem Direktor des Reichsgesundheitsamts übertragen ist, trat am 27. d. zu einer Konferenz zusammen, um u. a. festzustellen, ob die bei der in Rußland an Ausdehnung zunehmenden Choleraepidemie seitens der betreffenden Regierungspräsidenten angeordnetcn Vorbcugungsmaßregeln an der preußisch - russischen Grenze und dem besonders gefährdeten Weichselgebiete ausreichend sind bezw. in welcher Weise einem weiteren Vordringen energisch entgegenzutrcten ist. * Ein Verein für Kolonisation in Deutschland hat sich in Hamburg gebildet, der folgenden Zweck verfolgt: „Auf Kosten des Staates sind sämtliche in Deutschland vorhande nen Qedländer, namentlich die unproduktiven Moore und Heideländereien, allmählich anzukaufen, urbar zu machen und in Heimstätten, in der Größe von 5 bis 10 Hektar Land, zu verwan deln. Jede Heimstätte ist mit den für den land wirtschaftlichen Betrieb nötigen Gebäuden zu versehen und jedem deutschen Mann, der das dreißigste Lebensjahr erreicht hat und der darauf Anspruch macht, eine solche Heimstätte als Eigen tum unentgeltlich zu überweisen, die er unter zwangloser Anleitung vom Staate angcstellter Beamten ordnungsmäßig zu bewirtschaften hat." Der Verein hat sich weiterhin die Aufgabe ge steht, Heimstätten für eigne Rechnung zu errich ten, um diese entweder ganz unentgeltlich oder gegen Entgelt an Mitglieder des Vereins zu übertragen. (Eine gesunde und vernünftige Idee, deren Durchführung aber Geld kostet. Ob sich das zu diesem Zwecke finden wird?) Oesterreich-Ungarn. * Gegen den Grafen Kalnoky, den österreichischen Minister des Auswärtigen, scheint in Ungarn in der That große Erbitterung zu herrschen. Die halboffiziösen Angriffe auf Kalnoky mehren sich. Der gouvernementale , Magyar Ujsag' schreibt augenscheinlich inspiriert: Ungarn sei genötigt, die phleginatische Ruhedes Ministers des Aeußern zu stören. Graf Kalnoky scheine nicht zu wissen, daß es seine Aufgabe sei, auch die innere Ruhe der Monarchie gegen die Ein mischung „aufgeblasener Kleinstaaten" zu schützen. Kalnoky müsse sich in den Delegationen verant worten. Mit den „aufgeblasenen Kleinstaaten" ist Rumänien gemeint. Frankreich. *Dic Dcputicrtenkammer hat das An archist e n g e s e tz mit 268 gegen 163 Stimmen angenommen. Die Annahme im Senat ist zweifelhaft. * Die spanische Regierung hat bei dem fran zösischen Ministerium Vorstellungen erhoben wegen des Aufenthaltes des Sohnes von Don Karlos, Don Jaime, in St. Jean de Luz, das ganz in der Nähe der Sommerresidenz der spanischen Königsfamilie liegt, so daß die kar- listischen Kundgebungen für die letztere immer lästiger wurden. Das französische Kabinett ließ Don Jaime durch den Präfekten der Basses- Pyrouäes ersuchen, seinen Aufenthalt in St. Jean abzukürzen, worauf Don Jaime unverzüglich abreiste. Dänemark. '"Der Großfürst-Thronfolger von Rußland ist am Donnerstag nachmittag an Bord des „Polarstern" in Kopenhagen ein- getroffen. Zu seinem Empfange hatten sich der König, dc-S Kronprinzenpaar, die ganze Königs familie in Begleitung des gesamten Hofes, der russische Gesandte sowie eine Offiziersdeputation des dänischen Regiments, deren Chef der Kron prinz ist, eingefunden. Italien. * Der ,Kreuzztg.' zufolge beschäftigt sich der Papst mit einer neuen Encyklika, die abermals die Vereinigung der abend-und morgenländischen Kirche zum Gegen stände hat. Der Papst soll von dem lebhaften Bestreben beseelt sein, in dieser Frage einen praktischen Erfolg zu erzielen. *Der vor einigen Tagen verhaftete Onkel Caserios ist von Neapel nach Palermo gebracht worden, von wo aus er in Gemäßheit des neuen Gesetzes gegen die An archisten nach einer der Inseln, die für die An archisten als Domizil bezeichnet, transportiert werden wird. Balkanstaaten. *Die Meldung von einem angeblichen Attentatsversuch auf den König von Serbien während dessen Aufenthaltes in Konstantinopel wird von Belgrad aus von zuständiger Seite als erfunden bezeichnet. * Aus dem Innern Serbiens werden mehrfach Räubereien und politische Morde ge meldet. * Fürst Ferdinand von Bulgarien ist am Donnerstag zur Teilnahme an der Ge dächtnisfeier anläßlich des Todestages seines Vaters in Koburg eingetrofsen. * Der bulgarische Journalisten- und Schriftsteller-Kongreß wurde am Dienstag in Sofia eröffnet. Demselben wohnten 180 Mitglieder und viele andere Persönlichkeiten, darunter die Minister Tontschew und Rados lawow, bei. Letzterer verlas ein Telegramm des Fürsten Ferdinand aus Karlsbad, in welchem der Kongreß begrüßt und der Wunsch ausgesprochen wird, daß die bulgarische Presse weiter fort schreiten möge. Afrika. * Der neue Sultan von Marokko ist am Dienstag in Fes eingezogen und hat dort sofort seinen älteren Bruder Muley-Omar samt dessen Umgebung verhaften lassen, da dieser im Verdacht steht, sich in eine Verschwörung gegen den jungen Sultan eingelassen zu haben. * In der Kap kolonie ist eine lebhafte Bewegung gegen unbequeme Einwanderer im Gange, unter denen namentlich Asiaten, d. h. Chinesen, Indier rc., verstanden werden; sic richtet sich aber auch gegen Einwanderer aus Russisch-Polen, die mehr oder weniger mittellos zu sein pflegen. Zn ungunsten der erwähnten Elemente hatte der gesetzgebende Körper der Kolonie in der letzten Session-bereits Resolutionen gefaßt, aber der englische Kolonialminister Lord Ripon erklärte, daß er derartige Ausnahmegesetze nicht gutheißen könne; wolle die Kapkolonie die Einwanderung beschränken, so möge sie im all gemeinen die Zulassung mittelloser Einwanderer verbieten. Die Kapregicrung will nun die An gelegenheit in demselben Sinne behandeln, wie dies die Ver. Staaten von Nordamerika gethan haben. Asten. *Der Streit um Korea scheint wieder ein friedliches- Ansehen zu gewinnen. Wie i das Reutersche Bureau vernimmt, sind am Donnerstag bei den Gesandten von China und j Japan in. London keine Nachrichten aus dem Osten eingegangeu. Es gewinnt mehr und mehr -die Meinung an Boden, daß es gelingen werde, wenigstens für jetzt, Konflikte zu vermeiden. Wie die japanische Gesandtschaft in London ferner er klärt, hat sie keine Bestätigung der Meldungen, wonach ein chinesisches Transportschiff in den Grund gebohrt und einige koreanische Häfen von japanischen Schiffen bombardiert worden seien. * Infolge der starken Entwertung des Silbers ist in Ostasien der dortige Dollar erheblich zurückgegangen und gilt heut- i zutage nur 2^ Frank gegen 4 Frank im ! vorigen Jahre. Wer daher gegen festes Gehalt ! nach Ostasien übersiedelt, steht in seiner Ein nahme gegenwärtig um etwa 80 Prozent schlechter da, als im vorigen Jahre. Außerdem sind in Ostasien, namentlich in China, alle europäischen Artikel um etwa 30 Prozent teurer geworden und sogar die Dampfschiff-Gesellschaften haben ihre Fahrpreise im Verkehr mit Europa entsprechend erhöht. Wer jetzt als junger Kauf mann eine Stelle mit 700 oder 800 Dollar bei freier Wohnung und Hinreise annimmt, muß sich von allem zurückziehen, will er nach drei Jahren die Kosten für die Heimreise mit etwa 400 Dollar erspart haben. Jungen Leuten, die nach jenen Ländern gehen, ist daher dringend anzu raten, bei Abschluß ihrer Verträge auf Bezahlung in europäischer Münze zu bestehen. Militärische Telephonlettung Kerlm-Potsdam. Me berichtet wird, haben in den letzten Tagen zwei Kavalleriepatrouillen im Trabe binnen vier Stunden eine dreißig Kilometer lange Telephonleitung zwischen Berlin und Potsdam hergestellt. Zu diesem Zweck verließen in früher Morgenstunde zwei Kavalleriepatrouillen, je ein Ulanenoffizier und zwei Ulanenunteroffiziere, Berlin und Potsdam zu gleicher Zeit. Ausge rüstet war jede Patrouille mit einem vollstän digen Telephonapparat, den der eine Unteroffizier in einem Lederüberzug auf der Brust trug, und einem Vorrat von ganz dünnem Stahldraht auf Rollen, jede Rolle mit 1000 Meter. Das Legen der Leitung begann in Berlin vom Wachtgebäude auf dem Pionierübungsplatze an der Hasenheide aus. Nachdem das Ende des Leitungsdrahtes mit der im Wychthause bereits befindlichen Stadt leitung in Verbindung gebracht war, nahm der gleichzeitig mit dem Fernsprecher ausgerüstete Unteroffizier die Rolle. Sie in eine Art Klam mer mit Handgriff steckend, so daß sie sich leicht in seiner Hand um sich selbst drehte, ritt er viel leicht dreißig Schritt vorauf und machte dann Halt. Inzwischen hatte der zweite Unteroffizier seine Lanze durch eine mit einer Gabel am Ende versehene Stange um die Hälfte verlängert. Der von der Rolle des ersten Unteroffiziers aus gehende Draht wurde mit der Gabel gefaßt bezw. durch dieselbe geleitet und dann von dem zweiten Unteroffizier mit der verlängerten Lanze in die Kronen der am Saume der Hasenheide stehenden Bäume gelegt. Jetzt wurde Trab kommandiert. Der Offizier gab die Richtung an, nur solche Wege und Chausseen wählend, die zur Seite mit hohen Bäumen versehen waren. Der die Rolle führende Unteroffizier immer 30 Schritt voran, der zweite den abgewickelten Draht immer flott in die Gipfel der Bäume werfend, sprengte die kleine Patrouille lustig in den Morgen hinein. War die Rolle ganz ab gewickelt , also ein Kilometer Leitung gelegt, wurde gehalten. Der erste Unteroffizier saß ab; um seine in die Erde gesteckte Lanze schlang er das Ende des Drahtes und dieses wi^>er ver band er mit dem Apparat. Das Telephon war eingeschaltet, und die Verständigung mit der Ausgangsstelle wurde nachgesucht, dann schleunigst der Apparat ausgeschaltet, der Draht einer neuen Rolle mit dem abgelaufenen verbunden, und weiter ging es im Trabe. Bei Teltow trafen beide Patrouillen zusammen; Signale wurden durch die Apparate beiden Endpunkten gegeben, dann die Drähte miteinander verbunden, wobei die Apparate miteingeschaltet blieben und die Führer beider Patrouillen hatten die Genug- thuung mit anzuhören, wie die in Berlin und Potsdam an den Endapparaten stehenden höheren Offiziere sich lobend über das schnelle Legen und sichere Funktionieren dieser neuen Art von Fern sprecheinrichtung aussprachen. Dann wurde Be fehl zum Aufheben der Leitung gegeben. Uon U«ch und Fern. Explosion in Berlin. Am Donnerstag abend gegen 9 Uhr hörte man vor dem Branden burger Thor in Berlin einen lauten Knall. Schutzleute kamen eiligst hinzu nnd verhafteten zwei junge, anscheinend arbeitslose Burschen, die aus Unvorsichtigkeit oder Absicht — näheres war vorerst nicht zu ermitteln — eine Explosion her beigeführt hatten. Der eine der beiden war dabei am Fuße erheblich verätzt wordrn. Beide wurden zur Polizeiwache geführt. Woraus der Explosionsstoff bestanden, den sie geworfen oder der ihnen entglitten, war nicht gleich festzustellen. Außer den Verhafteten selbst ist kein Mensch verletzt worden: Baulichkeiten. sind nicht be schädigt, auch waren Spuren der Explosion aw Thatorte selbst nicht zu entdecken. Gegen den „Kunstkäse" erläßt der Berliner Polizeipräsident folgende Bekanntmachung: „Nach dem zu meiner Kenntnis gekommen ist, daß von auswärtigen Firmen ein Kunstprodukt von Fett käse, aus Magermilch unter Zusatz von Fetten, die der Milch fremd sind, hergestellt, hierorts- häufiger in den Verkehr gebracht wird, mache ich das handeltreibende Publikum darauf aufmerk sam, daß derartige Zubereitungen nur unter dem Namen Margarinekäse, Kunstkäse oder unter ähn lichen, keinen Irrtum erregenden Namen verkauft oder feilgchalten werden dürfen. Zuwiderhand lungen werden auf Grund der gesetzlichen Be stimmungen, insbesondere des Gesetzes vom 14. Mai 1879, bestraft. Ein Insasse der Korrektionsanstalt in Prenzlau hat am Montag bei seiner disziplinari schen Vernehmung vor dem Direktor der Anstalt, Brandt, diesen mit einem Messer angefallen und an Kopf und Hand verwundet. Auch der An- stältsaufseher Wilke, der seinem Vorgesetzten zu Hilfe eilte, wurde mit dem Messer empfangen und sank schwer verletzt bewußtlos zu Boden. Auf den Hilferuf des Direktors kam ein zweiter Auffeher, Peters, hinzu, der den Messerstecher zwar bewältigte, aber ebenfalls einen Stich ins Gesicht erhielt. Von dem etwa 47 Meter hohe» Wasser turm in Bergdorf stürzten am Dienstag der Dachdeckermeister Lierz aus Brühl und sein Geselle. Beide waren sofort tot. Hunderttausend Mark reicher. Die Stadt Muskau führte mit den Erben des Prinzen Friedrich der Niederlande einen Prozeß wegen der Straßenpflastcrung. Derselbe hat nun da durch seine Erledigung gefunden, daß die Ver klagten eine einmalige Abfindungssumme von 100000 Mk. zahlen. Kürzlich war nun der Stadtvcrordnetcn-Vorsteher, Rechtsanwalt Luks, in der glücklichen Lage, dem versammelten Stadt- vcrordneten-Kollegium dir Summe in Gestalt eines Checks zu überreichen. Das Unglück auf dem Viehmarkt in Königs-, berg während des diesjährigen Jahrmarkts, bei welchem ein 18jähriges Dienstmädchen in wenigen Minuten, man kann fast sagen, zu Asche ver brannte, hat nun noch ein zweites Opfer ge fordert. Die 4 Jahre alte Tochter des Kürschner meisters Braun, welche bei dem auSgebrocheneN Feuer in der Bunde ebenfalls schwere Brand wunden erlitten hatte, ist nach schweren Leiden nun auch gestorben. Von einer Ausweisung des russischen Konsularbeamten v. Nolten aus Königsberg i. Pr- wußten die Blätter zu berichten und brachten diese Meldung in Zusammenhang mit einer Zusammenkunft des Konsularbcamten mit einem russischen Admiral in Pillau. Diese Meldung wird jetzt aber dahin berichtigt, baß es sich MN eine Abberufung v. Noltens durch die russische Regierung handelt und von einer Ausweisung nicht die Rede ist, vielmehr wird der Betreffende in den nächsten Wochen sich wieder in Königs berg zum Besuch seiner Familie cinfindcn. Aus Furcht vor Strafe erschoß sich in Hagen ein Anstreichcrlehrling, der ein Dienst mädchen aus Ungeschick durch einen Teschingschuß am Arme verletzt hatte. Die geheimnisvolle Geschichte mit den ver schwundenen Dokumenten, die in einem Wertbriefe vom Kölner Postamt nach Koblenz geschickt sein sollten, hat sich nun zur Zufriedenheit aufgeklärt. Der Absender hat, wie der ,Kobl. Ztg.' von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, die Dokumente, die einem Notar in Koblenz zugehen sollten, irrtümlich mit einem an seinen Schwager ge richteten Brief nach Kreuznach gesandt. Eine schreckliche Kunde kommt aus Heidenheim. Eine junge Frau ertränkte sich am Dienstag nachmittag mit ihren zwei kleinen Kinderch einem Knaben und einem Mädchen, im Kanal ba ! Neubolheim. Als der Mann um 6 Uhr von der Das Kreu; am Waldessaum. Diese Nachricht brachte den Lindenbauer, der ohnehin noch nicht zur Ruhe gekommen, in neue gewaltige Aufregung, konnte eine Zertrümmerung oder ein Niederwerfen des Kreuzes doch schauer liche Folgen für ihn haben; er befahl deshalb sämtlichen Knechten, sich mü den nötigen Werk zeugen zu versehen, da er mit ihnen hinauf in den Wald gehen wolle, um den Baum zu fällen, bevor er von selbst niederstürze. Es dauerte nicht lange, so waren die Knechte für das Werk gerüstet. In ikaum einer halben Stunde hatten sie das Ziel erreicht. Die mächtige Tanne, welche ihr Haupt stark gegen das Kreuz zuneigte, lag mit ihrem Wurzelwerke auf der einen Seite schon bloß, und weit im Umkreise war der Moos boden mitsamt dem Erdreich aufgerissen. Nachdem vorher ein festes Tau um den Stamm geschlungen worden war, durch welches der Baum beim Niederfallen zur Seite gezogen werden sollte, damit das Kreuz nicht zer-- trümert werde, ging man daran, ihn etwas oberhalb des Erdbodens anzusägen. Als dies tief genug geschehen und man mit der Axt noch nachgeholfen, und die fünf kräftigen Knechte eben daran gehen wollten, das Tau zu ergreifen, das der Lindenbauer, der seitwärts stand, in zwischen festgehalten, indem er sich das Ende desselben um das Handgelenk geschlungen, da neigte sich plötzlich der mächtige Baum und zwar gerade auf das Kreuz zu, auf das er gleich darauf zerschmetternd niederfallen mußte. „Das Seil auslassen!" gellte es dem Lindenbauer ent gegen. Dieser wollte jedoch, als er die ver hängnisvolle Richtung des fallenden Baumes sah, ihn mit der Kraft der Verzweiflung zur Seite reißen. Da wurde er leicht wie ein Feder ball hinweggeschleudert und gleich darauf flog er gegen den Sockel des Kreuzes, daran nieder fallend, und schon gab es ein Sausen und Brausen über ihm in den Lüften, dem ein Prasseln und Brechen folgte, übertönt durch einen fürchterlichen Todesschrei. Gleich darauf stürzte die ungeheure Wucht des Baumes auf das Kreuz, dieses samt seinem granitenen Sockel mit sich auf den Lindenbauer reißend, denselben dar unter begrabend. Dann gab es tiefe Totenstille ringsumher, und längst verhallt war der letzte Schrei des Verunglückten, der an derselben Stelle die schwere Missethat gesühnt, an der er das erschlagene Opfer einst begraben. Der Granitsockel des Kreuzes, der dazu bestimmt war, das Verbrechen den Augen der Welt auf ewig zu verbergen, hatte, von dem stürzenden Baume mitgerissen, des Lindenbauers Brust zertrümmert. Entsetzt und leichenblaß starrten die Knechte nach der Unglücksstelle, unfähig, dem Getroffenen gleich zu Hilfe zu eilen. Als sie ihn endlich mühsam und vorsichtig hervorgeholt, quoll ihm ein Blutstrom aus dem Munde, und seine Brust bewegte kaum noch ein schwacher Atemzug. Auf einer aus jungen Baumstämmen roh gezimmerten Tragbahre wurde der Verunglückte dann hinabgeschafft ins Thal, dem Lindenhofe zu. Bis tief in die Nacht hinein lag er ohne Besinnung und kaum atmend im Bette, an dem Heinrich in treuer Kindesliebe sorgsame Wache hielt. Als er endlich das Bewußtsein erlangte, und die Augen aufschlug, die zuerst auf seinen Sohn fielen, der in stummer Rührung seine Hand mit Küssen bedeckte, während heiße Thränen auf dieselbe niederfielen, zog ein matter Schim mer der Freude über sein verfallenes Gesicht. Nachdem er sich über alles, was mit ihm vor gefallen, klar geworden, begann eiu heißer Kampf in seinem Innern zu toben, fühlte er doch, daß es rasch mit ihm zu Ende ging und er den Morgen nicht mehr erleben werde. Wie lieb wäre es ihm gewesen, wenn Heinrich nun als Priester an seinem Bett gestanden hätte, um ihn als solcher der schweren Blutschuld los zusprechen. Er hatte jedoch, so lange er noch in voller Kraft und Rüstigkeit, größere Furcht vor der irdischen Gerechtigkeit als vor der ewigen empfunden, weshalb er, im Falle einer Ent deckung in Heinrich einen Verteidiger vor Gericht zu erlangen, dem er sich voll anvertrauen könne, diesen trotz seiner Abneigung für den Advokaten stand bestimmt. Den Ortsgeistlichen nun rufen zu lassen traute er sich nicht, denn nie und nimmer durfte ein fremdes Ohr daS Furchtbare vemehmen. Es war dem Lindenbauer entsetzlich, seinem Sohne, der ihn stets so hoch geehrt, nun das grauenvolle Verbrechen, das er begangen, einzu gestehen. Und doch mußte es sein, denn es galt, das Kreuz am Waldessaume wieder aufrichten zu lassen, bevor man durch einen unglückseligen Zufall den Ermordeten entdeckte. Daun war es ihm auch, als könne er nicht von dieser Erde scheiden, ohne ein reuiges Geständnis abgelegt zu haben; er konnte die schwere Bürde, die ihn schon so lange drückte, nicht mit hinübernehmen in die Ewigkeit. Als er endlich mit bebender Stimme seine Schuld bekannte, während seine Augen angstvoll flehend die seines Sohnes suchten, da meinte dieser anfangs, sein Vater rede in wilden Fieber phantasien ; bald mußte er jedoch an die grauen volle Wahrheit glauben. Mt einem Aufschrei brach er zusammen, und den Kopf verzweifiungs- voll in beiden Händen vergraben, blieb er zu sammengesunken regungslos aus dem Stuhle am Bette sitzen, während sein Vater ausführlich alle Einzelheiten der unglückseligen That erzählte und auch nicht verschwieg, daß abends vorher, um Brnnini verstummen zu machen, bald Rain hofers Tochter den Todesstoß für diesen em pfangen hätte. Dann gab es ein Jammern dar über, wie schwer die Blutschuld ihn gedrückt und was er ihretwillen gelitten; erschütternd klang es aus: „Der Tote muß seine Knochen arme aus dem Grabe herausgestreckt haben, uM mich zu Falle zu bringen, damit der nieder- stürzende Baum mich zermalme!" Dann bat er in flehender Angst, Heinrich möge ihm verzeihen und ihm nicht fluchen, denn wie könne er hoffen, die Vergebung Gottes ZU erlangen, wenn sein eigenes Kind sie ihm nicht werden lasse. Da fiel dieser vor dem Vater auf die Kniee und küßte liebevoll dir Hand desselben. Dann aber sprach er lange eindringlich mahnend zu ihm und aus seines Rede klang immer wieder, daß wahre Reue da-j Vergehen gut zu machen suchen müsse, so viel
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)