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UmechaltunMalt rm Zäc-Mcken klbreitung » Erreichte Wünsche. Roman von A. v. Gersdorff. 12. (Nachdruck verboten.) Siebentes Kapitel. „Guten Tan, Martini. Das scheint 'ranfzukommcn." Martini zögerte, die Mütze lüftend, an dem niedrig liegenden Fenster des sogenannten Jnspektorhauses, das sich aus dem Nebenhofe befand. „Kann's nicht sagen, Herr Administrator, komme von .Hanse." „Bitte, bestellen Sie John, er soll nicht satteln. Ich werde gehen." »Jetzt gleich kommt es keinesfalls. Mansbart wär schon 'rein." Mansbart ist der Beschützer der Rambouillets. Und so ein alter Schäfer Weib absolut, ob ein Gewitter nah heran ist oder wie lange das noch dauert. „Die Gnädige ist heraus." Martini wendet sich halb fragend nach dem Administrator zurück, einem gran- bärtigen intclligcn anSschenden Manne, der den am Fenster hängenden Barometer beobachtet. „So? Das kann übel ablaufcn mit dem neuen Gaul — hm — da mühte man doch — heda! Karl, kimm de Bader all mit de Schap?" „Nee, Herri" Der Junge lief weiter. „Daun kommt das Wetter auch noch nicht, denn Maus- bärt ist ja heute oben auf dem Brachfelde. Hat das gnä dige Fräulein jemand mit?" „Nein. Na gu'n Tag, Herr Administrator." Martini ging langsam und gebückt, mit dem schlei fenden, kleinen Schritt, den er sich seit Jahren auf dem herrschaftlichen Parkett angewöhnt hatte, dem Ausgang der Hofmauer zu. Die Lust war so dick und schwül! Der Staub wirbelte auf dem Wege. Die Trockenheit hatte schon lange gedauert. Kein Blatt schien sich zu regen, bange Unentschlossenheit schien in -er Lust zu liegen. Graublau und schwermütig spannte sich der stille Himmel über die Ebene, die sich gegen den Horizont in leichter Welle hob. So sah man die Gestalt des Schäfers ganz ruhig mit der Herde stehen. Es war eigentümlich still ringsum, nur aus irgend einem Tümpel klang in regelmäbigen Pausen träumerisch melodischer Unkenruf. Martini war ein Stück gegen den Wald hin gegangen, dabei ernst den Himmel betrachtend. Von der Gnädigen Ivar nichts zu sehen Doch sie hatte diesen Weg genommen. Der Alte kehrte um und begab sich wieder ins Haus, nachdem er noch einen Blick auf den ruhig stehenden Schäfer geworfen. Gerade als er in die Haustür trat, hörte er einen Wagen hinter sich, einen leicht rollenden, herrschaft lichen Wagen, der kaum auf dem Kies der Vorfahrt zu hören war. Martini unterschied daS Nollen vornehmer Näder schon aus weiter Ferne. Er blieb also seines Dienstes wartend auf den Stufen der Plattform stehen, denn es konnte nur Besuch kommen. Ein leichter, praktischer Wagen, ein sogenannter Sand- schneidcr, rollte vor. Zwei Herren, ein älterer Mann in Zivil und ein Ulanenosfizier, der die Leinen des flotten Juckergespanns hielt, hatten den Bockplatz inne. Die Tiere sahen ermüdet aus. Sie mußten einen weiten Weg ge macht haben. Martini sah keine Nachbarschaft vor sich. Deren Art kannte er schon am Nollen. Hier in der Nähe tvar nichts Elegantes. „Das gnädige Fräulein zu Hause?" „Nein, Herr Leutnant. Nach dem Walde geritten. Müssen aber in der Minute kommen." Martini trat an die Hallentür, während der hinten aufgesessene Diener jetzt Neben dem Wagen wartend stand. „O — das ist lebhaft zu bedauern." „Na du willst doch nicht wieder abfahrcn, James? Das kannst du nicht verlangen. Ich habe genug Beinahe fünf Meilen im Leibe!" Der Offizier war schon mit elegantem Sprunge von seinem Sitze herab. Er lachte. „Du kennst mich schlecht, Mark Anton. I'v 8UM kt j'? reale." — Dann sich höflich gegen den alten Diener wendend: „Wir dürfen wohl das gnädige Fräu lein hier erwarten?" Statt -er Antwort flog die hohe, stolze Pforte zu der Halle in jener Weise auf, geräuschlos und doch schwungvoll, wie nur der alte Diener sehr vornehmer Häuser es ver steht, eine Tür vor dem Gaste der gnädigen Herrschaft M öffnen. „Ah, superb, sehr vornehm," murmelte Nabe, sich m der Halle umsehend. Das war sein Genre. Dieser etwas düstere hohe Naum, die stolze Schlichtheit der Ausstattung; ihm gefiel auch der „antike", etwas moderige Geruch. Hoch interessiert musterte er die stattlichen Jagdtrophäen, den prachtvollen altertümlichen Kamin, nm den er sich die Neckengestalten einer mittelalterlichen Jagdgenossenschaft recht Wohl denken konnte. Auch die Uhr, welche für den Kenner Tausende wert schien, erregte seine höchste Bewunderung. Ihn ver- ließ ganz seine schlaffe Haltung. Für sein Leben gern Hütte er das Werk der jetzt stehenden Uhr untersucht und in Gang gebracht. Ueberdies war ihm alles, was seins Bestimmung nicht erfüllte, sehr unsympathisch und wenn er irgend konnte, verhalf er den Dingen zu ihrem Zweck. Tribbs sand alles selbstverständlich. Gar nichts Be wundernswertes und auf das Feudale flötete er, obwohl oder vielleicht weil sein Stammbaum viel älter war, a^ die Necks und die Nabes vom ihrigen rühmen konnten. Martini stand wie eine Statue, welche weder sieht noch hört, an der Tür zum Wohnzimmer, bereit, sie in jener unnachahmlichen Weise auffliegen zu lassen. Die Herren betraten das Wohnzimmer. Das war nun weniger NabeS Geschmack, und er hätte Esthers Tagebuch blatt darüber bereitwillig unterschrieben. Zumal jetzt, wo der Himmel kein holdes Sonnenlicht spendete. Er sah sich mit seinem spöttischen Lächeln um und mokierte sich inner lich über die gänzliche Abwesenheit bequemer Sitze. „Die Geschichte hier hat etwas infam Alltägliches," dachte er. „Brr! ich fasse nicht, wie ein Mensch eine solche Vorhalle und ein solches Wohnzimmer haben und die Disharmonie aNShalten kann. Freilich begreife ich auch nicht, >vic iemand eine solche Uhr, ein solch b"rrlkhes Kunst werk zum ewigen Tode verdammen kann und tagtäglich darauf zwei Uhr scheu mag." Er nahm auf einen Nohrstuhl an der Wand Platz und sah so äußerst resigniert aus, daß Tribbs, den die ganze Reise geärgert hatte, deren Sinn er nicht einsah, ihn schadenfroh betrachtete. „Sehr nett hier. Einfach und geschmacklos, ja, ja, so sah's bei deinen guten Eltern aus. Sauber, aber unbe quem. Du liebe Zeit! auf diesem Sopha möchte ich nicht die Nacht zubriugen. Katerideen von dir, James, dieser Teck aufs Haus z» rücken." „Ja, ja!" „Wenn uns nur dieser alte Herr mit dem Nhen- matismusgcsicht etwas zu trinken oder zu essen brächte." Nabe stand auf und trat an die eine der hohen Glas türen. Tribs machte ihn nervös. „Schöner Park, wunderschön! Uralte Eichen. — Herr des Lebens! — guten Tag — freue mich sehr." „Nauu, wem dieuerst du da?" „Einer unglaublichen alten Unke." „Das ist am Ende eine, von der man elwas Genieß bares erwarten könnte. Wenn man sich wenigstens eine Zigarre anstecken könnte." „Unmöglich, -Onkel." In diesem Moment ging die Tür auf und Martini brachte zu des alten Grafen großer Zufriedenheit eine Tabletle mit Wein und Brötchen. „Wenn die Herren vielleicht Kaffee befehlen?" „Besten Dank, nein." „Wann wäre das gnädige Fräulein Wohl mit Sicher heit zu erwarten?" Martini sah so besorgt aus, daß Rabe aufstand. „Der alte Schäfer kam eben mit den Rambouillets zu Hof. Das Wetter ist also im Anzuge und Las gnädige Fräulein reite» den Devil." Zackiges, blaues Feuer flammte durch das Gemach. Wie in wilder Verzweiflung warfen Plötzlich die Bäume draußen ihre Zweige in die Lust empor und nieder zur Erde im Ausstand dcS Sturmes, Laug hinrollcnd, in un heimlicher Musik die Fcusterscheibeu klingen lastend, er starb der Donner. Es lag immer hin eine Minute zwischen Blitz und Schlag, lieber dem Hause stand das Wetter also noch nicht. Vielleicht aber über dem Walde. Nabe nahm seine Mütze. „Nach dem Walde ritt das Fräulein?" „Jawohl, Herr Leutnant." „Allein?" „Ja, allein. Devil geht besser allein, aber wer kann ihm trauen?!" „Kenne ihn. Haben 'Sie ein reitbares Pferd im Stalle? Wo geht der Weg?" „Dem Herrn Administrator sein Brauner ist zu Hause. Der Weg geht vom Hofe geradeaus." Tribbs zuckte die Achseln. „Kannst La lange rumreiten," meinte er, 5en Weiß wein prüfend, „nicht übell Na, nun kann ich's aushalten. Und wenn Lu mal willst, dann willst du eben. Ich könnte mir am Ende doch eine leichte Zigarette anbrennen! und warte cs ab. Kateridee jedenfalls — paff — paff." Und seelenruhig saß er da und ließ es „nachten, ließ es blitzen". Die Luft draußen wällte in trockener Glut. Kein Regentropfen fiel und der Staub des WcgcS stieg irj Wolken zum Himmel auf und trieb Nabe ins Gesicht. Der Braune vom Administrator Brenner war in eins» Weise verritten, daß Nabe ihn kopfschüttelnd machen ließ, was er wollte „Hartmäulig und steingallig und unterstützig und hasenhackig — daS Vieh hat ja Wohl die ganze Musik au den Beinen," brummte er, während er sich werfen ließ wie es gerade kam, denn der edle Hektor war sehr unzufrieden mit dem festen Schenkeldruck und daS Blitzen und Krachen uni ihn her war er auch nicht gewohnt im Freien über fick ergehen zu lassen. Sein Gang war, Ivas Nabe in freund licher Mäßigung einen ungleichmäßigen nannte. Lang, kurz — lang — lang — kurz. Bei jedem Blitz, den er allerdings immer in voller Ladung von vorn bekam, da weder Baum, noch Busch, noch Hügel die Ebene geradeaus verunzierte bis au den fernen Wald, von einer Seite des Weges aus die andere prellend, die Nase bis in die Wolken, stob er dahin mit dem fremden Reiter, obwohl sonst ein phlegmatisches, liebenswürdiges Pferdcgemüt. Nabe kniff die Lippen zusammen und hätte ihm am liebsten mit der Peitsche zwischen die Ohren geschlagen. „Verdammter Sternchengncker." Selancitenmora. nvcr cs war nicht fein Zweck, oas apo vczetchuele .Reittier zu bilden, und er blickte angestrengt nach der Rich tung des Waldes hin, auf den er nun, in einen Seitenweg biegend, losritt. Da sollte ja Devil das Mädchen hingetragcn haben. Hoffentlich nicht hiugeworfen. Himmel! wie das raste in der Lust! Mit der linken Hand die Zügel in voller Faust fassend, mit der Rechten die Mütze tief in den Nacken ziehend, die Peitsche unter den Arm geklemmt, jagte er nun in ziem lich glatter Pace den breiten Sandweg hinunter. Der Himmel da links war beinahe schwarzgrün und dies drohende Wolkengebirge schien still zu stehen, ab und zu aus seinem Schoße zackiges Feuer schleudernd, dem ein wundvoller, orgelartiger Donner folgte, daß die grünen Lande zu erbeben schienen. Rabe sah angestrengt nach dem Walde hin. Warum iu aller Well kam sic nicht endlich heraus?! Mittlerweile wurde es immer dunkler, und der hcr- cinbrccheude Abend vermehrte noch die Finsternis des be deckten Himmelsbogens. Langsam und schwer fielen die Tropfen, groß wie Talcistücke. Einerseits war das ja ganz schön, denn das Wetter ivar damit wohl in seiner Heftigkeit gebrochen, aber andererseits, wenn inan hier flott cingeweicht wurde, konnte die Geschichte spaßhaft werden. Nabe war abwlut nicht fürs Abenteuern und impro visierte Entbehrungen. Verdrießlich tvarf er die Zügel auf den Hals des braven Gauls, der so recht im Schuß war. Nun aber war Hektor zu keiner Zeit sehr fürs Jagen wie Fritzing siu Fößing, und die Hitze, in die er sich heute versetzt, schien ihm ebenso plötzlich als entschieden leid zu tun. Er stand wie nngelcimt, daß der unaufmerksame Ncitcr eine sehr unfreiwillige Vorwärtsbewegung machte, die ihn beinahe über den Kopf befördert hätte, wenn er nicht ein so gewandter Kavallerist gewesen wäre, versteht sich von selbst. Höchst unangenehm überrascht zog er dem „stedtschen Racker" einige Male die Reitpeitsche über? dicke Fell. Das konnte nun aber den Sanftmütigsten ärgern, wenn er überhaupt schon mehr als zuviel geleistet zu haben glaubte, Hektor also seinen Trost vollends in den Sternen und machte kurzerhand kehrt. Die Peitsche flog daber Nabe aus der -Hand, mit den kurzen Salonsporcn konnte er nichts machen: bei dem zornigen Schenkeldruck aber stieg Hektor senkrecht gen Himmel, drehte sich einmal an mutig um sich selbst, und überschlug sich in wirklich grauen hafter Weise mit seine:» Reiter. Selbst die zornige Natur schien erschreckt zu ver stummen, nur ihre großen, schweren Tränen strömten über blasse Gesicht mit den geschlossenen Augen, daS da in dem Staube des Weges lag. Und dann zuckten seine Lider, die momentane Be täubung wich von ihm und mechanisch tastete seine .Hand nach der strömenden Nässe auf seinem Gesicht. Kei» Blut? — Nei». Sei» klares Bewußtsein kam langsam wieder. WaS mochte denn nun ganz oder entzwei an ihm sein? Einen gewissen dröhnende» Schmerz fühlte er im Kopfe und ganzen Körper. Aber keinen speziellen. Er bewegte die Glieder mit einiger Vorsicht, keins schien gebrochen oder verrenkt. „So. Na, dann könnte ich mich am Ende mit Anstand erheben." Er tat es und es machte sich. Nur am linken Fuß schien eine Sehne gezerrt oder dergleichen. Er konnte aber stehen, nur mit dem Gehen haperte es. Schlimm war's keinesfalls. „Hm!" Er hinkte nach dem Grabenrande und ließ sich dort fürs erste Mal nieder, uni seinen etwas betäubten Kopf klar zu machen. „Nun möchte ich doch erst mal wissen, wo der Schinder eigentlich geblieben ist!" Weit und breit war nichts von dem also ge schmeichelten Tiere zu sehen. „Aha — da geht er hin, na glückliche Reise. Grüßen Sie zu Lause." In der Richtung nach Niska-Tollehnen meinte Nabe einen fliegenden Pferdeschwanz zu erblicken« „Die Expedition scheint also beendigt und ich fühle mich bedeutend abgekühlt." Er wischte mit seinem bereits ganz durchnäßten Taschentuche den mederströmenden Gewitterregen von Ge sicht und Haar. Dann begab er sich aus die Suche »ach seiner Mütze, Auch diese fand sich, mit dem Innern nach oben in einen kleinen Wasscrtümpel verwandelt. „Recht nett. Erste Garnitur. WaS nun? Hier sitzen bleiben? Naß kann ich freilich nicht mehr werde» Hin kommen nach Niska-Tollehnen tue ich mit dem Fuß ent schiede» nicht. Verschlimmerung ist nicht gerade erforder lich. Genügt schon, um Transportnnsähigkeit zu heuchelns Weun's Steinpflaster gewesen wäre, brauchte ich diq Heuchelei vermutlich nicht.' Will also abwarten, was da komme» wird." Der Versuch, eine Zigarette auzuzünden, scheiterte an allgemeiner Feuchtigkeit und jo saß er im strömenden Regen, ohne Mütze im einfachen Ueberrock und wartete mit der Gelassenheit, die Esther an jenem Ballabend an ihm so ausgefallen war. Von ihr selbst war übrigens nichts zu scheu. Sie war vermutlich einen anderen Weg geritten, oder wo einge kehrt, oder „sonst was". Nabe hatte sich darüber beruhigt. (Fortsetzung folgt.) Dotts« und Kriegswirtschaft. -ff- Kot» Verkauf holländischer Schiffe an deutsche Firme» Die Firma N. V. W. van Driels Stoomboot- en Transport« ondernemingen in Rotterdam teilt mit, datz die Meldung deS Amsterdamer „Telegraaf" über den Verkauf ihrer Nheinstott» an die Bergwerksgesellschaft in Walsum bei Hamborn (Firma Thyssen) vollständig aus der Luft gegriffen ist. -ff Die Hoffnungen ans die Stapelfaser voreilig? Der Verband der sächsisch-thüringischen Webereien hat sich, wie in der Sitzung der Handelskammer Greiz mitgeteilt wurde, längere Zeit mit Prüfung der neuen Stapelfaser der Ver einigte» Glanzstoffabriken in Elberfeld besaht. Das Ergebnis ist, daß mcm zwar die Bedeutung der Sache an und für sich nicht'verkenne, aber die groben Hoffnungen, welche die Neichs- beklcidnngsstelle an diese neue Ersatzfaser knüpft, in dem Um fange, wie dies geschieht — wenigstens für die nächste Zeit — nicht teile. Man hält die Erwartungen für verfrüht. Dis Börse hat die Aktien der Vereinigten Glanzstoffabrikeu A.-G. mächtig in die Höhe gesetzt.