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Allgemeiner Anzeiger : 14.04.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189404146
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18940414
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940414
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-04
- Tag 1894-04-14
-
Monat
1894-04
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 14.04.1894
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Aufenthalt des Kaisers in Baden wird sich von Sonntag, den 15., bis Dienstag, den 17. April, einschließlich des Aufenthalts auf dem ^Jagdschloß Kaltenbronn zur Auerhahnjagd erstrecken. *Der Zollbeirat soll erst in der nächsten Woche wieder zusammentreten, lieber den Handelsvertrag mit Portugal ist inzwischen eine Umfrage an die Handelskammern erfolgt, deren Erledigung aber noch einige Zeit in An spruch nehmen wird. Es scheinen weitere mit diesem Handelsverträge zusammenhängende Fragen zu sein, mit denen sich der Zollbeirat demnächst zu beschäftigen haben wird. Die Angabe, der Zollbeirat sei mit Fragen über das Wein steuergesetz befaßt worden, wird als un zutreffend bezeichnet. * Wie es jetzt wieder heißt, wird derReichs - t a g Ende nächster Woche seine Session schließen. Die Parlamentsmüdigkeit unter den Abgeordneten hat aber auch einen nicht mehr steigerungsfähigen Grad erreicht. Die Zusammenberufung der ein zelnen Kommissionen macht jetzt schon Schwierig - keiten, da kaum die beschlußfähige Anzahl der Mitglieder zusammenzubringen ist. * Der deutsche Innungs - und allgemeine Handwerkertag trat am Sonntag in Berlin zusammen. Die Zahl der erschienenen Vertreter der verschiedenen Innungen und Ver bände wird auf 12- bis 1500 geschätzt. * Der ,Staatsanzeiger für Württembergs ver öffentlicht eine Erklärung des Ministerpräsidenten Frhrn. v. Mittnacht gegen Artikel des Stutt garter Beobachtet und auswärtiger Blätter, in der nachdrücklich Verwahrung gegen die Ver dächtigungen der genannten Blätter eingelegt wird, daß v. Mittnacht in irgend einer Be ziehung zu den bekannten Angriffen des Kladderadatsch' gegen hohe Reichsbeamte stehe, v. Mittnacht erklärt eine derartige Be hauptung für eine unwürdige Verleumdung. * Kanzler Leist, der während des K a in e- run-Aufstandes den Gouverneur vertrat, ist zurückberufen worden und wird disziplinarisch zur Rechenschaft gezogen werden. Oesterreich-Ungarn. *Der Kaiser Franz Joseph empfing die Witwe des Grafen Hartenau, welche ihren Dank abstattete für die ihr bei dem Ab leben ihres Gemahls ausgesprochene Teilnahme des Kaisers. * Das österreichische Abgeordnetenhaus hat die Generaldebatte über das Budget ge schlossen. Ihren Höhepunkt erreichte sie in der Rede Pleners, der alle hervorragenden inneren Fragen beleuchtete und namentlich die Tschechen einer versöhnlichen Haltung der Regierung versicherte. Da der Munter den selben aber nur die gänzliche Gleichstellung mit den Deutschböhmen in Aussicht stellen konnte, so wies der Jungtscheche Herold die dargebotene Hand schroff zurück. Die Art, wie dies geschah, zeugte freilich mehr von unversöhnlichem Trotze, als von politischer Einsicht und Gerechtigkeit, und so blieb denn der Eindruck der Heroldschen Rede ein sehr geringer. * Der angedrohte Zeitungsstreik gegen das ungarische Abgeordnetenhaus ist noch vor der Wiederaufnahme der parlamen tarischen Arbeiten dadurch beigelegt worden, daß der Präsident Baron Bauffy die mißliebige Verfügung über die Ausschließung der Journa- " listen aus den Wandelgängeu und Buffeträumeu zurückgenommen hat. Abg. Ugron tadelte heftig das Verfahren des Präsidenten, der zuerst eine leichtfertige Verordnung erlassen und dann durch sein Zurückweichen die Autorität des Hauses bloßgestellt habe. Das Haus nahm jedoch den Bericht des Präsidenten zur Kenntnis und lehnte eine besondere Debatte darüber ab. Frankreich. * Betreffs des P a ri s e r B o mb en att en - iats im Restaurant Foyot hat die Pariser Polizei noch tmmer keineSpur gefunden. Wie das,Journal des Debats' meldet, wurde ein Gcschäftsagent Henri B. infolge der Denunziation seiner Hauswirtin, der er die Urheberschaft der Explo ¬ sion im Restaurant Foyot bekannt haben soll, verhaftet. Derselbe hat sich aber als geistesge stört herausgestellt. * Gelegentlich eines in seinem Wahlkreise Carcassone ihm zu Ehren vom „Cercle rspubli- cain" gegebenen Banketts erklärte der Handels minister Marty, die Regierung achte jede Glaubensrichtung, sie werde es aber niemals zulassen, daß ein Glaube für einzelne Personen Ausnahmestellungen schaffe, die Regie rung werde dem Schul- und Militär - gesetz ohne Nachgiebigkeit und Schwäche Achtung verschaffen. * Die Lage der Franzosen in Mada gaskar hat sich infolge der Aufstände daselbst erheblich verschlimmert. Es sollen von Marseille aus Marinetruppen nach Madagaskar eingeschifft werden. England. *Die neulichen Erklärungen des Groß industriellen Matter, bezüglich der Vorteile, die die Einführung des Achtstundentages gebracht, haben bereits mehrere große Firmen zur Nachahmung dieses Beispiels bewogen. Am Sonntag beschlossen die Britania-Werke in Bedford, zur großen Befriedigung ihrer zahl reichen Arbeiter, ohne Verminderung der Löhne, die Arbeit auf acht Stunden festzusetzen. Italien. *Die italienische Regierung hat, wie halb amtlich mitgeteilt wird, dem Pilgerzuge spanischerArbeiter gestattet, nach Italien zu kommen und keinerlei Einwendungen bei der Regierung in Madrid erhoben, jedoch mitgeteilt, sie müsse ihr die Verantwortung dasür über lassen, wenn sich unter den Pilgern auch An archisten befänden. In diesem Falle würde die italienische Regierung die ihr notwendig erscheinenden Maßregeln ergreifen, um jede öffentliche Ruhestörung zu verhindern. Außer dem hat die italienische Regierung den Vatikan verständigt, sie werde nicht ermangeln, ihre Pflicht zu thun. Spanien. * Die vielfach nach auswärts verbreiteten beunruhigenden Gerüchte über den Gesundheits zustand des Königs von Spanien wer den als unbegründet erklärt. — Der spanische Justizminister hatte mit Canovas eine Unter redung über den Gesetzentwurf zur Unterdrückung der Anarchisten. Canovas versprach die Vorlage zu unterstützen. *JndenJndustriebezirken Spaniens herrscht seit einigen Tagen unter denArbeitern eine zu ernsten Befürchtungen Anlaß gebende Gärung, die auf die sehr gedrückten Löhne in den Fabriken zurückzuführen ist. Man be fürchtet besonders, daß es in Sevilla und Kadix zu blutigenZusammenstößen zwischen den Arbeitern und der Polizei kommen wird. Auch die Land arbeiter befinden sich in großer Notlage; sie schließen sich überall den Industriearbeitern an, um mit diesen gemeinsam auf Besserung ihrer Verhältnisse hinzuwirken. Balkanstaaten. * Der neue serbische Finanzminister Pe trowitsch beabsichtigt, die Eintreibung der Steuernvon den zumeist radikalen Gemeinde behörden auf Staatsbehörden zu übertragen. Die säumige Beitreibung derselben, namentlich auch unter nichtradikalen Regierungen, bildete bekanntlich stets eines der beliebtesten Mittel der Radikalen zur Köderung der Massen. Die Aendemng wäre der erste Schritt zu einer ein seitigen Aenderung der bestehenden Verfassung. * In ihrer Antwort auf die Beschwerde Montenegros über die grauenhaften Zu stände an der montenegrinisch-albanesischcn Grenze erklärt sich die Pforte bereit, strenge Maß nahmen zur Verhinderung der albanesischen Ein fälle zu ergreifen; sie habe diesbezügliche Auf träge an den Kaimakan von Tuzi erteilt und wolle die Grenzgarnisonen durch reguläre Truppen verstärken. Amerika. * In Brasilien dauert der Kampf zwi schen Aufständischen im Staate Rio Grande do Sul und den Regierungstruppen mit wechselndem Erfolge fort. Daß die Dinge noch immer nicht in daS Gleis gebracht sind, erhellt auch aus der Meldung, wonach der telegraphische Dienst in ganz Brasilien aufgehoben sein soll — ein Vorgang, der sich mit der Vorstellung nor maler Zustände schwer in Einklang bringen läßt. Deutscher Reichstag. Auf der Tages-Ordnung der Montag-Sitzung steht zunächst die erste Beratung des Handels- Vertrages mit Uruguay. Abg. Graf Kanitz (kons.) erklärt, seine Fraktion habe zu dem Vertrage noch nicht Stellung nehmen können, er glaube aber, daß die Mehrzahl seiner Freunde demselben zustimmen werde, obwohl in dem Vertrage ein sehr angreif barer Punkt sei. Uruguay habe nämlich sich das Recht Vorbehalten, Brasilien, Argentinien und Para guay besondere Vergünstigungen cinzuräumcn. — Direktor im Auswärtigen Amt Reichardt er widert hierauf, der Schwerpunkt dieses Vertrages liege darin, daß Deutschland im allgemeinen die unbedingte Meistbegünstigung zugestanden sei. Die Ausnahmebestimmungen beträfen nur die Nachbar länder und seien in dem früheren Vertrage auch ent halten gewesen. — Nach kurzer weiterer Debatte schließt die erste Beratung. Der Vertrag wird so fort in zweiter Lesung ohne weitere Diskussion an genommen. — Es folgt die zweite Beratung des Abkommens mit der Schweiz betr. Patent-, Muster-, und Markenschutz. Tie Kommission (Ref. Abg. Paasche, nat.-lib.) beantragt, dem Ab kommen die verfassungsmäßige Zustimmung zu er teilen. Das Abkommen wird nach kurzer Debatte gemäß dem Kommissionsantrage genehmigt. — Es folgt die zweite Lesung der Novelle zum Vieh seuchengesetz. Zu § 4 (Abwehrmaßregeln gegen Viehseuchen) fragt Abg. Müller- Sagan (frs. Vp.) an, ob für Landesgrcnzsperren- vom Reichsgesundheitsamt die nötigen Direktiven gegeben würden. — Geh. Rat Hauß erwidert, daß sür Landesgrenzsperren die genauen Merkmale der Seuchen genau festgestellt würden. Am wirksamsten hätten sich die Einfuhrverbote erwiesen, Quarautäne- stationen habe man nicht vorgeschlagen, da diese ein mal zu kostspielig seien und sich dann auch leicht zu Ansteckungsherden entwickeln können. Z 4 wird dar auf angenommen. Z 17 setzt fetzt, baß Vieh- und Pserdcmärkte, sowie auch öffentliche Schlachthäuser durch beamtete Tierärzte zu beaufsichtigen seien. Der selbe wird unverändert angenommen, tz 18 wird ebenfalls angenommen. Derselbe handelt von der Seuchengefahr und den Maßregeln gegen dieselbe. Zu tz 44a (Maul- und Klauenseuche) beantragt Abgeordneter Brunck (nat. - lib.), die Bestimmung über die Impfung aller der Seuchengefahr ausgesetzten Tiere zu streichen, dagegen das Weggcben von Milch aus Seuchcngchöften zu verbieten bezw. an die Bedingung des vorherigen Abkochens zu knüpfen. Der Antrag Brunck und mit demselben Z 44a werden angenommen. Ebenso ohne weitere Diskussion der Nest der Vorlage. Schließ lich beantragt die Kommifsion eine Resolution: in betreff der Einschleppung von Viehseuchen aus dem Auslande, insbesondere der Maul- und Klauenseuche, die allcrstrengsten Maßnahmen zu ergreifen und dauernde oder zeitweise Grenzsperren einzurichten gegen Länder, die den veterinärpolizeilichen Maß regeln nicht oder unvollkommen genügen. Nachdem noch die Abg. v. Kardorff (freikons.), v. Ploetz (kons.) Hilpert (bayr. Bauernbündler) und Bantleon (nat.- lib.) für die Resolution eingetreten, wird dieselbe gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozial demokraten angenommen. In der Sitzung vom Dienstag steht der Gesetz entwurf betr. die Abzahlungsgeschäfte, in zweiter Beratung zur Verhandlung. Nach den tztz 1 und 2 der Vorlage ist bei Rücktritt des Verkäufers vom Vertrage (weil Käufer vertragsmäßig mit Raten zahlungen im Rückstände ist) „jeder Teil verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurück zugewähren." Der Verkäufer muß also die empfan genen Raten zurückgeben, wogegen ihm seine ge machten Aufwendungen und etwaige Beschädigungen der Ware zu ersetzen, sowie für die zwischenzeitliche Benutzung der Waren „deren Wert zu vergüten" sind. Die Vergütung soll zivilprozessualisch festgesetzt werden. — Ein Antrag des Abg. Enneecerus (nat.-lib.) will hinter „vergüten" einfügen: „wobei auf die inzwischen eingetretene Wert verminderung der Sache Rücksicht zu nehmen ist." — Ein Antrag des Abg. Lenzmann (freis. Vp.) will dagegen, daß der Verkäufer, an den Käufer „denjenigen Betrag erstatte, um welchen der gegen wärtige Wert, den die zurückzugewährende Sache für den Verkäufer hat, den noch rückständigen Teil des Vertragskaufpreises übersteigt." Außerdem hat sich der Käufer von dem Betrag, den er hiernach zurückerhalten würde, noch einen Abzug (in Höhe von 5 Prozent Jahreszinsen) für Benutzung gefallen zu lassen. — Sodann betragen die Abgg. Tutzauer und Auer (soz.) folgenden neuen tz 6a: Wird über den Verkauf einer beweglichen Sache gegen Teil zahlung eine Urkunde errichtet, so ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer der Sache eine zweite Aus fertigung der Vertragsurkunde auszuantworten und diese im Besitz des Käufers dauernd zu belassen. Die Aushändigung des zweiten Exemplars der Ver tragsurkunde an den Käufer hat spätestens bei der Uebergabe der veräußerten Sachen — bei stempel pflichtigen Urkunden spätestens am dritten Tage nach erfolgter Abstempelung derselben — zu er folgen. Die Zuwiderhandlung gegen diese Vor schriften zieht eine Geldstrafe bis zu 150 Mark nach sich. — Abg. Ennecerus.(nat. - lib.) hätte eine Kommisfionsberatung gern gesehen, doch in dem jetzigen Stadium sei sie jedenfalls nicht mehr mög lich. Der Antrag Lenzmann berücksichtige zu sehr das Interesse des Verkäufers, indem er die zurück zunehmende Ware dem Verkäufer nur zu demjenigen Werte anrechnen wolle, den sic für ihn habe. Seinen Antrag, wonach bei Bemessung der Vergütung auf die inzwischen eingetretene Wertverminderung der Sache Rücksicht zu nehmen sei, halte er für richtiger; derselbe sei auch deutlich und klar für den Richter. — Der Antrag Lenzmann wird abgelehnt, tz 1 und 2 angenommen, ferner die tztz 3—6, die Anträge Tutzauer und Enneccerus. — Abg. Gröber (Zentrum) beantragt einen neuen tz 7s, durch welchen der Ver kauf gegen Teilzahlungen im Umherziehen verboten werden solle. — Staatssekretär v. Bötticher bittet, dem Antrag Grüber heute keine Folge zu geben, da dem Reichstage wahrscheinlich in seiner nächsten Session eine Novelle zur Gewerbeordnung zugehen werde. — Abg. v. Buchka (kons.) be dauert, dem Anträge an dieser Stelle und in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen zu können. — Auch die Redner der andern Parteien sprachen sich gegen den Antrag aus. Der Antrag Gröber wird abgelehnt, tz 8 (Ausnahmestellung der in das Handelsregister eingetragenen Kaufleute) wird ohne Diskussion angenommen. Ebenso der Rest des Gesetzes. Vnnyischrr x«»dt-rg. In der Montags-Sitzung des Abgeordnetenhauses entspann sich bei der Fortsetzung der Beratung des Eisenbahnetats noch nachträglich eine Debatte über die Staffeltarife, die aber ein praktisches Ergebnis nicht mehr haben konnte. Der Titel „Einnahmen aus Gütertarifen" wurde erledigt. Am Dienstag setzte das Abgeordnetenhaus die Beratung des Eisenbahnetats fort. Aus der Debatte ist hervorzuhebcn, daß Minister Thielen nähere Mit teilungen über das Abkommen mit den Walzwerken bezüglich der Schienenlieferung machte. Danach hat die Eisenbahnverwaltung für die nächsten zwei Jahre ihren Schienenbedarf an die einheimischen Walzwerke zum Preise von 108 Mk. pro Tonne vergeben. Die Verteilung des Bedarfs an die einzelnen Walzwerke wird der Walzwerksverband regeln. Uon Koh «nd Fern. Die preutz. Eisenbahnverwaltung ge" mit der Absicht um, die Fahrgeschwindigkeit der Züge auf den Hauptstrecken zu erhöhen. Damit die Sicherheit für das reifende Publikum nicht verringert wird, ist es notwendig, den Oberbau sicherer einzurichten. Auf verschiedenen Strecken sind in der letzten Zeit in dieser Hinsicht Ver suche angestellt worden, die darauf gerichtet waren, stärkere und längere Schienen (statt 7, wie bisher, 9 Meter lang) zu verwenden und die Schwellen, auf denen die Schienen ruhen, näher zusammen zu legen. Die Versuche sollen nach der ,Dzg. Ztg/ bewiesen haben, daß es sehr Wohl möglich ist, die Geschwindigkeit der Züge ohne Gefährdung der Sicherheit zu erhöhen. Auf der Strecke Elbing-Güldenboden ist man gegenwärtig bereits damit beschäftigt, die bis herigen 7 Meter langen Eisenschienen durch 9 Meter lange Stahlschiencn zu ersetzen. Von der Petroleuur-Straßerrbeleuchtung gleich zur elektrischen überzugehen, diesen nicht geringen Sprung beabsichtigt der Magistrat von Templin zu unternehmen. Er will demnächst den Stadtverordneten eine dahin gehende Vor lage unterbreiten, da die angcstellten Berech nungen ergeben haben, daß die Beleuchtung mit elektrischem Licht sich ebenso billig stelle, wie die jenige mit Petroleum. Auch soll bei den dortigen Geschäftsleuten Nachfrage gehalten werden, wie viele derselben event. für ihre Lokalitäten elektrische Beleuchtung anlegen lassen würden. Durch eine glückliche Operation in der Bonner Klinik wurde dem Stationsvorsteher Utermann in Olpe ein französisches Geschoß aus der Seite entfernt. Dasselbe rührte von einer schweren Verwundung aus der Schlacht von Gravelotte, in der der Genannte mitfocht. Bei der damals sofort vorgenommenen Operation ist das Blcistück nicht gefunden und dann im Ver- Uer liebte ihn mehr? 22j lFortsctzmm.i Als Viktor Carmen anschaute, kamen ihm unwillkürlich die Worte des Dichters in den Sinn: „Dort seh' ich sie, Die erste, letzte Liebe meines Herzens, Das Ideal des Jünglings, Stolz des Mannes!" Und von ihr glitten seine Blicke zu dem blonden, schönen Weibe neben ihr, das ihm Reichtum und Liebe geschenkt hatte. Lady Klara winkte ihm; Carmen hätte sich gerne entfernt, aber sie konnte es nicht, ohne un höflich zu sein. Lord Ryeburn kam auf die Damen zu und verbeugte sich in seiner gewohnten kühlen Weise. „Ich möchte gern, daß Miß Ercell tanzte," sagte Lady Klara, „und ich wüßte keinen besseren Tänzer als dich, Viktor." Darauf war nur eine Antwort möglich. „Es wird mich freuen, wenn Miß Ercell mir die Ehre schenken wird," erwiderte er mit einer Verbeugung. Carmen fiel in dem Augenblick keine Ent schuldigung ein, sie legte ihre Hand leicht in seinen dargebotenen Arm und ließ sich in den Saal führen. Dort aber trat sie zurück. „Ich kann nicht mit Ihnen tanzen," sagte sie leise, „es darf nicht sein." Er würde alles darum gegeben haben, seinen Arm noch einmal um ihre geliebte Gestalt l gen zu dürfen, und sein Herz scblug höher bei dem Gedanken. Aber der ruhige Glanz ihrer Augen, der ernste Ton ihrer Stimme ließ seine Wünsche verstummen. „Sie haben recht," erwiderte er, „ich füge mich." „Ich darf eS nicht, weil ich es gern thäte," sagte sie halb zu sich. Die Arme, die sie einst in leidenschaftlichem Kummer und Schmerz um schlungen hatten, sollten sie nicht im Tanze leicht umfassen. „Aber einen Gang über die Terrasse werden Sie mir nicht abschlagen, Carmen." Sie schwieg einige Minuten. „Führen Sie mich lieber nicht in Versuchung," sagte sie, indem sie errötete. „Das ist mein erster Ball, und die Musik, die Lichter, die vielen Menschen, alles hat mich aufgeregt. Mein Herz ist weich geworden, und es sollte doch hart sein. Nein, Lord Ryeburn, ich will Sie nicht beglei ten; bitte verlassen Sie mich." „Sie sind grausam, Carmen," versetzte er, aber er ging fort und gab sich Mühe, seine Pflichten als Wirt zu erfüllen. Carmen trat auf die Terrasse hinaus und lehnte ihren Kopf an einen Pfeiler. Sie fürchtete oft, daß es doch nicht richtig gewesen sei, nach Lancedene zu kommen; sie hatte manche schwere Stunde von ihrem Aufenthalt dort erwartet, aber die Wirklichkeit war doch weit schwerer, als sie gedacht hatte. — Die schönen Sommertage brachten viele Gäste nach Lancedene. Lady Klara schien sich am wohl- sten unter Menschen zu fühlen und war stets lebhaft und heiter, aber sie verbarg darunter eine Unruhe, die sie nicht bekämpfen konnte, und das war die sich ihr immer wieder aufdrängende Frage, ob ihr Mann sie liebte oder nicht. Zu weilen glaubte sie dessen sicher zu sein, dann war sie glücklich und zufrieden, bis wieder irgend eine Vernachlässigung ihr weh that. Eines Morgens hatte Lord Ryeburn, der zur Stadt fahren wollte, ihr versprochen, sie mitzu nehmen, und sie hatten verabredet, um zwölf Uhr aufzubrechen; eine Stunde später kam Lady Klara fertig angezogen in das Zimmer, wo die alte Gräfin und Carmen saßen, und fragte nach ihrem Mann. „Bist du denn nicht mit ihm gefahren?" rief die Gräfin erstaunt aus, „er ist ja schon seit einer Stunde fort." Carmen sah, wie das liebliche Gesicht bleich wurde; Lady Klara ließ sich auf den nächsten Stuhl nieder, als fürchtete sie zu fallen. „Hat er mich vergessen?" fragte sie. „Sage, was du willst, zu seiner Entschuldigung, nur das eine nicht, daß er mich vergessen hat!" In demselben Augenblick trat Lord Ryeburn ein, er sah erhitzt aus und ging schnell aus seine Frau zu. „Verzeihe mir, Klara," sagte er, „ich weiß gar. nicht, wie ich mich entschuldigen soll, aber ich dachte wirklich erst an unsere Verabredung, als ich nahe an der Stadt war. Ich fuhr dann sofort zurück." Sie stand aufrecht vor ihm mit einem tief- traurigen Ausdruck im Gesicht. „Du hast mich wirklich vergessen?" fragte " „Du bist von Hause fortgefahren, ohne on ch zu denken?" „Leider ist es io, Klara. C- so leid, und ich bin gekommen, dich... „Ich will dich auch jetzt noch begleiten, ich danke dir, daß du dich meiner überhaupt noch erinnert hast." Sie küßte die Gräfin zum Abschied und sprach ein paar freundliche Worte mit Carmen, aber große Thränen standen in ihren Augen und die Blässe war noch nicht aus ihrem Gesicht ge wichen, als sie das Zimmer verließ. Carmen dachte lange über diesen Vorfall nach, und er that ihr in der Seele weh. Sie faßte den Entschlich, mit Lord Ryeburn zu sprechen, und führte ihn schon am nächsten Tage aus, als sie ihm im Garten begegnete. „Haben Sie ein paar Minuten für mich übrig, Lord Ryeburn?" fragte sic. „Nur zu gern," erwiderte er, und sie gingen zusammen weiter. „Könnte irgend etwas, was ich Ihnen sagte, Sie glauben lassen, ich wäre aufdringlich ?" fuhr sie fort. „Nein, Carmen, niemals, Sie können mir sagen, was Sie wollen." „Früher haben Sie mich einmal Ihren Schutzengel genannt, ich muß Sie daran er innern ; denn als solcher muß ich Sie um etwas bitten." Er sah sie erstaunt an. „Ich kann es nicht mit ansehen, daß Lady Rvevurn sich grämt, sie ist so leicht glücklich M chen und so leicht verletzt. Ich werde stets an .^re Verzweiflung denken, als sie merkte, daß Sie sie vergessen hätten." „Es war unrecht von mir, ich will meine Pflicht besser thun." „Sie ist so gut, so freundlich; sie verdien^
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