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Ftjkbesuch. Nach dem Gemälde von B. lVoltze. in dcr Verfassung, daß er mit Ruhe und Be sonnenheit seinen ver- antwortungsreichen Posten sogleich wieder hätte übernehmen können. Er blieb in Melbourne zurück, und als sich nach einiger Zeit eine Stellung bei der angesehenen Firma Bürger, Warburton L Komp, für ihn fand, da entsagte er dein Seeleben. Drei Monate nach seiner Entlassung aus der Haft wurde in dem Bankier Cameronfchen Hause zu Melbourne iu Glanz und Pracht, aber auch in herzlichster Harmonie und Fröh lichkeit, eine Doppel hochzeit begangen: Hilda Warburton und Horace Myddleton, Violet Cameron und Karl Brunkhorst hatten einander die Hände zum Bunde fürs Leben gereicht. Edith Hart hatte in- ' zwischen ihr einsames Haus in Kara Aerta wieder bezogen, und Percy Warburton war an die Spitze desZweig- geschästes seiner Firma in Köln getreten. Allmonatlich kreuzen sich mit den Post dampfern die Briefe, die sie einander senden. Ediths Leben ist dem Wohlthun, der uner müdlichen Nächstenliebe gewidmet; ihre Reue ist aufrichtig und tief. Herzens der Advokat Quinton übernommen. Die Verhandlungen kamen bald zum Abschluß. Sie wurde einer Irrenanstalt über wiesen, woselbst sie wieder mit ihrem Bruder vereinigt wurde, der als unheilbarer Idiot. schon vor ihr Aufnahme gefunden hatte. Die beiden bedauernswerten Geschöpfe kannten keine größere Freude, als miteinander zu verkehren, was ihnen in gewissen Zeiträumen auch gestattet wurde. Karl Brunkhorsts Glück, seine Rührung und seine Dankbarkeit fanden keine Grenzen, als er bei seiner Rückkehr nach Melbourne von dem Advokaten Quinton erfuhr, waS dessen „Herzenskind" Violet Cameron für ihn gethan hatte. Kapitän und Mannschaft des „Kambyscö", von denen nicht einer an seine Schuld geglaubt hatte, beglückwünschten ihn lebhaft zu seiner Befreiung, dem ersteren aber blieb zn seinem großen Leid wesen nichts übrig, als sich zur Heimfahrt nach einem neuen ersten Offizier umzusehen. Brunkhorsts Gemütsstimmung befand sich nach all dem, was während dcr letzten acht Tage so orkanartig auf ihn eingestürmt war, nicht sich; der treffliche Mann bildet sich ein, an dcr armen Frau Vic! gut machen zu müssen, und seine ritterliche Höflichkeit, seine achtungs volle Freundschaft sind ein Balsam für ihr gedrücktes Gemüt. Mrs. Reynolds läßt sich jede Woche ein paarmal nach Kara Aerta kutschieren, um dort nach dein Rechten zu sehen, wie sie sagt. Im Herzen der schwer hcimgesuchten Frau ists endlich ruhig geworden, aber erstorben ist dieses Herz noch nicht. Das Flämmchcn der Hoffnung durchglüht cS mit milder Wärme. Wer weiß, was die Zukunft für sie noch bringt — und für ihn? Wohl trennt sie ein Mccr, doch nicht unüberbrückbar — vielleicht findet auch diese Zeit der Trennung einst ihr Ende. Der schreckliche Baun, der sie umfangen hielt, so lange sie ihren Geliebten jener furchtbaren That schuldig glauben mußte, ist von ihr gewichen, und tiefstes Bedauern füllt ihr Gemüt über das Leid, daS sie in ihrer verzweifelten Not Karl Brunkhorst zugefügt, und das eine höhere Hand in Glück für ihn und Violet gewandelt hat. Ab und zn sicht sie den Friedensrichter Sinclair als Gast bei schirrte das Pferd an den Wagen und fuhr nach dem Bahnhof Wirrilda. Dort sollte soeben ein Zug uach Melbourne abgehen. Da ich Mr. Warburton auf der Landstraße nicht überholt hatte, so mußte er sich, wie ich meinte, in dem Zuge befinden. Ich stieg ein und fuhr nach Melbourne. Während der Fahrt kam eine merkwürdige Ruhe über mich, als ich jedoch in Melbourne gewahrte, daß Mr. Warburton nicht im Zuge gewesen war, da wußte ich nicht, was ich beginnen sollte. Ich trat in Gunslers Restaurant, um ein wenig rnhig sitzen zu könucn. Durch einen Zusall gesellte sich hier Mr. Brunkhorst zu mir. Er war mir gänzlich fremd, aber in meiner verwirrten und verzweifelten Stimmung ließ ich mich mit ihm in ein Gespräch ein. Im Laufe des Gesprächs tauchte Plötzlich der Gedanke in mir auf, den Verdacht auf diesen Fremden zu lenken und auf diese Weise Mr. Warburton zu retten." Sie beschrieb nunmehr die Begebenheiten während der Fahrt, die Ankunft im Hause, und wie sie Brnnkhorst mit dem Toten allein gelassen. „Einige Tage später," fuhr sie fort, „suchte ich das Haus wieder auf, um zu sehen, ob dort vielleicht nach verdäch tige Spuren vorhanden wären, die ich beseitigen konnte. Hierbei ent deckte ich, daß ein Dolch von indischer Arbeit, dcr unter einigen australi schen Waffen an der Wand des Zimmers gehangen hatte, aus feiner Scheide fehlte. Ich sagte mir sogleich, daß der Mord mit dieser Waffe vollführt wäre, und daß die leere Scheide zum Schlüssel für die Entdeckung werden könne. Ich be mächtigte mich derselben und vergrub sie unter einem Stein in der Brnckenschlucht." Weitere Zeugen wur den nicht vernommen. Brnnkhorst wurde so gleich in Freiheit gesetzt und Von dem alten Advokaten Quinton im Triumph davongeführt. Mr. Cameron blieb die Nacht als Gast im Hause des Friedens richters und kehrte am nächsten Morgen mit Violet nach Melbourne zurück. — - — — Percy Warburtons Genesung schritt lang sam, aber stetig vor wärts, und als die That der verrückten Jenny zur Verhand lung kam, da war er bereits imstande, sein Zeugnis abzugeben. Aus demselben ging hervor, daß er an jenem Vormittage, als er sich auf seinem im Eisenbahnhotcl zn Wirrilda gemieteten Schimmel dem Hause Mr. Harts näherte, daS wahnsinnige Mädchen aus der Hausthür davonstürzen und einen Gegenstand hoch in der Luft schwingen sah — aller Wahrscheinlichkeit nach den Dolch. Er ritt an das Haus heran, stieg unmittelbar vor den drei Fenstern des großen Zimmers ab und band das Pferd an einen Pfosten der Veranda. Während er dies that, warf er ohne besondere Absicht einen Blick in das Zimmer hinein und sah hier den Farmer am Boden liegen. Ueberrascht ging er näher herzu und gewahrte nun zu seinem Entsetzen, daß der alte Herr eine Leiche war und eine schreckliche Wunde am Halse trug. Unwillkürlich fltieß er einen lauten Schrei aus, dann sprang er wieder auf seiu Pferd und jagte davon, um Hilfe zu holen. Als er Flanagans Store passierte, rief er die Schreckcnskunde hinein, erhielt aber keine Antwort; so sprengte er weiter, dem Hause des Friedensrichters zu, als sein Pferd plötzlich stolperte und ihn kopfüber zu Boden schleuderte.— Die Verteidigung der verrückten Jenny hatte mitleidigen 12*