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Allgemeiner Anzeiger : 11.04.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189404114
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940411
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-04
- Tag 1894-04-11
-
Monat
1894-04
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.04.1894
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Politische Rundschau. Deutschland. * Seinen Gegenbesuch in Wien wird oer Kaiser am 13. d. abstatten. Aus Wien wird in dieser Beziehung gemeldet: Nach einer Meldung der Blätter wird der deutsche Kaiser in der Hosburg Wohnung nehmen und am Nach mittag in der spanischen Hofreitschule der Probe einer von 28 Herren und Damen gerittenen Quadrille beiwohnen. Am 14. d. nachmittags wird ein Galadiner von 85 Gedecken zu Ehren Kaiser Wilhelms bei Kaiser Franz Joseph statt finden, worauf dann die Abreise des deutschen Kaisers erfolgt. *Jn parlamentarischen Kreisen gilt es als feststehend, daß die gegenwärtige Reichs tagssession in etwa 3 Wochen ge schlossen wird. Von einer Vertagung ist nicht die Rede. Ob die in der Kommission noch nicht beratenen Steuervorlagcn zur zweiten Lesung im Plenum kommen sollen, ist noch eine offene Frage. Schon aus rein geschäftlichen Gründen könnte der Verzicht auf eine Plenarberatnng, deren Ergebnis von Anfang an feststeht, zu gunsten anderer dringender Vorlagen zu em pfehlen sein. * Wie schon mitgeteilt wurde, haben die zu ständigen Ausschüsse des Bundesrats zu dem Gesetzentwurf betr. die privat rechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt verschiedene Abänderungsanträge gestellt. Dem Vernehmen nach soll danach auch eine ganz neue Bestimmung in den Entwurf ausgenommen werden, wonach den Landesregierungen die Be fugnis zur Anordnung übertragen werden soll, daß auch Schiffe von einer geringeren als der sonst im Entwürfe bezeichneten Tragfähigkeit in das Schiffsregister einzutragen sind. Auf die Anmeldung und Eintragung solcher Schiffe sollen dann die betreffenden Vorschriften des Entwurfs gleichfalls Anwendung finden. * Neue Initiativanträge werden trotz der vor gerückten Session im Reichstage vorbereitet. Von der konservativen Partei, speziell dem Grafen Kanitz als Antragsteller, soll der Antrag auf Einführung eines Getreidemonopols ausgehen. Die konservative Fraktion wird sich in den nächsten Tagen über diese Frage schlüssig machen. Noch weiter in Sicht steht ein An trag auf Einführung eines Spiritus- Monopols. *Jn Reichstagskceisen besteht, wie die,Post' zuverlässig hört, die Absicht, eine Aussprache über die vielberusenen Angriffe des .Kladderadatsch' gegen Beamte des aus wärtigen Dienstes herbeizuführen. Oesterreich-Ungarn. * Kaiser Franz Joseph empfing am Donnerstag den Prinzen Ferdinand von Bulgarien. * Am Donnerstag morgens um fünf Uhr starb im 68. Jahre Dr. Franz Schmeykal, einer der verdientesten Führer der deutschen liberalen Partei Böhmens. Der Verstorbene war viele Jahre Mitglied des Landesausschusses und einige Zeit Landmarschall-Vertreter. Frankreich. *Am Mittwoch abend war Paris wieder einmal der Schauplatz eines anarchistischen Verbrechens. Im Restaurant Fohot, gegen über dem Senats Palast, explodierte am Mitt woch abend eine Bombe, die in einer Fenster nische niedergelegt war. Die Detonation war eine ungeheure. Alle Fensterscheiben zersprangen. Zahlreiche Personen wurden verwundet. Schwer verletzt wurden der Schriftsteller Laurent Taillade, ein Fräulein, das mit Taillade diniert hatte und ein Kellner. Taillade ist am rechten Auge ver wundet, das Augenlid ist weggerissen, die ganze Haut über dem Auge verbrannt, am ganzen Leibe ist Taillade durch Glassplitter verwundet, die Verwundungen sind jedoch nicht lebens gefährlich. Während Taillade verbunden wurde, protestierte er unaufhörlich gegen die anarchisti schen Theorien, die man ihm vorwarf. Als ein Assistenzarzt Taillade an dessen Zeitungsartikel und daran erinnerte, daß Taillade am Tage nach dem Bombenattentat in der Deputiertenkammer erklärt hatte, „was liegt an den Opfern, wenn nur die That schön ist," schwieg Taillade und verlangte dann stöhnend Chloral zur Linderung seiner Schmerzen. Ein Mann, der die Bombe niedergelegt haben soll, ist verhaftet worden. *Aus verschiedenen Orten Nordftankreichs wurden 35 belgische Arbeiter aus gewiesen, welche Anarchisten sein sollen. England. * Der französische Anarchist Meunier, der Urheber der Explosion im Cafe Very zu Paris im April 1892, wurde am Mittwoch abend auf dem Victoria-Bahnhofe in London in dem Augenblick verhaftet, als er nach Ant werpen abreisen wollte. Meunier leistete ver zweifelten Widerstand; man fand bei ihm einen geladenen Revolver und mehrere Patronen. Ein Begleiter Meuniers, gleichfalls Anarchist, wurde auch verhaftet. — Wie erinnerlich, wurde am 25. April 1892 das Restaurant Very, in dem Ravachol auf Veranlassung des Kellners L'Herolt verhaftet wordeu war, von einem Bombenan schlag heimgesucht, dem der Wirt und eine zweite Person als Tote und mehrere andere Personen als Verwundete zum Opfer fielen, während L'Herolt unverletzt blieb. * Die Abgeordneten der Grafschaft Wales im englischen Unterhanse sind dem Beispiele ihrer schottischen Kollegen gefolgt und haben beschlossen, für die Angelegenheiten ihrer Insel gleichfalls einen besonderen gesetzgebenden Körper zu fordern. Dänemark. *Wie aus Kopenhagen berichtet wird, wurde das G en d a rm eri e ko r p s nach der Verwerfung des Gendarmerieprovisoriums im Folkething sofort entlassen. Die Löhnung wurde bis zum 1. Juli bezahlt. Schweden-Norwegen. * Die äußerste Linke in der norw egis ch en Kammer setzt ihren Kampf gegen die Regierung fort. In einer Versammlung der Vertreter aller der Linken angehörigen Vereine beantragte der Parteivorstand eine Entschließung, in der die Durchführung des Storthingbeschlusses über das K o n s u l ats w e s en sowie ein eigenes norwegisches Ministerium des Auswärtigen und allgemeines Wahlrecht gefordert werden. Die Be ratung der Entschließung wurde auf eine spätere Sitzung verschoben. Spanien. * Gut verbürgten Mitteilungen zufolge soll das vom Justizministcr eiugereichte Gesetz gegen die Anarchisten in einer Verein fachung der Kriminalprozedur bestehen. Auch in solchen Fällen, wo durch Dynamitattentate Menschenleben nicht zu Grunde gegangen, sollen die Attentäter zur Todesstrafe oder zu lebens länglicher Zwangsarbeit verurteilt werden. Ur heber von Attentaten in öffentlichen Gebäuden werden selbst dann zu lebenslänglicher Zwangs arbeit verurteilt, wenn die Höllenmaschine auch nicht zur Explosion gelangte. Außerdem sind in dem neuen Gesetzentwurf harte Strafen gegen die Absender von Drohbriefen vorgesehen. Deutscher Reichstag. Auf der Tagesordnung, vom Donnerstag steht zunächst die Interpellation Osann, Paasche und Möller betr. den Sonntagsunterricht an den Fort bildungsschulen. — Abg. Osann (nat.-lib.) be gründet die Interpellation. — Staatssekretär von Bötticher: Ein Anlaß zur Befürchtung, daS Fort bildungsschulwesen werde unter den gegenwärtigen Verhältnissen leiden, liegt nicht vpr. Die Regierun gen des Reiches haben noch keinen endgültigen Be schluß in dieser Angelegenheit gefaßt. Bis zum 1. Oktober 1894 alle Schwierigkeiten zu beseitigen, wird kaum möglich sein. Auf Antrag des Abg. v. Manteuffel (kons.) tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein. — Abg. Frhr. v. Stumm (frcikons.): 8 120 war ein Kompromiß der Rechten, dem Zentrum und den Nationalliberalen. Man hielt es für notwendig, daß junge Leute von 14 bis 16 Jahren, die eben konfirmiert worden, dem Kirchen besuch nicht entfremdet werden. Der Kirchenbesuch ist unter Umständen wichtiger als der Fortbildungs- nntcrricht; namentlich ist dies in Berlin der Fall. — Preuß. Handelsminister v. Berlepsch: Der Redner scheint mir von der Wichtigkeit des Fort bildungsunterrichts nicht in dem Maße überzeugt, wie es die Mehrheit des Reichstages ist. Damals haben Redner des Zentrums und der Rechten selbst erklärt, der Fortbildungsunterricht an Sonntagen sei zur Zeit nicht entbehrlich. Ich bitte, mit Anträgen zu warten, bis wenigstens die Preuß. Regierung mit dem in Aussicht gestellten Gesetzentwurf hervor- getretcn sein wird. — Abg. Bachem (Zentr.): Wir haben von 1891 bis jetzt, also drei Jahre, auf eine endgültige Lösung der vorliegenden Frage ge wartet; nun sollen wir abermals eine Frist von drei Jahren geben! In katholischen Bezirken hat sich nirgends eine Schwierigkeit im Arrangement ergeben. Hier fällt der Gottes dienst in frühere Morgenstunden als bei der evange lischen Kirche. Ich kann der Regierung kein freund liches Entgegenkommen seitens meiner Partei auf den einzubringenden Entwurf in Aussicht stellen. — Abg. Meyer-Halle (frs. Vgg): Sorgfältig muß der Zeichenunterricht, der dem Kunsthandwerker ab solut von nölen ist, gehandhabt werden. Mit der in Aussicht gestellten Verlängerung des Provisoriums bin ich einverstanden. Vielleicht lassen sich auch die kirchlichen Behörden überzeugen, daß die Unterrichts stunden so gelegt werden können, daß der Gottes dienstbesuch nicht leidet. — Abg. Wurm (soz.): Kirchliche Interessen sind naturgemäß für uns nicht maßgebend. Von den Interessen der Schüler ist bisher herzlich wenig die Rede gewesen, die Ver legung des Zeichenunterrichts auf den Wochentag scheitert nur ganz einfach an der Profitwut des Unternehmertums. — Abg. Möller (nat.-lib.): Der Sonntags-Fortbildungsnnterricht ist gerade auch in kleinen Orten nötig, weil es dort des Wochen tags an den wünschenswerten Lokalitäten fehlt. Wir wollen die provisorische Frist verlängert wissen, weil wir hoffen, es werde in dieser eine Verständi gung mit den geistlichen Behörden erfolgen. — Abg. Schall (kons.) schließt sich diesem Wunsche an. Damit schließt die Diskussion. Darauf vertagt sich das Haus. Auf der Tages-Ordnung der Freitagsitzung steht die Interpellation v. Kardorff und Graf Mirbach betr. die Neuausprägung von Silbermüuzen. Die selbe lautet: 1) Soll die von dem Herrn Reichs kanzler im Bundesrat beantragte Neuausprägung von 22 Mill. Mk. Reichssilbermnnzen trotz des Rück ganges des Silberpreises auf etwa 80 Mk. für das Kilogramm nach den Vorschriften des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 stattfinden, wonach aus dem Kilo gramm 200 Mark geprägt werden, oder ist eine Ab änderung des Münzgesetzes in Aussicht genommen? 2) Sollen die beantragten Neuprägungen stattfinden, ehe die Beratungen der Kommission beendet sind, die der Herr Reichskanzler wünschte, um Mittel zur Hebung und Festlegung des Silberwertes zu finden, obwohl die Ergebnisse dieser Kommissionsberatungcn zu einer sofortigen Umprügung der beantragten Neu prägungen führen können? 3) Aus welchen Silber beständen sollen die Neuprägungen hergestellt wer den ? — Abg. v. Kardorff (frcikons.) begründet die gestellte Interpellation. — Schatzsekretär Graf v. PosadowKky: Die Verfügung behufs Neu prägung von 22 Millionen Silber-Scheidemünzen hat keineswegs irgendwie einen organisatorischen Hinter grund ; sie ist vielmehr aus rein praktischen Gründen erfolgt. Der deutschen Reichsbank liegt -die Auf gabe ob, den Silberumlauf zu regeln; deshalb braucht sie mehr Scheidemünze. Der Prozentsatz Silber auf den Kopf der Bevölkerung ist in den letzten Jahren von 9,8 auf 9,3 Mark zurückgegangen; daraus folgt u. a. die Notwendigkeit der Neuprägung von Silberscheidemünzen. Vollwertig ausgeprägte Silber münzen können wir im Verkehr gar nicht brauchen. Die Gefahr der Nachprägung von Silbermünzen ist lange nicht so groß, als die der Nachahmung von Papiergeld; denn dieses ist viel leichter und billiger zu fälschen. Es schweben übrigens Verhandlungen, in Zukunft die Bestände an Gold und Silber in der Reichsbank getrennt anzugebcn. Wie gesagt, die Reichs regierung hat nicht dn-Msicht, vorerst am Münzgesetz etwas zu ändern. DieNeuprägung soll aus den Beständen der eingezogenen österreichischen Thaler erfolgen. — Abg. Müller- Fulda (Zentr.) erklärt, seine Partei sei gegenwärtig nicht geneigt, die Währungsfrage zu erörtern. — Reichsbankpräsident Koch: Die Reichs bank ist die Hauptbeobachtungsstation für den jeweili gen Münzbedarf; sie hält die beregte Neuausprägung für durchaus notwendig. Der Bedarf an Silber ist beständig gestiegen, namentlich in den Jndustriecentren. Unser Goldbestand hat sich weit über die gesetzliche Zulassung vermehrt. — Abg. Barth (freis. Vgg.): Tie Goldwährung ist keineswegs auf doktrinäre Be weggründe zurückzuführcn; sie ist vielmehr eine Ge schichts-Konsequenz. Die Möglichkeit einer Silber- entwcrtung hat man thatsächlich schon bei Schaffung unseres Münzgesetzes vorausgesehen; trotzdem hat man auf die segensreiche Einführung der Gold währung nicht verzichten wollen. Die Gefahr der betrügerischen Ausprägung kann meines Erachtens nicht ins Feld geführt werden. Die Silberwährungs enquete-Kommission wird gewiß endigen wie andere. Abg. Graf v. Kanitz (kons.): Durch die Vermehrung der Silbermünzen wird der Staat Geschäfte machen; er kann die Einzelstaaten in die Lage setzen, Schulden zu tilgen. Die Regelung der Währungsfrage hätte den Handelsverträgen vorangehen müssen. Unsere Bauern wissen genau, was die minderwertige Valuta bedeutet. — Abg. Meyer- Halle (frs. Vg.): Graf Kanitz will mit einem Federstrich Geld schaffen. Das jetzt enthüllte Ziel der Bimetallisten führt zur Be nachteiligung derer?, die eine Gegenleistung für Leistungen zu fordern haben, die sie unter dem herr schenden Münzsystem gezeitigt haben. — Reichsschatz sekretär Graf v. Posadowsky wendet sich gegen die Ausführungen des Grasen Kanitz. — Abg. Paasche (nat.-lib.) führt aus, die Bestrebungen der Bimetallisten seien etwas widersprechend und unklar. — Abg. v. Kardorff (frcikons.) bemerkt, die Erklärung des Schatzsekretärs, vorläufig nur einen Teil der 22 Millionen ausprägen zu wollen, habe ihn, Redner, einigermaßen beruhigt. Die Land wirtschaft könne nicht bestehen, wenn sie in Gold bezahlen und in Silber empfangen müsse. Darauf vertagt sich das Haus. Prerrhlkcher Landtag. In der Donnerstag-Sitzung des Abgeordneten hauses wurden zunächst Wahlprüfungen erledigt und dann in die Beratung des Nachtragsctats eingetreten, in dem als 1. Nate 300 000 Mark für die Durch führung der Neuorganisation der Eisenbahnverwaltung gefordert werden. Die Neuorganisation wurde im Hause nicht unsympathisch ausgenommen. Der Eisen- bahnministcr stellte dann auch die Regelung der Ge haltsverhältnisse der Beamten in Aussicht. Ein An trag auf Kommissionsberatung wurde schließlich ab- gclehnt, die zweite Berathung der Vorlage wird sofort im Plenum stattfinden. Am Freitag nahm das Abgeordnetenhaus den Vertrag zwischen Preußen und Lübeck betr. den Bau des Elbc-Travc-Kanals in dritter Beratung gegen die Stimmen der Konservativen und einiger Frei konservativen endgültig an. — Es folgte die zweite Beratung des Eisenbahnetats. Eisenbahnminister Thielen stellte die Finanzlage der Eisenbahnen als durchaus günstig dar, der Abschluß für 1893/94 würde einen Mchrertrag von 23 Millionen ergeben. — Graf Kanitz sprach gegen die Verbilligung der Personentarife; seinen Ausführungen traten die Abgg. Brömel (frs. Vgg.) und Bneck. (nat.-lib.) entgegen. Die Weiterberatung wurde vertagt. Uon Uah und Fern. Bismarcks Memoiren. Fürst Bismarck hat seine Memoiren, wie Prof. Dr. Arndt auf dem in Leipzig abgehaltenen Historikertage mit teilte, fast vollendet. Prof. Arndt fügte noch hinzu, daß die Memoiren gearbeitet seien „mit all der Technik, die wir bei der Darstellung historischer Werke anwenden". Friedrich Wilhelm Weber, der Dichter des Epos „Dreizehnlinden", ehemaliges Mitglied der Zentrumspartei im preußischen Abgeordneten hause ist Donnerstag abend in Nieheim, Kreis Höxter, 80 Jahre alt, gestorben. Ueber Typhusepidemien im Regierungs bezirk Marienwerder berichtet der ,Reichsauz.': Im ersten Drittel des Januar erkrankte in Bisch dorf (Kreis Rosenberg) eine heimatlose Person und wurde dadurch, daß man sie bis zu ihrer ohne Zuziehung eines Arztes erfolgten Genesung in der Gastwirtschaft des Ortes unterbrachte, der Anlaß zu einer Epidemie, während welcher der Gastwirt mit 2 Söhnen und 1 Tochter, 9 in der Wirtschaft öfters verkehrende Männer und die Eheftau eines der letzteren, mithin 14 Personen erkrankten; von denselben sind zufolge Mitteilung vom 2. März 2 gestorben. In Freystadt, wohin die zuerst erkrankte Person sich begeben hatte, erfolgten Mitte Februar zwei Krankheitsfälle. — Im städtischen Krankenhause zu Graudenz wurde bei einem Landstreicher am 6. Februar Flecktyphus festgestellt, desgleichen am 9. und 10. Februar bei zwei obdachlosen Arbeitern. Der eine der letzteren hatte mit seiner Familie kurz vorher Unterkunft in der Erdhütte eines Arbeiters in Gruppe (Kreis Schwetz) gefunden und die Seuche auf insgesamt drei Personen übertragen. Ein humoristischer jüdischer Vater landsverteidiger. Nr. 67 des Höchster Kreis blattes enthält folgendes Inserat: „Abschied nebst Danksagung und Geschäftsanzeige. Meinen werten Kunden zur gefälligen Nachricht, daß mir die Verteidigung des Vaterlandes von morgen ab auf die Dauer von 10 Wochen übertragen werden soll. Mit schwerem, aber mutigem Herzen rufe ich deshalb Allen ein inniges Lebewohl zu und danke für das Vertrauen und Wohlwollen, das mir in fast überwältigender Weise seither stets entgegengebracht wurde. Während meiner Abwesenheit wird mein Geschäft durch die be- Mer liebte ihn mehr? SO «Fortsetzung.) Eines Morgens war Viktor bei seiner Mutter im Lesezimmer, wohin diese Carmen bestellt hatte, um einige Briefe zu schreiben. Lady Klara kam dazu und wünschte den Rat der Gräfin in einer Toilettenfrage; die Damen wollten gleich wieder zurück sein, und so kam es, daß Lord Ryeburn und Carmen zum ersten Male allein zusammen waren. Sie blickte nicht auf und fuhr fort eifrig zu schreiben; er sah sehnsuchtsvoll zu ihr hinüber. Was hätte er darum gegeben, neben ihr knieen zu dürfen, ihre liebe Gestalt zu umfassen und ihr die heiße Liebe zu gestehen, die er noch immer für sie fühlte! Dann machte er sich Vorwürfe, daß er so schwach war, und versuchte seine Ge danken auf den Inhalt des Buches zu richten, welches er in der Hand hatte. Nach einer halben Stunde kam Lady Klara zurück, sie sah erstaunt von einem zur andern. „Ich g aube, ihr habt euch nicht vom Fleck gerührt," sagte sie. „Nein," erwiderte Carmen, da Lord Ryeburn schwieg. „Und wohl auch kein Wort gesprochen?" „Auch das nicht," sagte er. „Miß Ercell hat geschrieben, und ich habe gelesen." Lady Klara lachte laut. „Ist es wirklich möglich, daß ihr die ganze Zeit geschwiegen habt? An Mß Eccells Stelle würde ich dich für sehr ungesellig halten, Viktor." „Ich hoffe, Miß Ercell wird mir nicht Mangel an Höflichkeit vorwerfen," versetzte er; „ich fürch tete nur, zu stören." „So habe ich es auch aufgefaßt," sagte Carmen und schrieb ruhig weiter. Aber Lady Klara konnte sich nicht beruhigen. Sie glaubte, es wäre Stolz und Hochmut, die ihren Manu veranlaßt hätten, nicht mit der Gesellschafterin seiner Mutter zu sprechen, und das that ihr leid für das junge Mädchen, das sie lieb gewonnen hatte. Daher ging sie in sein Zimmer, um ihn zu bitten, im Laufe des Abends durch ein freundliches Wort seine Vernachlässi gung wieder gut zu machen. Lord Ryeburn war sehr erstaunt über die Auffassung seiner Frau. Er sollte zu stolz sein, um mit Carmen zu sprechen! „Ich gebe dir mein Wort," sagte er, „daß ich nie an so etwas gedacht habe; ich sah, daß Miß Ercell beschäftigt war, und wollte sie nicht stören, das war der einzige Grund." „Sie schien mir etwas verletzt," meinte Lady Klara, „aber ich kann mich täuschen. Sei auf merksam gegen sie, Viktor, damit sie deine Un freundlichkeit vergißt; es thäte mir so leid, denn ich mag Carmen Ercell gut leiden." Lord Ryeburn mußte während des Essens einige Male über Klaras Idee lächeln, aber er bewunderte ihre Herzensgute; manche Frau wäre eifersüchtig gewesen auf die Liebe der Gräfin zu einer Fremden, das lag ihr fern. „Ich mag Carmen gut leiden," hatte sie gesagt. Nach Tische sollte musiziert werden, und Mistreß Drayton, die eine herrliche Stimme halte, war bereit, sich hören zu taffen. Lady Klara kam zu ihrem Mann. „Dort steht Miß Ercell ganz allein, Viktor, geh zu ihr und sprich mit ihr," bat sie. Dies war so sehr sein Wunsch, daß sein Herz fast hörbar schlug. „Du glaubst wohl, daß ich immer einige Redensarten bereit habe?" sagte er lachend. „Ich glaube, daß du jederzeit ein paar freundliche Worte sprechen kannst," erwiderte sie, „und da du heute früh nicht ganz höflich warst, mußt du es jetzt wieder gutmachcn." „Ich will es versuchen," antwortete er. Er ging auf Carmen zu, die in einem dunklen, mit Theerofen besetzten Seidenkleid besonders an ziehend aussah. „Meine Frau hat mich hergeschickt," sagte er, „sie meinte, ich wäre heute früh unhöflich gewesen und wünschte, daß ich mich entschuldige." Lady Ryeburn ist die Güte selber", erwiderte Carmen; sie verstand die Situation vollkommen und lächelte milde. Dann schwiegen sie beide; es wäre ihnen unmöglich gewesen, über gleichgültige Dinge zu sprechen, ihr Schweigen war beredter als alle Worte. Mistreß Drayton fing an zu singen, und der Zufall fügte, daß sie daS Lied gewählt hatte: „Nur ein holdes Antlitz am Fenster." Lord Ryeburn empfand einen körperlichen Schmerz, als die ersten Töne an sein Ohr schlugen. Die Gegenwart versank, er stand wieder auf der sonnigen Straße im fernen Lissabon und summte die Strophen des Liedes vor sich hin. Seine Augen hefteten sich voll Angst auf Carmens Gesicht; es war blaß, und er fühlte, daß sie ebenso litt wie er. Er wandte sich zu ihr. „Carmen," sagte er leise, „ich habe viel ertragen, aber dies gehl über meine Kräfte." Dann verlieb er das Zimmer und kehrte an dem Abend nicht wieder zurück; es war ihm, als hätte eine rauhe Hand seine schmerzende Wunde berührt. Klara glaubte, daß seine Abneigung gegen Carmen ihn veranlaßt habe, das Gespräch so bald abzubrechen, und das that ihr leid; sie konnte keinen Grund dafür einsehen und sagte am andern Morgen zu ihm: „Was hast ou nur gegen Miß Ercell, Viktor? Du bist so sonderbar gegen sie, ist sie dir unsympathisch?" „Ich sonderbar?" fragte er. „Ich bin mir dessen wirklich nicht bewußt." „Als ich dich gestern abend bat, mit ihr zu sprechen, gingst du gleich fort; wolltest du sie vermeiden?" „Ich versichere dich, Klara, daß ich nicht wohl war, das Ganze ist eine Einbildung von dir." „Du gehst ihr aber möglichst aus dem Wege, daher dachte ich, du möchtest sie nicht leiden. Es freut mich, wenn ich mich täusche, denn ich möchte sie einladen, mit deiner Mutter zu uns nach Lancedene zu kommen." Lord Ryeburn erschrak. Wie schwer würde das für ihn wie für Carmen sein; aber was konnte er dagegen sagen? Eine Ablehnung würde den thörichten Verdacht seiner Frau bestärken — es half nichts, er mußte die Einladung gut heißen und hoffte nur, daß Camen sie ablehnte. „Gewiß, fordere Miß Ercell auf," sagte er, „was sollte ich dagegen haben?" „Ich wollte dich nur erst fragen," erwiderte
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