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„Siehst Du, wie recht ich hatte, als ich Dein Beginnen un schicklich nannte? Du suhlst es jetzt auch, das sei Dir Strafe genug, besonders da Du Dich der peinvollen Szene am Post- schalter ausgesetzt hast Nun wollen wir einen Strich darunter machen und nicht weiter an diese kleine Verirrung denken." „Na, das fehlte noch! Gerade jetzt, wo es nett werden kann! Nein, ich schreibe gleich, aber aus Strafe für Deine ewigen Nörgeleien mußt Du den nächsten Brief selbst holen." „Niemals, ich würde mich lotschämen!" „Das werden wir sehen! Vorläufig hilf mir bei der Antwort. Wir wollen ihn natürlich erst noch zappeln lassen. Uebrigens, nett ist er jedenfalls, denn er hat sich nur in die holde Dame verliebt und scheint ihren Reichtum ganz übersehen zu haben." Heddy nickte halb widerstrebend, nahm eine Handarbeit und setzte sich ans Fenster, während Käthe ihren neuen Brief begann. „Also Doktor sind Sie, mein Herr? Das mußte mir freilich erst Ihre Unterschrift verraten, denn Ihren stracks auf daS Ziel losstürmenden Zeilen nach hätte ich eher auf einen Offizier geschlossen! Sie sind wirklich kühn und unternehmend, da Sie sofort eine Persönliche Vorstellung wünschen, aber ich bedaure hinzufügen zu müssen, daß Sie ebenso leichtsinnig sind. Haben Sie denn gar nicht gelesen, daß ich armes Wesen von einem gestrengen Cerberus bewacht werde? Es ist völlig un möglich, Sie hier einzuführen! Indessen für den Augenblick ist das auch gar nicht nötig, ich halte es für viel vorteilhafter, wenn wir uns erst brieflich kennen lernen; gefallen wir uns dann gegenseitig, so können wir zusammen ein Mittel finden, uns Persönlich näher zu treten. Lesen Sie nun zuerst noch Todesritt bei Sedan. Nach dem „Das ist wahrscheinlich pure Verstellung; die Männer sind viel zu egoistisch, um nicht sofort an die pekuniären Verhältnisse zu denken. Aber er will natürlich uneigennützig und ritterlich scheinen und wäre vielleicht gar imstande, von der traditionellen Sirohhütte zu schwärmen, da er sicher ist, nicht darin wohnen zu müssen. Es ist sicher ein ganz gewöhnlicher Biensch; komm, wir wollen uns nicht mehr um ihn bekümmern." Käthe schüttelte den Kopf, doch widersprach sie nicht, .sondern holte nur Schreibgerät herbei, und dann, den Arm um den Hals Heddys legend, sagte sie bittend: „Wenn Du mir nicht helfen willst, dann bitte ich Dich, mich wenigstens gewähren zu lassen, cs ist mir wirklich ein Vergnügen und Du siehst ja, wie harmlos und ungefährlich es ist. Laß mich rasch schreiben, ich lese Dir dann den Brief vor. Wenn feine Antwort nicht nett ist, dann — das verspreche ich Dir ganz fest — höre ich auf. Bist Du damit zufrieden, Heddy?" Gemälde von L. Hünten einmal meinen ersten Brief und schildern Sie sich dann ebenso getreu, wie ich es gethan; ich möchte mir auch ein Bild von meinem Korrespondenten machen können. Wenn es mir gefällt, lüfte ich vielleicht auch mein Inkognito, bis dahin sende ich Ihnen noch meine besten Grüße als Konstanze." B. 8. Schreiben Sie bis Dienstag, aber bitte, nehmen Sie ein großes, recht häßliches Kuvert, ich möchte, daß der Post beamte Ihren Brief für einen gewöhnlichen Geschäftsbrief hält. Käthe laS den Brief vor und als Heddy sich wider Erwarum mit dem Inhalt einverstanden erklärte, schlüpfte sie eiligst in ihre Pelzjacke, stülpte das Mützchen auf und eilte zum nächsten Brief kasten — damit der arme Mensch nicht zu lange warten müsse. (Schluß folgt.)