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Allgemeiner Anzeiger : 16.06.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189406165
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940616
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- Saxonica
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- Vorlagebedingter Textverlust
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1894
-
Monat
1894-06
- Tag 1894-06-16
-
Monat
1894-06
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.06.1894
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser und dieKaiserin werben, Wie aus Bergen nach Christiania gemeldet wird, «un 3. Juli auf Stalheim eintreffen. Im dortigen Hotel sind sechsnnddreißig Zimmer bestellt worden. Der Aufenthalt auf Stalheim wird zwei Tage währen. * Wie verlautet, wird während der diesjährigen Kaisermanöver ein großes Kavallerie- Rachtmanöver stattfinden, das sich höchst inter essant gestalten dürfte. Es werden dabei die neuesten Errungenschaften auf kavalleristischem Gebiet einer eingehenden Erprobung unterworfen und verschiedene Versuche auf diesem Gebiet an gestellt werden. Wie es heißt, soll der Kaiser beabsichtigen, dieses Nachtmanöver persönlich zu leiten. *DieüberseeischeAuswanderung aus Deutschland scheint in diesem Jahre weit hinter den voraufgehenden Jahren Zurück bleiben zu wollen. In den drei ersten Monaten dieses Jahres betrug sie zusammen 7520 Köpfe, während in dem Zeitraum 1893 14 046, 1892 22 685, 1891 19 283, 1890 17 099, 1889 17333 Auswanderer aM Deutschland nach überseeischen Ländern befördert wurden. *Die Cholerakommission war am 6. d. zusammengetreten und hat beschlossen, sämt liche Uebcrwachungsstationen an der Weichsel sofort in Betrieb zu stellen, was auch geschehen ist. *Die Ansiedelungs-Kommission für Westpreußen und Posen hält in Posen vom Dienstag bis Donnerstag Plenarsitzungen ab. Am Dienstag fand auch die Besichtigung mehrerer Ansiedelungen statt. *Der deutsche Landwirtschafts rat hat an die einzelnen deutschen Bundes regierungen eine Eingabe gerichtet, in der er seine Wünsche über die gesetzliche Regelung der ländlichen Arbeiterverhältnisse, die reichsgesetzliche Regelung des Gestndcmaklcrwcscns, die Reform des Alters- und Jnvaliditätsversicherungsgesetzes, das Margarinegesetz, die Reform der Produkten börse und die Währungsfrage darlegt. Oesterreich-Ungarn. * Die ungarischeMinisterkrisis ist nun thatsächlich auch formell beigelegt. Das neue Kabinett ist wie folgt zusammengesetzt: Dr. Wekerle Präsidium und Finanzen, Szi- lagyi Justiz, Hieronymi Inneres, Lukacs Handel, Baron Lorand Eoetvoes Kultus und Unterricht, Fejervary Landesverteidigung und provisorisch Ackerbau, Graf Julius Andrassy Hof-Minister, Josipovich kroatischer Minister ohne Portefeuille. Die neuen Minister Andrassy und Eoetvoes würden am Montag vereidigst das ganze Kabinett stellte sich am Dienstag in beiden Hänscrn des Reichstages vor. Der Kaiser ist Montag abend nach Wien zurückgereist. Frankreich. * Der Großfürst-Thronfolger von Rußland wird am Montag, den 18. d., in London erwartet. Während des Ascot- Rennens wird er der Gast des Prinzen und der Prinzessin von Wales in Coworth Park bei Sunningdale sein und der Königin sofort nach ihrer Rückkehr von Bälmoral nach Windsor seinen Besuch abstatten. Er wird wahrscheinlich einen Monat in England bleiben. *Der französische Einspruch gegen das Abkommen Englands mit dem Congostaat kam am Montag im englischen Unterhausc zur Sprache. Unterstaatssekretär Grey erklärte, daß, nachdem England zunächst den französischen Vor behalt zur Kenntnis genommen, die französische Regierung jetzt benachrichtigt worden fei, daß England bereit sei, die Gründe des französischen Einwandes zu erörtern und mit der französischen Regierung eine allgemeine Revision aller zwischen den beiden Regierungen schwebenden afrikanischen Fragen vorzunehmen. *Das Oberhaus nahm mit 49 gegen 26 Stimmen die zweite Lesung der Bill an, welche bestimmst daß alle nach England ein- geführten Waren die Bezeichnung ihres fremden Ursprungs tragen müssen, und die die Einfuhr von in fremden Gefängnissen fabrizierten Waren einschränkt. Belgien. * Der in Brüssel erscheinende ,Etoile Beige' meldet, es sei eine erhebliche Verschlimme rung im Zustande der Kaiserin Char lotte eingetreten. Die Kräfte der hohen Patientin verfallen rapide. Die Kranke erkannte nicht mehr den König und die Königin, die dieser Tage ans Krankenlager eilten. Tue Aerzte be fürchten das baldige Eintreten der Katastrophe. Schweden-Norwegen. * Der norwegische Storthing hat nach zweitägiger Beratung einen sehr bemerkens werten Beschluß gefaßt. Wegen Arbeiterent- lafsungen in einer Fabrik aus politischen Gründen bewilligte der Storthing gegen die Konservativen und Gemäßigten 10 000 Kronen als Unterstützung für die Gemaß regelten. Ferner faßte der Storthing einen Beschluß, worin ausgesprochen wird, daß der Storthing in Gemäßheit mit dem Grundgesetze es als das unverletzliche Recht eines jeden Staatsbürgers betrachte, daß er seine bürger lichen Pflichten nach freier Ueberzeugung aus üben könne, und spricht seine Mißbilligung aus, daß Leute in abhängiger Stellung von feiten ihrer Uebergeordneten in ungehöriger Weise be einflußt oder sogar aus politischen Gründen ihrer Stellung beraubt werden. Italien. * Die Minifterkrisis ist noch weit von ihrer Lösung entfernt. Die Verhandlungen Crispis mit Rudini und Zanardelli find ge scheitert, da sich keine Einigung über das finanzielle Programm erzielen ließ. Zwar verhandelte Crispi auch mit Brin, cs war aber von vornherein wenig Aussicht auf ein ersprießliches Resultat vorhanden. Einige Blätter wollen wissen, die Entlassungsgesuche der gegenwärtigen Minister würden vielleicht vom Könige nicht angenommen werden und das Kabinett würde sich in seiner bisherigen Zusammensetzung der Kammer wieder vorstellen, um eine Abstimmung hervorzurufen. * Eine neue Encyklika des Papstes steht unmittelbar bevor. In derselben wird der Papst nach einem Hinweise auf die großen Kund gebungen der Katholiken anläßlich seines jüngsten Jubiläums in vier oder fünf Fundamentalpunkten die leitenden Ideen über den friedlichen und wohlthätigen Einfluß des Papsttums entwickeln. Die ganze Encyklika ist vom Geist des Friedens getragen. Eine politische Frage wird in der selben nicht behandelt werden. Balkanstaaten. *Nach der ,Franks. Ztg/ versicherte Fürst Ferdinand von Bulgarien einem namhaften serbischen Politiker gegenüber, daß die äußere Politik Bulgariens durchaus keine Veränderung erfahren wird; es wäre nicht richtig, den Stürz Stambulows mit einer Annäherung an Ruß land in Verbindung zu bringen. In der inneren Politik müsse jetzt unbedingt eine freisinnigere Richtung eintreten. Er habe seine Regierung beauftragt, ihm einen Amnestie-Vorschlag zu unterbreiten, wonach die meisten politischen Ver brecher begnadigt werden sollen. Die Auf lösung der Sobranje erfolgt in den nächsten Tagen, die Neuwahlen werden im Herbste stattfinden. Der Kabincttswechsel war, so schloß der Fürst, ein Gebot der äußersten Notwendigkeit; denn würde Stambulow noch weiter an der Spitze der Regierung geblieben sein, so hätte die Autorität der Krone eine em pfindliche Einbuße erlitten.' Der Fürst ist über zeugt, daß die Ruhe im Innern nirgends ge stört wird. * Einer Meldung des »Standard' aus Kon stantinopel zufolge würde der Sultan gegen die englisch-belgische Uebereinkunft keinen Ein spruch erheben, falls England sich- mit Deutsch land darüber einigt. Der Sultan sei höchst ver stimmt über des ägyptischen Vize königs europäische Reise. Nachdem er ver gebens dem Vizekönig abzuraten versucht, habe er auf der Rückreise über Konstantinopel und auf der Gegenwart Rustem Paschas als Ver treters des türkischen Oberherrn bei amtlichen Empfängen in England bestanden. Die,Daily News' melden denn auch bereits aus Kairo, in dortigen gut unterrichteten Kreisen verlautet, der Vizekönig werde die beabsichtigte Reise nach England auf geben, da der Sultan sich gegen dieselbe ausgesprochen habe. Afrika. * In Madrid sowohl wie in Paris und Rom sind aus Tanger Nachrichten eingetroffen, denen zufolge der Sultan von Marokko am 7. Juni im Innern des Landes, und zwar in Tarla, gestorben ist. In Madrid wird zwar die Richtigkeit dieser Meldung noch bezweifelt, weil eine offizielle Bestätigung noch nicht eingetroffen ist, und Muley Hassan schon zu verschiedenen Malen fälschlich tot gesagt worden ist, doch richtet man sich dort bereits ebenso wie in Tanger auf die möglichen Folgen dieses unerwarteten Ereignisses ein, der beste Beweis dafür, daß man an den Tod des Sultans glaubt. Ueberall werden Unruhen befürchtet, hauptsächlich in der Umgegend der spanischen Plätze, insbesondere in Centa und Melilla. *Ueber den Tod des Sultans von Marokko berichtet noch ,Reuters Büreau': Der Sultan starb, nachdem er 4 Tage an einem Fieberanfall gelitten hatte, in dem Angenblick, wo er gerade Befehle erteilte. Von anderen Seiten wird behauptet, daß er einer Vergif tung zum Opfer gefallen wäre. Amerika. *Rach Meldungen aus Buenos-Ayres hat sich in der Republik Paraguay Morinigo der Präsidentschaft durch einen Staats st reich bemächtigt; in der Hauptstadt Assuncion herrsche Ruhe. Aon Uah und Fern. Die Rosenblüte hatte unter der Ungunst der Witterung sehr zu leiden. Die holde Blumen königin, die durch den glitzernden Schmuck zarter Thauperlen so gern ihre Reize erhöhen läßt, ist gegen die täppischen Zärtlichkeiten plumper Regen tropfen sehr empfindlich. Das Wetter der letzten Tage ist aber auch recht unbarmherzig mit ihr umgegangen, und wenn sich gar prasselnde Hagel körner unter den heftigen Regen mischen, da ist es um ihre Schönheit gethan. Recht traurig sieht es jetzt in den Ziergärten aus, und der einzige Trost für den Rosenfreund ist der, daß die meisten Knospen so vorsichtig gewesen sind, sich ihre grünen Mäntelchen, die schützenden Kelchblätter, noch zu bewahren. Wenn also das nasse Wetter bald aufhört, so kann sich doch immer noch eine sehr schöne, wenn auch etwas abgekürzte Rosenblüte entfalten. Die lange Regenperiode hat auch sonst in den Gärten mancherlei Schaden angerichtet, und namentlich haben die Erdbeeren stark gelitten. Durch die übermäßige Befeuchtung von oben werden sie weich und unansehnlich, und da durch den Mangel an Sonne die Zuckerbildung beeinträchtigt wird, so schmecken sic auch nicht besonders. Nur bei den Walderdbeeren sind die Ernteaussichten noch immer recht gute. Da die Blätterkronen der Bäume sie beschützen, kommen sie mit dem Regen nicht in so unmittelbare Berührung. Die Eröffnung des Testaments Emin Paschas hat vor dem Konsulatsgerichte in San sibar stattgefunden. Das Testament befindet sich nunmehr auf dem Wege nach Deutschland, wo es voraussichtlich durch Vermittelung des Aus wärtigen Amts dem Berliner Amtsgericht zur weiteren Veranlassung zugehen wird. In der Regulierung des Nachlasses deS Forschers sind in letzter Stunde dadurch Schwierigkeiten hervor getreten, als die plötzlich aufgetauchte erste Frau und die legitime Tochter Emin Paschas, Frau Emina Schnitzer, verwitwete Hakki Pascha, der kleinen Ferida ihr testamentarisches Erbteil streitig machen. Dieselben beabsichtigen, eventuell die Adoption der kleinen Ferida als ungültig an zufechten, da dieselbe wegen Vorhandenseins ehe licher Nachkommen nach dem im Kolonialgebiete gültigen preußischen Landrecht unwirksam sei. Ein interessanter Versuch, der einen sehr überraschenden Ausgang nahm, fand auf An ordnung des Marine - Kommandos auf dem Minenübungsterrain in der Kieler Föhrde statt. Es galt, die Wirkung von Sprengungen auf lebende Wesen festzustellcn. Zu diesem Zwecke war über einer scharfgeladenen Mine eine Fahr zeug verankert, auf dem zwei Schafe eingeschifft waren. Die Mme wurde vom Lande aus auf elektrischem Wege zur Explosion gebracht, und nach einer heftigen Detonation verschwand das Fahrzeug unter Wasser. Eine Pinasse begab sich sofort an die Stätte der Explosion und fischte die Schafe auf, die noch am Leben waren und sich durch das auf fie versuchte Attentat so wenig beunruhigt fühlten, daß sie das ihnen ge reichte Futter ohne Zögern zu sich nahmen. Es sollen Untersuchungen angestellt werden, ob die Tiere etwa am Gehör oder einem sonstigen Organe Schaden genommen haben. . Eisenbahn-Unfall. Ein von Leipzig kom mender Güterzug fuhr bei Weißenfels auf einen hier stehenden Güterzug, wobei vier Wagen zer trümmert und sechs andere beschädigt wurden. Menschen wurden bei dem Zusammenstoß nicht verletzt. Mordthaten. Am 10. d. wurde eine 32jährige Frau Namens Becker aus Busen als Leiche auf einem Getreidefelde bei Halle auf gefunden. Es ist binnen kurzer Zeit der dritte Lustmord, der hier verübt wurde. Allem. An schein nach ist der Thäter in allen drei Fällen derselbe. — Ein weiterer Mordversuch wurde am 10. d. nachmittags an der Hausmannsfrau einer Volksschule in Halle verübt. Die Unglückliche, sowie deren 7jährige Tochter wurden durch Beil hiebe schwer verletzt. Der Verbrecher ist noch nicht entdeckt worden. yinzukam, waren bereits zwei Hundertmarkscheine und ein Fünfzigmarkschein den Weg des Pferde futters, also in den Magen deS Pferdes ge wandert, der dritte Hunderter konnte noch, zwar auch schon zerknittert und angefressen, gerettet werden. Mord und Selbstmord. Der 27 jährige Sohn des..Bäckermeisters Kienappel in Parchim hat am Freitag nachmittag seine Bram, ein Fräulein Voß, und dann sich selbst durch je einen Revolverschuß getötet. Unzweifelhaft hatte das junge Mädchen von diesem Vorhaben Kennt nis und war mit demselben einverstanden. Ein unheilbares Lungenleiden des Bräutigams, das eine eheliche Verbindung unmöglich machte, bildet das Motiv de" " Ausweisung. Wie aus Kopenhagen telegraphiert wird, sind in Schleswig mehrere Schauspieler des Kopenhagener königlich dänischen Theaters ausgewiesen worden, welche Maßregel in der dortigen Bevölkerung großes Aussehen erregt habe. Ucber die Gründe der Ausweisung ü' sei noch nichts bekannt. Racheakt. Bei Nimptsch wurde ein Fuß- I gendarm erschossen aufgesunden. Man glaubt an eine Rachethat. Der strenge Beamte wurde hinterrücks überfallen und erhielt drei Schüsse t mit dem eigenen Revolver in den Unterleib. Von dem Mörder ist keine Spur zu finden. Ein Tessiner Bürger 'aus dem Maggia- thale kehrte Mitte Mai von Kalifornien in Bc- Der SLaaLsanwal'L. j ' (Fortsetzung.) s Während der Schreiber sich aufmachte, kehrte ; der Staatsanwalt wieder in sein Zimmer zurück. ' M galt, sich zu sammeln; er mußte fest bleiben; er durfte nicht wanken und nicht müde werden. Und cs war doch so furchtbar! Es war eine so entsetzliche Last, die er tragen mußte. Er trat -an das Fenster. Da draußen lachte noch immer die Frühlingssonne. Noch war der Tag nicht zu Ende gegangen, der so blutig anhob. Noch heute mußte es sich erfüllen. Und all dieser lachende Sonnenschein, er kümmert sich nichts um das Weh, das die Menschenbrust durchbebt; nm den Jammer, der die Menscbcnherzen ersüllen kann. Er breitet sich leuchtend aus, als ob er alles Böse, alle Not dainit zudeckcn wollte. Aber tiefer, als alle Sonne dringen kann, sitzt oft das Verderben, sitzt der bohrende Wurm, der an unserem Herzen zehrt. Und unter dem schillernden Glanz schleicht das Böse umher. O, dieser Sonnenschein lügt; es ist nicht wahr, was er verkündigt. Es gibt kein Glück, keine Freude dieser Erde! Alles ist Elend und Jammer! Und wir leben nur, um zu sterben! — So wühlten die Zweifel und Vorstellungen in dem pflicht- getreuen Beamten. Wilhelm war durch die Botschaft seines Vaters überrascht und erschreckt. Er hacke so manches auf dem Kerbholz und er wußte, daß es nichts -. Gutes bedeutete, als er jetzt gerufen wurde. . Handelte es sich um den alten Wucherer? Gerade in dieser Sache war ihm nicht recht wohl. Wer konnte wissen, was da nicht alles zu Tage kam! Denn es konnte nicht ausbleiben, daß die Bücher des Toten genau nntersucht wurden. Dazu erinnerte sich Wilhelm des sonderbaren Benehmens, das sein Vater am Mittag zur Schau trug; wie er keuchend und fast atemlos auf der Erde lag und unter den Möbeln suchte. Was suchte er, was wollte er? Hatte er einen Verdacht ge schöpft? Einen Augenblick schwankte Wilhelm, ob er nicht lieber den Gehorsam verweigern und trotzig den Boten entlassen solle. Aber dann fiel es ihm doch schwer aufs Herz, daß er abermals seinen Vater kränken würde, und so folgte er mit Unmut dem jungen Schreiber, der es nach seiner Meinung viel zu eilig hatte. Der Staatsanwalt saß noch immer stumm und in sich gekehrt da, voll schmerzlicher Gedanken. Als Wilhelm in sein Zimmer trat, da fühlte er, daß die Stunde der Entscheidung gekommen sei, daß schon der nächste Augenblick nicht bloß über das Lebensglück seines Sohnes, sondern auch über sein eigenes entscheiden werde; und in dieser Empfindung rang er sich nur mühsam zur Fassung hindurch. „Wilhelm", begann er in gütigem Tone, als sein Sohn mit trotziger Mene sich vor ihn stellte, „es handelt sich jetzt nicht um geringfügige Dinge, sondern um Tod und Leben, und deshalb bitte ich dich, wenn du mein Sohn bleiben willst, die Wahrheit zu sagen. Es kann nichts helfen, wenn du mir die Wahrheit vorenthalten wolltest. Sie kommt an den Tag, so oder so, aber es würde ein bitterer Schmerz zu allen anderen Schmerzen sein, wenn du mich belügen würdest." „Ich weiß nicht, Vater, was du meinst", sagte Wilhelm, der sich unsicher fühlte; denn in ihm rang der Trotz mit der Liebe zu seinem Vater. „Es handelt sich um den erschlagenen Samel- son", erwiderte sein Vater. „Wirst du mir alles sagen?" Alles sagen? Würde das nicht eine Selbst anklage sein? Und war es nicht sehr zweifelhaft, ob alles heraus käme? Soll man seine Karten vor der Zeit aus der Hand geben? „Ich beschwöre dich", fuhr der Staatsanwalt sehr ernst fort, „sei offen und bekenne, so schwer es dir auch wird! Du weißt vielleicht mcht, waS dabei auf dem Spiele steht." Und während er so ans seinen Sohn einredete, zeigte sein Gesicht Spuren so tiefen Leides und bitterer Qual, daß Wilhelm immer weicher wurde. Es war ihm, als schmölze da etwas in seinem Innern, als fiele es von ihm ab^wie Schlacken. „Ja, Vater", erwiderte er, „ich werde dir alles sagen." „Ich danke dir, mein Junge", sagte der Staatsanwalt aufatmend, „uud ich weiß nun, daß du mich nicht belügen wirst." Wilhelm blickte ihn gespannt an. „Du hast mit Samelson öfter zu Hun gehabt?" „Ja", sagte Wichelm beschämt, indem er zu Boden blickte. „Wann fing das wohl ungefähr an?" „Es ist schon länger als ein Jahr her", er widerte Wilhelm leise. „Ich hatte gerade kein Geld, und da machte mich ein Bekannter auf ihn aufmerksam." „Und Samelson hat dir Geld geliehen?" ,Ha; erst auf Pfänder... „Uud dann?" „Dann mußte ich einen Wechsel unter schreiben. ..." „Du hast ihu doch rechtzeitig bezahlt?" „Nein", antwortete Wilhelm-stockend; es war ihm entsetzlich peinlich zu Mute. „Ich hatte ja nicht so viel Geld. Immer, wenn ich etwas hatte, habe ich es hingetragen, aber es wurde immer mehr. Manchmal lieh ich mir denn wieder etwas und so wuchs es an, denn der Alte rechnete viel Zinsen und noch mehr Unkosten." „Zuletzt hast du dann deine Uhr versetzt?" „Ja, vor acht Tagen." „Und wieviel hast du bekommen?" „Ich habe dir heute nicht die Wahrheit gesagt", fuhr Wilhelm fort. „Es war nur ganz wenig. Das meiste ging für Zinsen darauf." „Aber du hattest doch gestern Geld, und viel Geld!" sagte der Staatsanwalt. Ihr habt sogar Champagner gewunken. Wo hattest du es her?" Und während er so fragte, vermochte er kaum seine Aufreguug zu verbergen. „Ich war gestem wieder bei ihm", erwiderte Wilhelm, indem er errötete. „Der Alte war so hartherzig, er wollte mir nichts mehr geben. Ich mußte ihn fast fußfällig bitten, daß er es that. Und schließlich mußte ich einen Wechsel über 1500 Mark unterschreiben, auch für das andere alles. Ich habe nur 100 Mark ausgezahlt be kommen. Aber ich war so aufgeregt den Abend, weil es mir schimpflich vorkam, Geld auf solche Weise erbetteln zu müssen, und bei dem Kommers verlor ich alle Besinnung, weil ich soviel wank und mich betäuben wollte, und da habe ich fast die ganze Summe gestern ausgegeben."
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