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Allgemeiner Anzeiger : 20.06.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189406209
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1894
-
Monat
1894-06
- Tag 1894-06-20
-
Monat
1894-06
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.06.1894
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser nahm am Freitag vor dem Neuen Palais eine Besichtigung der nach Süd westafrika abgehenden neuenSchutztruppe vor und hielt an die Mannschaften eine Ansprache, worin er ermahnte, auch in den Schwarzen den Menschen zu ehren. * Der Hamb. Korr.' läßt sich aus Berlin depeschieren, Deutschland werde an der von Spanien vorges chlagenen gemeinsamen Aktion der Mächte in Marokko nicht teil nehmen, so lange seine politischen Interessen nicht in Frage stehen; demnach sei vorläufig auch von Entsendung eines Kriegsschiffes Abstand genommen worden. * Hinsichtlich der Reichsfinanzreform wird in den Merl. Pol. Nachr.' offiziös erklärt, daß Beschlüsse darüber noch an keiner Stelle gefaßt seien, ein Reichsfinanzgesetz nicht wieder vorzulegen und den Reichssteuerplan wesentlich einzuschränken. Sicher sei, daß von einem end gültigen Fallenlassen des Kernpunktes der Reichsfinanzreform nicht die Rede sei und nicht die Rede sein könne. * Der deutsche Außenhandel zeigte im Jahre 1893 noch der amtlichen Zusammen stellung einen Gesamteinfuhrwert von 4 134 070 000 Mk. gegen 4 227 004 000 Mk. in 1892, während der Gesamtwert der Ausfuhr 3 244 562 000 (3 150104 000 Mk.) betrug. Die Gesamteinfuhr zeigt also eineu Rückgang von rund 93 Mill. Mk., der besonders durch die Ab nahme der Einfuhr an Weizen (110 Mill. Mk.) und Roggen (65 Mill. Mk.) verursacht ist. Zurückgegangen ist ferner erheblich die Einfuhr von Wolle (21 AM.), Rindvieh (21), Pferden (13), Eier (14), Schmalz (9), Petroleum (7) und Wein (6 Mill. Mk.). Bei anderen Waren hat die Einfuhr erheblich zugenommen, so bei Baumwolle um 23 Millionen, Baumwollengarn um 8, Wollengarn um 23, Leingarn um 6, Flachs um 8, Jute um 9 Mill.; ferner bei Gerste um 23, Hafer um 20, Kaffee um 17 und Raps um 12 Mill. An der Zunahme der Ausfuhr, die 94 Mill. Mk. betragen hat, sind hauptsächlich beteiligt Zucker mit 41, Eisen und Eiscnwaren mit 19, litterarische und Kunstgegenstände mit 11, Seide und Seidenwaren mit 10, Kupfer und Kupferwaren mit 5, Mehl mit 5 und Steinkohlen mit 4,7 Mill. Mk. *Jm Wahlkreise Elmshorn-Pinne berg hat die Ersatzwahl im ersten Wahlgange kein endgültiges Ergebnis gehabt. Es muß Stichwahl zwischen v. Elm (Sozialdemokrat) und Mohr (nationalliberal) stattfinden. *Der als angeblicher Spion in Marseille verhaftete v. Seel, ein Bruder des früheren Platzmäjors in Bitsch, ist der ,Straßb. Post' zufolge auf Vermittelung des deutschen Auswärtigen Amts wieder freigelasscn worden, nachdem er sich als unzweifelhaft geisteskrank er wiesen hat. Er befindet sich jetzt in Marseille in Privatbehandlung. Frankreich. * Jetzt, da der Kredit von 1800 000 Frank für die Verteidigung der französischen In t er c s s e n in A fri k a von beiden Kammern bewilligt worden ist, fragt es sich, welche Maß regeln ergriffen werden sollen, um das von der Regierung vorgezeichnete Programm möglichst rasch zu verwirklichen. In betreffs des Verkehrs auf dem Congo vernimmt man, daß zwei Dampf schaluppen aus Aluminium bestellt werden sollen. Diesen zwei Dampfern sollen noch sechs Leichter, ebenfalls aus Aluminium, beigesellt werden. * Fremdenhaß und Spionenfurcht haben in Frankreich schon öfter recht hübsche Blüten ge trieben. Jetzt aber will der Deputierte Pluserat in der Kammer einen Antrag einbringen, mit dem verglichen alles bisher Dagewesene blaß und farblos erscheint. Die Verheiratung mit Ausländerinnen soll allgemein ver boten und jeder Franzose, der mit einer Aus länderin verheiratet ist, für unfähig erklärt wer den, staatliche Aemter zu bekleiden. Der Ab geordnete ist der Ansicht, daß sich eine große Zahl weiblicher Spione in den französischen Salons aufhalten. — Der merkwürdige Antrag wird kaum zur Beratung kommen, aber er ver Aer Staatsanwalt. 15Z (Schluß.) Der Kommissar berichtete nun, wie er sich nochmals bei Ehrecke erkundigt habe. Der Haus knecht sei erst wenige Wochen bei diesem an- gestellt, aus Barmherzigkeit, wie Ehrecke gesagt, denn Papiere habe jener nicht, aber er sei so heruntergekommen gewesen und habe so dringend um Aufnahme gebeten. Nachher freilich habe sich herausgestellt, daß er aufsässig und nicht zu ge brauchen war, so daß ihn Ehrecke bereits wieder fonschicken gewollt habe. „Aber die Beweise?" fragte der Staatsanwalt. „Der Hausknecht ist ein paarmal von Gästen, die bei Ehrecke verkehrten und die sich scheuten, selbst zu Samelson zu gehen, in Geld angelegenheiten zu ihm geschickt worden. Da mag er denn die Gelegenheit ausgespäht haben. Und ich glaube auch, daß man ihm so etwas zutrauen kann. Denn wenn mich nicht alles täuscht, ist dieser Hausknecht identisch mit einem Soldaten, der seine Kameraden bestohlen hat und dann flüchtig wurde. Es läuft ein Steckbrief auf ihn wegen Desertion uud Diebstahl und alle Zeichen stimmen damit überein." „Doch für uuseren Fall will das noch immer nichts sagen," fiel der Staatsanwalt ein. „Nun," fuhr der Kommissar fort, „ich habe natürlich gleich Haussuchung gehalten. Der Hausknecht bewohnte eine Dachkammer. Sachen hatte er nur wenige und es ließ sich nichts daraus ersehen. Ich wollte auch schon umkehren, als dient, für spätere Geschichtsschreiber als Dokument des Chauvinismus aufbewahrt zu werden. Schweiz. *Frankreich scheint mit der Schweiz wieder auf einen bessern Fuß kommen zu wollen. Der neu ernannte französische Botschafter Barrsre versicherte bei der Ueberreichung seines Beglaubi gungsschreibens den Bundesrat der Achtung und der Sympathie der französischen Regierung; er würde stolz sein, wenn seine Anwesenheit dazu dienen sollte, die Bande, die die beiden Nationen verbinden, zu erhalten. Der Bundespräsident Frey sprach seinen Dank für die Versicherung des Botschafters aus und hob hervor, der Bundesrat zweifle nicht an den Gefühlen der französischen Regierung; es sei oer lebhafte Wunsch des Bundesrats, die Bande der Freund schaft, die beide Staaten vereinige, fester zu knüpfen. Italien. * Crispi hat sich den Kammern von neuem als Ministerpräsident vorgestellt. Es wird nun einstweilen in der bisherigen Weise „fortgewurstelt" und es wird sich zeigen, ob die parlamentarischen Parteien durch den Wechsel des Finanzministers befriedigt sein werden, oder ob das alte Spiel von neuem beginnen wird. *Jn Sizilien scheint es von neuem zu gähren. Darauf läßt das folgende Dementi der offiziösen Igenzia Stefani' schließen: Die in den Blättern verbreiteten beunruhigenden Nachrichten über die Verhältnisse in Sizilien ent behren der Begründung. Die Ausstände in den Schwefeldistrikten, die niemals den Charakter eines Generalstreiks hatten, hängen mit dem Sinken des Schwefelpreises zusammen und sind im Abnehmen begriffen. In Racalumto nahmen die Streikenden die Arbeit wieder auf; in Grolle bewilligten die Grubenbesitzer die Forderung der Ausständigen; in Palma di Montechiaro sperrten die Grubenpächter die Gruben wegen der zu hohen Pachtzinse angesichts des Sinkens der Schwefelpreise. Die Grubeneigentümer seien ge neigt, in dieser Beziehung Zugeständnisse zu machen. Von den anderen Gruben ist nichts Neues zu berichten. Ueberall herrscht vollständige Ruhe. Ruhland. * Auf die Zustände im russischenOffi- zierkorps wirft ein neues Reglement, das zur Schlichtung von Streitigkeiten unter Offi zieren erlassen worden ist, ein bezeichnendes Licht. Danach entscheidet ein von Offizieren gebildetes Ehrengericht, ob ein Duell unvermeidlich ist; im Falle der Bejahung erhält der Offizier, der das Duell verweigert, den Abschied. Ueber jedes Offiziersduell wird dem Kriegsminister berichtet, der im Einverständnis mit dem Justizminister bei dem Kaiser die Niederschlagung des gerichtlichen Verfahrens erbitten kann. Das Ehrengericht ist befugt, die Ausschließung von Offizieren aus dem Offizierkorps wegen mangelnden Ehrgefühls auch dann zu beschließen, wenn die betreffenden Offiziere formell Genugthuung gegeben haben. Afrika. *Für die Thronfolge in Marokko ist ein dritter Kandidat in der Person eines Oheims des zum Sultan ausgerufenen Abd-el- Aziz aufgetreten. Innere Kämpfe scheinen also unvermeidlich zu sein. Trotzdem ist die Auf fassung seitens der interessierten europäischen Mächte eine ruhigere geworden. Der spanische Minister erklärte, nach eingetroffenen amtlichen Nachrichten gebe die Lage in Marokko zu Beun ruhigungen keinen Anlaß; es seien jedoch Maß nahmen getroffen, um jeder Eventualität zuvor zukommen und die Truppen in Melilla zu ver stärken. Asien. * Gegenüber den widersprechenden Nachrichten russischer Blätter betreM einer angeblich ge planten europäischen Besuchsreise des Schahs von Persien kann der Teheraner Korrespon dent der Köln. Ztg.' aus bester Quelle melden, daß der Schah überhaupt nicht die Absicht hat, noch gehabt hat, wiederum nach Europa zu reisen. Ebensowenig sei die Meldung von einer Er krankung des Kronprinzen begründet. * InKorea gestaltet sich die Lage immer kritischer, sodaß die Befürchtung gerechtfertigt ich hinter einem Dachbalken zwei. Rollen mit Goldstücken entdeckte, genau solche, wie sie in der Kiste und in dem leinenen Säckchen waren. Da niemand weiter auf den Boden gekommen ist, so ist es fast unmöglich, daß ein anderer sie dort hin versteckt hat. Der Mensch leugnet allerdings noch immer und will nichts davon wissen. Aber während er vorher frech gewesen war, wurde er, nachdem ich das Geld gefunden hatte, leichen blaß und wagte sich nicht länger zu ver teidigen." Der Staatsanwalt hatte aufmerksam zugehört. Einen Augenblick fühlte er fast etwas wie Freude, daß der Mörder gefunden war. Aber er unter drückte dieses Gefühl sogleich wieder als unwürdig. Er verfolgte die Missethäter, weil es seine Pflicht war, doch ohne Haß und Schadenfreude. Er würde auch gegen diesen Menschen Gerechtigkeit üben, so gut wie er auch seines Sohnes nicht geschont hätte, wenn dieser der Thäter gewesen wäre. Schon wollte er den Verhafteten hereinführen lassen, doch erinnerte er sich in diesem Augenblick, daß noch einer unschuldig schmachtete. Und so schrieb er schnell die Anweisung auf, den Kramer aus der Hast zu entlassen. Lina wartete draußen noch immer, zwischen Furcht und Hoffnung schwankend. Der Staats anwalt überreichte ihr selbst das Papier und Lina stammelte vor Freude trunkene Worte der Dank barkeit. Dann eilte sie, selbst dem Geliebten seine Freiheit zu verkündigen. „Ich gehe nun, Vater", sagte Wilhelm, der ein stummer Zeuge der letzten Szene war. Sein Later drückte ihn noch einmal an sich und raume erscheint, es könnte mit der Unabhängigkeit dieses Königreiches bald vorbei sein, zumal der gegen wärtige König Li-Hui nach Japan hat entfliehen müssen. Dem.Standard' wird aus Schanghai gemeldet, daß die Aufständischen in Korea die Hauptstadt Söul eingenommen haben. Japanische und andere ausländische Truppen seien auf Korea gelandet worden, um Leben und Eigentum der Einwohner zu schützen. Beschäftigung jugendlicher Arbeiter. Infolge der vom Bundesrat auf Grund des § 139 a erlassenen Vorschriften über die Arbeits zeit jugendlicher Arbeiter ist die Verwendung der letzteren in manchen Fabrikationszweigen ziemlich unmöglich geworden. Da damit die Arbeiter familien selbst am meisten geschädigt werden, sind, wie offiziös berichtet wird, Erwägungen im Gange, um Aenderungen der getroffenen Vor schriften herbeizuführen. Es scheinen aber nicht bloß die auf Grund des § 139 a erlassenen Be stimmungen, sondern auch der Wortlaut des von den Pausen während der Beschäftigungszeit jugendlicher Arbeiter handelnden ß 136 der Ge werbeordnung Unzuträglichkeiten im Gefolge zu haben. Im ß 136 ist bestimmt, daß die Pausen für die zwischen 14 und 16 Jahren alten jugend lichen Arbeiter mindestens mittags eine, und vor- sowie nachmittags je eine halbe Stunde dauern müssen. Im ganzen dürfen die jugendlichen Arbeiter bekanntlich täglich 10 Stunden beschäftigt werden. Ein Fabrikant nun hatte die Arbeits zeit für diese Arbeiterkategorie aus Fürsorge für die letzteren im Winter auf 9 Stunden ermäßigt, dafür aber am Vormittage, an dem die jugend lichen Arbeiter eine Stunde später zur Arbeit kamen, die halbstündige Pause fortfallen lassen. Er ist dafür, wie gemeldet wird, bestraft wor den (!). Die Merl. Polit. Nachr.' bemerken hierzu: „Nach dem Wortlaut des 8 136 ist die Bestrafung ja möglich, sie steht aber mit den Intentionen der Gesetzgebung nicht in Ueberein- stimmnng. Bei der Bestimmung der in die Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter einzulegendcn Pausen ist man natürlich von der Voraussetzung ausgegangen, daß diese Arbeitszeit 10 Stunden täglich dauere. Man wollte verhüten, daß die Körper der jungen Leute durch eine längere un unterbrochene Arbeit zu sehr angestrengt würden. Wenn aber die Arbeitszeit von dem Arbeitgeber selbst gekürzt wird, so müßte diese gesetzliche Vorschrift entsprechend maßvoller gehandhabt werden. 8 136 hat in der Novelle vom 1. Juni 1891 schon eine Abänderung bezüglich der Pausen der jugendlichen Arbeiter erfahren, die nur sechs Stunden täglich beschäftigt werden dürfen. Nach dem alten Wortlaut des ß 136 hatte das Reichs gericht s. Z. entschieden, daß innerhalb dieser sechs Stunden mindestens zwei selbständige Pausen eintreten müßten. Man hat dies bei Beratung der letzten Novelle für völlig überflüssig gehalten und demgemäß ausdrücklich festgestellt, daß täglich nur eine halbstündige Pause gewährt würde. Wenn darauf bestanden würde, daß die im Z 136 für die über 14 Jahre alten jugend lichen Arbeiter vorgeschriebenen Pausen inne gehalten werden müssen, auch wenn die Be schäftigungszeit dieser Arbeiter beträchtlich ge kürzt ist, so könnte es ja kommen, daß für die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter über 14 Jahren strengere Vorschriften als für die der Arbeiter unter 14 Jahren Platz greifen. Das kann man bei dem Erlaß der Bestimmung nicht gewollt haben. Eine entsprechende Aenderung des § 136 wäre demnach wohl in Erwägung zu ziehen." Non Uah und Fern. Der Hauptmann Morgen befindet sich auf der Rückreise von Kamerun und dürfte noch vor Ablauf dieses Monats in Berlin eintreffen. Da er in dem zweiten Drittel des Januar von hier abgereist war, so hat seine Sendung im ganzen etwas über fünf Monate gedauert. Fast zwei Monate hat er zur Anwerbung der 80 Sudanesen in Aegypten geweilt und Mitte April traf er mit diesen Leuten in Kamerun ein, wo er noch über einen Monat blieb. ihm zu: „Mein lieber Sohn!" In seinem Herzen aber klang es: „Verloren und wiedergefunden!" Dann richtete er sich hoch auf. Er war wieder der Vertreter der ehernen Gerechtigkeit. Und indem er sich an den Polizeikommissar wendete, sagte er mit tiefem Ernst: „Führen Sie den Verhafteten herein." * Es find' seit dem Verbrechen in der Neuen Straße mehrere Jahre vergangen. Der Hausknecht des „Rebstockes", der als der Thäter überführt wurde und der noch wegen zahlreicher anderer Vergehen auf der Anklagebank saß, erhielt nur eine Reche von Jahren Zuchthaus. Es war ihm kein vorbedachter Mord nachzuweisen. Kramer heiratete bald darauf seine Lina. Die Zuneigung des jungen Mädchens zu ihm war durch den ungerechten Verdacht, der einen Augen blick auf ihm ruhte, nur noch inniger geworden. Beide haben ein hübsches Häuschen mit einem gutgehenden Geschäft in der Vorstadt, und bei schönem Wetter pflegen in dem Gärtchen davor einige Kinder zu spielen, die mit beiden eine un verkennbare Aehnlichkeit haben. Wilhelm aber hat sich die furchtbare Lehre, die ihm jener Tag gab, zu Herzen genommen und ist ein tüchtiger Mensch geworden, auf den Vater und Mutter mit Stolz blicken und von dem besonders der Staatsanwalt glaubt, daß er es in seiner Laufbahn noch zu hohen Ehren bringen wird Sude. Gurko in Berlin. Der General Gurko, Generalgouverneur von Warschau, der von Baden- Baden wegen seines leidenden Zustandes behufs ärztlicher Konsultatton vor einigen Tagen nach Berlin gekommen ist, ist vom Hotel Continental nach dem russischen Botschastshotel Unter den Linden gezogen, wo ihm die kaiserlichen Gemächer zur Verfügung gestellt worden sind und der Kranke mit allem möglichen Komfort umgeben ist. Seine Gemahlin liegt selber der aufopfernd sten Pflege ihres Gatten ob; die Anordnungen des behandelnden Arztes, Geheimrats Leyden, werden von ihr aufs sorgfältigste ausgeführt. Ein seltener Bernsteinfund wurde im Kreise Neustettin gemacht. Der Gutsbesitzer Trapp in Zachen fand auf seinem Felde ein Stück Bernstein von milchweißer Farbe, das über zwei Pfund wiegt. Ein Anerbieten von 100 Mk. lehnte der Besitzer ab. Abenteuerliche Schicksale. Zu Fuß von Kalkutta nach Rathenow gewandert ist ein Buch drucker Schneidereit, der infolge seines traurigen Schicksals Indien den Rücken gekehrt hat. Die etwas märchenhafte Lebensgeschichte des Mannes soll, nach einem sonst zuverlässigen Berichterstatter, folgende sein: Im Jahre 1864 geboren, sei er anderthalbjähriges Kind nach Australien mitge nommen und dort erzggen worden. Bis zum Jahre 1889 hat Schneidereit in verschiedenen Städten als Buchdrucker gearbeitet, sich dann ein eigenes Geschäft in Melbourne gegründet und verheiratet. Im Besitz eines Vermögens, habe er sich 1891 entschlossen, mitFrau und Kind nach Berlin überzusiedeln; auf der Fahrt von Australien nach Kalkutta sei der Dampfer während eines Gewitters durch einen Blitzstrahl getroffen worden, der so wohl seine Frau wie seine beiden Kinder getötet und das Schiff in Brand gesetzt habe; sein Ver mögen, etwa 23 000 Mark, das er in einer Handtasche geborgen, sei ein Raub der Flammen geworden. Durch einen wunderbaren Zufall wurde Schneidereit selbst gerettet und nach Kal kutta gebracht, wo der Mittellose eine Fuß wanderung in die Heimat augetreten hat, und durch Hindostan, Afghanistan, Persien, durch die Türkei, Südrußland, Bulgarien, Rumänien, Oesterreich-Ungarn nach fast zweijähriger Reise in Rathenow anaelangt ist. Sowohl von der betreffenden Dampfergesellschaft, als auch von den deutschen Konsulaten wurde die Wahrheit des Geschilderten bestätigt. Schneidereit hat übrigens in Rathenow Kondition in einer dorti gen Buchdruckerei gefunden. Keine Spatzen. In einer neuerdings er schienenen Arbeit von Dr. Joh. Fickel wird u. a. auf die seltsame Thatsache hingewiesen, daß die Allerweltsvögel, Spatzen genannt, in verschiedenen Orten des sächsischen Vogtlandes überhaupt nicht Vorkommen. Es sind dies angeblich die Orte Kottenhaide, Gettengrün bei Adorf, Brotenfeld bei Schöneck, Stangengrün und Buchwald bei Reichenbach sowie Vogelsgrün und Schnarrtanne. Im Anschlusse an diese Notiz, die neuerdings die Runde durch die sächsische Presse macht, wird auch aus Zittau gemeldet, daß in den Gebirgs dörfern Oybin und Hain in der sächsischen Ober lausitz der Sperling fehlt. Auf welche Ursachen diese Thatsache zurückzuführen ist, konnte bisher noch nicht festgestellt werden. Ueber die Hamburger Notenfälscher wird noch gemeldet, daß die Polizei durch die beschlagnahmten Briefe des verhafteten Buch druckers Crouemeyer die Fäden eines weitver zweigten Fälschernetzes in die Hände bekam, das -mit Helfershelfern an vielen Hafenplätzen in Europa und Amerika gearbeitet hat. Daraufhin erfolgten in Leipzig ebenfalls Verhaftungen; weitere sollen bevorstehen. Das furchtbare Grubenunglück in Kar- win (Mährisch-Osttauer Kohlenrevier), bei dem am Freitag etwa 150 Bergleute ihr Leben ein büßten, erinnert in schrecklicher Weise an das gleichartige Unglück in Anderlues. Infolge der Explosion schlagender Wetter gerieten die Gruben „Johann" und „Franziska" (dem Grafen Larisch gehörig) in Brand; die Luftzuführungsmaschinen wurden gestört. Die Bergung der Leichen ist vorläufig unmöglich. Ein Segelschiff mit gefrorenem Fleisch aus Australien ist in Hamburg angekommen. Es ist das englische Schiff „Turakina", mit Am Hofe Kudmigs XVI. Kürzlich gelangten die Memoiren eines fran zösischen Generals, eines Bewunderers Friedrichs des Großen, den er noch persönlich gekannt, an die Oeffentlichkeit. Das Werk hat für uns Deutsche ein Interesse durch die unbefangene, ost enthusiastische Anerkennung preußischen Wesens, ist aber besonders bemerkenswert durch die treue und fesselnde, oftmals überraschende Schilderung des Hofes von Ludwig XVI. und der franzö sischen Revolution. Die Memoiren des Generals Baron Thiobault sind's, die, von seiner Tochter Klara Mobault herausgegeben, jüngst erschienen, uns jene wertvollen Schilderungen vermitteln. Der General, als Sohn eines französischen Vor lesers des Königs in Berlin geboren, sah in Friedrich dem Größen, dem großen Monarchen, Dichter, Philosophen, dem großen Charakter das Musterbild eines imponierenden Herrschers. Er war darum schwer enttäuscht, als er in Versailles zuerst das französische Königspaar erblickte, das so wenig seinen Vorstellungen von königlicher Würde und Größe entsprach: „Mehrere Dinge-* fielen mir unangenehm auf," bekennt er, „Fried rich war, wie es nicht anders sein konnte, mein Maßstab zur Beurteilung der Könige, und an Ludwig XVI. entdeckte ich nichts, was ihn auf das Niveau jenes Fürsten erhoben hätte, der sich als großer Mann über alle Könige gestellt hatte. Ich fand außerdem, daß Ludwig XVI. der Würde ermangelte. Eines Tages, als er bei mir vorüber zur Jagd ging, stand c. All, um mit einem Herrn seiner Begleitung zu lachen; aber sein Lachen war so laut, so lärmend, daß
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