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WE Um Antwort verlegen. Nach dem Gemälde von L. Zewy. W „Ich werde keine Ihrer Fragen beantworten, so lange Sie mich mit dieser widerlichen Bezeichnung anredcn," entgegnete Violet. „Ei, ei, so solltest Du nicht sprechen," sagte die Irre. „Wenn ich das Deinem Mann sagte, dann würde er sich darüber grämen, daß Du seines Namens schon so zeitig überdrüssig geworden bist." Violet erwog in ihren Gedanken, wie es möglich wäre, aus dem Bereich dieser unheimlichen Person zu entkommen. „Wollen Sie mir nicht lieber sagen, wie Sie heißen?" fragte sie sanft. „Nun, sichst Du, so gefällst Du mir," versetzte Jenny. „Jetzt kann man sich doch mit Dir vernünftig unterhalten. Wie ich heiße? Ja, weißt Du, ich bin nicht immer dieselbe Persönlichkeit. Früher nannte man mich Jenny, jetzt aber heiße ich Asrael. Das ist ein hübscher Name, nicht wahr? Asrael, der Engel des Zsodes! Manche Leute sagen, daß ich eigentlich schwarz gekleidet sein müßte, aber das ist nicht nötig. Schwarz mögen sich die kleiden, deren Freunde ich von hinnen nehme. Nein, ich kenne eine bessere Farbe sür mich, rot! Not ist Asraels Farbe — denn rot ist das Blut!" Sie rief diese letzten Worte in so schrecklichem Tone, daß Violet vor Entsetzen zu zittern begann. Dieses Entsetzen steigerte sich noch, als die Wahnwitzige in einen Gesang ausbrach, dessen Melodie und Worte an die wildesten, schauerlichsten Phantasien eines vom Fieberwahn zerrütteten Gehirns erinnerten. Violet verhüllte ihr Gesicht, um die Gebcrden und die ver zerrten Hüge der Irrsinni gen nicht zu sehen. „Oho!" rief diese, als sie ihren Gesang beendet hatte. „Du sürchlcst Dich wohl vor meinen Augen? Ja, fürchte Dich nur! Asraels Augen sind gefährlich!" „Jetzt muß ich aber gehen," sagte Violet, ihren ganzen Mut zusam- mcnrassend. „Ich habe versprochen, zn einer be stimmten Zeit daheim zu sein." „Was? Nicht länger als ne halbeStunde läßt er Dich fort?" rief Jenny em pört. „Schä men sollte er Mannes. Ein Strom von Blut er goß sich aus der Wunde. „Sie können ihm nicht Helsen," sagte Myddleton zu Violet, die neben dem Verwundeten kniete. „Ueberlassen Sie ihn mir lind eilen Sie nach seiner Hütte. Dort finden Sie den Doktor Mitchell." Er gab ihr in hastigen Worten die Richtung an, die sie cinzuschlagcu hatte. Violet flog eiligen Laufes davon und war in kurzer Zeit vor der Hütte angclangt. Boll Erstau nen erkannte sie dieselbe Hütte, in der MLÄU sich! Aber ich wills ihm auch sagen!" Plötzlich änderte sich ihr Benehmen; ihr Gesicht nahm einen düsteren, furienhaften Ausdruck an. Sie löste den Knoten ihres Haares, das nun in reichen rot schimmernden Massen über ihre Gestalt herab fiel. „Sieh her!" rief sie. „Sagt ich Dir nicht, wer ich sei? Gestern Abend wolltest Du mich in meinem Werke aufhalten — hahaha! Du, Du wolltest mich hindern!" Violet saß unter den funkelnden Blicken der Wahnsinnigen wie ein Vogel, der von dem Blick einer giftigen Schlange gelähmt und gebahnt ist. Da traten zwei Männer aus dem Walde hervor, Horace Myddleton und Bill Banks. Sie näherten sich eiligen Schrittes, ohne von Violet oder Jenny bemerkt zu werden. Die Letztere fuhr in ihren wahnwitzigen Reden fort. Umwallt von den roten Haarmassen und in ihrem zerlumpten, allenthalben mit bunten Bändern ausgeschmückten Kleide bildete sie eine groteske, hexcnhaste Erscheinung. „Willst Du wissen, wer mein letztes Opfer gewesen ist?" schrie sie Violet an. „Schau her!" Sie zog aus ihrer Tasche ein rotes Bündel hervor, ein in viele Knoten verschlungenes Tuch. Sie löste einen Knoten nach dem andern, wobei sie unaufhörlich mit sich selber sprach. MW' „Ja," sagte sie ruhiger, „das war das Letzte. Er hatte mir meinen Bruder genommen, er hatte meinen armen Tom ins Ge fängnis gesteckt. Ich ging durch die Hiuterthür, durch die Küche hinein zu ihm — ich wollte meinen Bruder wieder haben. Er drehte mir den Rücken zu und sah mich nicht." Das rote Tuch fiel auf den Boden, eine blanke Klinge blitzte in ihrer Hand — der indische Dolch! Violet Cameron, die mit steigendem Grauen dem Bekenntnis der Irren gelauscht hatte, stieß beim Anblick dieser Waffe einen Schrei aus. Jetzt waren Myddleton und Banks bei der Hütte angelangt. Kaum war die verrückte Jenny des' ersteren ansichtig geworden, als sie auf ihn zusprang. „Ha! Dich kenne ich!" schrie sie. „Du warst sein Freund! Ich sah Dich an seinem Grabe! Du sollst ihm folgen!" Sie erhob die funkelnde Waffe gegen Myddleton. Banks sah die Klinge blitzen. Er sprang vorwärts. Die mörderische Hand noch zu Packen wars zu spät. Der Dolch zuckte nieder und bohrte sich in seine Brust. Banks stürzte zu Boden Im nächsten Augenblick war Jenny von hinten ergriffen. Denham, welcher Myddleton und Banks gefolgt Ivar, war um eine Minute zu spät auf dem Platze erschienen, um das Un glück verhüten zu können. Violet eilte an die Seite des schwer getroffenen sie gestern Abend gewesen war. Im Innern derselben hatte man ihren heran- eilcnden Schritt vernommen. Der Doktor und Hilda traten heraus. Kaum gewahrte der Arzt das atemlose junge Mädchen und die außerordentliche Erregung derselben, da ließ er die Decke vor den Eingang fallen, damit der Patient nicht beunruhigt würde. „Ein Mann, Banks glaub ich, heißt er, ist erstochen worden!" stieß Violet hervor. „Er stirbt für Horace Myddleton." „Wo?" fragte der Doktor erschrocken. - „Bei der Hütte der Wahnsinnigen." Doktor Mitchel rannte im Trabe davon. Hilda war todtenblaß geworden. „Was sagten Sie soeben von Horace Myddleton?" fragte sie. „Eine Irrsinnige wollte ihn niederstechen," entgegnete Violet, „da hat der andere sich ihr entgegengeworfen." „Führen Sie mich zu ihnsi" sagte Hilda ruhig und fest. Die Decke am Eingang der Hütte wurde jetzt wieder zurück geschlagen nnd Sinclair fchaute heraus. Ein Verständnis dämmerte in Violet auf. „Wie ist Ihr Name?" fragte sie die vor ihr stehende junge Dame. „Hilda Warburton," lautete die Antwort. „Dann will ich Sie hinführen," sagte Violet. (Schluß folgt.) UWM'