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Allgemeiner Anzeiger : 20.12.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189312206
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18931220
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-12
- Tag 1893-12-20
-
Monat
1893-12
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.12.1893
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser hat aus Anlaß der Annahme des H a n d e l s v er tr a g e s mit N u m ä n i e n an den Reichskanzler Grafen v. Caprivi und an den Staatssekretär des Auswärtigen, Frhrn. v. Marschall, ii sehr warmen Worte: Be- glückwünschungsd veschen gesandt und gleichzeitig lei! e Genngthunng über die geschickte Verteidigung der Handelsverträge vom Regierui Mische aus gesprochen. * Der Prinz-Regent Luitpold von Bayern beging am Freitag sein. 50 jähriges Jubiläum als Ge. eral. Ain 15. Dezember 1843 empfing er die Generaisepaulettcn, seit sieben Jahren, nach der Uebernahme der Regentschaft und nach Uebernahme des Oberbefehls über die bayrische Armee Uägt er die Feldmarschallsab zeichen. Des Prinzen militärische Laufbahn be gann als Hauptmann. Zu seinem 14. Gebnrts- scste verlieh ihm sein Vater König Ludwig I. diese Charge, während er den Dienst in der Armee nach erlangter Mündigkeit antrat. *Wie verschiedene Blätter berichten, hat der Bundesrat am Donnerstag die vom Reichs tag fast einstimmig geiorderte Ansdehnung der Eisenbahn-Fahrkarten der Mitglieder des Reichstags abgelehnt. — Dagegen mel det ein anderer Berichterstatter, die Entscheidung sei noch verschoben werden, man sei zu einem klaren „Nein" nicht entschlossen und es mache sich eine Strömung sür Bewilligung der Reichs- tagssorderung geltend. *Die Novelle über die Abzahlungs geschäfte ist nunmehr im Reichstage wieder eingegangcn. * In dem nächsten Etatsjahre sollen in Preußen eine Reihe von Staats - Unternehmungen zur Hebung des Schiffahrtverkchrs zum Abschluß kommen und somit dem Erwerbsleben nutzbar werden. Die Kanalisierung der Fulda, durch welche die Wasserstraße von Bremen land aufwärts bis Kassel fortgeführt und in diesem wichtigen Binnenhandelsplatze den ihr bisher fehle den geeigneten Endumschlagsplatz für den Seeverkehr erhalten soll, sowie die Erweiterung der Kanalisierung des Mains, durch die diese ungewöhnlich nutzbringende Verkehrsanlage den Behältnissen und den Bedürfnissen der Rhein schiffahrt durchweg angepaßt und so der Zweck, Frankfurt in bezug auf den Schiffahrtsverkehr thunlichst den Häsen am oberen Rhein gleichzu- stcllen, erreicht wird, sollen beide im nächsten Jahre scrtiggestellt werden. Ebenso steht zu hoffeii, daß die Herstellung eines namentlich für die Bedürfnisse der mittels Dampfschiffe betrie benen Hochseefischerei berechneten großen Fischerei hafens in Geestemünde in der Hauptsache wird durchgeführt werden können. * Trotz der nicht gerade besonders günstigen Finanzlage plant die sächsische Regie rung drei neue Eisenbahnlinien ins Erzgebirge und zwar nach Teilen, die bis her vom Verkehr noch abgeschnitten waren. Diese Bahnen sollen schmalspurig angelegt werden. *Wie wenig begründet die von der französi schen Presse mit besonderer Vorliebe verbreitete Behauptung ist, das Reichsland sei durch die Einverleibung wirtschaftlich geschädigt worden, ergibt sich aus den nachfolgenden Ziffern über die Entwickelung des Sparkassenwessens. Die Sparkassen-Einlagen betrugen am 31. März 1869 21 023 496 Mk., am gleichen Tage 1893 aber 76 392 457 Mk., was einer Steigerung um nicht weniger als 55 368 960 Mk. oder um 263 Prozent gleichkommt. Während des gleichen Zeit raums stiegen die Sparkassenbücher von 77 367 auf 214 956, oder um 178 Prozent. Im Jahre 1869 fiel auf den Kopf der Bevölkerung ein Sparkapital von 13,16 Mk., am 31. März d. betrug dasselbe dagegen mehr als das Dreifache, nämlich 47,64 Mk. Oesterreich-Ungarn. *Jm österreichischen Abgeordnetenhause wurde der Antrag Herold auf Nichtgenehmigung des Prager Ausnahmezustandes mit 185 gegen 73 Stimmen abgelehnt und der Antrag des Ausschusses, den Ausnahmezustand zur Kenntnis zu nehmen, mit 185 gegen 73 Stimmen angenommen. Ferner wurde der weitere Antrag Herold auf sofortige Aufhebung der Suspension der Geschworenengerichte mit 186 gegen 75 Stim men abgelehnt. Frankreich. *Die Minister des Innern und der Justiz haben an die Präsekten und General-Staats anwälte Rundschreiben gerichtet, in denen sie die selben auffordecn, die Bestimmungen des Pre ß- gesetzes über die Hinterlegung von Pflicht exemplaren sorgsam zu überwachen, die bezüg lichen neuen Gesetze zur Anwendung zu bringen und die Polizeikommissarc anzuweis.n, den Ver - samml ungen beiznwohnen und über gesetz widrige Aenßerungen ein Protokoll auizu: ehmen. *Das Dynamitattcntat in der Kammer hat auch die Wirkung gehabt, daß die Kammer die sozialistischen Anträge kurz absertigte. So wurde der erste Teil des Antrags Basly (Sozialist) betr. die Untersuchung über den Aus st and in den Departements Nord und Pas de Calais mit 401 gegen 131 Stimmen abgelehnt, der zweite Teil betr. die Untersuchung über die Arbeitsbedingungen in allen Gruben wurde eben falls, nacbdem ihn die Regierung zurückgewiesen hatte, mit 366 gegen 166 Stimmen abgelehnt. * Wie mau in der Kammer erzählt, hat Dupuy zahlreiche Drohbriefe erhalten, die eine baldige Wiederholung des letzten Dynamit attentats ankündigten. England. *Der Matabelekrieg geht, trotz aller gegenteiligen Mitteilungen immer weiter. Dem .Reuterschen Büren»' wird über Kapstadt gemeldet, daß eine Abteilung unter Hauptmann Wilson, die von dem Major Forbes vorgeschickt war, den Schangani-Fluß überschritten und mit Lobenjula Fühlung genommen hat. Lobenjula versuchte einen Hinterhalt zu legen und die Ab teilung wurde genötigt, sich kämpfend zurückzu ziehen. In der Zwischenzeit ist der Schangani- Fluß angeschwollen und es ist sür den Major Forbes schwierig, der Abteilung Verstärkung zu senden. (Demnach hat Lobenjula wieder Ober wasser.) Italien. * Endlich am Freitag ist Crispis neues Ministerium fertig geworden, indem Gene ral Mocenni das Kriegs-, und Sonnino das Finanzportesenille übernommen haben. Freitag abend nahm König Humbert dem Ministerium den Eid ab. * Bezüglich der Unruhen in Süd italien wird gemeldet: Die Kriegsschiffe „Stromboli", „Fieramosca" und „Jride" sind in Palermo eingetroffen. In Giardinello, wo die gerichtliche Untersuchung begönne, hat, ist die Ruhe wiederhcrgestellt. Auch in Partinico kehrt die Ruhe zurück; die Erhebung dec Verzehrungs steuer ist daselbst wieder ausgenommen worden. Balkanstaaten. * Dieserbische Skupschtina hat beschlossen, sich anläßlich des Ablebens vonDokitsch bis zum 18. Dezember zu vertagen. Die Leiche Dokitschs trifft am 17. d. nachmittags in Bel grad ein. Amerika. *Das Repräsentantenhaus nahm eine Bill, wonach das (Mormonen-) Territorium Utah zum Staate erklärt werden soll, mit einem Zusatz an, daß die Vic l w e i b er ei zu ver bieten sei. * Wie aus Washington berichtet wird, erkennt der dortige Gesandte Brasiliens, Mendonca, die Wichtigkeit desAbsallsdesAdmirals da Gama von der brasilianischen Regierung an. Er war früher mit Admiral da Gama sehr intim und er gesteht, daß seine Desertion den Rebellen eine Macht und ein Ansehen gibt, das sie früher nie besessen. Obgleich vom selben Range wie de Mello, wurde er doch stets als der populärste und fähigste Offizier in der Marine anerkannt und die ganze Marine wird ihm höchst wahrscheinlich folgen. Er übte einen großen Einfluß auf die meisten Offiziere auS, und die, die ihm nicht aus Respekt folgten, thaten es aus F nicht. * Zwischen Nicaragua und Honduras (Mittelamerika) drohen neue Feindseligkeiten. Der Präsident von Nicaragua, Zelaya, hat mit seinen inneren Gegnern einen Waffenstillstand vereinbart, und falls gegen Honduras der Krieg erklärt werden sollte, wird die Armee von Generalen befehligt werden, die aus den drei feindlichen Parteien Nicaraguas gewählt werden sollen. Wie sich nun die Feindseligkeiten gestaltet haben, ist aber nicht zu übersehen, da sowohl im Innern von Nicaragua wie im Innern von Honduras fortdauernd blutige Kämpfe stattfindsn. Deutscher Reichstag. In der Sitzung vom Donnerstag wurde zunächst die Vorlage betr. Gewährung von Unterstützungen an Invalide aus den Kriegen vor 1870 in dritter Lesung angenommen. Bei Fortsetzung der zweiten Beratung der Handelsverträge mit Spanien und Serbien erörterte Abg. Bürklin (uat.-lib.) die Frage, ob die vorliegenden Verträge dem süddeutschen Wein bau förderlich sein würden. Der heimische Rotwein bau werde sicher zurückgehen, da die Ernte von 1891 und 1892 kaum noch zu verkaufen sei. Wenn er gleichwohl für die betreffende Position stimme, so ge schehe es, weil der spanische Verschniltwein stärker fei als der italienische und man weniger von jenem gebrauchen werde. — Staatsminister v. Bötticher bemerkte, daß wir nach den bisherigen Erfahrungen keinen Grund hätten, die Herabsetzung des italieni schen Weinzolles zu bedauern. — Abg.Frhr. v. Man- teusfel hob zur Rechtfertigung seines jetzigen ab lehnenden Votums hervor, daß 1892 für die Han delsverträge mit Oesterreich re. einmal politische Ge sichtspunkte und dann die damaligen hohen Getreide preise hätten bestimmend sein müssen. Die gestrige Abstimmung würde die agrarische Bewegung neu be leben. — Reichskanzler Graf v. Caprivi: Die agrarische Bewegung an sich billige ich; aber die Agitation des Bundes der Landwirte geht über die Grenzen hinaus, die ihr das Gesamtwohl des Staates stecken sollten. Dieses Ueberschreiten der Grenzen ist nicht konservativ. Ich würde gern mit Konservativen gehen; leisten Sie mir keine Hilfe, nehme ich sie anderswo. Die Währungsfrage scheint die letzte Patrone der Agrarier zu sein. Die Währungsfrage ist eine äußerst schwierige, und die Notwendigkeit der Ein führung der Doppelwährung ist mir nicht dargelegt worden. Ich bitte die Herren rechts, in ihren An griffen gegen mich auch in dieser Frage vorsichtiger zu fein. — Abg. Schultz-Lupitz (Reichsv.) wen det sich gegen die Behauptung v. Manteuffels, daß dieser 99 Prozent der deutschen Landwirte hinter sich habe, und gegen die Agitation des Bundes der Land wirte. — Abg. Frhr. Heyl zu Herrnsheim (nat.-lib.): Auch die Nationalliberalen treten für die Interessen der Landwirtschaft ein. Dies hindert uns aber nicht, sür den Vertrag mit Spanien zu stimmen, welcher von der deutschen Industrie mit Freuden begrüßt wird. — Abg. Frhr. v. Stumm (Reichsp.): In bezug auf Spanien kann ich Herrn v. Manteuffel nicht recht geben. Die Landwirtschaft wird durch den Vertrag nicht geschädigt. Auch unser Weinbau leidet durch den Import spanischer Vcr- schnittweine nicht, während der Industrie jedoch wesentliche Vorteile aus dem Vertrag mit Spanien erwachsen werden. — Abg. Rickert (freis. Vgg.): Wir wollen mit allen Staaten in Freundschaft leben; dieser politische Grund schon stimmt uns dem Ver trage günstig. Mit den Herren rechts ist nicht zu paktieren. Sie fördern die Zwecke der Sozialdemo kratie. Eine starke Regierung braucht keine Angst vor diesen Herren rechts zu haben.— Abg. Kropat scheck (kons.): Wenn selbst der spanische Vertrag weit günstiger wäre, ich würde ihn doch nicht an^ nehmen, weil ich die Handelsvertragspolitik über haupt verwerfe. Ein Handelsvertrag zieht den andern nach sich; auf folgt 8. — Abg. Lieber (Zentr.): Wir betrachten jeden Vertrag für sich, ohne ein Präjudiz für einen folgenden zu schaffen. Dem spanischen Vertrage stehen Bedenken nur auf feiten der Weininteresscnten entgegen; doch sind sie, wie Herr Bürklin ja zugegeben, nicht schwerwiegend. Nichts destoweniger möge die Regierung den Winzcrvcreinen die größtmöglichste Berücksichtigung widmen. — Abg. Graf Limburg-Stirum (kons.) wendet sich gegen die Ausführungen des Reichskanzlers in Sachen der Währungsfrage. Der Bauer verstehe mehr von der Währungsfrage, als man vermute. Er (Redner) könne der Autorität des Regierungstisches nicht mehr unbedingt solgcn. Darauf wird die Diskussion ge schlossen. Es folgen persönliche Bemerkungen. Der Handelsvertrag mit Spanien wird darauf in zweiter Lesung gegen die Stimmen der Teutschkonservativen und einige der Rcichspartei angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Handelsvertrags mit Serbien. Derselbe wird gegen die Stimmen der Konservativen angenommen. Das Uebereinkommcn mit Serbien betr. gegenseitigen Muster- und Markenschutz wird in dritter Lesung genehmigt. Darauf vertagt sich das Haus Auf der Tagesordnung vom Freitag stand die dritte Lesung der Handelsverträge mit Spanien, Rumänien und Serbien. Abg. Gras Kanitz - Podangcn (kons.) beantragt, die drei Verträge dahin abzuändern, daß ihre Gültigkeit sich (statt bis zum 31. Dezember 1903) nur bis zum 31. Dezem ber 1894 erstreckt. Als erster Redner erhielt Abg. Graf v. Bismarck-Schönhausen das Wort. Derselbe betonte besonders, daß die Besorgnis vor einer Durchbrechung unseres zollpolitischen Ausbaues von 1879/80 zu der scharfen Opposition gegen die vorliegenden Verträge nötige; bei den Schaden, den die Landwirtschaft durch dicHandelsverträge erleide, komme cs auf die einzelnen Grundbesitzer weniger, als auf die Entwertung des Grund und Bodens und den Ver lust des Nationalvermögens an. Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage sei nach allgemeinem Urteil sehr schlecht; und es sei doch sehr die Frage, ob sie ohne die Handelsverträge van 1892 nicht wenigstens ebenso gutwäre, als heute. Redner legt seine Bedenken gegen die lange Dauer der Verträge dar und empfiehlt den Antrag des Grafen Kanitz-Podangen, dieselben nur bis zum 31. Dezember 1894, also auf ein Jahr zu bewilligen. Wenn heute ein Appell an die Wähler erfolgte, würden noch mehr Agrarier gewählt werden, als jetzt im Reichstage seien. Daß das Ansehen des Deutschen Reichs durch Ablehnung eines Handels vertrages mit Rumänien leiden könnte, sei nicht zu- zugebcn. — Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Frhr. v. Marschall, will auf die Eventualität einer Auflösung nicht eingehen, da er üsterzcugt ist, daß derselbe die drei Verträge auch heute annehmen werde: womit er allerdings dem Ansehen des Reichs wie des Reichstages am besten diene. Ein Einbruch in das Zollsystem von 1879/80 liege den verbündeten Regierungen vollständig fern. Die Ver träge nur auf ein Jahr abzuschließcn, wäre ein ab sonderliches Verlangen; wäre doch gerade die Stabi- jität der Zweck der Verträge überhaupt. — Abg. Beckh (frs. Vp.) sucht nachzuwciscu, daß Abg. Graf v. Bismarck-Schönhausen keine Momente beigcbracht, die gegen die Verträge geltend zu machen seien. — Abg. Gras Kanitz-Podangen (kons.) ging im Verlaufe seiner gegen die Verträge gerichteten Aus führungen besonders aus seinen Antrag ein, die Ver träge nur aus ein Jahr abzuschließcn und zwar so, daß dieselben nach Ablauf des Jahres stillschwei gend fortdauern, wenn keine rechtzeitige Kündigung erfolgt ist. — Abg. v. Kardorff (kons.) trat beson ders der Erklärung des Reichskanzlers entgegen, daß er nnd der Reichstag im allgemeinen in den land wirtschaftlichen Dingen nicht kompetent seien, daß dieselben vielmehr vor die Einzellandtage gehören. Redner bestreitet ferner, daß er den Bimctallismus demagogisch verwerte. Die agrarische Agitation sei wesentlich hervorgerufen durch die Reden, welche der Herr Reichskanzler hier im Reichstage gehalten. — Abg. Schippel (soz.) erklärt sich gegen den Antrag des Abg. Grafen Kanitz, sowie gegen den zweiten Teil der von der Kommission vorgeschlagcnen Re solution betr. die Erlangung einer sür die Kultur staaten gemeinsamen Regelung des Währungssystems, des Börsenwesens und der Arbeiterschutzgesctzgcbung — Nachdem Abg. Graf zuJnn- und Knipp- Hausen seine Abstimmung gegen den rumänischen Handelsvertrag motiviert, ging Abg. Richter (fff- Vp.) in eine Polemik gegen den Grafen Bismarck ein, kritisierte die Stellung der konservativen Partei zu den Handelsverträgen und schloß dann mit den Worten: Wir müssen uns zusammen- schlicßen zu einer großen Ordnuugspartei und den Handelsverträgen zur Annahme verhelfen. — Abg. Klose (Zentr.) erklärt sich gegen den Vertrag mit Rumänien, weil er die Landwirtschaft schädige. — Darauf wird die Diskussion geschlossen. — Es folgen persönliche Bemerkungen. — Spezialdiskussion über den spanischen Vertrag findet nicht statt. Der spanische Vertrag wird in seinen einzelnen Artikeln und im ganzen angenommen. — Der Antrag Graf Kanitz wird abgelehnt, worauf derselbe den M die beiden anderen Verträge gleichlautenden Antrag zurückzieht. — Darauf wird der rumänische Vertrag angenommen, ebenso der serbische. — Die Beratung der Resolution wird von der Tagesordnung abge- setzt. — Darauf vertagt sich das Haus. — Nächste Sitzung Dienstag, den 9. Januar 1894. Don Uah und Fern. Geschenk des Kaisers. Der Kaiser hat dem Grenzaufseher Streichhan in Tönning aus seiner Schatulle ein Gnadengeschenk von 250 M dafür bewilligt, daß er s. Z. bei dienstlicher Revision der englischen Lustjacht „Insekt" den ersten Verdacht gegen die französischen Spione erhob und zur schließlichen Ergreifung derselben mitgewirkt hat. In Schneidemühl untersuchte am Mittwoch der Brunnenmacher Beyer den Frenndschcn Sand hügel und fand, wie das .Schneidcm. Tgbl.' mit teilt, daß der Sandhügel bis 1'/. Bieter über Straßenhöhe voll Wasser stand. Das aus fließende Wasser sickert neben dem Hügel in den aufgebrochcnen Bcden, von dem das Straßen pflaster und Mauerwerk entfernt ist, und bewirkt das Höhersteigen des Grundwassers. Durch ein Krr sanfte Heinrich. Lj «Fortsetzung.) „Nasch, Heinz!" schrie Bodo atemlos dabei. „Wir warten schon auf dich, du weißt doch, heute geht's gegen die Franzosen, der Evert macht sich schon mauiig; er sagt, wir sollen uns sputen, damit wir unsere Prügel bekommen. Aber erst wird noch Paradies gespielt, wer zuerst raus ist, wird General." Heinz' Mutter sah auf den ungestümen Dränger, dann auf die dünne Sohle des kleinen Stiesels, dec auf ihrer Hand balanzierte, und sagte ärgerlich: „Das „Guten Tag" hast du wohl unten ge lassen, Bodo? Du kannst übrigens gleich „Adieu" sagen; meint HZ rich kommt nicht mit, mein Heinrich soll solche gefährlichen Spiele nicht mit spielen, mein Heinrich ist viel — viel zu sanft dazu!" Welch ein Glück, daß die Götter die bekannte Binde um unsere Augen gelegt! Hätte die junge Witwe nur ein wenig vo; der unglücklichen trojanischen Königstocher gehabt, auch nur im entfer testen ahnen können, was sie soeben mit dem einen kleinen Wort heraufbeschworen, wer weiß, ob sie sich dann, gleich nachdem Bodo die Treppe hinabgepoltert, wie das gute Gewissen selbst vor ihren Toilettenspiegel gesetzt hätte, nm, seelenruhig wie alle Tage, die beiden fast un möglich fest geflochtenen Zövsche, die verschämt zu beiden Seiten ihrer Morgenhaube ycrvor- lugtcn, in üppige, stolz gewellte Scheitel zu ver- wandUu S Wcr vezweMu das sehr, ebenso, daß sie eine Stunde später, ihren arg verweinten Jungen au der Hand, gerade den Weg über den Hofplatz gewühlt hätte, um einen nötigen Aus gang zu besorgen. Aber sie war eben keine Kassandra, wie wir bereits zu bemerken Gelegenheit hatten. Auf dem ziemlich geräumigen Hofe schwang eben die Kriegsfurie ihre Fackel, aber nach dem durchd.ingenoen Geschrei, welches die Luft er füllte, nicht über Krieger zivilisierter Staaten, sondern über wilde Jndianerhorden. Heinrichs Mutter gratulierte sich eben innerlich zu ihrer Konsequenz; was ihre schaudernden Augen da sahen, rannte ja ihr ga zes Sparsystem über den Haufen — einem der Kämpfenden war der halbe Jackenschoß abgerissen, ein anderer trug den Rand seines Strohhutes als ungcheuerlichcn Kragen um den Hals — als plötzlich tiefe Stille im Schlachten getümmel eintrat. Aus Respekt vor ihrem Er scheinen, wie sie erst auzunehmen geneigt war, geschah das aber sicherlich nicht, denn alle Köpfe fuhren herum, alle Gesichter verzogen sich zum Lachen, und nun rief eine grelle Knabenstimme: „Da ist ja der sanfte Heinrich!" „Sanfter Heinrich! Sanfter Heinrich!" kam ein vielstimmiges, höhnendes Echo. Heinz war mit gesenktem Kopfe einherge schritten — was sollte die rohe Welt die Männer- thräne in seinem Auge bemerken? — nun fuhr ec auf, stürzte vorwärts und — im nächsten Augenblick wälzte er sich, mit Bodo „zum scheuß lichen Klumpen geoallt," im Staub des Hofes. Wer weiß, wie lange der Zweikampf gedauert, wenn die entsetzte Mutter sich nicht mutig auf Lie Kämpfenden gestürzt und — der Walküren eine — ihren jungen Helden auf beiden Armen aus der Schlacht getragen hätte. Als sie ihm den Staub, und zwar recht fühl bar, abklopfte, ihn dabei befühlend, ob seine Gliedmaßen in gewünschter Ordnung, fiel ihr aufschauender Blick auf Meinhardt Söhne und Comp., welche, ein vierjähriges, kleines Töchter chen an der Haid, Zeuge des Duells gewesen. Meinhardt Söhne und Comp. war für Frau Dr. Berger eine — die wohlangefehene Firma besta d nämlich nur aus einem Haupte — hoch wichtige Persönlichkeit. Nicht nur, weil er ihr Hauswirt war, also schon an und für sich eine achtunggebietende Erscheinung, er war auch ihres Heinrich Vormund. Und gerade er mußte den Unglücksjungen in so wenig vorteilhafter Situa tion erblicken. Entsetzlich I Exmission, Entziehnng jeglicher Teilnahme, schreckliche Folgen für Heinz' ganzes Leben, Verachtung, Schande, das alles führte einen wahren Hexenreigen im Hirn der armen Frau auf, und erschreckt fuhr sie zu sammen, als dröhnendes Lachen an ihr Ohr schlug. Wer lacht da? Wer konnte lachen, jetzt lachen, wo ihres einzigen Kindes Geschick den ersten unheilvollen Stoß auf abschüssiger Bahn erhielt? Sie erhob vorwurfsvoll den Blick. Da stand Meinhardt Söhne und Comp. und hielt sich die Seiten vor Lachen, dazwischen kaum ver ständlich rufend: „Bravo, Heinz, so war'S recht! Wie Ziethen aus dem Busch! Nicht lang gefackelt, den Feind geworfen, basta! Gib ihm ein Patschhändchen, Anny; 's ist ein famoser Kerl, der Heinz!" Das kleine, weißgekleidete Mädchen hielt ge horsam seine winzigen Fingercheu hin, dann that es noch ein übriges, eS reckte sich auf den Fuß spitzen und reichte dem Belobten das rosige Mündchen zum Kusse. Aber vergebens, der Liebe Müh' war umsonst. Heinz sah die Kleine ver-: ächtlich von der Seite an und sagte unwirsch: „Ach was, Mädchen küß' ich nicht!" Der Buchhändler lachte, daß ihm die Thronen in die Augen traten. „Famoser Bengel! Haben Sie gehört, Frau Doktor, küßt keine Mädchen! „Na, werden nach zehn Jahren oder so herum wieder mal anfragen. Was meinen Sie, ob er da noch so antwortet?" Ec wandte sich zum Gehen. „Na, Gott be fohlen, Fran Doktor! Wann lassen Sie sich endlich mal bei meiner Frau sehen? Kommen Sie bald und bringen Sie den kleinen Weiber feind da mit." Er war schon ein paar Schritte gegangen,^ als er sich noch einmal umdrehte. „Wirklich ein famoser Bengel, Frau Doktor! Den können Sie- mir mal ins Geschäft geben!" Wunderbar waltet das Fatum. Lange Jahre läßt es vergehen, ohne am Gleichmaß der Lage auch nur im geringsten zu rütteln; wie Perlen zu einer Schnur fügt es einen Tag zum andern, da plötzlich kommt ein Tag, eine Stunde, in der die Ereignisse sich drängen, sich überstürzen, glei« der künstlich zurückgehaltenen Flut, die machtvo ihren Damm zerbricht. Diese eben geschilderte VormittagSstnnde a dem weiten, sonnenbeschienenen Hofcaum ist e solche; streiche sie dick an im Kalender bei Lebens, Heinrich, alias Heinz Berger, sie b, Wichtiges sür dich in ihrem Schoße: lle v", dir einen Namen, den du nie mehr abjwu
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