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Allgemeiner Anzeiger : 24.02.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189402243
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18940224
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-02
- Tag 1894-02-24
-
Monat
1894-02
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.02.1894
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Polittsche Rundschau. Deutschland. * Der Gegenbesuch, den der Kais er am Montag dem Fürsten Bismarck in Friedrichsruh machte, vollzog sich in den denkbar einfachsten Formen, trug aber trotzdem den Charakter der Herzlichkeit. Ebensowenig, wie sich an den Besuch des Alt-Reichskanzlers in Berlin greifbare politische Folgen knüpften, wird dies bei dem diesmaligen Zusammentreffen der Fall sein. *Die Besserung im Befinden des Königs Albert von Sachsen ist derartig fortge schritten, daß der Monarch täglich Besuche seiner Familienmitglieder empfängt und Vorträge der Minister entgegennimmt. * Der .Reichsanzeiger' gibt den e r u n - glückten in Kiel folgende Ehrenerklärung ins zu frühe Grab: „Die vom Reichs-Marineamt eingeleitete technische Ermittelung der Ursache des Unglücks auf S. Di. S. „Brandenburg" hat zunächst als sicher ergeben, daß das Personal des Schiffes und der kaiserlichen Werft in jeg licher Beziehung seine Schuldigkeit gethan hat. Maschine und. ^Kessel sind sachgemäß^bedient worden. * Ein neues Ueberein kommen ist am 10. Februar zwischen dem Deutschen Reich und Rußland abgeschlossen worden, wonach jedes der beiden Länder auf Verlangen diejenigen seiner früheren Angehörigen wieder übernimmt, die ihre Staatsangehörigkeit durch Abwesen heit oder aus anderen Gründen verloren, eine neue Staatsangehörigkeit aber nicht erworben haben. Das Abkommen ist bereits dem Bundes rat zugegangen. Die verbündeten Regierungen hatten sich im Prinzip schon vorher für ein solches Abkommen erklärt. * Der Bundesrat hat nunmehr auch die Ein gaben um Rücker st attung des erhöhten Zolles für Waren, die vor Eintritt des Zollkrieges in Rußland abgeschlossen sind, dahin entschieden, daß das Preuß. Finanz- Ministerium die erhöhten Zollsätze zurückerstatten soll. Bezügliche Verfügungen sind bereits erlassen. *Der Handelsvertrag mit Ruß land hat am Montag die Zustimmung des Bundesrats erhalten und ist dann sofort dem Reichstag zugegangen. Die Annahme des Ver trages im Bundesrat ist einstimmig erfolgt. Die Absicht, gleichzeitig auch den Gesetzentwurf betr. die Aufhebung des Identitäts-Nachweises fertig zu stellen, ist unausführbar geworden, nachdem Abänderungs-Anträge gestellt sind, die erneute Einholung von Jnstrukttonen erfordern. * Die Konservativen werden, wie es heißt, zum russischen Handelsvertrag den An ttag auf zweijährige Gültigkeit ein bringen. * Der Hauptmann Morgen, der die aus der Wißmannschen Expedition entlassenen Sudanesen für Kamerum anwerben soll, be findet sich noch in Aegypten, da die Angelegen heit noch nicht abgeschlossen ist. Er wird im nächsten Monat die Reise durch das Mittelmeer nach Westafrika antteten. Oesterreich-Ungarn. * In Wien hat am Montag der große A n - archisten-Prozeß gegen Hahnel, Haspel und Genossen begonnen. Angeklagt sind vier zehn Personen, sämtlich Handwerksgehilfen. Die Anklage lautet auf das Verbrechen des Hoch verrats bei 13, auf das Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz bei 12 und auf Verleitung zur Desertion, Verletzung der angelobten Treue der zum Kriegsdienste verpflichteten Personen und Aufruf zum Bürgerkriege bei 7, auf das Ver gehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung bei 3. Vorgeladen sind 21 Zeugen. *Das ungarische Ehegesetz scheint nun doch eine feste Mehrheit zu haben. Die Unabhängigkeits- und Achtundvierziger-Partei beschloß mit 46 gegen 12 Stimmen, die Ehe rechtsvorlage als Grundlage für die Spezial debatte anzunehmen, ohne allerdings hierdurch der Regierung das Vertrauen zu votieren. Die gegen die Eherechtsvorlage stimmenden Partei mitglieder sollen nicht gebunden sein, aus dem Parteiverbande auszutreten. Das ist zwar noch keine bestimmte Zusage, kann aber doch als eine voraussichtlich hinreichende Verstärkung der Regie rungspartei angesehen werden. — In der Kon ferenz der liberalen Partei wurde das Ehegesetz im allgemeinen angenommen. Frankreich. * lieber das Pariser Bombenatten tat ist die Untersuchung jetzt abgeschlossen. Henry gestand, daß sein Attentat in einer ursprünglich in London, später in Brüssel abgehaltenen ge heimen Versammlung von Anarchisten beschlossen wurde. Er ward durch das Los zur Ausführung bestimmt, vier andere Anarchisten sollten ihm bei der Flucht behilflich sein. Neber die Namen der Teilnehmer an jenen Versammlungen, sowie der vier Gehilfen verweigert er jede Auskunft. In der Wohnung Henrys wurden in einem Versteck 3000 Frank Banknoten gefunden. * Einer Depesche des Gouverneurs des französischen Sudans zufolge trägt ein einge borener Häuptling die Schuld an dem englisch franz ö s i s ch e n Z w i s ch e n f a l l beiWarina. Der Häuptling täuschte die beiderseitigen Truppen, indem er jeder der beiden Parteien die andere als Sofas bezeichnete. *Die Franzosen haben im Sudan wieder eine „zivilisatorische" That vollbracht. Die von Joffre geführte Truppeu-Abteiluug hat am 23. v. die Ortschaft Niafouiue, deren Hal tung eine feindliche war, bombardiert; etwa hundert Einwohner sind getötet worden. Als dann setzte Joffre seinen Marsch auf Timbuktu fort, wo er am 28. v. eintreffen sollte. England. * lieber das Befinden Gladstones hat die ,Westminster Gazette^ die Sensations meldung verbreitet, Gladstone habe vollständig den Gebrauch eines Auges durch Star ver loren, und auf dem andern Auge habe die Starbildung begonnen. Diese Meldung wird jedoch bereits heute von dem Privatsekretär Gladstones offiziell dementiert. Auch andere Meldungen über eine neuerliche Kabinettskrisis finden keine Bestätigung. Balkanstaaten. * Der ,Agence Balcanique' zufolge wird in den maßgebenden Kreisen von Sofia auf das bestimmteste versichert, daß die Meldung von Vorschlägen, welche die rumänische Regie rung betreffs eines Bündnisses mit Bul garien gemacht hätte, vollkommen unbegründet sind. Ebenso unrichtig sei, daß der Kriegsmini ster eingeladen worden sei, mit dem Generalstabe die rumänischen Befestigungswerke zu besichtigen. *Die von Bulgarien ausgeschriebene Lieferung von 3 Millionen Frank neuer Gold münzen und 12 Millionen Frank neuer Silber münzen wurde der „Ungarischen Bank für Handel und Industrie" in Budapest, deren Angebot als bestes befunden wurde, zugesprochen. Die ge nannte Bank liefert die Goldmünzen zu 100,55 Frank pro 100 Frank Gold und die Silbcrmünzen zu 45,97 Frank pro 100 Frank Silber. (Dieser Preis zeigt so recht deutlich die kolossale Ent wertung des Silbers.) * Vor dem Kassationshofe inSofia begann am Dienstag die Revision im Prozesse des Metropoliten Clement, der gegen das Urteil des Appellgerichtshofes in Tirnowo Be rufung eingelegt hat. Clement wird selbst nicht anwesend sein; fünf Anwälte, damnter die früheren Minister Stoilow, Radoslawow und Tontschew, werden die Verteidigung führen. Amerika. *Aus Brasilien liegen folgende Nach richten vor: Alle ausländischen Megsschiffe mit Ausnahme des amerikanischen Kreuzers „San Francisco" haben die Bucht von Rio verlassen, um die Mannschaften vor dem gelben Fi e - ber zu bewahren. Das Geschwader der Auf ständischen soll die Beschießung von Rio de Janeiro eingestellt haben; die Bevölkerung bitte um Frieden. — 5000 aus dem Süden kommende Aufständische sollen in den Staat Sao Paulo eingcdrungen sein. Deutscher Reichstag. Auf der Tagesordnung der Montag-Sitzung steht die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. den Wer liebte ihn mehr? H t8onsetzuug.t S. Dit Beerdigung war vorüber, Alfred Graf Ryeburn ruhte neben seinen Vorfahren in der alten Familiengruft. Aach Lord Gordon gab seinem Freunde die letzte Ehre. ES war kein passender Tag, um von der Heirat zu reden, und Klaras Name wurde garnicht genannt, aber der Lord behan delte Viktor ganz, als ob er ihn schon als Sohn ansähe. Wenn alles vorüber und geordnet war, wollte dieser mit seiner Mutter sprechen, mochte sie sein Geständnis aufnehmen, wie sie wollte; er durfte um Carmens willen nicht länger schweigen. Ei ige Tage nach der Beerdigung trat er in daS Zimmer der Gräfin, sie lehnte am offenen Fenster in ih-er tiefen Witwcntrauer, Thränen flossen über ihre bleichen Wangen. Zum ersten Mal wurde ihm recht klar, daß er jetzt ihr einziger Hall und ihre Stütze sei, und tief gerührt schloß er sie in die Arme. „Viktor," sagte sie, „dir danke ich eS, daß mein Schmerz und Kummer nicht noch größer ist! Wenn ich Lanccdene hätte verlasse ! müssen, wäre mein Herz gebrochen; es gibt wohl keine zweite Mutter, die ihrem Kinde so viel Dank schuldet, wie ich dir." Und als er reden ihr stand und in den Park hinm tcr sah, ans die Bäume, die so lange seinen Vorvätern Lchntun gc penpet halten, da empfand er voll das unendliche Weh, sich von dem alten Besitz trennen zu müssen. „Mutter," rief er aus, „gibt es kein Mittel, um La cedene zu retten?" „Ja, ein ganz sicheres; deine Heirat, und du hast versprochen, es zu ergreifen." „Kein anderes? Cs scheint mir schmachvoll, ein Mädchen nur des Geldes wegen zu hei raten." „Wenn das Mädchen selbst es wünscht, sehe ich nichts Niedriges darin; ach, Viktor, du wirst anders denken, wenn du Lady Klara erst kennst, ich habe sie so sehr lieb gewonnen." Lord Ryeborn zuckte unwillig die Schultern, aber der trostlose Blick seiner Mutter ließ ihn noch schweigen. „Gibt eS wirklich keinen andern Ausweg?" fragte er. „Ich wüßte keinen. Ist die Hypothek nächstes Jahr nicht gedeckt, so wird Laucedene verkauft." Nächstes Jahr! ES war schon viel wert, daß er noch Zeit vor sich hatte; ein Jahr konnte viel ändern, in dem Zeitraum hatte mancher schon ein Vermögen erworben. „Ich möchte wohl wissen," fuhr er nach einer Pause fort, „ob aus den Werken wirklich nichts mehr zu retten ist; ich beabsichtige hinzureisen und mich selbst zu überzeugen, wie die Sachen eigentlich stehen." Tie Gräfin versprach sich wenig Erfolg von der Reise, aber sie war froh, daß ihr Sohn sich für die Sache interessierte, er war so teil nahmslos und sie fürchtete ost, daß irgend ein Kummer aus ihm lastet?. „Eins «uß ich dir noch mitteilen, Viktor, Schutz der Brieftauben und den Brief taubenverkehr im Kriege. Abg. Müller- Sagan (frs. Vp.) ist mit der Tendenz der Vorlage einverstanden, hält aber doch gewisser Erwägungen wegen die Beratung in einer Kommission für ange zeigt. — Abg. Gröber (Zentr.) hat einige Be denken gegen den Z 2. Der Antrag aus kommissarische Beratung der Vorlage wird abgclchnt; die Weiter beratung wird also im Plenum stattfinden. — Bei der darauf fortgesetzten zweiten Beratung des Kolonialctats kommt zunächst das Schutzgebiet von Kamerum zur Verhandlung. Die Kommission beantragt, die in der Vorlage in Einnahmen und Ausgaben geforderten 610 000 Mk. unverändert zu bewilligen. — Abg. Graf Arnim macht für die qu. Vorgänge in Kamerun in erster Linie nicht den Kanzler Leist, sondern dessen Amtsvorgänger verantwortlich, und übt an unserer Kolonial politik nach verschiedenen Richtungen Kritik. — Reichskanzler Graf v. Caprivi betonte dem Vorredner gegenüber besonders, daß die Re gierung mit Sorgfalt uud Schnelligkeit alles ange ordnet habe, um über die Vorgänge in Kamerun die nötige zuverlässige Aufklärung zu erlangen. Das abfällige Urteil des Vorredners über den Gouver neur Zimmerer vermöge er nicht zu teilen; auch sei es nicht richtig, daß der Hauptmann Morgen bie Mission habe, den Herrn Zimmerer zu kontrollieren. Hauptmann Morgen habe den Auftrag, in Aegypten Sudanesen zu werben und die Schutztruppe zu or ganisieren. Uebrigens hätte er (der Reichskanzler) neulich dem Major v. Wißmann keine Vorwürfe ge macht; er erkenne dessen Verdienste vollständig an. — Abg. Hasse (nat.-lib.) meinte, daß bei dem Ab kommen mit England und Frankreich über das Hinterland die Grundauffassuug des Reichskanzlers hervortrete, wonach der afrikanische Besitz für uns eine Last sei. Die französischen und englischen Kollegen des Rcichskanzlrs suchten im Gegensatz dazu so viel von Afrika zu erlangen, als irgend möglich. Unsere sämtlichen bezüglichen Verträge seien thatsäch- lich als Rückgänge zu bezeichnen. — Abg. Beckh (freis. Vp.) kritisiert in abfälliger Weise die Ver waltung von Kamerun, meint, daß bei dem Ab kommen über das Hinterland von Kamerun wir von Frankreich übervorteilt seien, und geht daun bei Schluß des Berichts auf die im Sommer 1893 statt gehabte Ermordung des bayrischen Premierleutnants v. Volckamer in Balinga in ausführlicher Weise ein. — Direktor der Kolonial-Abteiluug Kayser: Mit dem deutsch-französischen Abkommen wirb Deutsch land sehr wohl zufrieden sein können. Redner nimmt den früheren Kanzler von Kamerun, Zimmerer, gegen den Vorwurf in Schutz, den Tod Polckamers ver schuldet zu haben. — Abg. Bebel (soz.) wendet sich gegen die Elefantenjagden, deren Ucberhandnehmen im Laufe von 20 Jahren dem Elfenbeinhandel ein Ende bereiten würden. Gegen die Fortschritte Frank reichs in Afrika solle man nichts einwenden; je mehr sich Frankreich bort engagiere, desto mehr würbe Deutschland Ruhe vor Frankreich in Europa haben. Mit der Vorführung der Flußpfcrdpeitschen wollten wir keinen Scherz machen, sondern nur eines Ihrer Külturmittel zeigen. Gegen die Firma Wölber und Brohm werden schwere Anklagen erhoben wegen des Sklavenkaufes unb zwar mit Recht. Man sagt, das deutsche Strafgesetzbuch könne man gegen die Firma Wölber und Brohm und ihren Kapitän in diesem Falle nicht anwendcn; aber das noch zu Recht be stehende Hamburger Strafgesetz, das Sklavenhandel mit Zuchthaus bedroht, könnte man hier sehr wohl iu Anwendung bringen. In der Sitzung vom Dienstag wird die Beratung des Kolonialetats, und zwar zunächst die jenige des Etats für Kamerun, fortgesetzt. Abg. Lieber (Ztr.) führte aus, daß cs sich bei Kamerun diesmal im wesentlichen um zwei große Beschwerden handle: die Durchpeitschung der Dahomeyerinnen und bcn Sklavenhandel des Agenten einer deutschen Firma von Dahomey noch dem Congo. Dem Reichskanzler gebe er barin recht, daß man das Resultat der Unter suchung in Kamerun abwarten solle. Und voraus gesetzt, daß die Thatsachen richtig dargestellt seien, müßte er das schärfste Urteil darüber aussprechen und erklären, daß dadurch das Ansehen Deutschlands durchaus herabgesetzt werden müsse. Was den zweiten Punkt, den Sklavenhandel betreffe, bemerke er, daß seine Freunde gegen das Amendement Ehm zu der von der Kommission vorgeschlagenen Resolution, auch das Sklavcnhaltcn unter Strafe zu stellen, stimmen müßten, weil die Absicht zu klar zu tage gelegen, hierdurch die Resolution zu Fall zu bringen. — Abg. Schall (kons.) meint, die Vorgänge in Kamerun seien über Gebühr aufgebauscht worden. Er freue sich, daß die Regierung den Missionen ihren Schutz angedeihen lassen wolle und er hoffe, das werde nicht nur für die katholischen, sondern auch für die evangelischen gelten. Die von den Sozial demokraten auf den Tisch des Hauses gelegten Peitschen würden dieselben wohl als Modell für die Zukunft aufbcwahren, denn der sozialdemokratische Zukunftsstaat sei doch nur ein Sklavereizustand. — Der Dirigent der Kolonialabteilung Kayser will darüber keinen Zweifel lassen, daß unter der vom Abg. Lieber erwähnten Voraussetzung eine strenge Ahndung stattfindcn werde. Tie Reichs regierung verdamme aber niemand ungehört. Die Untersuchung sei ja gegen den Kanzler Leist im Gange. Was die Frage des Sklavenhandels be treffe, so verstehe sich ganz von selbst, daß ein Deutscher in unseren Kolonien keine Sklaven halten dürfe. Nach allen der Regierung zugegangenen amt lichen Berichten wäre es aber eine reine Unmöglich- j keit, mit einem Schlage all und jede Hausjklavcrei aufzuheben. Ein vom Abg. Bebel erwähnter Fall in Liberia liege ebenfalls sehr einfach und sei über- - trieben dargestcllt worden. Auch iu dem Falle Wölber u. Brohm treffe die Reichsregierung keine Schuld. — Abgeordneter Graf Arnim (freik.), bedauert namentlich, daß bisher per Kabel kein genauer Bericht über die Art und Weise der an den Dahomey-Weibern vollzogenen Exekution hierher ge langt sei. Das Eintreten des Herrn Reichskanzlers sür seine Beamten berühre gewiß wohlthuend; aber bei dem Kanzler Leist liege doch mehr als ein Be denken vor, ob er seiner Stellung gewachsen sei. Die Meuterei hätte bei einiger Umsicht wohl vorausge sehen werden können. — Reichskanzler Graf v. Caprivi: Er halte es doch für gewagt, ans einzelnen Vorkommnissen auf allgemeine Mißstände schließen m wollen. Und wenn Abg. Graf v. Arnim cs für seine Pflicht erachte, hier Beschwerden vorzubringen, so halte er seinerseits es dagegen für die Pflicht der Regierung, auf solche Dinge erst dann emzugehcn, wenn sie erwiesen find. — Abg. Beckh (fr. Vp.) kommt nochmals ausführlich auf die Ermordung des Premierleutnants v. Volckammcr zurück. — Abg. Bebel (soz.) sucht die gegen ihn von den Abgeord neten Lieber und Schall gemachten Ausführungen zu widerlegen und veranlaßte dadurch sowoht den Abg. Schall wie den Abg. Lieber zu längerer Entgegnung. Darauf wird der Etat für Kamerun genehmigt. Der Etat für Togo veranlaßte keine Debatte; da gegen führte der Etat für das südwestafrikanische Schutzgebiet zu längerer Debatte, hei welcher es sich hauptsächlich um die Beurteilung der Maßnahmen des Majors v. Franeois und das Verhalten des Häuptlings Witboi handelt. Der Etat für das west afrikanische Schutzgebiet, das Etatsgesetz und die ständigen, ans die Kolonien bezüglichen Teile des Auswärtigen Amts wurden darauf genehmigt. Pr-uhlschrr Landtag. In der Dienstagssitzung des Abgeordnetenhauses kam der Gesetzentwurf betr. die Aufsuchung und Ge winnung der Kali- und Magnesiasalze zur ersten Bc- ratuug. Handelsminister v. Berlepsch bemerkte, daß es sich bei dieser Vorlage darum handle, unserer Landwirtschaft die Vorräte unserer Düugersalze zu gänglich zu machen. Tie vorhandenen Bodenschätze sollen gegen die unwirtschaftliche Ausnutzung der Privatindustrie geschützt und namentlich soll es ver hindert werden, daß durch unrationellen Betrieb die Werke durch Eindringen von Wasser gefährdet wür den. Die Vorlage wurde an eine Kommission ver wiesen. Uon Uah und Fern. Liebknecht jun. als Friedrich d. Gr. In der Budgetkommission des Reichstages hatte bei der Beratung des Militär-Ektrts der Abg. Bebel erwähnt, daß bei einer Vorstellung zur Feier des kaiserlichen Geburtstages ein „wasch echter" Sozialdemokrat die Rolle Friedrichs des Großen gespielt habe. Wie die ,Voltszlg/ hört, hat diesen Monarchen einer der Söhne des alten Liebknecht verkörpert, der, wie sein Bruder, bei einem Garde-Regiment in Berlin sein Frei willigenjahr abdient und für die Durchführung seiner Aufgabe von seinem Hauptmann „beglück wünscht" worden ist. Dieses vorübergehende Avancement dürfte aber wohl das einzige sein, daß der junge Jurist — er hat im vorigen Jahre seine Referendariats-Prüfung abgelegt — in seiner militärischen Karriere erlangen wird. Ein schwerer Unglücksfall hat sich auf den Schießständen bei Wittenberg ereignet. Ein Musketier des Infanterie - Regiments Graf Tauentzien wurde beim Schießen nach der Scheibe durch vorzeitiges Entladen des Gewehrs eines Kameraden in dem Augenblick getötet, als er nach Abgabe seines Schusses von dem Schieß standplatz zurücktteten und der nächste Schütze diesen Platz zum Abgeben seines Schusses ein nehmen wollte. In diesem Augenblick soll sich das Gewehr des Nachfolgers auf bisher noch nicht aufgeklärte Weise plötzlich von selbst ent laden haben; der Schuß ist dem unglücklichen Musketier von hinten nach vorn mitten durch den Hals gegangen, und hat den augenblicklichen dein Vater muß eS vergessen haben," sagte sie plötzlich. „AlS der Brief mit der Unglücksbot schaft kam, erwartete er gerade seine Zinsen, es waren Zahlungen zu leisten und wir halten nichts. Lord Gordon hörte von unserer Ver legenheit und schickte sofort eine Anweisung auf dreitausend Pfund. Davon leben wir jetzt, sonst hätten wir nichts; ja, er ist ein treuer Freund." Lord Ryeburn erblaßte; waren eS immer neue Verpflichtungen, die ihn an Lord Gordon banden? Diese dreitausend Pfund mußten un bedingt zurückgezahlt sein, ehe er ihm sagte, daß er seine Tochter nicht heiraten könne. Der Ent schluß, nach Trewyn zu reisen und zu sehen, ob dort nichts zu retten sei, befestigte sich. Sein Vater war alt und schwach gewesen, er aber jung und kräftig und wenn er wenigstens so viel erreichte, daß er die Schuld abtragen konnte und seine Mutier und Eva ge ug zu leben hätten, dann fürchtete er für sich keine Armut, würde er sie doch mit Carmen teilen. Sie konnten zusammen auSwandern und in der neuen Welt so glücklich sein, wie in der alten. Der einzige Kummer in seinem Plan war, daß seine Reise nach Lissabon sich wieder hinauSschob. Der Monat war verflossen und er fühlte sich gebunden, als sei er angekettet. Er konnte sein Versprechen nicht halten, aber er hatte eifrig mit Carmen korrespondiert. Sie wußte von seines Vaters Tod und wie Ge schäfte ihn zurückhielten; er hatte ihr mitgettilt, daß sie jetzt Gräfin Ry buru sei, nur von den Glldsorgen hatte er nichts erwähnt, er mochte ihr keinen Kummer bereiten, wenn er nicht bei ihr war, ihn mit ihr zu tragen. Sein ganzes Herz sehnte sich nach ihr und es gab Tage, an denen es ihm unmöglich schien, die Trennung länger zu ertragen. Er sagte fich immer wieder, daß wohl kaum einen; zweiten Menschen ein so ha te» Schicksal beschicken sei. Er, der die Wahrheit so liebte, mußte sie hier verschweigen, sein Gewissen warf ihm den Mangel an Ehrenhaftigkeit vor. Trotz seiner festen Vorsätze und Entschlüsse mußte Lord Ryeburn abreisen, ohne sein Ge» heimniS mitgeteilt zu haben, er dnrste nicht mit Lord Gordon sprechen, bevor er die dreitausend Pfund zurückgeben konnte und hierzu war keine Aussi r t, ehe er sich von dem Zustand der Bera- werke in Trewyn übe, zeugt hatte. Ei ; G fühl der Verzweiflung kam über ihn, wenn er daran dachte, was auS ihm werden würde, wenn er daS Geld nicht beschaffte. Er schrieb einen laugen Brief an Carmen, in dem er ihr sagte, daß ein weiterer Aufschub un vermeidlich sei, aber er würde alles thun, um bald bei ihr sein zu können. Und dann reiste er nach Trewyn. Nur wenige Stunden war er dort gewesen, al» er einsah, daß er Wochen la g bleiben müßte, um sich zu orientieren und vie leicht Nutzen von seinem Aufenthalt zu haben. Er hörte auch, daß der Verwalter mit verschiedenen tausend Pfund verschwunden sei uud sein erster Gedanke war, diesen zu suchen und zur Rede z« stellen, aber man sagte ihm, daß die sorgfältigsten Nachforschungen bereits ««gestellt und große Summen auf seine Ergreifung gesetzt wären. Da fing Lord Ryeburn an zu arbeiten, all, Geschäftsbücher durchzusehen und von früh dir
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