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Allgemeiner Anzeiger : 31.01.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189401312
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- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-01
- Tag 1894-01-31
-
Monat
1894-01
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 31.01.1894
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Politische R«ndscha«. Deutschland. *Für st Bismarck traf am Freitag mittag 1 Uhr zum Besuche des Kaisers in Berlin ein. Er wurde vom Bahnhofe durch den Prinzen Heinrich nach dem kgl. Schlosse abgeholt, wobei der Hofwagen von einer Abteilung Gardekürassiere eskortiert wurde. Die Bevölkerung bereitete dem Fürsten auf dem ganzen Wege einen überaus begeisterten Empfang. Im Schlosse begrüßte der Kaiser den Gast durch wiederholte Umarmungen und Küsse. An der Frühstückstafel nahmen nur der Kaiser, die Kaiserin und Fürst Bismarck teil. — Graf Caprivi sowie sämtliche Staats minister und Staatssekretäre gaben bei Fürst Bismarck ihre Karten ab, Besuche wurden jedoch — der Kürze der Zeit wegen — nicht gemacht. Nach der Frühstückstafel fuhr der Fürst nach dem Palais der Kaiserin Friedrich, um der hohen Frau seine Aufwartung zu machen. — Abends gegen 6 Uhr fand bei Bismarck eine Tafel zu 9 Gedecken statt, an der der Kaiser, der König von Sachsen, Prinz Heinrich und Offiziere vom Halberstadter Kürassier - Re- giwent teilnahmen, zu dessen Chef der Kaiser den Fürsten ernannt hat. Die Abfahrt des Fürsten erfolgte kurz vor 7 Uhr abends. Der Kaiser begleitete seinen Gast versönlich nach dem Bahnhofe, woselbst sich wieder eine viel tausendköpfige Menge etngefunden hatte, die dem Kaiier und dem Fürsten stürmische Ovationen darbrachte. Dreimal umarmte und küßte der Kaiser den scheidenden Gast und schon als der Zug sich in Bewegung gesetzt hatte, winkten sich beide noch wiederholt herzliche Giüße zu. — Fürst Bismarck hat in den letzten vier Jahren merklich gealtert; seine Haltung ist nicht mehr so stramm und aufrecht wie früher; sein Gesicht ist sahl u d schmal geworden — doch versichern Leute, die ihn zuletzt in Kissingen gesehen haben, daß sein Aussehen im Verhältnis jetzt schon wieder ein besseres sei. * Unter dem Eindruck des Bismarckbesuches ist diesmal die Geburtstagsfeier des Kaisers in allen patriotischen Kreisen mit be sonderer Wärme gefeiert worden. Der dies malige Geburtstag Kaiser Wilhelms hat dadurch auch noch eine erhöhte Bedeutung, daß er zu gleich das25jährigeMilitärjubiläum des Kaisers war. Der alten Sitte des Hohen- zollernhauses gemäß war Kaiser Wilhelm als zehnjähriger Prinz am 27. Januar 1869 als Sekondleutnant in das 1. Garde-Regiment z. F. eingetrcten. *Ueber den Entschluß des Kaisers, sich dem Fürsten B i s m a r ck wieder zu nähern, ver öffentlicht der .Reichsanz.' in seinem nichtamt lichen Teile folgende Notiz: „Wir sind zu der Erklärung ermächtigt, daß die Entsendung des Flügel-Adjutanten Grafen v. Moltke nach Fried- richsruh der eigensten persönlichen Initiative Sr. Maj. des Kaisers und Königs entsprungen ist und auch in Regierungskreisen niemand vorher von dem hochherzigen Entschlusse des Monarchen Kenntnis gehabt hat. Daher gehören alle ent gegengesetzten Behauptungen in das Gebiet will kürlicher politischer Kombinationen." * Jnsolge Erkrankung der Großherzogin von Baden hat auch der Großhcrzog seine beabsichtigte Reise nach Berlin aufgegeben. Statt seiner reiste der Erbgroßherzog. * Gegenüber vielfachen irrtümlichen Nachrichten erklärt die ,Nordd. Allg. Ztg/, von neuem darauf Hinweisen zu müssen, daß der Entwurf eines Weiusteuergesetzes mit einer Steuergrenze für die der Reichssteuer zu m terwerfenden Weine auf den Beschlüssen der Frankfurter Konferenz beruht; auf Grund der dort von den Vertretern der Regierungen gefaßten Beschlüsse ist das Wein steuerprojekt unter Zuziehung von Kommissanen, auch der süddeutschen Staaten, ausgearbeitet, vom Reichska zler dem Bundesrate vorgelegt und von leoterem genehmigt. Wenn besonders heftige Angriffe gegen die Kontrolle gerichtet sind, so müsse darauf hingewiesen werden, daß es dieselben Kontrollvorschriften sind, die in Elsaß-Lothringen und Baden, zum Teil noch in schärferer Form, zu Recht bestehen. Frankreich. * Die französische Landarmee beschäftigt nicht minder wie die Marine fortgesetzt die Auf merksamkeit der politischen Kreise. Namentlich wünscht man die numerische Ueberlegenheit der deutschen Armee über die französische wett zu machen. Das ist eine schwierige Aufgabe, da man das ohnehin schon drückende Heeresbudget nicht noch mehr erhöhen kann. Um doch den genannten Zweck zu erreichen, ist der Gedanke aufgetaucht, einerseits die aktive Dienstzeit jener jungen Leute, die bei der Schlußprüfung am Ende des Jahres gut entsprechen, auf ein Jahr herabzusetzen, anderseits aber die algerischen Turko - Regimenter um 30 000 Mann zu ver mehren und daraus die Reserve der Araber- Regimenter zu bilden. * Der Pariser Kassationshof hat die von dem Attentäter Vaillant gegen das Todes urteil eingelegte Berufung verworfen. Jetzt hat der Präsident Carnot das Wort. Bekam tlich haben sich viele Deputierte für die Begnadi gung Vaillants ausgesprochen, aber manche Leute sind der Meinung, daß die Begnadigung wie eine Feigheit aussehen würde. England. * Die Aufre chterh altun g der H o me- rule-Vorlage hat der Schatzkanzler Har court in einer Rede vor seinen Wählern in Derby ausgesprochen; man werde Maßregeln ergreifen, um die Vorlage durchzusetzen. Zugleich sprach er eine nicht mißzuverstehende Drohung gegen das Oberhaus aus, indem er erklärte, das Land werde entscheiden, ob das Oberhaus oder Unter haus der Brennpunkt der politischen Gewalt sein solle. Italien. * Als die Unruhen auf Sizilien die Ent sendung einer bedeutenden Truppenmacht not wendig machten, verbreiteten mehrere italienische Journale das Gerücht, dieses Massenaufgebot an Truppen sei deshalb erfolgt, weil Frank reich von Bizerta aus einen Handstreich auf die Insel plane. Jetzt kehren französische Jour nale den Spieß um und verzeichnen die Sckauder- mär, Crispi wolle in Tripolis einbrechen, deshalb habe er 60 000 Mann auf Sizilien zu sammengezogen. Wie mau sieht, finden sich in den Redaktionen französischer Journale ebenso phantasiereiche Köpfe, wie in denen der italie nischen Sensationsblätter. * Der Abg. Casilli beabsichtigt, nach Eröff nung der Kammer den Minister des Innern zu befragen, ob es wahr sei, daß während der sizilischen Unruhen in der Provinz Caltanisetta zahlreiche Bauern standrecht lich erschossen worden seien. Spanien. *Auf den Zivilgouverneur von Barcelona wurde am Donnerstag, als er aus seinem Hause heraustrat, ein Revolverschuß abgegeben, der ihn am Kopfe verwundete. Der Thäter ist ein Maurer, der erklärte, Anarchist zu sein. Balkanstaaten. * Als in der serbischen Skupfchtina der neue Ministerpräsident Simitsch bei Ver lesung des Regierungsprogramms eine kleine Pause machte, meldete sich Rista Popowitsch zum Wort und begann zu sprechen. Der Minister präsident protestierte dagegen, da er noch eine Mitteilung machen wolle und begann das Akten stück zu verlesen, wurde jedoch durch den großen. Lärm überschrieen, bei dem die Stimme des ehe maligen Ministers Wesnitsch am stärksten ver nehmbar war. Simitsch überreichte das Aktenstück dem Vorsitzenden; hierauf entfernten sich alle Minister. Rista Popowitsch erklärte, das neue Mi isterium besitze nicht das Vertrauen der Skupfchtina. Nach der Verlesung des Ukases, durch den die Skupfchtina ausgelöst wird, wurde die Sitzung unter Hochrufen auf den König ge schlossen. Amerika. *Die .Times' melden aus Montevideo, daß die brasilianischen Insurgenten au Boden gewinnen. Sie nahmen neuerdings den Regiernngstruppen drei Kruppsche Kanonen und viel Munition ab. Aus der Insel Mocangoe ergaben sich die Regierungstruppen, nachdem 11 Mann getötet, 15 verwundet und 100 ge fangen worden. Der General Lima mußte nach San Paolo flüchten, ebenso der Gouverneur des Staates Parana. Den Insurgenten wurde die Mitteilung, daß für sie 5000 Manlicher-Gewehre, 2 Millionen Patronen nnd 48 Kruppsche Kanonen nebst Munition unterwegs sind. Deutscher Reichstag. In der Donnerstag-Sitzung steht der Gesetz- Entwurf über die Abzahlungsgeschäfte zur ersten Beratung. Abg. v. Buchka (kons.) erkennt durchaus die Dringlichkeit einer gesetzgeberischen Regelung des Abzahlungswesens an. Der vorlie gende Gesetzentwurf verfolge die berechtigte Forde rung, das Abzahlungswesen an sich bestehen zu lassen und nur die Auswüchse desselben zu beseitigen. Es empfehle sich sofortige Annahme des Gesetzes ohne kommissarische Beratung. — Abg. Spahn (Zentr.) führt aus, der Schwerpunkt des Abzahlungs geschäfts liege beim Hausierhandel. Gegen diesen richte sich der vorliegende Gesetzentwurf leider nicht. Werde derselbe doch vielleicht einer Kommission über wiesen, so behalte er sich die Stellung entsprechender Anträge vor. — Abgeordneter Lenzmann (freis. Vp.) stimmt im großen und ganzen dem Ent wurf gleichfalls zu. Da wir in diesem Jahrhundert auf das Zustandekommen des bürgerlichen Gesetzbuchs doch nicht mehr rechnen dürfen, so sei er auch der Ansicht, daß wir hier selbständig vorgehen müssen. Wenn es sich um den Schutz wirtschaftlich Schwacher handelt, dürfen wir nicht zu lange warten. Die Notwendigkeit des Abschlagshandels könne keinem Zweifel unterliegen. — Abg. Enneecerus erklärt, daß die national-liberale Partei mit der Tendenz der Vorlage in allen wesentlichen Punkten ein verstanden sei, aber doch eine nochmalige Kommissions beratung mit Rücksicht auf die inzwischen eingegangenen Petitionen für geboten halte. — Abg. Werner (Antis.) begrüßt die Vorlage mit Befriedigung, da die Abzahlungsgeschäfte den soliden Handwerker schwer schädigen. Besonders notwendig sei die Einziehung des Hausierhandels in die Vor lage. Bedauerlich sei auch ferner, daß nicht auch das Viehleihegeschäft, durch das alljährlich Hunderte von Bauern, namentlich in der Rheinprovinz und den Reichslanden, ruiniert würden, in die Vorlage ausgenommen sei. — Abg. Auer (soz.): Wir sind in der seltsamen Lage, einmal einem Regierungs entwurf zustimmen zu können. Die Mißstände des Abzahlungsgeschäftes verkennen wir nicht; gegen diese Mißstände nimmt der Entwurf Stellung und deshalb begünstigen wir ihn! Damit schließt die Diskussion. Die zweite Lesung wird im Plenum stattfinden. — Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs zum Schutz der Warenbezeichnungen. — Abg. Roeren (Zentr.) begrüßt den Entwurf auf er weiterten Schutz der Warenbezeichnung mit Freuden. Auch werde durch den Eutwurf das Anmelde- und Vorprüfungsverfahren erheblich erweitert. Das vor liegende Gesetz gehe freilich nicht weit genug; so lasse Z 15 immer noch Warenverfälschungen zu. Redner bittet, den Entwurf einer Kommission von 21 Mit gliedern zu überweisen. — Abg. Hammacher (nat.-lib.) tritt im wesentlichen den Ausführungen des Vorredners bei. — Abg. Schmidt-Elberfeld (frs. Vp.) vermißt im Entwurf einen genügenden Waren- und Musterschutz des Inlandes gegen das Ausland, besonders gegen England. Die Engländer konfiszierten sogar Waren im Transitoverkehr. Dem gegenüber müsse Deutschland Retensionsmaßregeln ergreifen. Die Diskussion wird geschlossen und der Entwurf an eine Kommission verwiesen. Am Freitag wird zunächst die abermalige Ver längerung des Hadelsprovisoriums mit Spanien bis einschließlich 31. März d. I. in erster und zweiter Lesung genehmigt. — Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfes betr. die Ent nahme von 67 Millionen aus dem Jnvaliden- fonds zur Verstärkung des Betriebsfonds des Reiches. Reichsschatzsekretär Graf v. Posadowsky: Die Unfallversicherung und Heeresvermehrung hat die Bedürfnisse des Reichsbetriebsfonds bedeutend verstärkt. Die Negierungsforderung ist jetzt um so mehr berechtigt, als jetzt auch die Invaliden aus dem Kriege von 1870/71 gesetzlich die Unterstützung aus den Jnva- lidenfonds vollwertig teilhaftig gemacht worden sind. Vorschüsse aus den Matrikularbeiträgen hat das Reich bisher nur stets von Preußen erhalten. Die Matrikularbeiträge pränumerando einzuziehen, geht nicht an. Wir sind also, um geregelte Reichsfinanzen zu erzielen, zu vorliegendem Entwurf gezwungen. Kommt der Entwurf nicht zu stände, so wären wir zu Anleihen gezwungen, die wir gern vermieden sehen möchten. — Abg. Graf v. Oriola (nat.-lib.): Ist das vorliegende Bedürfnis des Reiches thatsäch- lich nachgewiesen, werden wir den Entwurf in ein gehender Weise prüfen. Wir würden zu dem Ende Vorschlägen, das Gesetz der Budgetkommission zu überweisen. Das Volk, das seine großen Manner ehr, ehrt sich selbst; das zeigt der heutige Tag nnt seinem gewaltigen Ereignisse patriotischer Art, welches das gesamte Volk mi! Jubel erfüllt. Ehren nur also unsere Invaliden, die für das Vaterland ihr Blut vergossen haben! — Nachdem dann noch die Abge ordneten Fritzen (Zentr.), Graf v. Roon bons.) und Herbert (soz.), die ebenfalls für Kommisionsüberweisung find, gesprochen, wird der Entwurf an die Budget - Kommission gewiesen. — Es folgt die zweite Lesung des Unter st ützungs- wohnsitz-Gesetzes. Abg. Schröder als Referent berichtet über die Kommissionsverhandknn- gen. Die Kommission hat entsprechend dem Entwurf die Altersgrenze zur Berechtigung zum Unterstützungs- wohnsitz vom 24. aufs 18. Lebensjahr herabgesetzt. Der diese Bestimmung enthaltende Artikel 1 wird debattelos angenommen, ebenso der Rest des Ge setzes. Mit der Abänderung des Unterstützungs- Wohnsitzes ist eine Ergänzung des Strafgesetz buches verbunden, dahin lautend: Wer sich der ihm gesetzlich obliegenden Unterhaltungspflicht von Personen entzieht, so daß durch Vermittelung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch genommen werden muß, wird mit Haft bezw. Ueberweisung au eine Kor rektionsanstalt bestraft. Die Bestimmung wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Die Kommission beantragt außerdem, eine Resolution anzunehmen, derzufolge das Unterstützungswohnsitz gesetz auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt werden soll. Die Resolution wird gegen die Stimmen des Zen trums angenommen. Hierauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Montag. Prexljischer Kandtag. Am Donnerstag wurde von dem Abg. v. Kröcher u. Gen. (kons.) an die Regierung die Interpellation gerichtet, ob dieselbe im Bundesrat dahin wirken wolle, daß fernere, eine Ermäßigung der landwirt schaftlichen Zölle enthaltende Handelsverträge nicht zum Abschluß gelangen, ohne daß eine angemessene Ausgleichung mit den Geldwertsverhältnissen der in Betracht kommenden Konkurrenzländer stattgefunden hat oder gleichzeitig stattfindet. Handelsminister v. Berlepsch erklärte darauf, daß die SiMLÄrgierung Handelsverträgen, in denen eine Herabsetzung der laudwirtschaftlichen Zölle vorgesehen, ihre Zustimmung nur dann geben werde, wenn der Inhalt derselben den wirtschaftlichen Interessen des Reichs und Preußens entspräche. Das Reich könne aber nicht in einem Handelsvertrag eine Bestimmung über Bindung der Währungsverhältnisse, wie solche von den Inter pellanten verlangt werde, aufnehmen; kein Staat ! könne dies. — Es wurde in eine Besprechung der ! Interpellation eingetreten, die jedoch noch nicht zn Ende geführt wurde. Die Besprechung der Interpellation der Abgg. v. Kröcher und Gen. betr. den ferneren Abschluß von Handelsverträgen wurde am Freitag im Abgeord netenhause beendet. Am Schluß der Debatte erklärten noch der Handelsminister v. Berlepsch und der ! Ministerpräsident Graf Eulenburg, daß die preußische i Regierung sich beim Abschluß von Handelsverträgen in voller llebcreinstimmung mit der Reichsregierung befände, nnd daß die preußische Regierung keines wegs die Landwirtschaft vernachlässige. Darauf ver tagte sich das Haus bis Dienstag. Von Uah und Fern. Die Flasche Wein, die der Kaiser dem Fürsten Bismarck als Zeichen seiner Teilnahme überreichen ließ, gehört zu den wertvollsten und seltensten Weinmarken, die der kaiserliche Wein keller überhaupt birgt. Auch wenn die Uebcr- sendung dieser einen Flasche nur symbolische Be deutung hatte, so ist der materielle Wert des Weines trotzdem ein hoher; denn der Wein war „Steinberger Kabinett 1842er Jahrgang." Also über 50 Jahre alter Wein und von seltener Kraft und Güte. Nur wenige Flaschen dieses kostbaren Rheinischen Rebensaftes befinden sich, wie gesagt, noch in dem Besitz des kaiserlichen Hoshaltes. Ein neues Kirchenlied. Bei der Feier des Krönungs- und Ordensfestes in der Berliner Schloßkapelle wurde diesmal, wie schon bei dem am Neujahrstage dort abgehaltenen Gottesdienste, ein den meisten Anwesenden bisher unbekanntes Lied, zwischen Vaterunser und Segen gesungen, dessen Text folgendermaßen lautet: „Wir treten zum Belen vor Gott den Gerechten, Er waltet und haltet ein strenges Gericht, Er läßt von den Bösen die Guten nicht knechten, Sem Name sei gelobt, er vergißt uns nicht. Im Streite zur Seite ist Gott uns gestanden, Er wollte, es sollte das Reich siegreich sein. Ta ward, kaum begonnen, die Schlacht schon gewonnen, Du Gott warst ja mit uns, der Sieg er ward dein. Wir loben dich oben du Lenker der Schlachten Und flehen, mögst stehen uns fernerhin bei, Daß deine Gemeind« nicht Opfer der Feinde, Dein Name sei gelobt, o Herr, mach uns frei!" Man erzählt sich nach der .Kreuzztg.', daß das Wer lieble ihn mehr? Autorisierte Uebersetzung aus dem Englischen von W. v. Schönau.*) 1. „Gewiß," sagte der Pfarrer, nachdem er den ihm gegenübersitzendeu Herrn augehört hatte, „ich kann Sie ganz nach den Vorschriften der engli schen Kirche trauen; aber darf ich um Ihren Namen bitten?" „Ich habe meine Karte vorhin schon herein geschickt." „Ich habe sie nicht erhalten," erwiderte der Geistliche, „diese portugiesischen Dienstboten sind zu nachlässig." Sein Besucher zog eine neue Visitenkarte aus der Brusttasche und legte sie auf den Tisch. „Viktor Loro Kilmeyne," las der ^Pfarrer, und ein Ausdruck von Verlegenheit und Schrecken glitt über sein Gesicht. „Verzeihen Sie, ich er halte selten Besuch hier — verstand ich Sie recht, daß Sie sich zu verheiraten wünschen?" „Ja, mit einem jungen Mädchen, welches hier in Lissabon lebt; ihr Vater war Engländer, die Mutter Spanierin, beide Eckern sind tot und die Verwandten widersetzen sich unserer Heirat." Der Prediger sah erleichtert auf. „Wäre es dann nicht besser, die Sache auszugeben?" „Ich kam nicht her, um Jyren Rat zn hören, Herr Pastor; ich kam, um Sie zu ersuchen, mich am nächsten Mittwoch, streng nach den Ge bräuchen dieses Landes wie auch nach den in England gültigen Formen, zu trauen." "j Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. „Ja gewiß," war die hastige Antwort, „ich bin erste kurze Zeit hier und hatte bisher noch keine Gelegenheit, eine Trauung zu vollziehen." „Das kam mich nicht berühren," erwiderte Lord Kilmeyne, dem das Wesen des Geistlichen auffiel; er schien so verlegen und unsicher. Plötzlich sagte der Pfarrer: „Dars ich mir noch eße Frage erlauben, ist die junge Dame Ihnen im Range gleichstehend?" „Nein, nicht ganz," erwiderte Lord Kilmey e zögernd; die Frage überraschte ihn so, daß er nicht überlegen konnte, was er darauf antworten sollte. Des Predigers Gesicht klärte sich sichtlich auf; er schien sehr beruhigt, ohne daß Lord Kil meyne sich einen Grund dafür denken konnte. Er hatte den Geistlichen an dem Tage zum ersten Male aufgesucht, um über seine Trauung mit ihm zu sprechen, und fand ihn in einem kleinen Hause in einer engen Straße Lissabons, augen scheinlich beunruhigt, einen Landsmann zu em pfangen, und noch mehr durch die Zumutung, im sremden Lande, ohne Wissen der Seinigen den Ehcbund des Sohnes einer der ersten Familien Englands einzuscguen. Nach einer Pause, in der er sich alles zu überlegen schien, sagte der Pfarrer: „Also eine heimliche Trauung, leine Verwandten anwesend, die Braut dem Bräutigam nicht ganz ebenbürtig — erlauben Sie wir noch ein offenes Wort, ich kenne die Welt länger, als Sie sie kennen — werden Sie nicht aller Wahrscheinlichkeit nach in einigen Jahren diese übereilte Heirat bereuen?" „Nein," erwiderte Lord Kilmey e, „wenn das der einzige Grund Ihres Zögerns ist, so mögen Sie rulüa km, ich licbc meße B.aut teu und innig, und werde es nie bereuen, sie heimgeführt zu haben." Sie besprachen nun noch das weitere, und als Lord .Kilmeyne das Haus des Geistlichen verließ, war alles bestimmt, und er tröstete sich über das eigentümliche Benehmen des Pfarrers damit, daß man wohl im Auslande nicht auf dieselbe Zuvorkommenheit rechnen dürfte, die einem Manne seiner Stellung in England stets entgcgcngebracht wurde. Wec ihm noch vor wenigen Wochen gesagt hätte, daß sich im fernen Portugal sein Schicksal erfüllen würde, daß er, der achtlos alle die Hul digungen hingenommeu hatte, die Mütter und Töchter an ihn, den Erben der Grafschaft Ryeburn, verschwendeten, sich jetzt plötzlich in ein reizendes Gesicht verlieben würde, den hätte er einfach ausgelacht. Und doch war es so gekommen, als er eines Tages, durch eine der Vorstädte Lissabons schlen- derud, au einem kleinen, rosenumranktcn Häus chen vorüber kam und ein junges Mädche. sich aus dem Fenster beugte; ihre Blicke trafen sich, und dieser Moment e tschieo über sein Leben. Vor nun fast einem Jahr hatte er England ver lassen, um wie alle Söhne vornehmer und reicher Familien die große Rundreise auf dem Kontinent zu machen. Deutschland, Italien, Frankreich und Spä ten hatten auf seinem Programm gestände >; an Portugal hatte er nicht gedacht. Jetzt wußte er, daß sein Schicksal selbst ihn hierher geführt hatte. Unwillkürlich summte er den Anfang des Liedes vor sich hin: Nur ein holdes Antlitz am Fenster, Nur ein Blick in die Augen so traut Lord Kilmeyne kehrte in sein Hotel zurück, er aß mit seinen Freunden zu Mittag, ging mit ihnen ins Theater, erblickte dort den Hof und die erste Gesellschaft, sah die schönsten Frauen rn großer Toilette mit Edelsteinen bedeckt, aber vor seinem geistigen Auge stand das Bild des Morgens, ein süßes Mädchenantlitz am rosen umrankten Fenster sah ihn überall an, wohin er auch blickte. Ais es ihn auch noch nachts im Traum verfolgte, wurde er ungeduldig und be schloß, es am nächsten Tage wieder aufzusuchen, hoffend, daß ein zweiter Blick ihn von sei. er sentimentalen Anwandlung heilen würde. So nahm er seine Wanderung in die Vor stadt wieder auf, und daS Glück war ihm günstig. Er hatte noch nicht lange in der Nädc de^ Hauies gewartet, als der Gegenstand seiner Ge danken die Straße herunter kam; er ging ihr langsam entgegen, und in dem Augenblick, als das junge Mädchen vorüber ging, entfiel ihr eines der Bücher, die sie trug. Er bückte sicb, um es anfznheben, unb als er es ihr mit einer Verbeugung überreichte, sagte sie im reinsten Englisch, nur mit einem leisen, fremden Accent: „Ich danke Ihnen, mein Herr." „Sie sind Engländerin?" fragte er mit un verhohlenem Erstaunen. . . „Ja, und Sie?" gab sie zuruck, l-dem em strahlender Ausdruck über ih e Züge flog. „Ich bin auch Engländer, sagte er stolz, „aber ich bitte um Verzeihung, daß ich Sie so ohne weiteres anredete, ich sah Sie gestern am Fenster, aber ich hatte kei e Ahnung, daß ich eine Landsmännin vor mir hatte. Nochmals, verzeihen Sie."
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