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Allgemeiner Anzeiger : 07.02.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189402072
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- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1894
-
Monat
1894-02
- Tag 1894-02-07
-
Monat
1894-02
-
Jahr
1894
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.02.1894
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die nie zeichnendes Licht auf die Haltung der Machthaber in Washington wüst. In der Bai von Rio ist die Stellung der Insurgenten u-erschüttert, sie scheint sogar noch an Stärke gewonnen zu haben, und in den Provinzen hat der Aufstand große Erfolge zu verzeichnen. Wie lange Brasilien diesen ruinierenden Bürgerkrieg wird aushalten können bezw. müssen, läßt sich noch gar nicht übersehen. stones Absicht zu demissionieren falsch ist, obgleich es dem Premierminister seit Monaten seines Alters, seiner Sehkraft und seines Gehörs wegen wünschenswert erschienen sei, der Sorgen seines Amts enthoben zu sein, da er jeden Augenblick in der Erfüllung seiner Pflichten unlerbrochen werden könnte. Welchen Ausgang die für die Nation wichtigen Angelege'heiter nehmen würden, wisse Gladstone nicht, er habe aber nichts gesagt und nichts gethan, was ihn in der Freiheit seiner Handlungsweise behindern könnte." Italien, * Das Kriegsgericht in Massa hat sein erstes Urteil gefällt. Der Advokat Moli nari, ein bekannter Anarchist, der auf dem vor jährigen Züricher Ko-greß eine Rolle spielte, wurde wege ; Teilnahme an einer verbrecherischen Gesellschaft und Aufreizung zum Bürgerkrieg zu einer Gefängnisstrafe von 23 Jahren verurteilt, von denen die ersten drei Jahre in Einzelhaft zu verbüßen sind. Ferner wurde die Konfiskation der Güter Molinaris ausgesprochen. Ruhland. *Wie aus Petersburg nachträglich bekannt wird, hat der russische Kaiser in der Nacht zum Sonntag in schwerster Lebens gefahr geschwebt. Sobald der Zar trans portfähig ist, übersiedelt der Hof nach Gatschina; in der zweiten Hälfte des Februar soll dann in Livada (Krim) Aufenthalt genommen werden. Die letzten Berichte lauten vollkommen be ruhigend. danken, Ihr Leben, Ihre ganze Liebe schenken! Wollen Sie es versuchen?" „Ja," erwiderte sie, „aber es ist mir noch alles so wunderbar —" „Sagen Sic auch: so schön," unterbrach er fie. „Und so schön," fuhr sie fort. „Bor wenigen Wochen kümmerte sich kein Mensch in der weiten Well um mich." „Und nun liebe ich dich von ganzem. Herzen und du mußt mich wieder lieben." 4. Lord Kilmeyne liebte Carmen wirklich mit der ersten starken Liebe eines Herzens, das sich nicht in müßigen Tändeleien zersplittert hatte. Es war eine neue Welt, ein neues Leben für ihn, und fast eine Woche genossen fie ihr Bei sammensein täglich mehr; dann fing er an, an die Zukunft zu denken. Er war ein edler Charakter, durch und durch treu und brav, und nichts lag ihm ferner, als ein frevelhaftes Spiel mit dem jungen Mädchen zu treiben. Sie war jung, schön und elternlos, Gründe genug, um sie höher zu achten und mehr zu lieben. Eines Morgens erwartete er sie vergebens und konnte sich keinen Grund denken, der sie zurückhielt; ob sie krank war? Er ging wieder an ihrem Hause vorbei und sah zu den Fenstern hinauf; Carmen war nicht sichtbar. Plötzlich öffnete sich oben unter dem Dache ein Fenster und ein weißes Stück Papier flog heraus, gerade vor Lord Kilmeyues Füße. Er hob es auf und las: „Ich kann weder heute noch je wieder kom men, jemand hat uns beisammen gesehen und eS meinem Onkel verraten. Ich fürchte, ich darf Politische Pundscha«. Deutschland. * Zu der Frage des Gegenbesuchs des Kaisers in Frtedrichsruh weiß der Berliner Bismarckiche Korrespondet der ,Mü-ch. Mg. Zig.' mitzuieilen, daß der Kaiser seinem Gast bei der Verabschiedung auf dem Bah bofe «inen baldigen Besuch in Friedrichsr-ch in Aus sicht gestellt habe mit dem Hinzufügen, er — der Kaiser — werde sich rechtzeitig anmelden für den Fall, daß Professor Schweningec irgend ärztliche Bedenken habe. *Der König von Württemberg traf bekanntlich erst am Freitag abend in Berlin ein, als Fürst Bismarck bereits wieder ab- g-reist war. Wie das Stuttgarter .Neue Tag- blatt' mitteilt, sandte der König von Berlin aus dem Fürsten Bismarck ein Telegramm, worin er sein Bedauern darüber ansdrückte, daß er ihn nicht mehr angetroffen habe. Fürst Bismarck dankte telegraphisch. *Der offiziösen Meldung, der Tarif des deutsch - russischen Handelsver trages solle in den nächsten Tagen veröffent licht werden, wird eben so offiziös widersprochen. Es werde noch immer über Einzelheiten vec- l audelt. *Die deutsch-französischen Verhandlungen über die Abgrenzung der Interessensphäre im Hinterlande von Kamerun sind nach mebrwöchentlicher Pause wieder ausgenommen worden und verlaufe gegenwärtig schneller. Die Erwartung ist berechtigt, daß die anfänglich unter starken Reibungen geführten Verhandlungen in nicht zu ferner Zeit zu einem befriedigenden Ergebnis führen werden. *Jn der Vudgetkommission des Reichstages stand am Mittwoch der Kolonialetat zur Beratung. Abg. Prinz Arenberg (Centr.) be mängelte als Berichterstatter verschiedene Ein richtungen, Verordnungen und Erlasse des neuen Gouverneurs bezw. seines Stellvertreters in Ost afrika und einige in den Etat eingesetzte Posten. Geh. Rat Kayser suchte diese Mehrausgaben und das Regiment des neuen Gouverneurs zu recht fertigen und führte aus, daß die Erhöhung der Schugtruppe im Interesse der Weiterentwicklung der Kolonien liege, da sie als Schutz für die Karawanenstraßen diene und so dem Handel zu gute käme. Auch in Ostafrika wisse man vielleicht noch mehr, jedenfalls ebenso gut wie in Europa den Segen des Friedens zu würdigen. Eine neue Vorlage mit bezug auf Strafbestimmungen gegen Sklavenhandel sei in Vorbereitung. Oesterreich-Ungarn. * Sofort nach Erledigung des Prozesses gegen die Omladinisten beginnt der Prozeß gegen die Mörder Mrvas. Frankreich. es die Liebe war, die ihn hielt. Ob er wohl Gegenliebe fand? Er war seiner Sache nicht ganz sicher; Carmen gehörte nicht zu den Men schen, welche ungefragt ihre Neigung zeigen, aber er nahm sich vor, sie am folgenden Tage zu fragen. Seine Gedanken gingen nicht über das Nächstliegende hinaus; an eine Heirat dachte er noch nicht, eben so wenig daran, daß er der Erbe eines großen Besitzes sei und sie ein armes, un bekanntes Mädchen. Er vergaß alles außer der einen Thatsache, daß er sie liebte. Als sie am folgenden Tage nebeneinander durch das Thal zu ihrem gewohnten Platze gingen, blieb Lord Kilmeyne plötzlich stehe!. „Carmen," sagte er, fie zum ersten Mal bei ihrem Namen nennend, „ich möchte Sie etwas fragen." Unbefangen sah sie zu ihm auf, aber vor seinem Blick senkte fie ihr Auge, ein unbekanntes Zittern überfiel sie, es war ihr, als sei das Ende ihres schönen Traumes gekommen. „Carmen," sagte er leise, „ich liebe Sie, können Sie meine Liebe erwidern?" Sie wurde dunkelrot und trat einen Schritt zurück. „Ich liebe Sie," wiederholte er, „mit der ersten tiefen Liebe, die das Herz eines Mannes geben kann; Carmen, haben Sie mich auch lieb ?" „Ich — ich glaube," sagte sie zögernd; „ich bin so verwirrt, es ist mir alles so überraschend, so neu." „Das ist es mir auch, so neu, aber so schön; ich wußte bis jetzt nicht, wie süß das Leben sein kann. .Sie müssen mir Ihr Herz, alle Ihre Gr ¬ und sehen dürfen. Glück und Liebe verschönen, und unter dem Sonnenstrahl beider erblühte Carmen; ihre Wangen waren sanft gerötet, ihre dunklen Augen glänzten und um ihren Mund spielte ein glück liches Lächeln. Das Leben schien ihr so reich, die Welt so schön, als der Himmel schon auf Erden. Nach einigen Wochen begegnete Lord Kilmeyne einem seiner Be'annten, mit dem er die ersten Tage in Lissabon zusammen verbracht hatte und dieser sah ihn erstaunt an. „Wie, Sie sind noch hier, Lord Kilmeyne?" sagte er. „WaS in aller Welt hält Sie noch in Lissabon?^ Dieser gab eine ausweichende Antwort, aber di« Frage weckte ihn aus seinem Träum und brachte ihn zur Besinnung. Was hielt ihn in Lissabon? „Nur ein Antlitz am Fenster." Er lächelte vor sich hin; eS war jetzt mehr als nur ein Antlitz! ES wurde ihm plötzlich klar, daß Die reizende Carmen Erxell genoß schöne Zeit mit vollen Zügen und dachte daran, wie alles enden würde. Und wenn Carmen eine Fürstin gewesen wäre, so hätte der junge Engländer sie nicht rücksichtsvoller behandeln können; er war oft sehr in Versuchung, ihre schlanke weiße Hand in die seine zu nehmen, aber er that es nie. Er laS ihr vor, erzählte ihr von England und dem Leben dort, aber nie war er ihr mit Worten oder Blicken ge naht, die nicht ihre eigene Mutter hätte hören nicht wieder ausgehen; ich bin hier oben ein« geschlossen; ach, was soll aus mir werden? Carmen." DaS war denn doch zu arg! Wie konnte er eS mit ausehen, daß sein Liebstes so behandelt. wurde? Sie durfte nicht an einem Orte bleiben, wo man fie einschloß, er war außer sich vor Zorn. Spät am Abend kam er noch einmal wieder und gab Carmen ein Zeichen. Sie öffnete leise das Fenster und lehnte sich heraus. „Carmen," sagte er, „Sie müssen herunter» kommen, ich muß Sie sehen." „Ich kann nicht," erwiderte fie, „die Thür. ist verschlossen, ich kann das Zimmer nicht vr»! lassen." „Werden Sie am Sonntag zur Kirche gehen ?" f „Ich hoffe, ja, daS kann mein Onkel mir! nicht verbieten, auch weiß er nicht, daß wir uni - dort getroffen haben." „Und so lange mutz ich wirklich warten? Es i sind drei Tage, fie werden mir wie ebenso viele Wochen vorkommen. Ach, Carmen, gibt es keine Möglichkeit für Sie, fortzugehen?' „Ich wollte, es wäre möglich," sagte fie, „meine Verwandten find sehr unfreundlich gegen mich." Der Wind bewegte die Weinranken am Fenster, und fie erschrak. „Ich darf nicht mehr sprechen," flüsterte sie, „jeder Laut flößt mir Schrecken ein. Bitte gehen Sie jetzt, ich höre jemand kommen." „Gute Nacht, Geliebte," sagte er, indem er sich zum Gehen wandte, das Herz voll tiefen Wehs, den Kopf voll von Plänen und Ideen. Sie sollten fie nicht wieder einsperren und vommen wurde. *Die Zollkommission nahm einen Antrag Melines an, nach welchem der Zoll aus Getreide auf 8 Frank erhöht wird. Sobald der Getreidekurs 25 Frank erreicht, soll eine allmählige Herabsetzung des Zolles so erfolgen, daß bei jeder weiteren Preissteigeru g von 50 Centimes der Zoll um je 50 Centimes her abgesetzt wird. Dec Zoll soll ganz aufgehoben werden, sobald der Getreidekurs 33 Frank erreicht. *Die Regierung beabsichtigt, den Verfasser des Artikels im ,Figaro' über Cornelius Herz wegen der Drohung gegen die Familie Reinach gerichtlich zu verfolgen. Der Leiter des Journals ,Patrie Sozialiste' ist wegen eines be leidigenden Artikels gegen den Präsidenten Carnot verhaftet worden. England. *Zu der Nachricht, daß Gladstone zurücktreten wolle, liegt eine ganz merk würdig geschraubte Ableug ung vor. Sie lautet: „Dem ,R. B.' sind aus Biarritz Informationen zugegangen, nach denen daS Gerücht von Glad Balkanstaaten. * Die Dinge in Serbien entwirren sich nur langsam. Das Kabinett Simitsch ist noch nicht vollständig, indem noch der Unterrichts- miuister fehlt. Milan macht nach allen Seiten hin den persönlich Liebenswürdigen; seine Aus söhnung mit Garaschanin ist zur Thatsache ge worden. Der Metropolit Michael, bekanntlich ein Russenfreund, ist obenauf; aber Rußland ebenso wie Frankreich halten die gegenwärtige Lage für verfassungswidrig und sind noch nicht i i Bezieh rügen zu der neuen Regierung getreie . Die radikale Partei soll eine allgemeine Steuerverweigeruug organisieren, die allerdings stärker zerrüttend auf das ganze Staatswesen einwirken würde, als selbst ein Ausstand. * In Sofia ist die Begeisterung der Bevölke rung über die Geburt eines Thron erben in erhebender Weise zum Ausdruck ge kommen. Die gesamte Einwohnerschaft der bul garischen Hauptstadt begab sich auf die Straßen und Tausende umstanden den ganzen Tag das fürstliche Palais. Seit Mittag spielten aus den verschiedenen öffentlichen Plätzen Mnsikbnndcn und abends war die ganze Stadt illuminiert und wurden Feuerwerke abgebrannt. Auch wurde ein Fackelzug veranstaltet, an dem, gering gerechnet 10 000 Menschen teilnahmen. Derselbe zog zum fürstlichen Palais hin und nahm, so weit es der Raum zuließ, auf dem umgitterten Platze vor demselben Aufstellung. Als der Fürst am offenen Fenster erschien, um dem Volke für seine Teil- nahmeau dem freudige» Ereignisse zu danken, 'sterung ihren Höhepunkt. Der re tig mg, denn die Geburt fichert ihnen die Fortdauer einer Dynastie, sie jetzt eine Reihe von Jahren des Friedens und der inneren Erstarkung durchlebt haben. *Jn österreichischen Handelskreisen wird leb haft Kage geführt über die geradezu trost losen Rechtszustände inBulgarien, sowie über den gänzlichen Maigel eines geregelten gerichtlichen Verfahrens. Infolgedessen seien die ausländischen Gläubiger den Chicane» und der Willkür eines Teiles der bulgarischen Kaufmann schaft schutzlos überliefert. Deutscherseits sollen die Konsulate angewiesen werden, von Fall zu Fall nachdrücklich für die Rechte der deutschen Gläubiger einzutreten. Amerika. *Die Meldungen aus Brasilien haben wieder einmal die Richtigkeit des Ecsahrungs- satzeS: „Gelogen, wie telegraphiert" erwiesen. Die Ergebung des Admirals da Gama an die Nord amerikaner bestätigt sich nicht; der Konflikt endete Deutscher Reichstag. Am 1. d. steht die dritte Beratung der Novelle zum Unter st ützungswohnsitzgesetz. In der Generaldebatte begründet Abg. Rembold das ab lehnende Votum eines Teils des Zentrums damit, daß besonders die Mitglieder aus Württemberg am Heimatsrccht festhielten, den Streit zwischen Heimat system und Unterstützungswohnsitz noch nicht für ent schieden halten, die Ausdehnung des Gesetzes auf die Reichslaude nicht wünschten und abwarten wollten, bis sich der Einfluß der Arbeiterversicherungsgesetze auf das Armenwesen und den Untcrstützungswohnsitz mehr übersehen lasse. — Abg. Winterer (Els.) bekämpft'die von der Kommission vergeschlagene und in der zweiten Lesung angenommene Resolution, durch welche die verbündeten Regierungen aufgefor dert werden, das Unterstützungswohnsitzgesetz bald möglichst auf Elsaß - Lothringen auszudehnen. Die Armenpflege in den Reichslanden lasse zwar, trotz dem sehr viel geschehe, noch mancherlei zu wünschen übrig, aber es sei sehr fraglich, ob es auch nach Einführung des Unterstützungswohnsitzes besser werde. — Staatssekretär v. Bötticher erwidert, daß es sich zunächst nur um einen Wunsch des Reichstages handele, und nicht gesagt sei, fdaß nun über kurz oder lang der Unterstützungswohnsitz in den Reichslanden eingeführt werde. — Abg. Gamp (Reichsp.) spricht sein Bedauern aus, daß tn der Kommission seine und seiner Freunde Vorschläge nicht durchgedrungen seien. Nur der Not gehorchend stimmten sie heute für die Vorlage. — Abg. Brünn (soz.) anerkennt, daß seitens der Wohlthätigkeits- vereine in den Reichslanden viel gethan werde. Doch habe er als Armenpfleger in Frankfurt a. M. die Erfahrung gemacht, daß bei den Wohlthätigkeits- vereinen häufig nach Gunst verfahren werde. Seine Partei stimme für die Resolution. — Äug. Bueb (soz.) würde es am liebsten sehen, wenn wegen der Einführung des Untcrstützungswohnsitzes in den Reichslanden das Land befragt werden könnte. Auf den Landesausschuß dürfe man jedenfalls nicht hören, denn der sei auf Grund eines Wahlrechtes zusam mengesetzt, das noch elender sei, als das preußische Dreiklassenwahlsystem. — Nach beendeter Generaj- diskussion wird zunächst der grundlegende Artikel der Novelle zum Unterstützungswohnsitzgesetze, der die Altersgrenze von 24 auf 18 Jahre herabsctzt, ange nommen. Zu Art. !l, Ergänzung des Strafgesetz buches dahin, daß die sich der Ünterhaltungspflicht ihrer Angehörigen Entziehenden einer Korrektions haft unterzogen werden, liegt ein Antrag Gröber- S p a h n (Zentr.) vor, der die Unterhaltungspflicht auf Eltern, Kinder nnd Ehegatten beschränken will. — Abg. Molkenbuhr (soz.) befürwortet einen von ihm eingebrachten Antrag, wonach diejenigen, die sich ! der Unterhaltungspflicht entziehen, nur niit Geldstrafe oder Haft, nicht, nach dem Negierungsentwurf, mit Korrektionshaus bestraft werden sollen. — Staats sekretär v. Bötticher gibt die Berechtigung des Zentrumsantrags Groebcr-Spahn zu, bekämpft aber den Antrag Molkenbuhr. — Abg. v. S «lisch (kons.) führt aus, die Konservativen hätten im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes auf so manche Wünsche verzichtet; das möchten auch die heutigen Antragsteller bedenken! Dec Antrag Molken buhr sei überflüssig, die Gesetzgebung enthalte ge nügende Kanteten gegen die Korrektionshaft. — Abg. "AH^öder (fr. Vgg/). empfiehltcuM^^»«chied zu machen ziMOm-Lrnten, die aus MZMW't, und solchen, die aus Nachlässigkeit ihrer Unterhaltungs- Pflicht nicht nachkommen. Von einer Geldstrafe aber sei jedenfalls abzusehen. — Abg. Beckh (fr. Vp.): Man soll nicht Strafrecht und Zivilrecht miteinander verquicken. Wenn die Unterhaltungspflicht eine mora lische ist, kann man ihr doch nicht strafgerichtlich bei kommen. — Abg. Auer (soz.) will die Kor rektionsstrafe aus dem Gesetz gestrichen sehen. Mir kommt die Vorlage vor wie ein Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter. Der häufige Ausenthaltswechfel, zu dem der Arbeiter gezwungen ist, verhindert ihn oft Zur Masserrechts-Frage. Der neue WasserrechiS - Gesetze ntwurf für i Preuße» ist bekanntlich dazu bestimmt, der gegen wärtig bestehende» ungemeinen Zersplitterung des Wasserrechtes ein Ende zu machen. Wie groß diese Zersplitterung ist, wird mau am besten daraus ersehen, daß, abgesehen von dem Allge meinen Landrecht, dem gemeinen Recht und dem eoäs eivil 54 verschiedene Gesetze bestehe», in denen sich Bestimmungen über das Wasserrecht befinde», und die durch das neue Gesetz aufge hoben werden müßten. Nicht eingerechnet sind dabei die Deich- und Fischercigesetze, ferner Spezialgesetze, wie die Notstandsgesetze, sowie die zum Teil aus dem vorigen Juhrhu idert hec rührenden lokalen Graben- und Schau-Ordnungen. Neben dieser Zersplitterung hat sich auch die Lückenhaftigkeit der gesetzlichen Bestimmungen drückend fühlbar gemacht. Die preußische Gesetz gebung ist in dieser Beziehung hinter der neueren Gesetzgebung anderer deutscher Staaten, insbe sondere Bayerns, Badens, Hessens, Elsaß- Lothnngens außerordentlich zurückgeblieben. Dabei ist zu beachten, daß die Bedürfnisse der verschiedenen Ecwerbskreise geradezu auf eine Besserung in dieser Beziehung hindrängen. Bei der fortschreitenden Jntensivität des Betriebes der Landwirtschaft haben die Bestrebuigen für die Ent- und Bewässerung ertragloser oder wenig ertragreicher Bodenflächen in den letzten Jahrzehnten eine besondere Bedeutung gewonnen. Anderseits haben die verheerenden Ueberschwem- mungen des letzten Jahrzehnts das Bedürfnis nach einem besseren Hochwasserschutz für weite Gebiete fruchtbaren Landes immer dringender hervortreten lassen. Für die Industrie kommt das Gebiet der Wasserwirtschaft hauptsächlich in zwei Punkten in Betracht. Die Ableitung der Abwässer und die Ausnutzung billiger Wasser kraft kür Triebweccszwecke namentlich nach den neueren Fortschritten in der Elektrotechnik inter essieren hier. Nach keiner dieser Richtungen können die gegenwärtigen Bestimmungen über die Unterhaltung und Benutzung der Wasserläufe befriedigen. Ein weiterer Mangel liegt schließ lich in der nicht zweckmäßigen Organisation der mit der Wasserwirtschaft betrauten Behörden. Nach allen dielen Richtungen sucht der neue Wasserrechts - Gesetzentwurf Verbesserungen zu schaffen. Natürlich ist die richtige Abmessung der in Frage kommenden Interessen nicht leicht. Für das ZustandebringAi^^s-- Gesetzes ist ja aucyÄn^him eichend langer Zeitraum in Aussicht genommen. Ueberstürzt soll die Fertig stellung durchaus nicht werden. An den Jnter- esseuten-Verei ugungen wird eS nunmehr, wie ein offiziöses Organ mahnt, sei', durch Begutachtung des Entwurfes ihre Interessen wahrzunehmen. Don Uah und Fern. Unter den zahlreichen Gratulationen, die dem Kaiser aus Anlaß seines neulichen Ge burtstages zugegangcn sind und denen sich häufig mehr oder weniger versteckt gehaltene Bittgesuche , um Gewährung von Unterstützunge i und Gnaden bezeugungen aureihten, befand sich diesmal auch ei i höchst originelles Schreiben eines Käthners W. auS Rosendorf im Kreise West-Prignitz. Dieser für die Armee so sorgsam bedachte Unterthan und geniale Familienvater zeigte dem Kaiser nach *Die in der Kammer von Lockroy fortge setzten Angriffe Clemenceaus gegen dieMarine- Verwaltung haben auch am Donnerstag die Kammer noch beschäftigt, endete» aber mit einem V er tr a u e n s v o t u mfürdaSMi nstcrium gegen 160 Stimme^WM^ Mer liebte ihn mehr? ZI lFortieYung.l geradezu, seinen Alimentationspflichten nachzukommen. Einen erziehlichen und bessernden Einfluß üben die Korrektionshäuser nicht aus. DaS Korrektionshaus ist das Sammelbecken der Auswürflinge der Gefell- fchaft. Dem Urteil der Richter soll man nicht zu viel vertrauen; sie sind auch nur Menschen und zu dem leicht geneigt, zu schematisieren und zu schaolo- nisieren. — Abg. Cassel mann (frs. Vp.) schließt j sich dem sozialdemokratischen Anträge an. In der «weniger tragisch, wenn auch der Vorfall «in be- Abstimmung wird der Antrag Molkcnbuhr mit den Stimmen der Sozialdemokraten, Freisinnigen, des größeren Teiles der Nationalliberalcn und eines Teiles des Zentrums angenommen. Die Ab stimmung über den Antrag Gröber bleibt zweifel haft ; es erfolgt daher Auszählung des Hauses, die 84 Stimmen für, 70 Stimmen gegen ergibt. Das Haus ist somit nicht beschlu ßsähig. Preußischer Lundlog. Am Donnerstag setzte das Abgeordnetenhaus die zweite Etatsberatung mit dem Spezialetat der land- - wirtschaftlichen Verwaltung fort. Hierbei wurde auch über die landwirtschaftliche Notlage diskutiert und . vom Abg. Humann (Zentr.) die Handelsverträge als auch die westliche Landwirtschaft schwer schädigend i dargestellt. Die Staffeltarife seien eine im Westen geradezu verhaßte Einrichtung; der Identitätsnach weis müsse bestehen bleiben. Schließlich wurde der Etat bewilligt. Nach Erledigung einer großen An zahl kleinerer Etats vertagte sich das Haus auf Dienstag.
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