Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 01.11.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189311012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18931101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18931101
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-11
- Tag 1893-11-01
-
Monat
1893-11
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.11.1893
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. Deutschland. »Der Kaiser hat am Donnerstag im Neuen Palais bei Potsdam den neuernannten außerordentlichen und bevollmächtigten Bot schafter der Per. Staaten von Amerika, General Theodore Runyon, in feierlicher Audienz empfangen und aus dessen Händen ein Schreiben des Präsidenten der Ver. Staaten von Amerika entgegengenommen, durch das der selbe in der gedachten Eigenschaft beglaubigt wird. Der Audienz wohnte der Staatssekretär des Auswärtigen, Frhr. v. Marschall, bei. * Der Ertrag der Tabakfabrikat steuer wird von der Regierung, wie in mehreren Blättern nachgerechnet wird, auf 108 Mill. Mark berechnet, wovon aber 8 Mill. Mk. als Erhebungskosten in Abzug kommen, sodaß eine Netto-Einnahme von 100 Millionen bliebe. Von den 108 Mill, soll der Rauchtabak 86,5 Mill., die Zigarren 71,7 Mill, (bei einer Konsumver- minderung von 33'/» Proz.) einbringen. *Wie die ,Nordd. Allgem. Ztg.' hört, ist zur Verhinderung ungemessener Spekulation in Aussicht genommen, im Falle der Einführung einer Fabrikatsteuer die Tabakfabrikate einer Nachsteuer zu unterwerfen; die Höhe dieser Nachsteuer steht noch nicht fest. * Im ReichS-Eisenbahnamt hat am 25. d. unter Beteiligung von Vertretern mehrerer Bundesregierungen eine Vorbesprechung stattge funden, die darauf hinzielt, im Interesse des Verkehrs und zur Erhöhung der Betriebssicherheit einheitliche Vorschriften für den Fahrdienst auf den Eisenbahnen Deutschlands durchzuführen. Weitere Verhandlungen sollen folgen. * Welcher Gebrauch von dem Petit io ns - recht an den Reichstag gemacht wird, ergibt die Zahl der während der zwölftägigen Tagung des Reichstags im letzten Sommer eingegangenen 5236 Petitionen. *Die Thronfolge in Württem berg bereitet dem „Evangelischen Bunde" Be- sorgnrsse. König Wilhelm von Württemberg ist bekanntlich bis jetzt ohne männliche Erben, so daß die Thronfolge voraussichtlich einer katho lischen Linie des Hauses zufällt. Derselbe Fall trat im vorigen Jahrhundert ein, und da mals wurden unter der Garantie Preußens und anderer protestantischer Höfe besondere Sicher heiten für den Protestantismus im württemdergi- schen Lande aufgerichtet, die sogen. Religions reversalien, die dann in der Verfassung des Jahres 1819 in die Bestimmung umgewandelt wurden, daß die landesbischöflichen Rechte des Königs, wenn dieser nicht der evangelischen Kirche angchöre, auf den Geheimen Rat übergehen. Nun hat aber seitdem der Geheime Rat eine ganz andere Stellung und Einrichtung erhalten, auch steht nichts im Wege, daß, was damals noch undenkbar war, auch katholische Mitglieder ihm angehören, vielleicht die Mehrheit darin bilden. Der Evangelische Bund beabsichtigt nun, an den Landtag eine Petition um entsprechende Revision des Z 76 der Verfassung (Religions reversalien) zu richten. Oesterreich-Ungarn. * DieLage inWien ist noch unverändert, wenngleich geklärter, als vor einigen Tagen. Man glaubt, die Regierung bereite die Schließung des Reichsrats durch eine Thronrede vor, doch müßte vorher die Landmehrvorlage erledigt werden. Verschiedenen Gerüchten zufolge soll Graf Hohenwart, der Führer der Konservativen, an das kaiserliche Hoflager nach Budapest be rufen worden sein. *Zur Beratung der Prager Aus nahmeverfügungen wird aus Wien be richtet: Ueber den bisherigen Verlauf der Be ratung dec Prager Ausnahmeoerfügungen im Ausschüsse verlautet, der Ministerpräsident Graf Taaffe hätte erklärt, er könne einen Teil des Materials nur in einer vertraulichen Sitzung oder gar nicht vorlegen, worauf der Ausschuß sich mit 18 gegen 5 Stimmen bereit erklärte, einen Teil des Materials in geheimer Sitzung entgegen zu nehmen. Ein weiterer Vorschlag des Ministerpräsidenten, der Ausschuß möge das ge samte Material in geheimer Sitzung behufs Sichtung in Empfang nehmen, wurde mit 16 gegen 7 Stimmen zum Beschluß erhoben, worauf die etwa 200 als Zuhörer erschienenen Abge ordneten aller Parteirichtungen sich entfernten. Sodann wurde in vertraulicher Sitzung di« Ver lesung der Aktenstücke begonnen. Frankreich. * Präsident Carnot ist, begleitet von den Ministern Rieunier, Dupuy und Develle, sowie vom französischen Botschafter am russischen Hofe, Montebello, und von der militärischen Umgebung, am Donnerstag nachmittag nach Toulon abgereist. Dort findet die Schlußfeierlichkeit für die russischen G ä ste statt. *Der Ministerrat beschloß, nochmals zwei Aerzte nach Bornemouth zu entsenden, um sest- stellen zu lassen, ob Cornelius Herz nicht nach London vor den Richter transportiert werden könne. England. * Die augenblickliche politische Lage in England wird von der konservativen ,St. James' Gazette' in nachfolgender Weise ge kennzeichnet: „Die Folge der großen Home- rule - Session von 1893 war in gewisser Be ziehung für beide Parteien ein Enttäuschung. Einerseits rechneten die Radikalen darauf, daß sich im Lande eine Agitation gegen das Haus der Lords bemerkbar machen würde, worin sie sich jedoch bedeutend getäuscht haben. Und andererseits hofften die Konservativen, daß ein Appell an die Wähler gerichtet werden würde. Auch sie gaben sich damit einer Täuschung hin. Die konservative Partei muß den Umstand im Auge behalten, daß sie keine Auflösung des Parlaments erzwingen kann und daß die Gladstonianer unter den gegenwärtigen Um ständen alle Ursache haben, eine solche so lange wie möglich zu vertagen." Dänemark. *Nach einer Kopenhagener Meldung der ,Polit. Korr.' ist das Gerücht, die Negierung beabsichtige, im Herbst eine allgemeine Mobilisierung vorzunehmen, um auszu probieren, ob sich dieselbe in 48 Stunden durch führen lasse, unbegründet. Es werde, wenn die Volksvertretung die nötigen Gelder bewilligt, eine Musterung sämtlicher Reserven stattfinden. Amerika. *Aus Brasilien wird gemeldet: Der Kommandant der vor Rto befindlichen fremden Geschwader, ausschließlich des deutschen (der be kanntlich die Instruktion hat, sich jeder Ein mischung in die Parteikämpfe zu enthalten), haben den Präsidenten Peixoto daraus aufmerksam ge macht, daß die in den Arsenalen getroffenen kriegerischen Vorbereitungen geeignet wären, zu einem Bombardement durch Admiral Mello zu führen, und daß hierunter die den Arsenalen be nachbarten Stadtteile in empfindlicher Weise leiden würden. — Präsident Peixoto hat ein Dekret erlassen, das die den Fremden garan tierten Freiheiten beschränkt. Dadurch wird Peixoto seine Stellung noch verschlechtern. — Großes Aussehen hat es erregt, daß der Kom mandant des kürzlich in den brasilianischen Ge wässern eingetroffenen Geschwaders der Ver. Staaten, Admiral Stanton, mit dem Admiral Mello offiziellen Besuch »nd Salut ausge tauscht, also diesen gewissermaßen als Oberhaupt der brasilianischen Republik anerkannt hat. Wie sich jetzt herausstellt, hat Stanton damit gegen die Intentionen seiner Regierung gehandelt. Stanton ist des Kommandos enthoben worden. Australien. *Wie der ,Köln. Ztg.' aus Australien berichtet wird, kommt von allen Seiten die dringende Forderung, die Zollschranken zwischen den einzelnen Kolonien endlich fallen zu lassen. Alle Regierungen sind dafür, ebenso die Parlamente, nur Neusüdwales sträubt sich dagegen, der Premier lehnt sogar jede Be teiligung an der demnächst zusammentretenden Zollkonferenz ab. Da aber auch der Gouverneur von Neusüdwales, Sir Robert Duff, noch jüngst bei einem Festmahl sich für Hinwegräumung der Zölle ausgesprochen hat, so wird allgemein er wartet, daß bei der nächsten Parlamentswahl die Freihandelspartei siegen werde. Uon Mäh «nd Fern. Die Cholera. Das Reichs-GesundheitSamt macht folgende Cholerafälle bekannt: In Tilfit starben zwei Personen an Cholera. In Stettin eine Erkrankung. In Zerpenschleuse ist ein von Stettin gekommener kranker Schiffer auf dem Finowkanal angehalten worden. In Gleiwitz ist in einem tötlich verlaufenen Krankheitsfall Cholera nachgewiesen. Aus Havelberg sind 5 weitere Er krankungen mit 2 Todesfällen gemeldet. In Ham burg vom 20. bis 26. Oktober 5 Erkrankungen mit 2 Todesfällen. Vom Herbstsegen. Die an der Mosel und Saar nunmehr beendigte Traubenlese liefert nicht nur einen an Güte in diesem Jahrhundert nicht übertroffenen Wein, sondern auch eine außerordentliche Menge. Während man in Durchschnittsjahren 30—32 Zentner Trauben auf ein Fuder Wein (960 Liter) rechnet, erzielt man dieses Jahr ein Fuder aus 24—26 Zentner. Das Weingeschäft ist aber noch sehr still; die Händler machen sich den Obstsegen des Jahres zu nutze und drücken auf die Preise, da die Winzer wegen Fässermangels gezwungen sind, zu verkaufen. Wie reich die Aepfel- und Birnen ernte war, geht aus der Thatsache hervor, daß Apfelwein, in der Moselgegend „Viez" genannt, zu 8 Pf., Birnentrank schon zu 5 Pf. das Liter abgegeben wird. Ermittelte Mordschützen. Wie aus Posen berichtet wird, sind die Mörder des Försters Densch in Szelejewo ermittelt und verhaftet worden. Es sind ein Mühlenpächter und ein Ackerwirt aus Szelejewo. Den Mühlenpächter hatte der ermordete Förster durch einen Schrot schuß an der Hand verwundet, und diese Wunde führte zur Entdeckung der Mörder. Aus Schneidemuhr. Die zur Abschätzung der durch das Brunnenunglück hervorgerusenen Schäden in Grundstücken und Häusern eingesetzte Kommission hat ihre Arbeiten vor einigen Tagen beendet und ihre Ermittelungen dem Magistrat unterbreitet. In der am Mittwoch abgehaltenen Sisung der Stadtverordneten berichtete Bürger meister Wolf über das ihm von der Kommst fron zugegangene Material. Danach beläuft sich der verursachte Schaden, falls die eingestürzten Ge bäude nicht mehr aufgebaut werden können, auf 779 500 Mk., falls die Gebäude wieder errichtet werden können, auf 459 412 Mk. Zur Deckung dieser Summe wird ausschließlich der Erlös aus der schon gemeldeten Brunnenlotterie, falls ihre Genehmigung durch den Kaiser erfolgt, heran- gezogen werden. Zur Beratung über die Auf bringung der Kosten ist vorläufig aus der Mitte der Stadtverordneten-Versammlung heraus eine Kommission gewählt worden. Die befremdliche Verhaftung von Dr. Gradnauer in Dresden soll, wie die ,Sachs. Arbeiter-Ztg.' mitteilt, auf eine Notiz des Blattes zurückzuführen sein, daß Gradnauer während seiner Uebungszeit dazu beigetragen habe, den Sozialismus unter die Leute zu bringen, die die Bajonette tragen. Nach Mitteilung der ,Leipz. N. Nachr.' ist noch ein anderer Dresdener Sozial demokrat, ein Handarbeiter, der kürzlich zu einer militärischen Uebung eingezogen war, verhaftet worden. Auch ein Soldat der Zittauer Garnison, wo Gradnauer seine Uebung mitmachte, ist ver haftet worden. Bei einem Zittauer Sozial demokraten ist ein von Gradnauer herrührender Brief beschlagnahmt worden, der aber nichts Be lastendes enthalten soll. Ein vierzehnjähriger Meisterschütze. Auf einem Gut in der Nähe von Greifenhagen in Pommern wurde ein der Gutsherrschaft ge höriger Jagdhund plötzlich von der Tollwut be fallen. Er biß nicht weniger als achtzehn Schafe, die sämtlich bald darauf verendeten. Der Hund rannte durch das offene Thor des Gutshoses eine Chaussee entlang. Hier begegnete ihm ein einspänniger Landwagcn eines benachbarten Gutes, er versetzte dem Pferde ebenfalls einen tätlichen Biß und versuchte, auch den Führer des Wagens zu erreichen. Dieser schlug den Hund jedoch mit der Peitsche vorläufig in die Flucht. Unterdes war von dem Gute her eine Anzahl Männer, unter ihnen der etwa 14jährige Sohn eines Forst beamten, mit Minten bewaffnet, herbeigelaufen, die jedoch, als sie die Szene, die sich vor ihnen auf der Chaussee abspielte, gewahrten, alle, ml Ausnahme des Knaben, aus Furcht vor dem tollen Hunde nicht näher zu kommen wagten. Der Hund hatte sich zunächst einer nahen Wal dung zugewendet; als er aber des ihn verfol genden Knaben ansichtig wurde, richtete er seinen Lauf auf diesen. Mit rasender Schnelle kam das Tier auf den Knaben dahergestürzt; dieser hatte seine Flinte angelegt und ließ den Hund ruhig bis auf etwa zehn Schritte herankommen, dann krachte der Schuß und das tolle Tier stürzte, sich mehrere Riale überschlagend, tot zu Boden. Starr vor Schrecken hatten die übrigen dem Vorgang zugeschaut, erst nach einigen Minuten brach der Bamr des Schweigens und der beherzte Knabe wurde von allen Seiten lebhaft beglück wünscht. Der Gutsherr machte ihm ein ansehn liches Geldgeschenk. Hohes Alter. In Gumbinnen wurde am 22. d. die Mutter des Nachtwächters Schulz, die ein Alter von 101 Jahr und 4 Monaten erreicht hatte, beerdigt. Bis zu diesem Sommer konnte die Frau noch kleine Arbeiten verrichten; erst in den letzten Monaten war dieselbe bettlägerig. Gin grauenvolles Ende fand in Stiege, im braunschweigischen Südharz, der achtjährige Knabe des Waldarbeiters Förster. Das Kind war auf einen Birnbaum geklettert, glitt ab und fiel so unglücklich, daß er mit einem Fuß zwischen zwei sich gabelnden Zweigen hängen blieb und nun, den Kopf nach unten, hilflos zwischen Himmel und Erde schwebte. Stundenlang hat das Kind in dieser martervollen Lage verbracht, ohne daß sein Hilfruf gehört wäre. Dann hat sich schließlich der Stiefel vom Fuße gelöst und der Kleine ist zu Boden gefallen, jedoch infolge des Blutandranges zum Gehirn nach wenige» qualvollen Stunden gestorben. Seltener Fischfang. Von dem Fisch«' meister Scheffler zu Schwerin a. d. W. wurde vor einigen Tagen ein Lachs in der Warthe g« fangen; derselbe hat die seltene Länge von 80 Zentimeter und wiegt 18 Pfund. Dynamitdiebstahl. In der Nähe von Wildenfels bei Zwickau ist vor einigen Tagen ein Pulverhaus, das zu einem dortigen Kalkwerk ge hört, erbrochen worden. Gegen 80 Kilogramm Dynamitpatronen wurden gestohlen. Von den Dieben und dem Verbleib des Dynamits fehlt bis jetzt jede Spur. Von einem Raubanfall wird aus Fraub furt a. M. berichtet: Am Mittwoch mittag betrat ein Fremder einen Spezereiladen der Altstadt und versetzte der allein dort befindlichen Besitze«" mit einem Totschläger zwei Hiebe auf den Ml Am Kassenraub wurde er durch eine W"' kommende Käuferin verhindert und nach kürzet Flucht eingeholt. Er gibt an, Huber aus W! zu heißen, und hatte eine Fahrkarte nach KoP" Hagen und am Bahnhof Koffer mit DiebeSweff zeugen. Die verletzte Frau ist außer Gefahr. Ueber Leutnant Hofmeister schreibt die ,Neue bayr. Landesztg.': „Wir erhalten d» sichere Mitteilung, daß Herr Leutnant HofmeW den Abschied mit Pension bewilligt erhält. D* Armeeverwaltung hätte ihn auf Grund der E« gebnisse der Verhandlung einfach mit schlicht^ Abschied ohne Pension entlassen können, wenn ff auf den strengen Buchstaben des Gesetzes sich ff' stützt hätte. Ein Offizier, der noch nicht M Jahre gedient hat, hat im Falle der Unbrauch' barkeit keinen Anspruch auf Pension. Diese M' stimmung hat schon manchen Leutnant schwer ff' troffen. Wenn Herr Hofmeister trotzdem bff Pension erhält, so verdankt er das der Auffassung daß seine nervöse, erregsame und empfindsam Anlage durch den Dienst beim Regiment in u»' günstiger Art beeinflußt wurde." Pfarrer Kneipp in Wörrishofen, der be kannt Wasserarzt, ist nach einer Meldung d« ,Köln. Volksztg.' zum päpstlichen Geheimkämmer« ernannt worden. Eine Hochzeitsreise im Möbelwagen kann als Stückchen echten „Weaner Hamurs gelten. Franz Mandler in Hernals verfiel am die Idee, zur Feier seiner vor einigen Tage» stattgefundenen Hochzeit auf einem Möbelwage" eine Hochzeitsreise nach Sievring zu unternehm^- Auf den festlich dekorierten Wagen wurden TisO, und Stühle gebracht und vorn für die Mus« Götze Kotö. 1) Von v. Borgstede") „Woher des Wegs, Telse?" fragte die frische Stimme eines hübschen Burschen, welcher auf einer der ostfriesischen Inseln vor einem freund lichen Hause stand und nun mit ausgestreckter Hand und jenem breiten Gange, der mehr noch als die Kleidung den Seemann verriet, auf die Angeredete zukam. In Telfes weiß und rotes Gesicht schlug eine Flamme; die große, üppige Gestalt in der friesischen Tracht blieb stehen. „Jst's möglich, Jens Petters," schrie sie dann hell auf, ihm die Rechte reichend, — „du hier im Land? Wo kommst du her, Jens? Hat dich der Wind, der gestern so brav geweht, heim- -ebracht?" „Fehlgeschossen, Telse," lachte der Matrose; „das hat Herrn Feldbachs Kutter gethan. Wollt' wir doch 'mal unsere Scholle wieder ansehen, che ich mir eine andere Heuer suche." „Zwei Jahre warst du klauben, nicht wahr?" fragte das schöne Mädchen, noch immer Helles Entzücken im Auge. „Was werden die Mutter und Wiebke sagen. Komm' doch und erzähle uns, wie's über See aussieht, JenS; jetzt muß ich in die Pfarre." Noch ein letzter freundlicher Blick; dann lief Telse davon, und Jens blieb stehen und schaute ihr nach. „Wie wär's, JenS," sagte er halblaut, durch sein volles, blondes Haar fahrend, wenn du jetzt ") Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. Anker würfest? Die Telse ist das schönste Mädchen der Inseln, und am Ende — am Ende " Die Berührung einer Hand machte ihn aus sehen und unterbrach sein Selbstgespräch. Vor ihm stand ein eleganter junger Mann nist allen Zeichen äußerster Ungeduld in dem schönen Ge sicht, die Hände frierend aneinander schlagend. „He, Freund Petters," begann er unmutig, „seid ihr hierzulande immer so gastfrei? Nie mand will mir für schweres Geld und gute Worte Quartier geben, an jede Thür habe ich bereits geklopft und bin noch nicht unter Dach." Der Insulaner musterte ihn, die Hände in den Taschen, sich in den Hüften wiegend; dann begann er gemächlich: „Sehen Sie, Herr, dazu haben wir hier keinen Platz. Bei uns geht eS nach alter Art her, nicht wie in den Bädern drüben; hier reicht die Koje gerade für die Familie aus." „Aber ich kann doch nicht auf der Straße liegen bleiben!" rief der vornehm aussehende Städter hastig. „Herr Parfon hätte einen andern senden sollen! Der Teufel hole dies Strandnest." „Na, na," begütigte der blonde Friese; aber in seine Augen kam ein Leuchten; „nichlS für ungut, Herr, wir tauschen nicht mit Ihnen." „Ja, ihr seid ein stolzes Volk," murrte der andere. Dann fuhr er sanfter fort: „Besinnt Euch, Jens; ich habe Euch herübergebracht, schafft mir ein Unterkommen." „Dann gehen Sie mal in die Pfarre," sagte Jens nach einer langen Pause des Nachsinnens; „bei Mutter Anke werden Sie nicht Hausen wollen. Platz wäre bei der; aber die hat eS hier," dabei deutete der junge Mann bezeichnend auf die Stirn. „DaS Frölen und der Herr Pastor werden Rat für Sie wissen." Dabei machte er kehrt und verschwand unter der HauSthür, während der Städter mißmuttg den Gang ins Pfarrhaus antrat, den Kirchturm dabei als Leitstern erwählend. Auf dem Festlande starrten Flüsse und Seen noch unter weißer Eisdecke, auf Feld und Wald lag des Winters Hand, da war vou dem Nahen deS Lenzes nichts zu bemerken; hier aber auf der Insel empfand man sein Kommen. Die See war völlig eisfrei und schimmerte weithin wir durchsichtig, und vom Festlande kamen die Kom missare und Reeder, um Matrosen zu werben, — das sicherste Zeichen des Frühlings. Das Haus Parfon u. Komp, sandte leinen Buchhaller Erwin Feldbach, der sich schon ost in dieser Beziehung tüchtig erwiesen, und nicht zu seiner Freude, wie wir gesehen haben. Nach kurzer Wanderung sah der junge Mann das Pfarrhaus vor sich liegen, und auf sein Läuten öffnete ihm eine saubere Magd, um ihn zu Pastor Braunow zu führen. Der Geistliche empfing ihn in seinem kleinen Studierzimmer mit so viel ruhiger Güte und aufrichtiger Freundlichkeit, daß Erwin seinen Mißmut schwinden fühlte und sein Anliegen un befangen vorbrachte. Pastor Braunow war ein hübscher alter Herr, aus dessen Augen eine Welt von Wohlwollen, auS dessen Lächeln reinste Herzensgüte sprach. Stark ergraute Locken rin gelten sich unter dem schwarzen Samtkäppchen hervor auf eine hohe, klare Stirn, welcher tiefe Falten nichts von ihrer Schönheit zu rauben ver- mochten. Diesem Manne gegenüber lernte man es ein- z sehen, weshalb er auf der Insel so viel ga", weshalb die abgehärteten, starrköpfigen Fries«" für den Herrn Pastor durchs Feuer gingen. ! „Ja, ja, so ist unsere Bevölkerung," nf«,' der Geistliche lächelnd, — wenn meine Tocht«, einwilligt, mögen Sie hier in der Pfarre wohnen, Herr Feldbach! Entschuldigen Sie einen Augen blick, damit ich sie Herbeiruse." Der geistliche Herr verschwand nun A«« darauf, um an der Seite eines jungen Mädchen» zurückzukehren, bei dessen Anblick Äwin fast °«n üblichen Gruß vergaß. ! Er hatte da drüben in der großen Sia? > stolzere, schönere Mädchen gesehen, Mädchen, sich ihres Reizes bewußt waren und durch vc« j selben siegen wollten; aber holdseliger als > muthc Braunow war keine von ihnen. Wie wi großen Augen leuchteten, wie reizend ihr row Mund lächelte, und wie anmutig sich das brau Haar um ihr Gesicht legte! „Du bist wie ein Blume," fiel dem verwöhnten Mann ein, uno verneigte sich tief. . „Papa sagte mir," klang da ihre M«. frische Stimme, und ihre Augen blitzten sw misch, „wie ungastlich die Leute gegen wesen sind. Wir können Ihnen nur sehr ' bieten; aber es wird uns freuen, säu mst unserem Gaststübchen vorliebuehmen ws „Es ist in Herrn Feldbachs Lage Kr emW Autzioeg, liebes Kind? meinte der SeeMg^ „richte nur alles her, damit unser Gast stw holen kann."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)