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Allgemeiner Anzeiger : 11.10.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189310112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18931011
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18931011
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1893
-
Monat
1893-10
- Tag 1893-10-11
-
Monat
1893-10
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.10.1893
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und hatte, nachdem er seinem Mitgefährten das ganze Gesicht -ertrotzt hatte, zwei Schüsse gcgcn denselben abgegeben, die glücklicherweise sehl- Wgcn; darauf schoß er noch mehrere Male zum Fenster hinaus. In Vernate wurden der Offi zier von drei Karabinieri erwartet und ins Krankenhaus gebracht. Tucci, der große Preisfaster, weilt gegenwärtig in Rom und sucht Kapital, um auf den Apenninen eine große Luftkuranstalt zu er richten, aber nicht für Anhänger des Hunger- spsrcms. Bor der definitiven Gründung dieses Instituts will der Unermüdliche übrigens noch eine permanente Ausstellung italienischer Landes produkte im Aquarium zu London ins Leben rufen, wo Succi zugleich zur Unterhaltung des Publikums Vorstellungen im Fasten geben wird. Hinrichtung. Am 3. früh wurde in Albi der Vatermörder Veyrioz im weißen Büßerhemd, einen Flor um den Kopf, hingerichtet. Als die Gcrichtspersonen des Morgens in Veyrioz' Zelle traten, wandte er sich an den Staatsanwalt und erklärte, seine Frau und sein Schwiegervater hätten ihn zu dem Morde aufgestachelt; sie ver dienten bestraft zu werden, wie er selbst. Das selbe sagte er noch, nachdem der Gefängnis geistliche ihn schon dem Scharfrichter ausgeliefert hatte. Die „Russalka" ist das zehnte Schiff, das die russische Flotte seit dem Krimkricge im Finnischen Merrbusen verloren hat. Am furcht barsten war das Unglück mit dem Linienschiff „Lefort". Dieses ging im September 1857 im Angesicht zweier anderen Kriegsschiffe mit drei zehn Offizieren, 744 Matrosen und 53 Familien, die mit an Bord waren, unter. Ein Stoßwind legte das Schiff auf die Seite, brachte es zum Kentern, und wenige Augenblicke später war es auch schon in die Tiefe gesunken. Verbrannt. In Roslawl, Gouvernement Smolensk, ist die Kaserne des Newskischen Jn- santerie-Regiments nachts vollständig abgebrannt. 28 Soldaten verbrannten, 11 sprangen aus dem obersten Stockwerk herab und wurden lebens gefährlich verletzt. Rian vermutet Brandstiftung. Ein Vatermord wegen zehn Centimes. Aus Bukarest wird geschrieben: Vor einigen Tagen wurde die Gerichtsbehörde von Giurgin verständigt, daß in einer zumeist von Büffelfuhr- leutcn bewohnten Vorstadt ein Mord verübt worden sei. Die an den Ort des Verbrechens entsendete Gerichtskommission fand denn auch in einem Hause der betreffenden Vorstadt den blut überströmten Leichnam des Büffelfuhrmanns Eracinu Bone auf einem Bette liegend vor. Dem Unglücklichen war der HalS durchschnitten ""b außerdem mit einem scharfen Werkzeuge eine Elche Schädelwunde beigebracht worden. Bei Ausnahme des Thatbestand-Protokolls fiel L. auf, daß einer von den anwesenden vier «ohne» xj„ völlig frisches Hemd trug. Da "">1 aber bei näherer Untersuchung der Mordstätte unter dem Bette ein blutbeflecktes Hemd ge- mndcn wurde das als Eigentum eben dieses es erkannt wurde, so mußte wohl der Ver- das furchtbare Verbrechen verübt zu Men, auf den Eigentümer dieses Wäschestückes, kaum erst siebzehnjährigen Tudor, gelenkt werden. Derselbe versuchte zwar anfänglich zu ^Men, indem er behauptete, das Blut an stmem unter dem Bette versteckt gewesenen Hemde Wre von einem Büffel her. Schließlich ge- Md er aber nach mehrstündigem Verhöre zu, mnen Vater mit einer Axt erschlagen zu haben, um die Beweggründe dieser schrecklichen That be zogt, wußte der jugendliche Mörder, der übrigens ?ar keine Reue oder auch nur eine Spur von Euerer Aufregung bekundete, nichts als den Um stand anzugeben, daß sein Vater sich geweigert habe, ihm zehn Bani (Centimes) für Tabak zu heben! Die Zahl der vom Cyklone und der Springflut im Golf von Mexiko in der Nacht v°m Sonntag zum Montag zum Opfer ge- Menen Personen wird neuerdings gar auf 2000 "^gegeben. .. Erstaunliche Enthüllungen über die lungsten amerikanischen Eisenbahn - Uebcrfälle bringen soeben eingegangene briefliche Mitteilun- hen aus der Wellausstclluugsstadt: Die Ver mutung der amerikanischen Polizei, daß sie die Hauptbeteiligten an den Eisenbahn-Ueberfallen dec letzten Wochen unter dem Eisenbahn-Personal zu suchen habe, hat sich leider bestätigt. Von 13 seitdem verhafteten Eisenbahnbeamten und nicht weniger als 9 gefänglich eingezogen worden, bei denen schwere Verdachtsmomente vorlicgen; zwei davon sollen sich sogar bei dem Uebertall bei Keßler, sowie dem bei Hanckok unter den maskierten Briganten befunden haben und zwar als „sachkundige Anführer" der Bande. Obgleich die Verdachtsmomente gegen die Verhafteten äußerst schwere sind, leugnen sic bisher sämtlich ihre Mitwissenschaft auf das hartnäckigste. Eine riesige Feuersbrunst hat am vorigen Montag in dem Gcschäftsviertel von St. Joseph (Nordamerika) gewütet und einen Gesamt schaden von mehr als 4 Millionen Mk. ange richtet. Das Feuer brach in dem achtstöckigen Warenhause der großen Manufakturwaren-Firma Townsend u. Wyatt aus, das vollständig in Asche gelegt wurde. Allein diese Firma beziffert ihren Verlust auf über 1 Million Mk. Auch das pracht volle Gebäude der Kommerzial-Bank, die Ge schäftshäuser von Binswanger und Komp., der Kongkong Tea Co. und mehr als 20 weitere Läden fielen nebst Warenvorräten dem wütenden Element zum Opfer. Gerichtshaüe. Berlin. Der große Schwurgerichtssaal im Kriminalgerichtsgebäude war am Mittwoch der Zielpunkt eines ganz ungewöhnlichen Massen andranges. Die Leute, die da in langen Reihen die große Freitreppe cmporstiegen, waren aber nicht müßige Zuhörer in einem großen Sensations- Prozesse, sie waren vielmehr sämtlich als Ange klagte vorgcladen, um sich auf eine Ricsenankläge wegen Diebstahls zu verantworten. Ihre Zahl betrug 160. Der große Raum des Schwurgerichts- saales reichte kaum hin, um die große Zahl der Angeklagten in übersichtlicher Weise zu gruppieren; dieselben füllten nicht nur den Anklageraum, son dern auch die Geschworenenbänke und sämtliche sonst für die Zeugen reservierten Stühle, ja, auch die drei ersten Bankreihen des Zuschauer- raumes waren mit Angeklagten gefüllt. Die Strafsache war „Witwe Spliitstößcr und Ge- uossen" benannt. Es handelte sich um die große Plünderung zweier Holzplätzc, welche sich am Abend des 17. Juni in der Bromberger Straße ereignete. An der Ecke der Rüdersdorfer- und Bromberger Straße hatte die Holzhandlung I. M. Seligsohn einen Holzhof von der königl. Ostbahn gepachtet, welcher geräumt werden sollte. Am 17. Juni verbreitete sich in der dortigen Gegend das Gerücht, daß auf dem Seligsohuschen Holzplatz Holz verschenkt würde. Die freudige Mär verbreitete sich wie ein Lauffeuer und lockte Frauen, Männer und Kinder zu vielen Hunderten nach der Stätte, wo man so billiges Holz material erhalten könne. Der Platzanweiser bot alle seine Beredsamkeit auf, um die Leute zu überzeugen, daß das Gerücht völlig unbegründet sei; es lösten sich bald alle Baude frommer Scheu und man erteilte dem Anweiser den guten Rat, sich ganz ruhig zu verhalten, da er sonst leicht totgeschlagen werden könnte. Einige Knaben kletterten zunächst über den Zaun und warfen Bretter und Balken auf die Straße hinüber, daun krachte der Zaun unter der Wucht der an drängenden Menge zusammen, und wie ein Ameisenschwarm ergoß sich die Menge über den weiten Raum. Bretter, Balken, Klötze, Planken wurden als gute Beute erklärt und das Losungs wort „Bei Seligsohn ist Holzauktion" lockte immer neue Holzbedürftige herbei. Der Selig- sohnsche Holzplatz war bald gänzlich ausgeplün dert, die Menge drang aber auch in den benach barten Krügerschen Holzplatz und plünderte dort weiter. Der unglaublichen Szene wurde erst ein Ende bereitet, als eine Abteilung von Schutzleuten unter Führung eines Polizei- lcutnants auf der Bildfläche erschien. Auf dem Seligsohnschen Holzplatze sind Bretter und Hölzer im Werte von 850 Mk., auf dem Krüger- scheu Holzplatze solche im Werte von 250 Mk. gestohlen worden. Unter den Angeklagten, die sämtlich geständig sind, Holz geholt zu haben, befinden sich zahlreiche Frauen, alt und jung, Arbeiter, Handlungsgehilfen, Laufburschen, Schüler und Schülerinnen. Einzelne von ihnen waren noch nicht 13 Jahre alt. Sie alle blieben dabei, daß sie des guten Glaubens gewesen seien, das Holz werde verschenkt. Angeblich habe vor dem Seligsohnschen Holzplatze ein „feiner Mann" ge standen und allen Vorübergehenden mitgeteilt, daß dort Holz „verschenkt" werde. Das Gefühl, das die Angeklagten beherrschte, schilderte einer der Angeklagten recht anschaulich wie folgt: „Der Ruf „In der Bromberger Straße ist Holz auktion" wurde von vielen Leuten ausgestoßen. Alles, was gehen konnte, jung und alt, groß und klein hatte Holz auf der Schulter. Ich fragte: wo habt ihr denn das Holz her? und erhielt zur Antwort: Das wird verschenkt, gehen Sie nur dahin! Wenn man so was hört und zu Hause eine Frau hat, so wird man sich in seinem Gewissen sagen: Du wirst doch nicht dumm sein oder dich als faul ausschelten lassen, also gehe man auch hin und hole Holz. Wer sich von seiner Hände Arbeit zu ernähren hat, wird Verständnis dafür haben." In ähnlicher Weise begründeten fast alle Angeklagten ihren guten Glauben. Ein Teil von ihnen wollte, nachdem ihnen bekannt geworden, daß die Wegnahme als Diebstahl angesehen werde, das Holz wieder zurückgebracht haben, andere haben es schleunigst verbrannt. Die Beweisaufnahme gestaltete sich sehr einfach. Nach Aussage des Seligsohn sollte sein Holzplatz am 1. Juli geräumt werden. Von einem unbekannten Wohlthäter, der den Leuten gesagt, daß sie das Holz holen könnten, wußte er nichts. Jedenfalls hat er selbst keinem Men schen die Erlaubnis erteilt, das Holz zu ver schenken. Außer einem direkten Schaden von 850 Mk. hat Herr Seligsohn auch noch für den niedergebrochenen Zaun an die Eisenbahn 170 Mark bezahlen müssen. — Herr Krüger, der Be sitzer des zweiten HolzplatzeS, war auf die Kunde, daß sein Eigentum gefährdet werde, sofort zu seinem Holzplatz geeilt. Er sand daselbst noch etwa 500 Menschen vor. Als er sich durchdrängte und erklärte, daß er der Besitzer sei, wurde ihm ge antwortet: „Na, Jungeken, man immer sachte!" Die Umfriedigung seines Holzplatzes war voll ständig weggerissen. — Der Holzanweiscr sagte aus, daß noch am nächsten Morgen verschiedene Frauen auf dem Holzplatz erschienen seien, die nochmals Holz stahlen. Darunter befand sich namentlich auch Frau Splittstößer. Als ihr der Anweiser zurief: „Habt ihr denn noch nicht von gestern genug?" antwortete die Frau: „Was die Leute gestern thun konnten, kann ich doch heute auch noch thun!" Ein anderer Zeuge bekundete, daß ein älterer Herr der Rädelsführer zu sein schien, und es den Anschein hatte, als ob der selbe so that, daß er über das Holz zu verfügen habe. Ein Zeuge, der pensionierte Feuerwehr mann Olbrich, wollte die ganze Schuld an dem Vorfall der mangelhaften Beaufsichtigung des Holzplatzes zuschreibcn. An dem kritischen Tage kam, wie der Zeuge erzählte, „jeder und nahm sich sein Holz und ging damit los. Es war gar keine Schlägerei oder sonst etwas dabei, sondern es ging alles ganz friedlich zu." Der Staatsanwalt wollte in keinem Falle den „guten Glauben" der Angeklagten gelten lassen, sondern hielt gegen alle die Anklage wegen Diebstahls oder Hehlerei oder Begünstigung aufrecht. Der Staatsanwalt brachte Strafen in Höhe von einer Woche bezw. 14 Tagen und bei den jugend lichen Angeklagten von je 3 und 5 Tagen in Antrag. Nur bei einem schon vorbestraften An geklagten ging der Strafantrag auf 4 Monat Gefängnis hinauf. — Die Verteidiger verwiesen darauf, daß es sich hier fast ausschließlich um anständige Personen handle, die mit dem Straf gesetz noch nie in Konflikt gekommen sind. Die meisten sind in den Besitz der wenige Pfennige werten Hölzer in einer Weise gekommen, die nicht erkennen ließe, daß es sich um gestohlenes Gut sandelte. Es handle sich bei allen Angeklagten rur um einen Akt großer Unvorsichtigkeit und großen Leichtsinns. Der Gerichtshof sprach nach verhältnismäßig kurzer Beratung sämtliche An geklagte frei, indem er nicht der Meinung war, daß dieselben das Bewußtsein einer strafbaren Handlung gehabt haben, sondern in der That der ganz falschen Vermutung gewesen seien, daß das Holz durch einen unbekannten Wohlthäter zur freien Verfügung des Publikums gestellt worden sei.. Gemeinniihiges. Gegen Verbrenne» und Verbrühen der Haut. Man schabe gewöhnliche Hausseife, mache mit etwas Wasser einen Brei davon, streiche ihn dick auf Leinewand und bedecke die Brandwunde damit. Der Schmerz wird sehr bald nachlassen. Dieses einfache Hausmittel ist in den meisten Fällen zur vollständigen Heilung aus reichend. Zeitig angewendet, verhindert es auch die Blasenbildung. Ist die Verbrennung tiefer, ist ein großer Teil des Hantgewebes zerstört, so setzt man der Seife etwas Arnikatinktur zu. Das Eierfreffen der Hühner ist häufig eine Folge davon, daß die Anzahl der Nester eine zu geringe ist, sich deswegen mehrere Hühner auf demselben herumbeißen, hierbei Eier zertreten und den Inhalt fressen. Dieser nun schmeckt den Hühnern zu gut, als daß sie nicht bald dazu übergehen sollten, die gelegten Eier zu zerpicken und zu verzehren. Man sorge also dafür, daß es den Hühnern nicht an Nestern mangele, daß z. B. auf je 2—3 Hühner ein Nest vorhanden ist. Wo aber ein Huhn schon Eier frißt, lege mau ihm einige Porzellaneier in das Nest und nehme einige Tage die gelegten Eier sofort weg. Durch das vergebliche Hämmern auf den Porzellan eiern wird das Huhn zuweilen von seiner Un tugend abgebracht, wenn nicht, pflegen auch andere Mittel, außer dem Schlachtmesser, nicht zu helfen. ' Um Hunde vor der Staupe zu be wahre«, schlagen manche Leute ein ganz ver kehrtes Mittel ein, indem sie dem jungen Hunde, einem geborenen Fleischtiere, seine natürliche Kost, das Fleisch, entziehen und ihn dafür mit dem Hunde unzuträglichen Kartoffeln großziehen wollen. Wer seinen Hund ohne Staupe groß bekommen will, der gebe ihm wenig Kartoffeln, aber recht viel rohes Fleisch; die Krankheit wird dann an dem Hunde fast spurlos vorübergeben, und nur hin und wieder wird seine warme Stase ein Unbehagen verraten, ohne seiner Munterkeit viel Abbruch zu thun. Kuntes Altertet. Vegetarier-Abzeichen. Ein Abzeichen und Erkennungsmal haben sich nun auch die Vegetarier zugelegt. Es besteht aus einer kleinen Rose, die von naturgrüner Farbe ist und im Knopfloch oder vorn am Rockkragen getragen wird. Ein Lokal-Witz ist für Eisenbahnbeamte von Interesse. Am Stammtisch in Ratibor be hauptete ein Herr, daß doch jetzt auf der dortigen Eisenbahn alles drunter und drüber gehe. Darob ergrimmte einer der Gäste, der einen Schwager beim Betriebsamt hat, erklärte, daß unter dem jetzigen strengen Regiment aller in bester Ordnung ei, und ereiferte sich so sehr, daß er suchsfeuer- rot wurde. „Aber beruhigen Sie sich doch," erwiderte der andere, „wir haben doch jetzt eine Ueber- und eine Unterführung, und da geht doch alles drunter und drüber!" Bei dem durch seine Derbheit bekannten Landrat v. M. hatte sich — so erzählt die .Straßb. Post' — das Obervormundschastsgericht nach dem Schicksal von — neun Ferkeln erkundigt, die in einer Nachweisung über das Vermögen eines Mündels des Landrats nicht ausgefunden werden konnten. „Die Sau hat die Ferkel ge- ressen," gab der Landrat zur Antwort. DaS Obervormundschaftsgericht beruhigte sich aber bei dieser Antwort nicht, sondern fragte weiter: „Warum hat die Sau die Ferkel gefressen?" Das ging den Landrat über den Spaß und er antwortete: „Weil sie nicht wollte, daß die Ferkel unter Vormundschaft kommen und durch unnütze Schreibereien gequält werden sollten." Ende vom Liede: „5 Thaler Ordnungsstrafe," die der Land rat lächelnd bezahlte mit den Worten: „Das chadet nichts; ich habe die Kerle für mindestens 10 Thaler geärgert." Genaue Abrechnung. Graf: „Hier, Johann, ist dein Lohn! Dreißig Mark, abzüglich dreißig Zigarren, L 40 Pfennig, macht 12 Mark, Rest 18 Mark." - Johann„Aber bitte, Herr Graf!" — Graf: „Ja, ich rauche keine billigere Sorte. Wenn sie dir zu teuer sind, mußt du dir eben billigere selber kaufen." wachen solle, da kam der Karneval und Sabine «ab sich seinen Genüssen mit so recht kindlicher Freude hin, daß ich glaubte, mich dennoch ge täuscht zu haben. Ich dachte, das flüchtige Interesse für den jungen Offizier sei verflogen Und seine Verlobung mit Charlotte hätte eine unübersteigliche Schranke zwischen ihm und Sabi e aufgerichtet. Wenn sie ihn je geliebt, so würde sie vergessen lernen und später dann mit Lächeln auf diese Jugendschwärmerei zurück blicken — so hatte ich gerechnet, ohne daran zu denken, daß Wolkendorf ein Mann sei, der es im Punkte der Treue nicht so genau nahm, und dem eine Tändelei mit dem jungen Mädchen eben «wen ganz passenden Zeitvertreib bieten konnte. Wilhelmine hörte mich schweigend an. Sie wehrte den Thränen nicht, die langsam über ihre bleichen Wangen herabflossen — eine solche Ent hüllung hatte die Arme wohl nicht erwartet. Als ich geendet, trocknete sie hastig ihre Thränen, als hätte sie sich viel zu lange ihrem Ichmerze hingegcben.„Hier heißt es nicht Men, sondern handeln," sagte sie mutig, ihre schwäche überwindend — „was soll ich thun. "Ws halten Sie für das beste?" „Das beste Mittel wäre wohl Entfernung," Meg ete ich — „aber wohin wollen Sie ^bine senden?" ^Wilhelmine blickte nachdenkend vor sich hin. k. " hab?,, einige Verwandte in der Residenz, "«Moch « do ^^ulein Göllern," fiel ich lebhaft ein, „jetzt, leidend „ist, wäre ihr Sabine wohl nicht Wilhelmine machte eine abwehrende Bewe gung. „Nein, nein, das Kind paßt nicht dorthin. Jene Kreise sind nichts für sie, und dann — Monbijou ist viel zu nahe — Sabine muß in eine ihr gänzlich fremde Umgebung kommen. Wir haben eine alte Tante in der Residenz, diese werde ich ins Vertrauen ziehen, sie ist eine gute Frau und wird sich nicht weigern, Sabine bei sich auf-unehmen. Dort soll das Kind bleiben, bis alles vorüber ist — ich wollte, ich könnte beiden die Thür weisen, Charlotte und ihrem zukünftigen Gatten." „Wollen Sie mit Sabine darüber sprechen?" fragte ich leise. Wilhelmine schüttelte das Haupt. „Nein," sagte sie entschieden, „ich will sie nicht erst auf merksam machen auf die Größe der Gefahr, in der sie geschwebt. Mit ihm, dem liebenswürdigen Kavalier, möchte ich wohl gerne ein Wörtchen reden, aber es wird wohl besser sein, rch schweige und entferne das Kind aus seiner Nähe. Auch meinem Bruder will ich nichts sagen, der gute Mensch hätte keine ruhige Stunde mehr, er würde sich die bilterstcn Vorwürfe machen; ich null ihm dies Leid ersparen — in dieser Hinsicht steht mein Entschluß vollkommen fest, nur über eins bin ich noch in Zweifel, soll ich Charlotte warnen, soll ich sie aufmerksam machen auf die Flatter haftigkeit ihres künftigen Gatten — oder soll ich schweigen? Sehen Sie, ich habe niemals rechtes Vertrauen zu meiner Kousine fasten können — ich fühle nicht die geringste Zuneigung für sie — schon oft habe ich mir deshalb Vorwürfe ge macht, ich kann nicht anders — ich hege eine Art von Abneigung gegen Charlotte und wüßte nicht einmal genau zu sagen, weshalb. — Als Kind schon mied ich die Nähe meiner Kousine, und wenn ich auch mit den Jahren gelernt habe, diese Abneigung zu beherrschen, gänzlich unter drücken konnte ich dieselbe nie. Ich glaube fast, daß auch Charlotte diese Antipathie teilt, denn sie war nie zärtlich gegen mich gesinnt — wie würde sie von mir eine derartige Warnung auf nehmen — würde ste einer solchen überhaupt Glauben schenken? — Sabine kann ich um keinen Preis bloßstellen, soll ich alle Schuld auf Wolken dorf wälzen, und dann, wenn Charlotte Beweise verlangt, was könnte ich antworten?" „Sie können sich jederzeit auf mich berufen," versetzte ich, „ob dies viel nützen würde, weiß ich wohl nicht, denn Frau Wildbach scheint Wolken dorf sehr zu lieben." „Lieben — ich glaube nicht, daß Charlotte so recht von Herzen lieben kann," unterbrach mich Wilhelmine fast heftig, „ste liebt in Wolkendorf den schönen Mann, den glänzenden Offizier, es schmeichelt ihr, Frau von Wolkendorf heißen zu können, eine echte, rechte Liebe kennt ste nicht. Ich bin überzeugt, sie würde ihn nicht aufgeben, auch wenn ich ihr alles sagte, aber ich möchte ste dennoch nicht ungestraft lassen, was soll ich thun?" „Reden Sie, ohne Sabine preiszngeben." „Das will ich thun," versetzte Wilhelmine entschlossen, „und nun, haben Sie Dank für all' Ihre Güte, mein Freund." Sie reichte mir ihre beiden Hände, die ich herzlich in die meinen drückte. Mit leisem Erröten zog ste ihre Hände zurück. „Dort liegt Monbijou, in wenigen Minuten sind wir bei Sidonie," sagte ste. Die Herrin von Monbijou empfing uns mit herzlicher Freude. „Ich dachte mir's wohl, daß Sie mitkommen würden," sagte sie zu mir gewendet, als die ersten Begrüßungen vorüber waren, „Sie dürfen sich i icht so selten machen, in letzter Zeit haben Sie mich arg vernachlässigt." Obgleich Sidonie sehr blaß und leidend aus sah, Halle ihre Laune doch nicht bei diesem Unfall gelitten, im Gegenteil, sie nahm das Ganze ziem lich leicht und meinte, eS schade ihr garnicht, für einige Zeit an das Zimmer gefesselt bleiben zu müssen. „So bicibe ich doch von unwillkommenen Gästen verschont," fügte sie lächelnd hinzu, „und diejenigen, die mir willkommen sind, kommen hierher, um mir ihre Teilnahme zu bezeigen." „Gehöre iw auch zu den unwillkommenen Gästen?" fragte ich scherzend. „Sie gewiß nicht," entgegnete ste herzlich, „ich dispensiere Sie keineswegs von dem Werke der Barmherzigkeit, Kranke zu besuchen, je öfter Sie kommen, desto lieber wird es mir sein." Ich bat nun um die Erlaubnis, einen Gang in den Park zu machen, ich wollte Wilhelmine Gelegenheit geben, ihr bedrücktes Herz der Freundin auszuschütten; an ihrem dankbaren Blick sah ich, daß sie miw verstanden hatte. AlS ich nach zweistündiger Abwesenheit zurückkehrte, sah ich an den Mienen der Damen, daß eine Verständigung siattgefunden, obgleich keine von ihnen diesen Gegenstand berührte. 3»» (Fortsetzung folgt.)
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