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Allgemeiner Anzeiger : 11.10.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189310112
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18931011
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1893
-
Monat
1893-10
- Tag 1893-10-11
-
Monat
1893-10
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.10.1893
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Politische Rundschau. Deutschland. *Wie bekannt, ist das Entlassungsgesuch des Preuß. Kriegsministers Generals v. Kalten- born-Stachau gewissermaßen zurückgestellt worden. Die Entscheidung über die Nachsolgcr- frage ist noch nicht getroffen und wird sich ver mutlich noch einige Zeit hinziehen. Daß Graf Caprivi das Portefeuille des Kriegsministcriums mit übernehmen würde, gilt jetzt als ausge schlossen. Die Entscheidung wird möglicherweise bis zum Dezember auf sich warten lassen. * lieber das Befinden des Fürsten Bismarck kommt eine sensationelle Nachricht. Die .Rudolstädtische Landesztg.', die Beziehungen zur Regierung hat, teilt aus angeblich absolut sicherer Quelle mit, daß es mit dem Fürsten Bismarck langsam aber stetig zu Ende gehe. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde er Kissingen nicht mehr lebend verlassen. Im geraden Gegensatz dazu berichtet Dr. Chry- sander, der Sekretär des Fürsten, daß die Ge nesung langsam aber stetig fortschreite! *Der Bundesrat hat seine Plenar- fftzunge i wieder ausgenommen. Derselbe hatte nach dem Schluffe der Reichstagstagung bis in den Spätsommer hinein gearbeitet und alles vor handen gewesene Material aufgeräumt. Die Vorarbeiten für den Reichshaushaltsetat sind übrigens, wie versichert wird, weiter vorge- geschritten, als man früher angenommen hat, und dürften Ende d. zum Abschluß gelangen. Der Bundesrat könnte unter dieser Voraus setzung Anfang künftigen Monats die Beratung des Etats in Angriff nehmen. Der Einberufung des Reichstages zum 15. k. würde kein Hindernis im Wege stehen. *Die Steuersätze in der neuen Tabakfabrikat st euer waren in den Mit teilungen der ,Nordd. Allg. Ztg.' verschwiegen worden. Nab der,Südd. Tabakztg.' soll man jetzt die Steuersätze wie folgt beabsichtigen: Auf Zigarre, und Zigarcetten 33'/, Prozent, auf Rauchtabak 66st, Prozent, aui Kau- und Schnupf tabak SO Prozent. Der Zoll auf Tabakfabrikate wird erhöht: aus 400 Mk. die 100 Kilo für Zigarren, seither 270 Mk., auf 250 Mk. die 100 Kilo für andere Fabrikate, seither 180 Mk. * Nach amtlicher Ermittelung fielen im Jahre 1891 von den in die l a n d w i r t s ch a f t l i ch e n Berufsgwosscuschastcn eingezogenen Betrieben 52,9 Prozent auf Preußen, 14,8 Proz. auf Bayern, 3,9 Proz. auf Sachsen, 7,4 Proz. auf Württemberg, 5,1 Proz. auf Baden, 5 Proz. auf Elsatz-Lothringen, 4,2 Proz. auf Hessen und 0,7 Prozent auf Mecklenburg-Schwerin. Auf je einen der Betriebe kamen durchschnittlich 2,57 ver sicherte Personen. In den Großbetrieben ent fielen durchschnittlich auf je 1000 Versicherte 3,44 entschädigte Verletzte, in den Mittelbetrieben 1,53, und in den Kleinbetrieben 1,05 Verletzte. *Jn Hessen haben am Mittwoch in 22 Kreisen Ergänzungswahlen zum Landtag stattgefunden. So weit das Ergebnis vorliegt, haben die Nationalliberalen einen Sitz an das Zentrum und je drei Sitze an die Frei sinnigen und Antisemiten verloren. Letztere siegten in Höchst, Fürth, Gießen und Hungen; in Alsfeld unterlag der Antisemit mit 17 gegeu 19 Stimmen. Frankreich. * Endlich hat der noch Dahomey zurück- gesandte General Dodds wieder etwas von sich hören lasse 1. Eine von ihm am 3. d. in Paris eingelaufcne Depesche meldet, daß Ober-Dahomey iniolge ungewöhnlich starker Regengüsse über schwemmt sei. Die Expeditions-Kolonne warte das Sinken des Wassers ab, um sich sodann nach Norden zu begeben. Der König Behanzin habe von neuem um Unter handlungen gebeten. General Dodds habe ihm antworten lassen, es würden ihm sehr ehren volle Bedingungen bewilligt werden, falls er sich zuvor völlig unterwerfe. (So ehrgeizig wird dec König wahrscheinlich nicht sein, denn er dürste zu gut wissen, daß, wenn er sich erst völlig unterworfen hat, die nachher ihm von den Franzosen bewilligten „Bedingungen" sehr mager für ihn ausfallen würden.) Dänemark. *Jm dänischen Staatshaushalt finden sich einige recht lehrreiche Posten. Die Verstärkung des Artillerie- und Jngenieurkorps für die neue Festungsanlage Kopenhagen kann als logische Konsequenz dieser Befestigung weniger wunder nehmen; zu denken gibt dagegen ein Posten von von 500 000 Kronen für die Anlage von Batterien an den verschiedenen dänischen Wasserstraßen. Außer Kallundborg im nordwestlichen und dem Jssefjord im nördlichen Seeland sind die in Aussicht genommenen Punkte alle nach Süden gerichtet, wie der kleine Belt, Körsör, Nyborg und der Masnedsund bei Falster. Da Dänemark bekanntlich nichts gegen Deutsch land im Schilde führt und nur die zwei erst- genannl.n Punkte den „Schutz der dänischen Neutralität" gegen eine französische Flotte be zwecken können, so sollen die übrigen Wasser straßen wohl gegen — Rußland befestigt werden? Spanien- *Die Eifersucht der an Marokko inter essierten Mächte und das Mißtrauen derselben gegen Spanien kommt bereits zum Ausdruck. Aus Madrid meldet nämlich eine Depesche vom Donnerstag Abend: „Die Vertreter mehrerer auswärtiger Mächte hatten gestern mit dem Mini ster des Auswärtigen Moret betreffs der marok kanischen Frage eine Konferenz." — Man darf annehmen, daß hier die Vertreter Frankreichs, Englands und Italiens gemeint sind, die dem spanischen Minister vermutlich zu verstehen ge geben haben, daß man nicht gern allzuviel „Ge- nugthuung fordernde" spanische Truppen in Marokko sehen und sehr gern bereit sein würde, Spanien einen Teil der Mühe abzunehmen, d. h. ebenfalls Truppen in Marokko zu landen. Das Kabylen-Scharmützel bei Melilla kann aufs neue die marokkanische Frage in Fluß bringen. Portugal. * Der Enkel des früheren Kaisers Dom Pedro, Prinz August von Sachsen-Kob urg, hat sich nach Brasilien eingeschifft. (Wahr scheinlich hofft er auf eine Anstellung als Kaiser.) Balkaustaaten. *Der serbis ch e Ministerpräsident Dokitsch hat seiner angegriffenen Gesundheit wegen einen Urlaub zur Reise ins Ausland erhalten. Der Kricgsminister Gcuitsch führt inzwischen die Ge schäfte des Ministerpräsidenten. Amerika * Der brasilianische Präsident Peixotohat ein Manifest erlassen, in dem er erklärt, er werde nicht ab danken, sondern den Kampf fortseben, so lange er auf seine Truppen zählen könne. Wenn die bisherigen Nachrichten zuver lässig sind, wird dies allerdings nicht mehr lange der Fall sein. — Der Beschluß der fremden Kommandanten vor Rio de Janeiro, die weitere Beschießung der Hauptstadt selbst nicht mehr ge statten zu wollen, erhält eine traurige Beleuch tung durch die Nachricht eines amerikanischen Blattes, wonach Rio bereits vollständig zerstört sein soll. *Aus Argentinien wird gemeldet: Die Behörden von Rosario fahren fort, Waffen zu beschlagnahmen; ein Teil der verhafteten Radi kalen wird von den Gerichten in Santa Fe ab geurteilt werden. Die bewaffneten Kolonisten setzen den Widerstand fort, werden jedoch ohne Mühe unterworfen werden. Für Europa ist haupt sächlich diese letzte Mitteilung von Interesse. Es wurde schon früher darauf hingewiesen, daß unter diesen Kolonisten, wenn auch nicht dec Zahl, so doch der Lebensstellung nach die Deutschen und neben diesen die Schweizer hervorragen. Diesen Elementen wäre es nicht zuzutrauen, daß sic sich irgend einem revolutionären Condottiere zur Ver fügung stellen oder sich leichtfertig auf eigene Hand in ei e Empörung stürzen. Sollte es sich hera-sstellen, daß sie schließlich an derselben teil genommen, so läge die Wahrscheinlichkeit sehr nahe, daß sie durch unerträgliche Mißwirtschaft oder durch Ausschreitungen der Bundestruppen und der Staatsmilizen dazu gezwungen wurden. Afrika. *Der AuSbrnch des Kampfes in Süd afrika gegen dieMatabele-Neger scheint jetzt unvermeidlich zu sein und unmittelbar bevor- zustehen Die Südafrikanische Gesellschaft hat beschlossen, daß von den Forts Viktoria und Charter zwei Abteilungen abgeschickt werden sollen, um das weitere Vordringen der Matabelekrieger aufzuhalten. Sind dann einmal Schüsse ge wechselt, so dürfte der in der englischen Presse geführte Streit, ob die Südafrikanische Gesell schaft zum „Angriff" berechtigt sein soll oder nicht, gegenstandslos geworden sein. Die Gesell schaft führt den Krieg auf eigene Rechnung, ohne Unterstützung der Kapregierung. Uon Uah und Fern. Ans Theerbude wird der ,Ostpr. Ztg.' geschrieben: Der Kaiser erlegte bei der Früh- pürsche im Belauf Theerbude einen prachtvollen Sechzehnender mit starkem Geweih. Ein zweiter Hirsch wurde zwar angeschossen, aber nicht zur Strecke gebracht. Nachmittags 3'/? Uhr etwa war der Kaiser wiederum zur Jagd ausgefahren und brachte einen Zwölfender zur Strecke. Des Abends, bcini Scheine hellleuchtender Fackeln hielt der Kaiser, umgeben von den Hof- und Forstbeamten, Besichtigung des erlegten Wildes und befahl, „Hirsch tot" zu blasen. Das kaiser liche Jagdhaus bot dabei einen bezaubernd schönen Anblick dar. In den Abendstunden meldete sich noch ein Hirt aus Schwentischken, der einen unlängst verendeten Hirsch gefunden hatte und dessen Geweih (es war ein ungerader Vierzehnender) mit Kopf auf den Hof des Jagd hauses brachte. Aus der Hinterlassenschaft Ernst n Aus Koburg wird gemeldet: Im Schlosse Callen berg wurden drcihunderttausend Mark, die Herzog Ernst II. bar hinterlassen hat, gefunden. Eine Manöverlist. Der Besitzer des Walkmühlengrundstücks bei Sangerhausen half, wie die ,Sangerh. Nachrichten' melden, einer in arger Beklemmung befindlichen Kürassierordonnanz während der Manöver auf folgende Weise aus der Verlegenheit: Vormittags kam ein Kürassier an die Mühle gesprengt und klagte mit betrübter Miene sein Leid, er habe eine wichtige Nachricht einem im Oskeschen Gasthofe in der Stadt wohnenden Offizier sofort zu überbringen; der dahin führende Weg fei, wie er soeben bemerkt habe, so stark von Vorpostenpatrouillen der Feinde besetzt, daß es ihm unmöglich sei, unge hindert hindurch zn kommen. Herr O. auf der Walkmühle mußte sofort Rat; er ersuchte den Kürassier, sein Pferd vorläufig im Stalle unter zubringen, alsdann wurde der Neitersmann in eine Plane gewickelt und auf einen mit einem Pferde bespannten Wagen gelegt, der darüber befindliche leere Raum des Wagens wurde mit leeren Obsttörben ausgefüllt, so daß die ganze Fuhre in der That einen durchaus unauffälligen Eindruck machte. So gelang es glücklich, die unsichtbare Ordonnanz an ihren Bestimmungsort und wieder zurück zu bringen, nachdem der Wagen häufig von den Vorposten angehalten, aber als nicht verdächtig durchgelassen worden. Der Kürassier, der so den ihm erteilten Befehl sicher ausgeführt hatte, wurde von dem Offizier belobt und mit einem Geldgeschenk ausgezeichnet. Der Mann hat Lebensart. In Wurzen kam jüngst ein Handwerksbnrsche in eine offen stehende Wohnung. Kein Mensch war anwesend, auf dem Tisch aber standen Brot und Butter. Lange mochte der Handwerksbursche kein fettge schmiertes Butterbrot bekommen haben; er nahm beides mit, hinterließ aber einen Zettel mit folgenden Zeilen: „Ein armer, durchreisender Schmied hat aus Hunger Butter und Brot ein gesackt, da er niemand in der Wohnung vorfand, der ihm auf seine Bitte dasselbe sonst gern ge geben hätte. Ihre Freundli ykeit werde ich mein Leben lang nie vergessen. Ich reife in der Richtung nach Leipzig. Friedrich St." Spitzbuben auf der Kunstreise. Aus Wien wird gemeldet: Die Polizei verhaftete den 26jährigen Porträtmaler Otto Sauer aus Berlin und dessen Geliebte, die 21jährige Johanna Rostowsky. Beide legten sich falsche Namen bei und verübten hier zahlreiche Einbruchsdiebstähle. Sauer wurde bereits in Berlin wegen Diebstahls bestraft und flüchtete mit der Rostowsky nach eineni neuerlichen Diebstahl hierher. Unterredung mit Arton. Ein Pariser Blatt veröffentlicht wieder einmal eine Unter redung mit Arton, der gegenwärtig bei La Valletta aus Malta wohnen soll. Der Korrespondent des Blattes traf Arton in Poulette bei Tunis, wohin derselbe auf einer Geschäftsreise gekommen war. Arton erklärte, er arbeite jetzt daran, den Schaden, den er der Dynamit-Gesellschaft zngesügt habe, gutzumachen. Sobald er diese Schuld tilgen könne, wolle er nach Frankreich zurückkehren. Er hoffe, in dieser Sache milde Richter zu finden. Was den Korruptionsprozeß anbelange, so fürchte er diesen nicht. Er habe niemand bestochen. Man wüßte, daß er mit der Reklame für die Panama-Gesellschaft betraut gewesen sei, und er habe gewissen Personen, die zu ihm kamen, auf ihr Verlangen Geld eingehändigt. Eine Lille besitze er nicht. Höchstens hie und da ein paar Quittungen. (Sollten diese „paar Quittungen" nicht so manch einem Herzklopfen verursachen?) Der Todestag Boulangers. Am 30. v. war der zweite Jahrestag des Todes des Generals Boulanger. Außer Fräulein Mathilde Griffith, die des Vergessenen Grab unterhält, hatten sich nur Rochefort, de Menorval und Severine auf dem Jxeller Friedhöfe eingesunden und niemand kann sagen, ob ihr Besuch mehr dem politischen Führer als dem Unglücke des Freundes gegolten hat. Das ist das Ende vom Ende! Von all den guten Freunden, die dem Condottiere Treue geschworen hatten, so lange es die Millionei der Herzogin v. Uzes durchzu- bringeu galt, haben sich nur Rochefort und Menorval treu erwiesen! Die Laisant, die Laguerre, die Deroulede, Pierre Richard, Goussot w., sie alle halten sich ängstlich dem Grabe fern, das sie nur an den verscherzten Sieg erinnert; sie grollen wohl auch heimlich dem Toten, weil er nicht in höherem Maße der Mann der Situation zu sein gewußt hat. Ein dummer Witz. Als am letzten Sonn tag der Erzbischof von Jork in der Ease Kapelle in Islington (London) predigte, hörte man plötz lich Stöhnen bei einem Fenster. Hierauf öffnete sich das Fenster und ein Totenkopf erschien und verschwand ebenso schnell wieder. Mehrere Damen wurden ohnmächtig und mußten aus der Kirche getragen werden. Der Kirchendiener eilte sofort nach dem die Kirche umgebenden Friedhof. Die Anstifter des ruchlosen Scherzes hatten sich aber schon aus dem Staube gemacht. Die Londoner Polizei. Nach dem Jahres bericht des Londoner Polizeikommissars für 1892 bestand die hauptstädtische Schutzmannschaft am 3. Dezember aus 31 Superintendenten, 721 In spektoren, 1707 Sergeanten und 12 541 Kon stablern. Die Ausgaben für die Schutzmann- schäften beliefen sich auf 1264 022 Pfund. Die Polizei verhaftete im ganzen im Jahre 1892 84 922 Personen, d. h. 1553 mehr als im Vor jahre. Summarisch wurden davon verurteilt 58 949. 1957 Einbrüche sind während des Jahres in London verübt worden, gegen 1861 im Jahre 1891. Nur in zwei Fällen machten sich die Ein brecher einer Gewaltthätigkeit gegen die Person schuldig. Die bei den Einbrüchen gewonnene Beute wird auf 15 000 Pfd. geschätzt. Es hat im Jahre 1892 in London 15 011 Droschken zur Benutzung des Publikums gegeben. Die Möbel Garibaldis unter dew Hammer! Dem Moloch Fiskus ist schließlich garnichts mehr heilig, nicht einmal der Name Garibaldis. Wegen gewisser Steuerrückstände des laufenden Jahres ist am 10., 12. und 25. Sep tember Mobiliar des Generals Menotti Gari baldi im Werte von 3190 Lira und 8 Centimes öffentlich versteigert worden. Menotti, der älteste tüchtige Sohn Garibaldis, der auch Abgeordneter ist, bezieht, wie sämtliche Nachkommen des Generals, eine Staats-Dotation von jährlich 10 000 Lira. Durch die letzten Bau- und Bankkrache ist aber die Familie, wie es heißt, empfindlich geschädigt worden. Uebrr eine Schreckensszene im Eisen bahnwagen berichtet man aus Turin unter dem 2. Oktober: Als heute früh der Zug Limonc- Cuneo einen Tunnel passierte, feuerte plötzlich ein Leutnant der Alpentruphen, der sich in Gesell schaft eines anderen Leutnants in einem Koupee erster Klasse befand, mehrere Revolverschüsse ab. Der Zug hielt und man schritt sofort zu einer eingehenden Untersuchung. Der Leutnant, der ge schossen hatte, war plötzlich wahnsinnig geworden Arn JieL. 101 lFortwyung., „Ich werde Sie begleiten," sagte ich zu dem uur halb beruhigten Mädchen; sie sah mich dank bar an, dann ging sie, um dem Boten einige Erfrischungen zu reichen, während ich in daS Wohnzimmer zurückkehrte. Bei meinem Eintritt in dasselbe sah ich noch, wie Wolkendorf Sabinens Hand an seine Lippen führte, im selben Momente hörte man draußen Charlottens Stimme. Eine Sekunde später trat Frau Wildbach ein. Der junge Offizier ging ihr mit der größten Unbefangenheit entgegen. „Da bist du ja, meine schöne Braut," rief er zärtlich; „ich beratschlage eben mit Fräulein Sabine, ob wir dich nicht bestürmen sollten, unser Leseabende wieder aufzunehmen." Frau Wildbach schüttelte lächelnd das Haupt. „Ich habe jetzt keine Zeit," sagte sie. Wilhelmine kam und erzählte von Sidoniens Unfälle; Herr von Wolkendors sagte in kühlem Tone einige Beileidsphrajen, Charlotte begnügte sich mit einem Achselzucken; Sabine halte sich geräuschlos entfernt. Bald darauf empfahl ich mich, ohne die Ankunft des Pfarrers abzn- warten, der in Berufsgeschästen außer Hause weilte. Sinnend ritt ich heim. Es war mir jetzt klar, daß ich nicht länger schweigen durfte, sollte nicht bitteres Leid über die Bewohner des Pfarr hauses kommen; Herr von Wolke idorf war ganz der Manu danach, ein junges, unerfahrenes Mädchen zu bcthören und ins Unglück zu stürzen; was für Sabine Herzenssache war, war für ihn bloße Tändelei. Aber wem sollte ich meine Be obachtungen mitteilen? dem Pfarrer oder Wil helmine? Ich entschloß mich zu dem letzteren. Wilhelmine war in allen Dingen praktischer und weitblickender, als der gute, harmlose Pfarrer, der alles stets so glaubte, wie es ihm gesagt wurde; so wie ich ih r kannte, war es vora is sichtlich, daß er Sabine befragen würde; Sabine leugnete dann wohl aus Scham oder auch weil sie sich selbst noch nicht klar genug über ihre Gefühle war — und alles blieb wie znvor. Es war das beste, gegen den Pfarrer zu schweigen und Wilhelmincn die Entscheidung zu überlassen. Beruhigt, daß ich nun endlich zu einem Ent schlusse gelangt war, kam ich heim; nun erst befiel mich die Sorge um Sidonie. Wohl war mit der Zeit eine Art von Ent-remdung zwischen uns getreten, aber ein gewisses Gesühl von Zu- neigung hatte ich ihr stets bewahrt. Es war richt Liebe und doch auch wieder nicht ein ruhi ges Freundschaftsgefühl, das ich für dieses'selt same Weib empfand — sie hatte so vieles a i sich, das meinen Begriffen von Weiblichkeit sehr ferne stand, und doch wieder fand ich so viele Eigen schaften an ihr, die ebe: nur ein echtes, edles Weib zieren können. Am andern Morgen machte ich mich zeitig auf den Weg, um Wilhelmine nicht warten zu lassen; ich kam gerade an, als der von Sidonien gesandte Wagen vorfuhr. Ich war zu Fuß gekommen und bat Wilhelmine um ein Plätzchen im Wagen, was sie lächelnd gestattete. Dec Pfarrer halte wieder zu einem Kranken gehen müssen und Charlotte war noch nicht sichtbar. Sabine sah blaß aus und ihre dunklen Augen zeigten Spuren von Thräuen. Als Wilhelmine einsteigen wollte, warf sie sich mit ungewohnter Heftigkeit an den Hals der Schwester und flüsterte mit thränenerstickter Stimme: „Bitte, bitte, liebe Minna, komm' bald zurück." „Närrchen," sagte Wilhelmine sich sanft los machend, „was ficht dich an? Am Abend bin ich wieder zurück, ich kann euch doch nicht in dem Trubel allein lassen! Besorge alles, wie ich es dir gesagt, und sei mir vernünftig, Kleine, hörst du?" Sie drückte noch einen warmen, herzlichen Kuß auf die Stirn des jungen Mädchens, dann stieg sie rasch in den Wagen, ich folgte ih-, der Kutscher peitschte in die Pferde, in wenige' Minuten waren wir weit vom Pfarrhause. Eine Zeitlang sichren wir schweigend dahin, endlich sagte Wilhelmine, sich gewaltsam ihren Träumereien entreißend: „Das Kind macht mir ernstlichen Kummer; so kann es nicht fortgchen! Ich muß mit Sabine sprechen." „Haden Sie keinen anderen Grund für Sabinens verändertes Wesen, als den gestern erwähnten?" fragte ich. Sie sah mich mit großen Augen an. „Einen anderen Grund? Ich verstehe Sie nicht." „Sabine ist in dem Alter, wo jedes Mäd chen sich irgend ein Ideal bildet, dem es wohl nie im Leben begegnet, aber an dem es mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit festhält; — be gegnet es nun einem jungen Mann, der nur in etwas dem geträumten Phantasigebilde gleicht, so glaubt es, sein Ideal gefunden izu haben und —" Wilhelmine unterbrach mich lebhaft. „Sie meine i, das Kind sei verliebt?" Ich nickte bejahend. „Ich bin überzeugt da von — wie gerne hätte ich Ihnen diese Ent deckung vorenthalten, um Ihnen jeden Kunvncc zu ersparen, ja, eine Zeitlang hindurch wiegte ich mich in der Hoffnung, ich hätte mich ge täuscht oder Sabine habe dieses unselige Gefühl tapfer überwunden; erst gestern drängte sich die traurige Gewißheit auf, daß dem nicht st sei, im Gegenteil, es ist Gefahr für das Kind vorhanden, denn Sabine liebt einen Mann, den sie nicht lieben darf, und der elend genug ist, statt sich zurückzuziehen, dieser Liebe neue Nahruig zu geben — sie liebt Herrn von Walkendorf I" „Mein Gott!" Todesblaß, mit gefalle en Händen lehnte Wilhelmine im Wagen. Im ersten Moment fürchtete ich, sie werde ohnmächtig werden, aber sie war keine Stadtdame un» wußte nichts von Nerven. „ - Nach einer kurzen Pause schöpfte sie t es Atem, gleichsam, um sich Mut zu machen un sagte dann mit fester Stimme: »3ch °m Ihnen für Jhe Freundschaft, Herr von Reuven, aber ich bitte Sie auch zu gleicher Zeit, alles ohne Rückhalt zu sagen. Lassen Sie l nicht durch irgend ein Bedenken zuruckhalten, die volle Wahrheit zu enthüllen — sage mir alles, alles." Sie faltete flehend die Han und sah mich bittend an. . ^„.»„alich Ich begann zu erzählen, meme urft u g^ vagen Vermutungen, die ich d"im im L bestätigt gefunden besonders an dcn U^ da Sabine die Julia laS. — -Erkst>" unschlüssig, ob ich Wilhelmine nicht a f
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