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Allgemeiner Anzeiger : 16.08.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189308165
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1893
-
Monat
1893-08
- Tag 1893-08-16
-
Monat
1893-08
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.08.1893
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Politische Rundschau. Deutschland. * Am Montag früh beabsichtigte derKaiser wieder in Berlin einzutreffen und am Diens tag die Parade über das Gardekorps auf dem Tempelhofer Felde abzuhalten. *Die Königin von England hat, wie aus London berichtet wird, dem deutschen Kaiser für den nächsten April einen Besuch im Schlosse Stolzenfels zugesagt. Im Jahre 1845 waren die Königin und ihr Gemahl daselbst Gäste des Königs Friedrich Wilhelm IV. Die Königin Viktoria wird auch eine Woche in Kronberg bei der Kaiserin Friedrich zubringen. *Jn München tritt seit einigen Tagen ein Gerücht auf, wonach der Prinz-Regent von Bayern zu gunsten seines ältesten Sohnes, des Prinzen Ludwig, abzudanken beabsichtige. Die Münchener ,N. Nachr.' geben dies Gerücht mit allem Vorbehalt wieder und dazu eine Aeußerung, die „ein sehr hochstehender" Herr zu seinkr intimen Umgebung gethan haben soll: „Ich werde nicht nach Wunsch offen und rückhaltlos von den Dingen unterrichtet, die Exzellenzen suchen mir alles zu beschönigen!" *Der Posten des Reichsschatz sekre- tärs soll der,Südd. Tabakztg.' zufolge dem bayrischen Finanzminister v. Riedel angeboten sein. — Man wird gut thun, diese Nachricht mit großer Vorsicht aufzunehmen. * DieBeratungen derdeutschenFinanz- mi nister in Frankfurt a. M. sind am Don nerstag nachmittag geschlossen worden, nachdem man sich über die wesentlichen Punkte geeinigt und Einzelfragen, sowie die Ausarbeitung der Gesetzentwürfe einer alsbald in Berlin zusammen tretenden Kommission überwiesen hat. * Der im Herbst zusammentretende Kolo- nialrat soll sich außer mit der Samoa-Akte von 1890 (die sich allerdings auch nach jeder Richtung hin als verfehlt erwiesen bat) unter anderm mit der Walfischboffrage zu beschäftigen haben. Ein Festhalten Deutschlands an Samoa und Erwerbung der Walfischbai wird von dem Kolonialrat in Kolonialkreisen stark erhofft. *Um Futtermangel in den vom Manöver berührten Gegenden vorzubeugen, hat der Kaiser die Heranziehung der Fourage für die beiden letzteren Korps aus den östlichen Provinzen be fohlen. Auch sollen beim 15. Armeekorps die Uebungen, die bis zum 26. September dauern sollten, schon mit dem 14. September abschneiden und die Reserven demnächst entlassen werden. *Der deutsche Gewerbekammer tag tagt Ende September in Eisenach. Haupt beratungsgegenstand ist die Frage der Hand werkerkammern. *Wie aus Danzig gemeldet wird, sind Pläne ausgearbeitet, dort großartige Anlagen für einen Freihafen zu schaffen, die aller dings große Summen in Anspruch nehmen, dafür aber auch einen wesentlichen Einfluß auf die Leitung des Handelsverkehrs ausüben werden. Oesterreich-Ungar«. *Die Aufhebung des österreichisch ungarischen Futterausfuhrverbots soll nach einer neuen Wiener Verlautbarung für An fang September bevorstehen, falls die zweite Futterernte gut ausfällt. * Der ,Pesti Naplo' bringt eine seltsame Ent hüllung, wonach die ungarische Unabhängig keitspartei eine politische Verbindung mit den russischen Panslawisten und deren französischen Freunden versucht hätte. Das Blatt publiziert sogar eine bezügliche Denkschrift. Ein ehemaliger Beamter des Wiener Auswärtigen Amtes, namens Rimler, der unfreiwillig seinen Posten verlassen mußte, hätte bereits in Peters burg mit General Kirjow verhandelt. Auch ein ungarischer Deputierter, ein bekannter Franzosen- freund, ferner der französische Deputierte Pichou hätten die wunderliche Verbindung patronisiert. In ernsten Kreisen wird die Sache als Farce bezeichnet. Frankreich. *Der Ministerrat hat beschlossen, die Ange legenheit Dupas auf sich beruhen zu lassen; damit ist indirekt zugestanden, daß die Angaben der Dupasschen Broschüre auf Wahrheit beruhen und die Regierung den flüchtigen Alton ab sichtlich hat entwischen lassen. * In ganz Frankreich sind' sechs Syndikate der Arbeiterbörse Wege -. Vergehens gegen das Gesetz gerichtlich mit Geldstrafen belegt und aufgelöst worden. *Ein Krieg in Madagaskar soll nach einer Mitteilung des ,Figaro' den Franzosen als angenehme Abwechselung nach dem siamesischen Konflikt bescheert werden. Wie das Blatt mit teilt, hat der Resident in Madagaskar, Larrouy, seine Enthebung vom Amte verlangt, da er den Kriegsvorbereitungen der Hova-Regierung nicht länger unthätig zusehen wolle. England- *Die Gladstonesche Anhängerschaft für die Homerule-Vorlage hat eine neue Festi gung durch einen Beschluß der parnellitischen Abgeordneten erfahren, für die Vorlage auch nach den Abänderungen in der zweiten Lesung einzu- trcten. Der betreffende Beschluß wurde in einer Versammlung der parnellitischen Abgeordneten in Dublin am Mittwoch gefaßt, wo John Redmond, der den Vorsitz führte, die Unterstützung der dritten Lesung der Vorlage empfahl, da sie, obwohl in fast allen ihren wichtigsten Eiuzel bestimmungen mangelhaft, doch den Grundsatz eines freigewählten Parlaments für Irland be kräftige. Ein Antrag, daß die unabhängigen irischen Abgeordneten gegen die dritte Lesung der Vorlage stimmen sollten, wurde mit überwiegender Mehrheit verworfen. Der Parteitag nahm schließ lich eine Resolution zu gunsten der bedingungs losen Amnestie für die irischen politischen Ge fangenen an. *Nach einer Mitteilung Greys im Unter hause befänden sich Mataafa und dessen Häuptlinge an Bord des britischen Kriegsschiffes „Katoomba". Es sei somit deren p rsönliche Sicherheit verbürgt. Die schließliche Entscheidung werde Gegenstand der Beratung unter den drei Vertragsmächten sein. *Jn den meisten englischen Distrikten sind die Kohlenvorräte erschöpft; die Arbeiter drohen, den Streik bis November aus zuhalten. Rustland. *Vom russisch-deutschen Zoll kriegs-Schauplatz liegen neuere Meldun gen von Belang nicht vor. In Helsingfors wurde am Donnerstag ein kaiserlicher Erlaß veröffentlicht, der verfügt, daß vom Freitag ab in Finnland der Einfuhrzoll auf alle deutschen Waren, einschließlich Tabak, um 50 Prozent erhöht wird, eine Thatsache, mit der man hier bereits gerechnet hat. Nach dem neuesten Heft des Handelsarchivs hatte die Einfuhr Deutsch lands nach Finnland im Jahre 1889 einen Wert von 38122000 Mk., 1890 von 44782000 Mark und 1891 von 46 836 000 Mk. Die Aus fuhr Finnlands nach Deutschland belief sich in den entsprechenden Jahren auf 8 071000, 5 987 000 und 7 313 000 Mk. * Die Bildung des russischen Mittel meergeschwaders hat zu einer Reihe von Meldungen Veranlassung gegeben, die mehr oder weniger auf müßigen Vermutungen beruhen. Die nordische Telegraphenagentur meldet jetzt, daß das russische ständige Mittelmeergeschwader schon fertiggestellt ist. Die Mehrzahl der Schiffe besteht aus den gegenwärtig in Amerika bei der Kolumbusseier beteiligten Schiffen. Im Verlauf der nächsten Woche erfolgt die offizielle Ver ordnung. Balkanstaate«. *Jn dem serbischen Anklagever fahren soll, wie offiziös aus Belgrad ver breitet wird, das Material, das gegen das frühere Kabinett Avalumowitsch vorgebracht wird, so erdrückend sein, daß eine Verurteilung des selben vorauszusehen sei, doch werde die Volks vertretung die Begnadigung der früheren Niilüster verlangen. Nmerikü» *Die Nachrichten aus Argentinien lauten immer rätselhafter. Nach einer Reuter meldung sind die Radikalen in La Plata einge rückt. Der Kriegsminister del Valle habe die Entwaffnung beider Parteien angeordnet Die Radikalen fordern die Anerkennung ihrer Regie rung, der Kongreß verweigere jedoch dieselbe. Die Minister seien hierüber geteilter Meinung. Es gehe das Gerücht von einer bevorstehenden Ministerkrisis. Australien. * Neber die wirtschaftliche Lage Samoas veröffentlicht der dortige britische Konsul einen Bericht, der die Unhaltbarkeit des bisherigen Zustandes drastisch schildert: „Infolge der Unruhen liegt fast der ganze Ackerbau ver nachlässigt. Die Eingeborenen sind so träge ge worden, daß sie die trockene Kava-Wurzel für ihr Nationalgetränk kaufen, nm sich nicht der Mühe unterziehen zu müssen, Kavasträuche zu pflanzen. — Der Kava, sobald er einmal gepflanzt ist, bedarf durchaus keiner weiteren Aufmerksamkeit. — Apia selbst entwickelt sich; aber neue Straßen und Wege find nötig, um die benachbarten Distrikte in Verbindung mit Apia zu bringen. Unter den gegenwärtigen Umständen ist es jedoch hoffnungslos, daran zu denken, daß öffentliche Arbeiten unternommen werden." Uon Uoh und Fern. Bei den Kontrollversammlungen finden, auf Anordnung des preuß. Kriegsministeriums, in diesem und im nächsten Jahre bei den Mann schaften deS Beurlaubtenstandes der Fußtruppen Fußmessungen statt. Tie gröstte Vereinigung von Lehrern in Deutschland, der deutsche Lehrerverein, hat nunmehr eine Mitgliederzahl von über 53 000 erreicht. Während Ende 1891 der Verein 49 636 Mitglieder in 1561 Verbänden zählte, hat der selbe gegenwärtig 53 023 Mitglieder in 1884 Verbänden. Ein gutes Wrinjlihr. Seit dem Jahr 1868 sind die Aussichten auf ein gutes Weinjahr nicht so günstig gewesen, wie gegenwärtig. Daß es ein reiches Jahr gibt, ist sicher, und wenn das außerordentlich günstige Wetter nur noch kurze Zeit so anhält, muß das Gewächs von vorzüglicher Güte sein. Reife Trauben gibt es bereits allerorten, hat es doch bereits Ende Juni reife Trauben gegeben, an 14 Tage früher, wie in sonstigen guten Jahren. Was die Menge anlangt, so steht in einzelnen Strichen ein voller Herbst in Aussicht, man erhofft fast die Menge von 1868. Damals kam der Regen erst im Oktober, während der zu Ende Juli in diesem Jahre niedergegangene Regen noch gerade zu richtiger Zeit erschien. In gewöhnlichen Jahren soll der August die Trauben kochen und der September dieselben bratpn. Hält aber das jetzige Wetter noch einige Zeit an, dann ist dem September das Braten erspart, dann wird der 93er zu den besten Jahrgängen des Jahrhunderts zählen. Gnadengesuch. Aus Wiesbaden wird be richtet, daß das Offizierkorps des 118. Jwanterie- Regiments in Mainz für den Kapellmeister Kern ein Gnadengesuch an den Kaiser gerichtet hat. Nach neuerer Mitteilung lautet das Urteil auf 2 Jahr Gefängnis. Die Tochter Emin Paschas, Ferida, ist am 10. August in Neisse bei ihrer Tante ein getroffen. Farbenblindheit bei Apothekern. In einer au die Kreisphystker gerichteten Verfügung fordert der Regierungspräsident von Bromberg dieselben auf, die Apothckerlehrlinge bei der mit ihnen vorzunehmenden Prüfung bezüglich ihrer Tauglichkeit für den Beruf des Apothekers in Zukunft auch auf Farbenblindheit zu unter suchen. Mit Recht wird hcrvorgehoben, daß die Unfähigkeit, die Farben der Chemikalien und der einzelnen chemischen Niederschläge zu erkennen, an sich die Ausbildung unmöglich mache. Drei Grenzaufseher im Vogtlaude stießen letzthin mitternachts oberhalb deS Dorfes Hunds grün auf vier Viehschmuggler, die vier schwere Schlachtochsen trotz des Bieheinfuhrverbots über die böhmische Grenze gebracht hatten und nun im Begriff standen, dieselben ihrem Bestimmungsort zuzuführen. Mit dem üblichen „Halt, Grenz wache da!" angcrufen, schnitten die verwegenen Gesellen den Tieren die Leitstricke ganz kurz ab, trieben erstere mit Peitschenhieben in die Flucht und eröffneten nun auf die sie verfolgenden Wächter des Gesetzes Feuer aus Pistolen, glück licherweise, ohne einen der Beainten zu verletzen. Einer der Pascher versuchte sogar, einem der Grenzaufscher zwei von diesem eingefangene Ochsen gewaltsam wieder zu entreißen, wurde aber von seinem Gegner mit Kolbenschlägen auf die Arme in die Flucht gejagt. Ein anderer fiel, als ein Schreckschuß von feiten der Grenzwache auf ihn abgegeben wurde, wie tot zu Boden, scheint aber mit heiler Haut davonge^ommen zu sein, wenigstens sind Blutspuren auf dem Schau platz dieser nächtlichen aufregenden Begebenheit nicht zu verspüren. Mit drei den Schmugglern abgenommenen Tieren, die mit Anbruch des Tages dem Untcrfteueramte Adorf eiugeliefert und von Sachverständigen auf 1600 Mk. Wert taxiert worden sind, traten die Greuzwächter in der zweiten Morgenstunde, eine Strecke lang von den Paschern verfolgt, ihren Heimweg an. Einem reichen Russen wurden Mittwoch früh im Lufikurort Königstein 80 000 Rubel ge stohlen. Die sofort drahtlich benachrichtigte Frankfurter Polizei entsandte einen Kommissar mit einem Kommando Schutzleute, die den Eisen bahnzug Crouberg-Frankfurt auf offener Strecke stellte und alle Verdächtigen visitierte. Eine Person wurde verhaftet, doch stellte sich alsbald deren Unschuld heraus. Inzwischen ist der wirk liche Thater entkommen. Ein wertvoller Miinzsund wurde in Köln bei der Herstellung der Garteuanlagen vor dem neuen Postgebäude gemacht. Es wurden im ganzen 608 Münzen gesunden, darunter wert volle goldene; die größte der letzteren soll einen reinen Goldwert von etwa 21 Mk. haben. Ein schreckliches Unglück hat einen Gutsbesitzer bei Neidenburg in Ostpreußen be troffen. Die vier Kinder desselben hatten von einem Strauche rote Beeren gepflückt und gegessen, nach deren Genuß sich alsbald Vergiftungs symptome einstellten. Das älteste Mädchen ist bereits gestorben, die anderen Kinder liegen schwer krank danieder. ' . Eine Schiffskollision mit Verlust von Menschenleben ereignete sich am Mittwoch vor mittag auf der Elbe bei Hamburg quer ab von der St. Pauli-Landungsbrücke in der Mitte des Fahrwassers. Eine mit den Gebrüdern Johann sen und deren elfjährigem Neffen Ernst Andersen besetzte Mauersandschute, die beladen zur Stadt gebracht werden sollte, wurde an der genannten Stelle von dem im Tau des Schleppers „Michel" abwärts gehenden engli schen Steamer „William Middleton", Steven auf Steven angerannt und zum Sinken gebracht. Die beiden Männer, von denen der eine große Familie hat, wurden mit in die Tiefe gezogen und fanden den Tod in' den Wellen. Der jugendliche Begleiter, der in den Ferien seinen Onkel begleitete, konnte allein gerettet werden. Vatermord. In dem Dorfe Mölsheim bei Kaiserslautern erschoß ein jugendlicher Sohn seinen Vater. Ursache der schrecklichen That war Streit wegen einer verbotenen Liebschaft. Zum Xantener Knabenmord. Wie kürz lich mitgcteilt, hatte -in dem Ermittelungsversahren in Sachen des Xantener KnabenmordeS die Staatsanwaltschaft Kleve in öffentlichem Aus schreiben um Mitteilungen über den Aufenthalt des Hausierers Joseph Walter aus Aachen, dessen Vernehmung in der Angelegenheit erforderlich sei, gebeten. Walter hat sich in den letzten Tagen den Behörden in Geldern gestellt. Wie die ,Kref. Ztg.' berichtet, gibt Walter an, daß er eine Nacht bei dem Bildhauer Heinrich Wesen- drup geschlafen und dieser ihm gegenüber ge äußert habe, er (Weseudrup) sei der Thäter. Wesendrup war im Prozeß gegen Bnschoff Zeuge. Gegen Wesendrup war seiner Zeit Vorunter suchung wegen der Thäterschaft eiugeleitet, aber wieder eingestellt worden. Ein neuer Unglücksfall in den Berge« wird aus Brienz berichtet. Beim Edelweißsuchen am Hinterburghorn bei Brienz verunglückte am 6. Peter Trauffer, Sohn des als Vogelkenner be kannten Schnitzlers Trauffer, indem er an gefähr licher Stelle abstürzte und tot blieb. Von einer Lawine verschüttet wurde, wie vom Mont Blanc gemeldet wird, ein Herr Das alte Kaufhaus. 8) IForticyunq., Sillo sah, daß Haugaard in starker Bewegung war, und sie zog sich etwas in den Hintergrund zurück, um ihm Platz zu machen. Ec nahm den Hut ab und begrüßte sie alle mit einem so ' freudigen Blick, wie Sillo ihn nie zuvor bei ihm getroffen hatte. Dann fuhr er mit dem Taschen tuch über die heiße Stirn, blickte sich im Kreise um, machte einen Anlauf um zu sprechen, hielt einen Augenblick verlegen au, erhob dann aber plötzlich seine Stimme und rief auS: „Gute Freunde, von Kind auf an habe ich an Eurem Schicksal in guten und bösen Tagen teil genommen, oft habe ich daran gedacht, wie ich euch wohl am besten zu einem größeren Verdienst bringen könnte. Jetzt habe ich, wie es mir scheint, das Richtige gefunden. Ich kaufe euch alles, was ihr bergt, an, salze es und sende es ins Ausland. In Spanien und Frankreich wird sich unser Fisch schon einführen lassen. Ich gebe für jene Makrele einen Oere. Seid ihr mit meinem Anerbieten zufrieden, so schlagt ein." Eine jo la-ge Rede hatte er noch nie gehalten. Es lag ein so eigentümlicher Glanz über ihm. Ob es die Abendröte oder die Freude war, die ihn hervorrief, wußte Sillo nicht. Aber es traten ihr Thränen in die Augen, und den barschen Fischern ging es nicht viel besser. Für jeden Handschlag, den er bekam, hatte er ein Herz ge wonnen. Frohen Muts stiegen die Fischer in das Boor und machten das Segel los. « Sillo stand fächelnd mit ihrem Taschentuch am Strande da. Der kleine Franz war auf einen hohen Stein gesprungen, der draußen im Wasser lag, und schwang seine Fahne. Haugaard hatte sein Haupt entblößt, und schaute den Booten nach, die sich langsam vom Strande entfernten, aber je weiter sie hinausgekommeu waren, desto mehr füllte der Wind die Segel, und schneller und schneller schwebten die Fahrzeuge, wie von Flügeln getragen, über daS Meer dahin. Schließ lich glichen sie einen Mövenschwarm, der hoch über dem Wasser dahinfliegt, und jetzt ward es am Strand so still, wie in der Kirche während der Predigt. Manch unverdorbenes Herz hielt wohl auch seinen Kirchgang hier unter Gottes herrlichem klaren Himmel mit Gebet und heißen Wünschen für die Angehörigen, welche hinauszogen. Als aber das -letzte Segel verschwunden war, und die Sonne ihr strahlendes Abendbad nahm, da wurde die Stille plötzlich von einem bedeutenden Summen unterbrochen. Es waren alle die ge bundenen Stimmen, die jetzt ihre Freiheit er hielten und sich lustig in der frischen Luft umher tummelten. Als sie allein waren, trat Sillo an Haugaard heran, reichte ihm schweigend die Hand, und in ihrem stillen Sinn wünschte sie, daß Marie an ihrer Seite gestanden und ihren Gatten gesehen hätte, wie er mit den Fischern sprach. Dann hob sie ihren kleinen Franz auf und sagte: .„Küsse deinen Onkel, Franz, er verdient eS, daß man ihn lieb hat." Hiese Worte erfreuten Haugaard mehr, als irgend eine öffentliche Anerkennung gethan haben würde. Anstatt nach Hause zu gehen und ihren Mann zu empfangen, wie sie zu thun pflegte, wenn er am Abend nach des Tages Last und Mühen heimkehrte, begleitete sie Haugaard nach Hause. Sie wollte Marie besuchen und ihr das Bild ihres Gatten zeichnen, das so deutlich vor ihren eigenen Augen stand. Lange gingen sie schweigend neben einander her. Ein jeder hatte genug mit sich zu thun. Der kleine Franz war voraus gelaufen, um die Kleine in der Wiege zu sehen. Er liebte sie von Herzen, und als die beiden älteren in die Stube traten, da saß Marie mit ihrem .Kinde in ihren Armen da, und der kleine Franz stand vor ihnen und erzählte auf seine eigene kindliche Art die ganze Szene am Strande. Sein ganzer Vortrag aber war so unwiderstehlich komisch, daß Marie ganz gegen ihre Art laut bei dem Ge danken auflachte, daß Haugaard sich zu einer Rede aufgcschwungen hatte. Und das, was Sillo zu Thränen gerührt hatte, trug jetzt das Gepräge der Lächerlichkeit. Als sie Haugaard eintreten sah, fragte sie ihn ernst: „Hast du wirklich daran gedacht, sämtliche Makrelen aufzukaufen, Haugaard? Das geht nicht, Bester, der Klippfisch ist ein alter Export artikel. An die gesalzene Makrele soll man sich aber erst gewöhnen. Ich kann es mir nicht denken, daß die Südländer sie essen. Wenn du dich Mr nicht verrechnest. Der Wille allein ge nügt zu einem solchen Experiment nicht, dazu ge hört auch Geld und ein besonderes Geschick. Hast du dir das wohl überlegt?" „Ja, das habe ich, Marie," entgegnete er vertrauensvoll. „Ich habe lange darüber nach-,' gedacht. Jedes Ding muß seinen. Anfang haben, und ich will einen Versuch wagen. Geht es, gut, so ist den armen Fischern für ihre Lebens zeit geholfen und unsere Einnahmen wachsen gleichzeitig." „Geht es aber nicht gut, Haugaard, was willst du dann machen?" „Ich habe noch einen Plan, aber der ist wett kostspieliger und deshalb verwahre ich ihn blS zuletzt." „Ich verstehe mich nicht auf den Handel. Du wirst es besser wissen, als ich. Aber ich fürchte, daß unser Wohlergehen hier auf dem Spiele stehen kann." „O, fürchte nichts," sagte Sillo, die jetzt vor- getreten war. „Hättest du Haugaard gcseden, wie ich ihn heute sah, so würdest du an den» Gelingen nicht zweifeln." „ „Du verläßt dich auf alles und alle, Sillo, entgegnete Marie ruhig. Ich habe em teuer erkaufte Erfahrung, Kind, und am das Glück verlasse ich mich am wenigsten- Doch jeder Mann muß seine TMlg'e, haben. Gott gebe dir Glück zu der deinen- Und sie reichte ihrem Gatten die Hand, M» tief auf und legte ihr Kind dann in die Li g- Die Begeisterung in Haugaards Augen war löscht, sein Wille aber war zurück gcbtteoe,. Diesmal wollte er für seine Idee kämps-w — kämpfen, wenn er auch zu unterliegen o o, Er hatte in der Stille alle VorbciettuM getroffen, und am nächsten Morgen, kurz > Sonnenaufgang stand er an der Brücke,
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