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Allgemeiner Anzeiger : 09.09.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189309099
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18930909
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1893
-
Monat
1893-09
- Tag 1893-09-09
-
Monat
1893-09
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 09.09.1893
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Politische Rundschau. Deutschland. *Die große Kaiserparade in Metz hat herrliches Wetter gehabt und auffallend viele Landleute waren nach dec Stadt gekommen. Der italienische Kronprinz empfing eine Deputation von 200 in Metz beschäftigten Arbeitern. — Die Kaiserin mit Gefolge ist am Montag in Köln eingetroffen. *Der Metzer Bezirkspräsident brachte am 5. d. zur öffentlichen Kenntnis, daß der Kaiser mit besonderer Freude in Urville weile. Das eifrigste Streben des Kaisers, den Frieden zu erhalten und die friedliche Arbeit zu fördern, würde insbesondere auch den braven lothringi schen Unterthanen Zeiten des dauernden Wohl standes sichern. Für den ihm gewordenen be geisterten Empfang spreche der Kaiser warmen Dank auS. *Aehnlich wie einst König Humbert beim Besuche des deutschen Kaisers in Rom betonte, daß die ewige Stadt „die unantastbare Haupt stadt des neu geeinten Italiens" sei, so hat jetzt in Metz Kaiser Wilhelm in Anwesenheit des italienischen Thronerben die Unlösbarkeit der Bande hervorgehoben, die die alte Grenzveste an das wiedererstandene Deutsche Reich knüpfen, indem er in seiner Antwort auf die Begrüßung des Bürgermeisters sagte, Metz und sein 16. Armeekorps seien die Eckpfeiler in der militärischen Macht Deutschlands, dazu bestimmt, den Frieden Deutschlands, ja ganz Europas, dessen Erhaltung sein fester Wille sei, zu schützen. *Die Gesundheitsverhältnisse des Fürsten Bismarck sind, wie der ,Fränkische Kourier' aus Kissingen erfährt, gar nicht gut. Der Fürst sei viel kränker, als er selbst glaube. — That- sache ist, daß die seit einer Anzahl von Tagen festgesetzte Rückreise des Fürsten Bismarck über Berlin noch nicht zur Ausführung gekommen ist. * Im Gegensatz zu jenen Blättern, die in dem Bau des Libauer Kriegshafens eine Drohung Rußlands gegen Deutschland erblicken, meint der ,Hamb. Korresp.', die Ansicht, daß die strategische Bedeutung des Nord-Ostsee- Kanals durch den Libauer Kriegshafen herab gesetzt werde, könne in Deutschland nichts als ein Lächeln Hervorrufen. Das Projekt eines Kriegshafens in Libau sei durchaus nicht neu; schon im Herbst 1859 waren die Pläne dazu ausgearbeitet. Damals habe man in Peters burg au einen Nord-Ostsee-Kanal nicht gedacht, denn das im Jahre 1848 aufgetauchte Projekt eines Nord-Ostsee-Kanals galt in Rußland für unausführbar und deshalb für beseitigt. *Ein Gesetzentwurf zur Heranziehung des Reichsfiskus zu denKommunallasten war nach den,Berl. Pol. Nachr.' schon Anfang 1892 im Reichsschatzamt aufgestellt. Die Be ratungen zwischen den beteiligten Ressorts sind aber nicht bis zum Abschluß gediehen. * lieber dieBörsen-UntersuchungS- kommission verlautet, daß in diesen Tagen eine Unterkommisston zusammentreten wird, be stehend aus dem Vorsitzenden Dr. Koch, dem Geh. Ober-Regieruugsrat Dr. Hoffmann vom Reichs-Justizamt und den Berichterstattern, die sich ult dem bereits ausgearbeiteten Gencral- bericht für den Reichskanzler beschäftigen bezw. etwaige redaktionelle Aenderungen vornehmen soll. Nachdem dies geschehen, soll die Gesamt- Kommission erst noch zur endgültigen Genehmi gung des Gesamtberichts zusammenberufen werden. * Die sogenannte „ IsxHeinze" ist be kanntlich im vorigen Reichstage nicht zur zweiten Lesung gelangt. Es verlautet nun, daß der Entwurf in der noch verschlechterten Fassung, die er in der Kommission des Reichstags erhalten habe, wieder an den Reichstag gelangen würde. Dagegen soll auf die Einbringung des Check gesetzes verzichtet worden sein. * Der bayrische Landtag ist auf den 28. d. einberufen worden. Oesterreich-Ungarn. »Rußland zeigt sich Oesterreich gegenüber lehr zuvorkommend. Das russische General koni ulat in Wien erhielt vom Zolldepartement des russischen Finanzministeriums die Mitteilung, daß nach dem neuen Reglement des genannten Departements für die Einfuhr jener Waren österreichisch-ungarischer Herkunft nach Rußland, die der Verzollung nach dem Minimaltarif unterliegen, die Original rechnungen und Briefe der Fabrikanten, falls die Unterschriften von der Ortspolizei oder Zoll behörde beglaubigt sind, als Ursprungsnachwcis vollständig genügen und die Beglaubigung durch die russischen Konsulate überflüssig sei. * Der Papst Hst an den ungarischen Episkopat eine Encyklika gerichtet, in der er dem Klerus und den Gläubigen Instruktionen bezüglich der gegenwärtig zu befolgenden Haltung gibt, indem er namentlich die Verhinde rung von Mischehen, die Abhaltung all jährlicher Kongresse und die Wahl guter Depu tierten empfiehlt. Frankreich. * Gerade am Tage der Kaiserparade in Metz, am Montag, ist bei der französischen Regierung die amtliche Meldung aus Petersburg einge troffen, daß das russischeGeschwader am 13. d. den Hofen von Toulon besuchen werde. In Frankreich herrscht darob Heller Jubel. *Die französischen Stichwahlen am Sonntag haben den Sozialisten noch unerhoffte Erfolge gebracht. Die neue Kammer weist nun mehr 409 gemäßigte Republikaner, 64 Konserva tive, 29 „Rallierte" und 79 Radikale und Sozialisten auf. Clemenceau ist endgültig unter legen; ebenso Floquet. Die Führung der Radi kalen und Sozialisten dürfte der frühere Minister Goblet übernehmen. Dänemark. * Der Bruder des Königs, Prinz Wilhelm von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, ist am Dienstag abend in Fredensborg gestorben. Der König und die Königin, sowie der Kaiser und die Kaiserin von Rußland waren am Sterbe lager anwesend. Der Prinz erreichte ein Alter von 77 Jahren. *Wie das Kopenhagener Blatt .Politiken' meldet, ist bei der Tafel in Fredensborg am 31. v. von der dänischen Gardekapelle u. A. auf Wunsch des russischen Kaisers das Lied „O Schleswig, geliebtes, umstrittenes Land" gespielt worden. Schweden-Norwegen. »Die schwedischen Neuwah le n haben bisher, bei 104 besetzten Mandaten, mit 58 Frei händlern und 46 Schutzzöllnern einen Gewinn von 4 Sitzen für die erstgenannte Partei ergeben. Im ganzen sind 228 Mandate für die zweite Kammer zu verteilen. Die Wahl des früheren Ministerpräsidenten Frhrn. v. Aakerhjelm zum Mitglied der zweiten Kammer wird in Nor wegen vielfach erörtert werden ; wie erinnerlich, verlor Aakerhjelm sein Minister-Portefenille, weil er am 3. Mai 1891 in einer „geheimen Sitzung" der ersten Kammer „mit dem Normann schwedisch reden" wollte. *Jn Christiania verlautet, das (unions freundliche) Ministerium Stang werde jetzt dem Könige Vorschlägen, die von dem Storthiug auf gestellte Bedingung für die Bewilligung des Konsulatshaushalts nicht anzunehmen. Diese Bedingung war, daß die Regierung der schwedischen Regierung die Kündigung des ge meinschaftlichen Konsulatswesens sofort mitteilen und dem Storthing in der nächsten Tagung einen Gesetzentwurf über die Errichtung eines eigeuennorwegischenKonsulatswesensvorlegensolle. Rußland. * Das Schicksal der deutschen Schulen in den baltischen Landen ist jetzt end gültig besiegelt. Die Petersburger Blätter be stätigen, daß für diese Provinzen eine neue Schuls ordnung erlassen wird. Unterrichtssprache wird ausnahmslos das Russische. Die seit Jahr hunderten von der Ritterschaft unterhaltenen deutschen Gymnasien haben sich unter dem Druck der Verhältnisse von Jahr zu Jahr vermindert; jetzt werden die deutschen Schulen überhaupt ver schwinden. Für die Errichtung von Privaischulen dürften, wie z. B. in Kongreßpolen, besonders strenge Bestimmungen getroffen werden. Nmerikff» *Jn Argentinien dauert der Auf ¬ ruhr fort. Wie aus Buenos-Ayres gemeldet wird, haben sich die Truppen des Gouverneurs von Corneilles empört. Der Kommissar der Natioual-Regierung hat die Rebellen bei Santa Tomo angegriffen und die Stadt eingenommen und plündern lassen. Der Kriegsminister hat Truppen entsandt, um . die irregulären Truppen des Gouverneurs zu entwaffnen. Uon Uah und Fern. Die Cholera. Wie der ,Reichsanzeiger' bekannt macht, sind in der Zeit vom 1. bis ein schließlich 4. September dem kaiserlichen Gesund heitsamt sieben neue Cholerasälle gemeldet wor den, welche sich verteilen wie folgt: Weichsel gebiet: 0. Berlin: 5 Erkrankungen (3 weitere Kinder und eine Schlafstellenvermietecin, die bereits früher erkrankte Frau Schuster, ferner ein Knabe, der in den Nordhafen gefallen war.) — Rheingebiet: 2 Todesfälle in Meiderich (Ruhr orter Hafen), beide Fälle von einem aus Rotter dam kommenden Schiffe stammend. 3571 Briefmarkensammler sind auf dem 5. deutschen Philatelistentage vertreten, der am Sonntag in Berlin unter dem Vorsitz des Landgerichts-Direktors Lindenberg im Architekten- hause eröffnet wurde. 47 deutsche und öster reichische Vereine haben offizielle Delegierte ent sandt, auch find Philatelisten aus England, Ruß land und San Marino erschienen. Die Vor träge sind meist streng fachwissenschaftlich. Die Erzählung von dem angeblichen Verschwinden des Prinzen Rupprecht, ältesten Sohnes des Prinzen Ludwig von Bayern, wird der.Rhein. Wests. Ztg.' zufolge von derbayrischen Gesandtschaft in Berlin als ganz grundlos be zeichnet. Der Prinz, der im Ersten Schweren Reiterregiment dient, hat unmittelbar nach der Beendigung der Uebungen desselben einen regel rechten Urlaub erbeten und erhalten, um einer Einladung des Kaisers zu den Manövern in Lothringen Folge zu leisten. Die Reise dorthin, die ihn u. a. nach Deidesheim und Neustadt a. H., sowie nach den Schlachtfeldern bei Wörth geführt hat, legte er allerdings im strengsten Inkognito zurück, worauf sich jene Nachricht zurückführen lassen möge. Emin Pascha. Der soeben aus Udjidje zurückgekehrte Missionar Swann gab einem Be richterstatter des ,Reuterscheu Büreau' eine aus führliche Schilderung der Ermordung Emin Paschas, die außer allem Zweifel stehe. In Udjidje sei ein Schreiben eingetroffen, mit der Anfrage, was mit Emins Sachen geschehen solle. Ein Araber habe eine ausführliche Be schreibung der Reiseroute Emin Paschas und dessen Verfolgung durch Araber gegeben. Als Emin bei dem Häuptling Seyd ben Abed eiugetroffe», sei ein Araber an ihn herangetreten mit den Worten: „Ihr seid Emin, der einen Araber am Viktoria Nyanza tötete", und habe ihm mit einem großen Messer den Kopf abgeschlagen. Hierauf seien auch 60 nubische Begleiter Emins getötet und die Leichname verzehrt worden. (Das Sonderbare ist nur die Besorgnis der arabischen Raubmörder, was sus den „Sachen" Emiu Paschas werden solle.) Die verhafteten Franzosen in Kiel. In Sacken der beiden in Kiel als Späher ver hafteten Franzosen wird, wie die,Tägl. Rundsch.' vernimmt, bekannt, daß Herr Dubois der Sohn des berühmten Astronomen und Herausgebers der besten französischen Kartenwerke ist und die Arbeiten seines Vaters fortfetzt. Es könnte da durch, fügt genanntes Blatt hinzu, das immerhin verdächtige und seltsame Gebühren der beiden Herren vielleicht in anderem Licht erscheinen. Eine interessante ZwangSmaßregel wollen die Kieler Arbeiter gegen die Brauereien anwenden. Das Gewerkschaftstartell hat näm lich beschlossen, bei den Gewerkschaften dahin zu wirken, daß die Mitglieder derselben so lange kein dortiges Bier trinken, bis die Brauereien ihren Arbeitern eine zehnstündige Arbeitszeit und ein Mindestlohn von 22 Pik. bewilligt haben. Die Brauereien sind aus die Forderungen nicht eiugcgangen. Ein gräßliches Unglück ereignete sich in der Guanofabrik in Zeitz. Eine Frau Kampfe war daselbst mit dem Nähen von Säcken be schäftigt, als ihre Röcke durch einen Windstoß in das Räderwerk gerieten. Die Frau wurde nach gezogen; dabei wurde ihr der Kopf buchstäblich zermalmt. Ein Liebesdrama. In Riesa erschoß am 4. d. der beim dortigen Feldartilleric-Regiment dienende Soldat Lauber seine 21jährige Geliebte, die er schon vorher durch Gift zu töicu versucht hatte. Darauf feuerte er zwei Revolverscbüsse auf sich ab, die seinen sofortigen Tod herbei führten. Motiv der That ist Eifersucht und Furcht vor Disziplinarbestrafung. Explodierte Granate. Ein junger Mann aus Griesheim bei Darmstadt fand Freitag ein von den dort vorbeikommenden Truppen ver lorenes Sprenggeschoß, anscheinend eine Granate, die noch mit Sprengstoff gefüllt war. Er suchte das Geschoß zu entladen, wobei dasselbe explo dierte und dem Unglücklichen die eine Hand voll ständig, die andere teilweise abriß und ihn außerdem im Gesicht gräßlich zurichtete. Unter anderem wurde dem Bedauernswerten das eine Auge vollständig aus dem Gesicht gerissen. Unter schrecklichen Schmerzen ist der Aermste am Abend seinen Wunden erlegen. Das Dorf Langschede, das ungefähr 300 Einwohner hat und an der Eisenbahn von Hagen nach Arnsberg liegt, hat seit kurzer Zeit nicht allein elektrische Straßenbeleuchtung, sondern ist auch in der Lage, sämtliche Wohnhäuser mit elektrischem Lickte zu versorgen. Letzteres wird von einer dortigen Fabrik kostenfrei abgegeben. Langschede dürste das „hellste" Dorf Deutsch lands sein. Eine Ur-Ur-Großmntter. Eine in Aussig bei bestem Wohlbefinden lebende Frau Nasty ist Ur-Ur-Großmutter geworden, indem ihr in Amerika lebendes Urenkelkind in diesen Tagen von einem Mädchen entbunden wurde. Falschmünzerbande. Die Polizei in Buda pest verhaftete mehrere Mitglieder einer weit ver zweigten Falschmünzerbandc, die bereits eine Viertelmillion falscher Kronenstücke in Umlauf gesetzt hat. Abgebrannt ist das Edentheater in Ostende. Mehrere Personen sollen in den Flammen um gekommen sein. Von einer seltsamen Begnadigung durch den Zaren wird aus Riga gemeldet: Leutnant Chalkiopow, der den Studenten Beresowski ge tötet hatte, ist von dem Kaiser zu einem sechs wöchigen Arrest auf der Hauptwache begnadigt worden. Vier Frauen verstümmelt. Nach längerer Pause scheint „Jack, der Aufschlitzec" sein blutiges Handwerk wieder ausgenommen zu haben. Wie aus Amsterdam, 2. September, gemeldet wird, wurde in der Stadt Oostburg. Provinz Seeland, ein vierfacher. Frauenword verübt. Die vier Er mordeten wurden mit zerschnittenem Halse auf- gesunden. Der Mörder und die Motive des Verbrechens sind unbekannt. Die Leichen sind furchtbar verstümmelt. Rotten von Ausständige« zogen am Montag, wie aus London berichtet wird, nach den Bergwerken von Lansdale bei Chesterfield in Derbyshire und zwangen alle Bergleute daselbst, die Arbeit niederzulegen. Die Polizei- kräfte sind verstärkt worden. Die Frauenbewegung macht sich auch Gladstone gegenüber mehr und mehr geltend. Am Montag hielt in London die Fraueu-Eman- zipations-Liga eine Sitzung, in der meistens scharfe Worte fielen. Die Frauen von England erwarten nichts von den Konservativen. Aber ziemlich enttäuscht fühlen sie sich über Gladstone. Aus den Trümmern des Palazza Caffarelli in Rom, der vor einigen Tagen niedergcbraunt ist, zog man nach der ,N. Z. Z-' am Sonntag noch unversehrt den Kassenschrank des portugiesischen Gesandten, Grafen Valbranca, hervor, der das erste Stockwerk des PalasicS be- woh lle. Der Schrank, dem mit Recht die Be zeichnung „feuerfest" zukommt, enthielt die Bagatelle von fast zwei Millionen (?) au Geld und Wertsachen und es befanden sich darin sehr wichtige Dokumente der Gesandtschaft, auch per sönliche Papiere des Grafen, sowie Schriftstück«. Am Ziel'. Novelle von C. v. Heiden.*) Ich bin ein ziemlich harmloser Mensch und habe nur zwei schwache Seiten: ein besonderes Interesse für schöne Frauen über Dreißig und eine gewisse Vorliebe für den Spätsommer. Spätsommer, welch köstliche Zeit! Gibt es etwas Schöneres, als den tiefblauen Himmel, wenn er sich in klarem, reinen Bogen über unsere Häupter spannt, während drc Altweibersommer seine feinen Fäden über die Stoppelfelder zieht und das Laub der Bäume sich mit Rot und Gold zu mischen beginnt? Wenn die reifen Früchte an den dichten, schwer beladenen Zweigen prangen und in den Gärten die Astern und Georginen ihre stolze Pracht entfalten? An solchen Tagen gehe ich gerne über Land; ich liebe es, einsam ohne Zweck und Ziel dahin zuwandeln und an die Zukunft zu denken. Meine Zukunft liegt klar und deutlich vor mir; ich bin nicht reich, aber wohlhabend und gänzlich unab hängig; so wie ich jetzt lebe, kann ich bis zu meinem Lebensende fortlebeu ohne Sorge und ohne Kummer, aber auch ohne Freuden, ander seits ich nähme eine Frau, das heißt, ich fände mein Ideal, so wie es meinem Geiste vorschwebt; eine schöne, heitere, elegante Frau, welche die Dreißig passiert hat, nicht zu eitel, nicht zu kokett und vor allem andern nicht zu gebildet. Ich hasse diese überbildeten Frauen, die alles besser wissen wollen, als der Mann, dieses lebende ") Unberechtigter Nachdruck wir- verfolgt. Konversations-Lexikon, in dem man nur nachzu schlagen braucht, um zu erfahren, wie wenig man eigentlich weiß — nein, eine Frau soll anmutig und geistreich sein, aber um alles in der Welt nicht die Gelehrte spielen wollen. Ich mag kein junges Mädchen, weil sie alle naseweise Dinger sind, die entweder in einem fort ihre Pensionsweisheit auskramen wollen oder die Naive spielen, wenn auch die Naseweisheit bei jedem Wort hervorguckt trotz Sentimentalität und jungfräulicher Schüchternheit; solche unreife Geschöpfe, die keinen andern Vorteil haben, als ihre Jugend, sind mir ein Greuel. Ich ziehe die Frau vor, die schon mit praktischem Blick ins Leben sieht, gereift an Erfahrung, und an der Grenzscheide steht, da man in die Jahre tritt, von denen es heißt: sie gefallen mir nicht. Eine voll entfaltete Rose, die ängstlich ihre Schönheit hütet, weil sie weiß, daß das Ende derselben nahe ist, eine Blume, die um so köstlicher duftet, weil sie die Zeit herannahen steht, da der Duft verweht und die prächtigen Farben erblassen. Bei dieser gefährlichen Klippe angelangt, sind die Frauen am liebenswürdigsten; sie fühlen instink tiv, daß sie diese letzte Blütezeit nützen müssen, ehe es zu spät wird, ehe ihnen der unerbittliche Spiegel die erste Falte, das erste graue Haar zeigt. Derartige Erwägungen im Kopf und Herzen, denn ich dachte nun ernstlich daran, mir eine Frau zu suchen, schritt ich rüstig meines Weges entlang, ohne zu wissen, wohin mich dieser eigent lich führen würde. Ich hatte mein liebes Wien per Bahn ver lassen, war einige Stationen weit gefahren und versuchte es nun mit einer Fußtour, wo ich ein schützendes Obdach finden würde, um einige Tage frische Luft zu atmen und mein Auge an dem langsam hinsterbenden Grün der Laubwälder zum letzten Male noch für dieses Jahr zu er quicken. Meinen kleinen Handkoffer tragend, schritt ich so fort, meinen Gedanken Audienz gebend, bis Hunger und Durst höchst prosaisch mahnten, daß es Zeit sei, an eine Herberge zu denken. Ich gab mein stilles Sinnen auf, rekognos zierte ein wenig das Terrain und beschleunigte dann meine Schritte. In nicht zu weiter E t- fernung erblickte ich ein Dorf, dessen kleine, freundliche Häuser, von schwerbeladenen Obst bäumen umschattet, auf mich einen sehr angenehmen Eindruck machten. „Hier will ich acht Tage bleiben," beschloß ich während meines Weiterschreitens. Bald hatte ich den kleinen freundlichen Ort erreicht, brausende Orgelklänge tönten mir ent gegen. An einem Wochentage zwischen vier und fünf Uhr nachmittags mußten diese etwas Be sonderes bedeuten! Von den Dorfbewohnern sah ich wenig, die Leute waren wohl alle draußen im Felde be schäftigt, hie und da huschte ein dralles, rot wangiges Dirnlein über die Gasse oder einige Mitglieder der hoffnungsvollen Dorfjugend hielten in ihren ländlichen Spielen inne, um mich, den Finger im Munde, groß anzustarren, mehrere Gänse flatterten schnatternd über meinen Weg, sonst kam ich unbehelligt weiter. Ich mochte niemand fragen und ging den Orgelklängen nach, die mich richtig zur Kirche leiteten. Ein schmuckes, sauberes Dorfkirchlein war cs in der That, so schmuck und sauber wie das naheliegende Pfarrhaus, hinter dessen herab gelassenen Jalousien blendend weiße Vorhänge schimmerten; der kleine Vorgarten war äußerst sorgfältig gehalten und geschmackvoll arrargiert, das Ganze machte einen unendlich wohlthuenden Eindruck auf mich. Das Orgelspiel hatte aufgehört; aus einer kleinen Seitenpforte der Kirche trat ein junges Mädchen. Keine feenhafte Erscheinung mit gol^ blonden Locken und himmelblauen Augen, ww man so oft in Märchen liest; aber eS war em hübsches, frisches Mädchen von etwa siebzehn Jahren, eine ausgesprochene Brünette mit dunklen Augen und leicht gebräuntem Teint, lustig uiw sorglos ins Leben schauend, das sah man dew kleinen Kobold am ersten Blick au. Als sie mich sah, blieb sie zögernd stehew ohne indessen sonderlich verlegen zu werden. „Wünschen Sie eine Auskunft, mein Herr tönte hii ter mir eine milde, wohlklingend Stimme. . .. Ich wa;dte mich rasch um. Vor mir stan° eine hohe, kräftige Gestalt mit gutmütigen, freu'" licheu Gesichtszügen. _ . , Ich hatte sofort den Pfarrer des Ortes ° kannt. Ich zog höflich meinen Hut und außer meine Absicht, einige Tage im Orte zu weilen. n„r Der Pfarrer lächelte. „Wir haben hier " ein einziges Gasthaus und wenn Sie anw Unterkommen finden werden, mit dem rll'c hF es schlecht bestellt sein, indessen d'- E ' der Gegend wird Sie wohl dafür entscha
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