Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 19.08.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-189308193
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-18930819
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-18930819
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-08
- Tag 1893-08-19
-
Monat
1893-08
-
Jahr
1893
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 19.08.1893
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser hielt am Dienstag die große Herb st Parade über das Gardekorps auf dem Tempelhofer Felde ab. — Der Kaiser trifft nach offizieller Mitteilung am 10. September abends in Karlsruhe ein und wird die Parade am 11. September abhalten. * Der Zustand des Herzogs von Sachsen-Koburg-Gotha, der sich ver schlimmert hatte, w daß schon der präsumtive Thronfolger aus England nach Gotha gekommen ist, hat sich wieder gebessert. * Der neue Reichsschatzsekretär Dr. Arthur Adolf Graf Posadowsky- Wehuer ist am 3. Juni 1845 zu Groß-Glogau geboren als Sohn des Oberlandesgerichts-Rats Grafen Posadowsky und stammt aus einer oberschlesischen evangelischen Familie, deren ältere Linie im Kreise Großstrelitz Grundbesitz hat. Graf Arthur Posadowsky studierte die Rechte, promovierte zum voetor jurio, wurde Gerichts referendar, wurde Landrat und hat als solcher während einer längeren Reihe von Jahren erst den Kreis Wongrowitz, dann den Kreis Rawitsch verwaltet. *Seit einigen Tagen ist die Einfuhr von Heu und Stroh aus Rußland über die preußische Grenze verboten. * Für Danzig und Stettin sind Pläne zur Schaffung eines großen Freihafen ge- biets ausgearbeitet worden. Der Joss. Ztg/ zufolge soll wegen dieser Freihafenpläne eine Konferenz von Staats- und Kommunalvcrtretern der Ostseestädte stattfinden. *Die mit Sicherheit zu erwartende Aus dehnung der deutschen Zuschlagszölle auf die aus Finland kommenden Waren ist deshalb nicht verfügt worden, weil die betreffende kaiserl. Verfügung zuvor der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die augenblicklich wegen der Ferien dieser Körperschaft auf dem Wege der Umfragen bei den einzelnen Regierungen erlangt werden muß. Daß sie erteilt werden wird, steht außer Frage, es handelt sich dabei nur um eine Förmlichkeit, nach deren Erledigung die Bekannt machung der betreffenden kaiserl. Verordnung alsbald zu erwarten ist. * Da es infolge der Frankfurter Finanz minister-Konferenz feststeht, daß der Reichstag sich nicht nur mit der Deckung der Ausgaben für die neue Militärvorlage, sondern auch mit einer umfassenden Steuerreform zu beschäftigen haben wird, darf man annehmen, daß dem preußischen Landtage gesetzgeberische Vorlagen von großer Tragweite nicht zugehen werden, da die Steuerreform im Reiche das Interesse und die Kräfte der politischen Faktoren in erster Linie in Anspruch nehmen wird. Es verlautet auch über Vorarbeiten für den Landtag diesmal weniger als je, und ob Gesetzentwürfe von politischer Tragweite, z. B. mit Beziehung auf die Schule, in Angriff genommen werden, wird erst entschieden werden, wenn nach den Wahlen die Zusammensetzung des neuen Abge ordnetenhauses bekannt ist. * In Hannover haben am Montag Vertreter von 116 deutschen Kreditgenossen schaften die Gründung einer freien Ver einigung der deutschen Kreditgenossenschaften mit Ausschluß aller Konsumvereine beschlossen. Die Gründung neuer Kreditoereine bis in die kleinsten Städte hinein soll angestrebt werden. Oesterreich-Ungarn. * Gerüchtweise verlautet, daß die ungari schen Korps -Manöver wegen der Choleragefahr verschoben werden sollen. Frankreich. *Das Befinden des Präsidenten Carnot bessert sich. *Der französische Oberstkommandierende in Da Homey, General Dodds, hat sich an Bord des „Liban" in Marseille nach Dahomcy cinge- schifft. In Oran wird der „Liban" 100 Mann von der Fremdenlegion und 80 Maulesel zur Verstärkung der Expedition nach Dahomey auf nehmen. Man hofft, daß die algerischen Maul esel das heiße Klima von Dahomcy besser ertragen « erden, als die bisher für die Kavallerie per- ! wendeten Pferde, die größtenteils zu Grunde ge- ga gen sind. General Dodds wird zunächst nördlich von Abomey ein Expeditionskorps per sönlich kommandieren, woraus man schließen darf, daß diesem Unternehmen einige Wichtigkeit bei zumessen ist. * Ucber den Zollkrieg zwischen Frank reich und der französischen Schweiz herrscht in verschiedenen Industriezweigen allem Anschein nach große Mißstimmung. Anläßlich der hundert jährigen Feier der Vereinigung Montbeliards (Mömpelgards) mit Frankreich fanden in der er wähnten Stadt unter zahlreicher Beteiligung der Bevölkerung Festlichkeiten statt. Der Arbeits minister Viette, der der Feier beiwohnte, empfing im Stadthaus die Vertreter des Uhrmacher gewerbes und sprach denselben die Hoffnung auf eine baldige Wiederherstellung guter Beziehungen der Gegend zu der Schweiz aus. *Der Papst hat an den Erzbischof von Bordeaux ein Schreiben gerichtet, in dem die Franzosen zur Eintracht ermahnt und aufgefor dert werden, die bestehende Verfassung an zuerkennen und diese zu beobachten. Der Papst tadelt nachdrücklich die vorgeblich katholi schen Schriftsteller, die kirchliche Würdenträger angriffen und sich das Recht anmaßten, gegen die Unterweisungen des Papstes zu schreiben. *Jn der Pariser Presse ist wieder stark von der Ausweisung des Herrn Szekely, des Bericht erstatters des .Budapester Hirlap', und ihren Gründen die Rede. Herr Szekely schreibt aus London, er könne den Beweis erbringen, daß er über den russischen Botschafter, der 500 000 Frank von der Panama-Ge sellschaft erhalten haben sollte, die reine Wahrheit sagte, und wünsche dringend seine Behauptung vor einem französischen Gericht zu erhärten. *Der Deputierte Lockroy, auf den am Sonntag ein abgewiesener Bittsteller Pistolen schüsse abfeuerte, befindet sich den Umständen nach wohl; doch konnte bis Dienstag die Kugel noch nicht aus der Wunde gezogen werden. Belgien. * Die belgische Senatsreform ist end lich doch im Senat zum Abschluß gelangt, indem Rechte und Linke des Senats sich über einen Vcrmittelungsvorschlag einigten. Der Wählbär- keitszensus ist auf 1400 Frank herabgesetzt. Den diesen Zensus Zahlenden werden 1 pro 4000 der Meistbelasteten hinzugefügt. Außerdem werden 26 Senatoren ohne Zensusbedingung durch die Provinzialräte gewählt. Man nimmt an, daß auch die Abgeordnetenkammer sich diesem Kompromiß anschließen wird. Italien. *Die von der italienischen Regierung jetzt verfügte Ausgabe von 30 Millionen Ein- Frank-Billets und von 10 Millionen Kupfergeld zur Bekämpfung der Münznot ist auf direktes Einschreiten Les Königs Humbert zurückzuführen. Die Regierung selbst hätte sonst trotz aller Vorstellungen dec Handelskammer und trotz der unhaltbaren Verhältnisse, die sich auS dem vollkommenen Mangel an Scheidemünze, insbesondere des Silbers, ergaben, vermutlich mit einer solchen Maßregel noch weiter gezögert. Ruhland« *Nach russischen Blättern soll die neueste russische Note an die deutsche Reichsregierung betr. die Z o l l v er h a n d l u n g en in Berlin eine sehr günstige Ausnahme gefunden haben. Dieselbe enthielt den Vorschlag, noch vor dem 1. Oktober auf Grundlage gegenseitiger Zu geständnisse zu Unterhandlungen zu schreiten. Daher hat man vollen Grund anznnehmen, daß der Zollkrieg, dessen Folgen mit gleicher Schwere auf der ökonomischen Lage beider befreundeten Staaten lasten, in kürzester Zeit sein Ende er reichen wird und zwar dank der Mäßigung ^ou beiden Seiten und der „von der russischen Rege lung kundgegebcnen einsichtsvollen Festigkeit." Balkanstaaten. *Jn dem Anklageverfahreu gegen das frühere serbische Kabinett gelangte dieser Tage der Bericht des Ausschusses gegen die angeklagten Minister in der Skupschtina zur Verlesung. Er ' hält alle elf Punkte der Anklage aufrecht und i fordert noch die Einleitung eines orde tlichen Strafverfahrens gegen mehrere Präfekten und Kommandanten von Truppen. Am Dienstag begann die Debatte über den Bericht. Die angeklagten Minister waren nicht erschienen. Amerikss. *Jn Argentinien ist die erwartete Ministerkrisis nun doch eingetreten. Die Minister del Valle und del Maria haben an gesichts der für sie schwierigen Lage den Minister posten aufgegeben, und an ihrer Stelle hat der Präsident von Argentinien Manuel Quintana zum Minister des Innern und den General Luis Campos zum Kriegsminister ernannt. Ueber den Fortgang der aufständischen Bewegung liegt keine neue Meldung vor. Afrika. * Die Engländer haben Witu (nördlich von Deutsch-Ostafrika) eingeäschert. Sonntag landeten infolge der feindseligen Haltung Omaris, des ehemaligen Sultans von Witu, die britischen Kriegsschiffe„Blanche", „Swallow" und„Sparrow" Truppen an der Küste von Witu. Es wurd ein Angriff auf die Stadt Witu unternommen und dieselbe nach zweistündigem hartnäckigen Wider stand eingenommen und verbrannt. Auf feiten der Engländer wurde ein Soldat getötet und zwei Offiziere leicht verwundet. Australien. *Das Repräsentantenhaus von Neusee land genehmigte am Freitag die Bill, die auch Frauen, und zwar sowohl Weißen als Maoris, das Wahlrecht gibt. Die österreichische Militärvoriage. Die neue Militärvorlage, die im kommenden Herbst dem österreichischen Ministerrat wird vorgelegt werden, zerfällt in zwei Gesetzentwürfe, von denen der eine sich mit der Vermehrung der österreichischen Landwehr, der andere mit der Reorganisation des österreichischen Landsturmes befassen wird. Die Vermehrung der Landwehr wird nur die Landwehr-Infanterie mit Ausschluß der Tiroler Landesschützen betreffen. Bei den bestehenden 82 Landwehr-Jnianterie-Bataillons-Kadres sollen je zwei neue Kompanie-Kadres errichtet werden. Die gegenwärtigen Bataillons-Kadres umfassen je 4 Kompanie-Kadres mit zusammen rund 9000 Mann und 1274 Offizieren. Durch die neu zu errichtenden 164 Kompanie-Kadres würde die Landwehr-Infanterie um rund 4500 Mann und beiläufig 350 Offiziere, also auf 13 500 Mann und 1624 Offiziere vermehrt werden. Die Kosten dieser Er höhung werden von sachkundiger Seite auf etwas über vier Millionen Gulden beziffert, d. i. eine Erhöhung des Ordinariums für die Landwehr um etwa 40 Prozent. Wie wohl damit eine starke Neubelastung des so äußerst empfindlichen Gesamtbudgets verknüpft ist, wird die Bevölkerung diese Reform weniger hart verspüren, als die geplante Reorga nisation der Laudstürmer. Dank seiner Fassung besteht das Landsturmgesetz vom Jahre 1886 bis heute rein auf dem Papier, wie denn auch die Regierung damals sich lediglich die Möglichkeit sichern wollte, gegebenenfalls auf jene Staats bürger zurückgreifen zu können, die ihrer Militär pflicht bereits Genüge geleistet haben. Nachdem durch das 1886er Landsturmgesetz die Kriegs verwaltung sich in dieser Hinsicht sichergestellt hatte, gcht sie nunmehr daran, Ordnung in das ihr zur Verfügung stehende Landsturmmaterial zu bringen. Zu diesem Zweck wird nun die zu erwartende Landsturmnovelle aus dem Land sturmgesetze von 1886 die Bestimmung alimi- nieren, wonach die Landsturmpersonen einer Kontrolleleistung nicht unterliegen. Die Novelle beabsichtigt also die Einführung des Melde zwanges bei den Landsturmpflichtigen und zwar vorläufig nur hinsichtlich des ersten Landsturm- „Auszuges", d h. jener gedienten Leute, die zwischen dem 33. und 37. Jahre stehen, betroffen werden dadurch rund 600 000 Diann, die da durch gewissermaßen in die Stellung einer Ersatz reserve einrücken. Ob damit der Inhalt der Landsturmnovelle erschöpft ist, bleibt noch fraglich. Bekanntlich steht das Landsturmgesetz von 1886 die Errich tung von Caores für die Auszugsbataillone des Landsturmes vor und es ist nicht unmöglich, daß in der Novelle hinsichtlich der erwäh tcn zunächst heranzuziehenden 600 000 Manu Bestimmungen über die Errichtung von Landsturmbataillons- Kadres enthalten sind. Uon Uah und Fern. Einen hübschen Beitrag zur Vereins meierei liefert ein Berliner Berichterstatter der ,Köln. Volksztg.". Er schreibt seinem Blatt: Zwar treibt das Vereinswesen in der Reichs hauptstadt sonderbare Blüten, so daß man manches gewohnt ist; ich war aber selbst er staunt, als mir heute morgen eine große Reihe von Kremsern begegnete, deren Insassen ein Banner schwangen mit der Inschrift: „Verein ehemaliger Scheintoter." Sicher ist nicht im Ernst daran zu denken, daß alle diese Herren „ehemalige Scheintote" sind, am Ende sogar nicht ein einziger von ihnen, so daß es sich um einen „Witz" handeln muß. Vielleicht wollte man auf diese Weise die vielen „Vereine ehemaliger" ironisieren, die hier wie Pilze aus der Erde schießen. Gibt es doch sogar Vereine ehemaliger 25er, 26er und 27er Gemeindeschüler, so daß bald nur noch ein Verein ehemaliger Säuglinge fehlt. Fast 1VO Jahre alt ist in Wittenberg der Oberkonsistorialrat D. Schmieder, Ehrenbürger der Stadt, an Altersschwäche gestorben. Er wurde am 17. Februar 1794 in Schul-Pforta geboren, trat 1807 als erster Seminarist in das in Wittenberg neu gegründete Predigersemicar ein und hat diesem später lange Zeit als erster Direktor vorgestanden. Bei einer Rauferei in der Kaserne des 117. Regiments in Mainz erhielt ein Soldat einen Schlag auf den Kopf, infolgedessen er nach einer Stunde starb. Widersprechende Meldungen. Aus Mainz war Ende voriger Woche ein von zahl reichen Bürgern der Stadt unterzeichnetes Gnaden gesuch zu gunsten des Kapellmeisters Kern vom 118. Infanterie-Regiment an den Kaiser ab gesandt worden. Fast gleichzeitig wurde der Bürgerschait bekannt, daß der Angeschuldigle aus dem Militärgefängnis entlassen sei. Wie nun verlautet, hat das Kriegsgericht gegen Kern wegen Majestätsbeleidigung auf nichtschuldig er kannt, dagegen soll Unterjochung gegen den An geber eingeleitet sein. (Mit den 8 Jahren Zncht- ! Haus, den 2 Jahren Gefängnis und der Begna digung wäre es also nichts.) Zum Denkmal in der Pfalz. Nachdem dem Komitee für Errichtung eines Landesdenk mals zur Erinnerung an die glückliche Rettung der Pfalz und deren Erhaltung bei Bayern und Deutschland in dem Kriege 1870/71 in der Nähe der kgl. Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben die behördliche Genehmigung zur Vornahme von Sammlungen im ganzen Kö.igreiche auf ein weiteres Jahr erteilt worden ist, so erläßt das Komitee neuerdings einen Aufruf zu freiwilligen Beiträgen. Sich einer Erbschleicherei schuldig gemacht und sich hierdurch in den Besitz einiger Morgen Landes gesetzt zu haben, wird der Pastor B. in einem Städtchen des Harzes beschuldigt. Dem Totengräber des Oertchens fiel seit einiger Zeit ein Bildhauer auf, der sich an dem Grabe der Erblasserin viel zu schaffen machte. Wer be schreibt aber'den Schreck deS Hüters des Gottes ackers, als er eines Morgens das wohlgelungme Porträt des Herrn Pfarrers in dem Stein, der auf dem Grabhügel der Verstorbenen lag, e!n- gemeißelt fand. Das Bildnis führte noch zwei andere Figuren und zwar stand an der eine» Seite des Geistlichen ein weinender Engel, wäh rend an der andern Seite ein grinsender Teufel sich befand. Die Orts-Polizei hat sofort das Meisterwerk entfernen lassen und dürfte ein gerichtliches Nachspiel nicht ausblciben. Gin schreckliches Familienbrama hat sich am 10. d. in Werl abgespielt. Der Pferdehändler Di. daselbst war mit seinem hochbetagten Vater in Wortwechsel geraten. Als der alte Maua nicht nachgeben wollte, riß der Sohn einen Revolver ! ans der Tasche und feuerte zwei Schüsse auf den i G:eis; die Kugeln drangen in die Brust. Ein « dritter Schuß traf die eigene Frau des Unholdes, Das alle Kaufhaus. sj (Fortsetzung.! Wenn diese Ladungen nur zu einem einiger maßen guten Preis verkauft wären, würde er zum nächsten Sommer versucht haben, den frisch gefangenen Fisch in Eis nach England zu ver schiffen. Dort waren Aussichten vorhanden, den Artikel einzuführen, und wäre diese Spekulation geglückt, so wären die norwegischen Fischer nicht länger arme Leute, sondern es würden gute Tage über sie kommen, und er hatte gehofft, daß dies Glück seiner Frau und dem Kinde Segen brü gen würde. Aber jetzt war alles so anders geworden. Er hatte den Mut nicht, ihr persönlich von der Schande zu erzählen, die sie erwartete. Des wegen hatte er ihr geschrieben, und erst, nachdem sie sich mit dem Gedanken an ihr Unglück aus gesöhnt hatte, wollte er zu ihr hcimkehren. Er versiegelte den Brief und legte ihn auf das Pult, an dem sein Vater so oft gesessen hatte. Sein Auge fiel auf den kleinen Vers, der über dem Schreibtisch hing, und er seufzte tief auf. Auch er war bestrebt, seinen Tag mit Gott zu beginnen und zu beschließen. Jetzt bat er Gott, ihn vor Schande zu bewahren, die konnte er nicht ertragen. Er wollte sich wie ein Dieb aus seinem Hause schleichen, um nicht seine Frau zu treffen. Er wollte nur einen Blick auf die kleine Sillo werfen und sich dann entfernen. Aber das Kind war wach, lächelte ihn an und streckte die kleinen dicken Arme nach dem Vater aus. Dem konnte er nicht widerstehen. Er nahm die Kleine aus der Wiege, setzte sie auf seine Kniee und lieb koste sie. „Du wirst deinen Vater lieben, mein Augen stern, wie es auch gehen mag. Für dich, uiein Kind, genügt das Herz. Du fragst nicht nach dem Verstand. Du weißt, daß ich dich liebe, du weißt es, ja, du weißt es!" Dann legte er es schnell in die Wiege, und das Kind, das sich so plötzlich allein sah, fing an zu weinen. Diesmal aber wandte er sich nicht um, um seinen Liebling zu trösten. Er hatte seine Frau in der Thür bemerkt. Ihr An blick jagte ihn in die Flucht. Er hatte den Mut nicht, sie zu treffen. Während Haugaard diesen harten Streit allein für sich in der nächsten Nähe seiner Gattin durch- kömpfte, stand Sillo neben dem Schreibtisch ihres Diannes und legte ihre kleine Hand auf das Blatt des Buches, in dem er las. „Nein, mein gestrenger Herr, kein Wort liest du weiter, bis du mich gehört hast. Soll ich wirklich den Tag erleben, an dem du einen lang weiligen Roman meiner Gesellschaft vorziehst?" Er blickte sie lächelnd an und suchte scherzend ihre Hand fortznstoßen. „Das ist kein langweiliger Roman, sondern eine sehr interessante Erzählung. Glaubst du wirklich, kleiner Schmetterling, daß du mich mehr fesselst, als diese da? - außerdem behalte ich dich ja immer, während das Buch morgen abge liefert werden muß." Sie entwand es seinen Händen und sagte lachend: „Jetzt habe ich es, lies jetzt in mir. Was steht wohl heute in meinem Auge?" „Du kleine eitle Närrin, dich kenne ich aus wendig. Aber ich lese dich gern immer wieder von neuem, und du bist stets gleich bezaubernd." „DaS ist nicht wahr, Eilert, ich bin nicht ansgelesen — ich bin nicht einmal fertig geschrie ben — ich bin noch so jung." Da zog eine dunkle Wolke über ihr Gesicht. — „Ach, Eilert, möchtest du mich immer bezau bernd finden, mögen nie dunkle Seiten in dir auftauchen, die du am liebsten ungelesen lassen möchtest. Ich bin zu Zeiten so bang, daß dieser herrliche Sonnenschein von keiner Dauer sein kann, daß schwere Tage kommen müssen — und Eilert, ich bin vor der Sorge bange, die mich drückt. Aber, wenn du mich nur lieb haben willst, so glaube ich sehr wohl, daß ich es lernen werde, alles zu ertragen, was da kommen mag." „Sillo, weinst du wirklich! Was soll das bedeuten .... na, da kommt das Lächeln wie der! Unser Herrgott hat dein gesegnetes kleines Gesichtchen zum Lachen und zur Freude geschaffen. Thränen taugen nickt für dich. Nun, was steht in deinen Augen? Ja, laß mich sehen — lieber Eilert, in dem und dem Lade fenstcr lügt ein herrlicher Stoff, nein, wie mich ein solches Kleid kleiden würde — nun, habe ich recht gelesen?" „Du kennst mich in- und auswendig — nein, Eilert, es ist etwas weit — weit größeres, was ich mir wünsche, etwas ungeheuer Großes — kannst du es nicht erraten?" „Etwas ungeheuer Großes! Da sage ich unbedingt nein, noch ehe ich es erraten habe. Gib mir jetzt das Buch wieder, das ist nicht so anspruchsvoll wie du." Sie verbarg das Buch hinter ihrem Rücken, und das süße kleine Antlitz war so voll Schelmerei, ihre ganze Stellung war so kokett, zugleich aber so bezaubernd, daß Eilert seine Augen nicht von ihr lassen konnte. Sie sah sei en bewundernden Blick und wußte, daß sie gesiegt hatte. „Die Spiegel", sagte er nur, und sah ihr lächelnd in die Augen. „Du wußtest es! Ja, du kennst mich bei nahe auswendig." „Aber ist es auch vernünftig, Sillo, sie sind sehr teuer." . . , „Du sagtest ja selbst, daß ich mich in ihnen so gut ausuähme, daß niemand sonst sie haben dürfe. „Du kleiner, eitler Schmetterling." „Eilert, du warst es, der mich eitel gemacht hat: bekomm ich nun die Spiegel?" „Dreihundert Speziesthalcr für zwei Spiegel. „Sie dekorieren für mehr als tausend Thaler, und wenn ich vor ihnen stehe, hast du statt der einen Sillo drei Weibchen." „Du sollst sie haben, du sollst sie haben. Das ist aber auch die letzte Schwäche; wem, die überwunden ist, müssen wir ansangen, vernünftig zu werden." Zuerst leuchtete ihr Gesicht vor Freude, Pl tz sich aber ward sie unruhig. . . „Eilert, sollen wir sofort vernünftig werde, Marie würde es bestimmt sein. mich nicht um die Spiegel. Du sollst d« Willen haben."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)