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Allgemeiner Anzeiger Zeitung für die Ortschaften: MsnKmthal unö Amgegenö Neösklion, Druck unö Verlag bau N. Bchuvig, Bretnig. 3. Jahrgang. Mittwoch, den 31. Mai 1893 Nr. 43 Bretnig, Kauswalöe, Großröhrsdorf, Expedition: Bretnig Nr. 138. Inserate bitten wir für die Mittwoch-Nummer bis Dienstag vormittag ^/,11 Uhr, für die Sonnabend-Nummer bis Freitag vormittag »/,11 Uhr einzusenden. Inserate, welche in den oben vermerkten Geschäftsstellen abgegeben werden, werden an gedachten Tagen nur bis vormittags 9 Uhr angenommen. Inserate, die 4gespaltene Korpuszeile 10 Pf., sowie Be stellungen auf den Allgemeinen Anzeiger nehmen außer unserer Expeditionin Bretnig die.^erren A. F. Schöne Nr. 61 hier und Oehme in Frankenthal entgegen. — Bei größeren Aufträgen und Wiederholungen Rabatt nach Uebereinkunft. Der Allgemeine Anzeiger er scheint wöchentlich zwei Mal: Mittwoch und Sonnabend. Abonnementspreis incl. des all wöchentlich beigegebenen „Illu strierten Unterhaltungsblattes" vierteljährlich ab Schalter 1 Mk. bei freier Zusendung durch Boten ins > aus 1 Mk. 20 Pf., durch die Post 1Mk. exkl. Bestellgeld. Bekanntmachung. Es ist leider mehrfach wahrzunehmen gewesen, daß die der hiesigen Gemeinde gehö rigen Straßenbäume durch böswillige Hand bes-,ädigt und vernichtet worden sind. Derjenige, welcher uns einen solchen Baumfrevler derart namhaft macht, daß eine Bestrafung erfolgen kann, erhält 10 Mark Belohnung. Bretnig, den 29. Mai 1893. Der Gemein de rat. Gebler, Gem.-Vorstand. Oertliches und Sächsisches Bretnig, den 31. Ma' 1893. F ! Bretnig. Unter reger Beteiligung hielt am Sonntag der „Verband für Feuer schäden" in Wallroda seine Verbandsver- MNmlung ab. Aus den Verhandlungen geht hervor, daß für einen Abgebrannten in Wall roda die Summe von 334 Mk. 16 Pf. ge- iainmelt worden ist. Ausgenommen in den ^erband wurden ferner die Vereine von Frankenthal, Elstra und der Färber- und Druckerverein zu Bretnig, so daß nunmehr ^r Verband über 2500 Mitglieder verfügt. Das diesjährige Sommeroergnügen bsabsich- ugt man in Lomnitz, falls dieser Ort das Fest nicht übernehmen sollte, in Bretnig ab- Dhalten. Weiter wurde beschlossen, eine Ver- bandssteuer einzuführen; während der ersten Doi Jahre sollen 3 Pf., alsdann 2 Pf. pro erhoben werden. Die nächste Verbands- versammluna findet in diesem Herbst in Gers dorf statt. AH — Mandatsmüde. Auf die Bewerbung pm ein neues Mandat haben endgiltig fol- gende frühere Abgeordnete verzichtet: Von den Konservativen: Graf Kleist-Schwenzin, o. Maltzahn-Vanselow, Graf v. Schlieffen- Schwandt, Prinz Handjery, v. Steinau-Stein- *ück, v. Henk, v. Flügge, v. Busse (hatte be reits vor der Auflösung niedergelegt), Bock- Minden, Dr. Schier, Hempel, Klemm (wach sen), Hultzsch, Ackermann, Freiherr v. Friesen, Dr. Giese, Dr. Hartmann, Menzer, v. Bredow-Mückenberg, Graf v. Saltern-Ahlimb- Ringenwalde; von der Relchspartei: Gehlert, Fürst Hatzfeld; vom Zentrum: Graf Chamaro, Freiherr v. Gagern, Graf Ballestrem, Frei- l, Herr v. Huene, Dr. Porsch, Menken, Freiherr v. Reitzenstein, Graf Aoelmann, Szmula, js Freiherr v. Wendt, Graf Hoensbroech, Frei herr v. Dalwigk-Lichtenfels,, Graf Fischer, Burlein, Biehl, Weiß, Wagner, Freiherr v. Franckenstein, Graf Schoenborn, Hannen, Graf Walterdorff, Gras Max Preysing (also 14 Adelige) ; von den Nationalliberalen: » Dr. v. Marquardsen, Pfähler, Occhelhüuser, Holtzmann, Günther, Müllensiefen, Dr. Buhl, l Dr. Casselmann, Hoffmann, Götz, Schneider I (Hamm); von den Deutschfreisinnigen: Frei- I Herr v. Stauffenberg, Dr. Ruge, Dr. Bam- I berger, Eberty, Zangemeister, Jungfer, Panse, l Kaufmann, Dau, Schütte; von der Volks- t Partei: Dillinger, Hoerle, Freiherr v. Münch, t von den Sozialdemokraten: Hickel, Heine; s; von den Elsässern: Lang, Dr.' North, Frei herr v. Dietrich; von den Welfen: Dr. Brüel; von den Wilden, d. h. sich keiner Partei Anschließenden: Fürst Bismarck und Kangerseldt. , den sozialdemokratischen Reichs- agskanmdaten befinden sich diesmal drei Ade- lge und vier Doktoren. Sonst überwiegt «er Stand der Gewerbetreibenden und Klein- Meister, doch sind auch viele Schriftsteller, Dm^eil allerdings früher einem hand- oertenden Beruf angehörten, unter ihnen vertreten. Dnn»--. Aufsehen erregt der am Donnerstag ausgebrochene Konkurs des Bank hauses Pötschke und Dosse in Bautzen. Der vor wenigen Tagen verstorbene Inhaber der Firma Pötschke galt allgemein als ein reich begüteter Mann und war allgemein be liebt und geachtet. Ueber die Höhe der Pas siven ist zur Zeit Näheres nicht bekannt. Dresden. Dem Vorsitzenden des Komitees zur Absendung eines Protestes ge gen den Antrag, die Aufhebung des Jesu itengesetzes vom 4. Juli 1872 betreffend, wurde jetzt das Schriftstück mit seinen 44,441 Unterschriften aus Dresden und Umgegend mit dem Bemerken zurückgesandt, daß das selbe, nachdem die Ueberweisung an die Kom mission für Petitionen stattgefunden hatte, infolge Auflösung des Reichstages nicht mehr zur Beratung und Beschlußfassung gelangt sei. Dasselbe soll nun einstweilen dem städt ischen Archiv überwiesen werden. — Eine Schneidermamsell in Meißen, die die Woche vor Pfingsten Tag und Nacht! ihrem Berufe nachgegangen war, auch vom Sonnabend zum 1. Feiertag die ganze Nacht hindurch gearbeitet hatte, legte sich sodann mit dem Wunsche nieder, ihre Logiswirtin möge sie zum Frühschoppenkonzert wecken. Die Wirtin vermochte jedoch die Müde nicht zu erwecken, hatte auch selbst Eile, ihre Pfingstreise anzutreten. Bei ihrer Rückkunft am zweiten Feiertag nachts war sie nicht wenig erstaunt, ihre Logismanisell noch im tieftn Schlaf zu finden. — Eine s "'mme Erfahrung auf dem Gebiete des zum Bestenhabens machte dieser Tage ein in einem Komtoir in Großenhain beschäftigter Schreiber. Derselbe spielte ein Los in der sächsischen Landeslotterie, hatte dasselbe aber — wahrscheinlich „der Not ge horchend, nicht dem eigenen Triebe" — An fangs dieser Woche verkauft. Am nächsten Tage wurde ihm brieflich die Mitteilung ge macht, daß ihm die launische Glücksgöttin auf sein (verkauftes) Los 30,000 Mark in den Schoß geworfen habe. Ohne weiter darüber nachzudenken, daß es mit dieser brieflichen Mitteilung höchst unwahrscheinlich sei, geriet der Mann in eine ja leichtbegreifliche Auf regung. Semem geivaltigen Unmute, der sich schließlich m Thaten Luft machte, fielen sämtliche ihm erreichbaren Gegenstände zum Opfer und fanden zerbrochen und zerschlagen ein rechtzeitiges Ende. Natürlich war der Chef mit diesem Thatendrange seines Schrei bers durchaus nicht einverstanden, sondern be förderte ihn einfach an die Luft. Daselbst an gelaugt, kam er trotz der herrschenden hohen Temperatur so weit zur Ernüchterung, daß er begriff, daß man sich m t ihzn nur ein Späßchen gemacht und daß er wegen dieses Spaßes seine Stellung eingebüßt habe. — Der in letzter Zeit vielgenannte Convertit Paulus Mayer wurde über Re quisition des Leipziger Gerichts wegen Ver leumdung in Wien verhaftet. Mayer machte dort bekanntlich dadurch viel von . sich reden, daß er an Pfarrer Deckert, der eine Broschüre über den Ritualmord bei den Ju den veröffentlichte, einen Brief schrieb, wo rin er schilderte, wie er als Jüngling in Rußland einem Ritualmorde beiwohnte. Der Professor der Theologie an der Wiener Uni versität Dr. Bickell veröffentlichte später eine Erklärung, wonach ihm Mayer zugestanden habe, daß er das Blutmärchen nur erfunden habe. Mayer ist übrigens von Deutschland äußerst übel beleumundet. Die Verhaftung des Paulus Mayer erfolgte wegen einer Bro schüre, die in Leipzig erschienen und gegen die protestantischen Pastoren gerichtet war. Diese Broschüre enthielt lügenhafte Angaben, infolge dessen die Pastoren eine Verleumd ungsklage gegen ihn anstrebten. Mayer war bereits mehrmals mit den Gerichten in Be rührung gekommen. Interessant ist, daß er vor Jahren einen Selbstmordversuch in Ruß land verübte, indem er sich aufhängen wollte. Der Sohn eines Rabbiners schnitt damals den Strick ab. — Am Mittwoch abend verschied plötz lich der Bürgermeister Sinz in Bischofswerda. — Das große Los ist in die Stadt Riesa und Umgegend gefallen. — In diesen Tagen kehrte in einem Ort bei Zwickau ein Mann zurück, der 30 Jahre lang im Zuchthause wegen eines Tot schlags verbracht hatte. Kirchennachrichten von Hauswalde, von voriger Woche. Getauft: Alwin Martin, des Hausbes. und Kramers R. A. Heinrich in Hauswalde S. — Louisia Elsa, des Haus- und Feld besitzers R. E. Gebler in Bretnig T. — Bernhard Richard, unehel. S. in Bretnig.— Anna Frida, des Hausbes. unv Viehhänd lers H. Pfeifer in Hauswalde T. — Bertha Elsa, des Fabrikarb. H. C. Boden in Bret nig T. — Elsa Hedwig, des Mangeleibes. G. A. Hofmann in Hauswalde L. — Otto Paul, des Maurers O. E. Biesold in Haus walde S. — Hermann Willy, des Lehrers I. H. Schneider in Hauswalde S. — Ma ria Johanna, des Gasthofsbes. G. A. Beeg in Bretnig T. Getraut: Karl Heinrich Hänisch, Fa brikarb. in Pulsnitz, und Minna Clara Oehme in Bretnig. — Robert Bruno Röntzsch, Braumeister in Bretnig, und Martha Marie verw. Haufe in Bretnig. Beerdigt: Karl Traugott Schölzel, Hausauszügler und Maurer in Bretnig, 73 I. 1 M. 27 T. alt. Kirchennachrichten von Hauswalde. Beerdigt: Friederike Henriette Horn in Hauswalde, ledigen Standes, 54 I. 8 M. 14 T. alt. 1. Sonntag nach Trin. Gottesdienst und Abendmahlsfeier. Eingesandt. Bretnig. Am Sonntag stellte sich un Weitzmannschen Gasthof in Ohorn und im Gasthof zur grünen Aue hierselbst der im 3. sächs. Wahlkreise von sozialdemokratischer Seite aufgestellte Kandidat, Herr Höppner aus Dresden, seinen Wähler zum ersten Mal vor. Beide genannten Säle waren der maßen gefüllt, daß Nachzügler nur mit knap ¬ per Not in den Besitz eines Stehplatzes ge langen konnten. In fast 1 ^stündiger Rede suchte Referent das Verhalten der Sozial demokraten zu dem jetzigen Wahlkampfe, der nur durch die Ablehnung der Militärvorlage entstanden sei, klar zu legen. Redner er kannte die Notwendigkeit derselben nicht an, in dem im Falle eines Krieges der Dreibund den Nachbarstaaten, Frankreich und Rußland zusammen, mit über 1 Million Streitkräften überlegen sei. Die sozialdemokratische Partei finde sich daher nicht im Geringsten bereit, auch nur einen Mann und einen Groschen zu bewilligen, vielmehr müsse man für bessere Besoldung der Subalternbeamten, Volksschul lehrer bestrebt sein. Seine Ausführungen fanden bei den Anwesenden den besten An klang. Nachdem noch Verschiedenes bezüglich der Wahlangelegenheit besprochen und sich kein Redner zum Worte gemeldet hatte, wurde die Versammlung geschlossen. Kamenz. Die am 25. Mai abends im Saale des goldenen Stern abgehaltene Wahlversammlung der deutschen Reformpartei war sehr zahlreich besucht. Herr Paul Schäfer eröffnete die Versammlung mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf Ihre Majestäten Kaiser Wilhelm und König Albert von Sachsen. Nach seiner Wahl zum Vor sitzenden erteilte Herr Schäfer dem zum Kan didaten aufgestellten Herrn Blumenfabrikant Gräfe aus Bischofswerda das W rt. Aus- gehend von der gewaltigen Zeit L Wieder- aufrichtnng des deutschen Reichs, betrachtete der Redner den Entwicklungsgang unserer nationalen Verhältnisse und betörte dabei, daß leider so vieles entartet sei, daß die Volksvertretung unter jüdischem Einflüsse in vieler Hinsicht, in Gesetzgebung und innerer Zerfahrenheit nicht den Anforderungen des Volkes genügt habe und ganz andere Ver hältnisse geschaffen werden müßten, wenn die in unserem Vaterlande nunmehr eingerifsenen ungesunden Zustände wieder sich zum Besseren wenden sollten. Zur Militärvorlage bemerkte er, daß seine Partei sich wohl bewußt sei, daß Deutschland zum Schutze seiner Grenzen und seines Volkswohlstandes einer starken Kriegsmacht nicht entbehren könne und auch der geforderten Heeresverstärkung nicht ent gegen sei, wenn vor dem Beschlusse darüber die Sicherheit vorhanden, daß die Kosten und Lasten dafür nicht auf die Schultern des Mittelstandes und der Arbeiter gewälzt, son dern durch eine Börsen- und Luxussteuer aufgebracht würden. Nach langen stürmischen Beifallsbezeugungen ergriff der sozialistische Gegenkandidat Herr Höppner aus Dresden das Wort, welches ihm von der Versammlung auf 20 Minuten erteilt wurde. Allein schon seine ersten Worte, daß die deutsche Nation schon vor Einführung des Christentums be standen habe und daß auch Deutsch land jedenfalls ohne Christentum fortexistieren könne, riefen einen solchen Entrüstungs sturm, untermischt mit Beifallsbezeugunzen der so zialistischen Anwesenden, hervor, daß die Ruhe nicht wieder herzustellen möglich war und der Vorsitzende die Versammlung schließen mußte.